Entscheidungsdatum: 24.04.2015
Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 17. Dezember 2014 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt Dr. E. aus M. beizuordnen, wird abgelehnt.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im vorgenannten Urteil wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
I. Das LSG Sachsen-Anhalt hat im Urteil vom 17.12.2014 einen Anspruch der im Dezember 1962 geborenen Klägerin auf Rente wegen Erwerbsminderung verneint, weil sie nach dem Ergebnis der sozialmedizinischen Ermittlungen noch in der Lage sei, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Die Klägerin macht mit ihrer beim BSG erhobenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem genannten Urteil eine Rechtsprechungsabweichung sowie Verfahrensmängel geltend. Zugleich beantragt sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. E. aus M.
II. 1. Der PKH-Antrag ist abzulehnen. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 Abs 1 ZPO). Denn die bereits von einem Rechtsanwalt erhobene und begründete Nichtzulassungsbeschwerde erfüllt nicht die insoweit vorgeschriebenen formellen Voraussetzungen (dazu näher unter 2.). Damit entfällt zugleich die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§ 121 Abs 1 ZPO).
2. Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Beschwerdebegründung vom 17.2.2015 genügt nicht der vorgeschriebenen Form, denn sie hat weder eine Divergenz noch einen Verfahrensmangel formgerecht dargelegt.
a) Die Klägerin hat eine Rechtsprechungsabweichung nicht ordnungsgemäß bezeichnet (§ 160 Abs 2 Nr 2 iVm § 160a Abs 2 S 3 SGG).
Hierzu sind entscheidungstragende Rechtssätze aus dem Berufungsurteil sowie aus einer höchstrichterlichen Entscheidung einander gegenüberzustellen; zudem ist näher zu begründen, weshalb diese nicht miteinander vereinbar sind und inwiefern die Entscheidung des LSG auf der Abweichung beruht (stRspr, vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 10 RdNr 4, Nr 13 RdNr 17). Nicht ausreichend ist hingegen, wenn die fehlerhafte Anwendung eines als solchen nicht in Frage gestellten höchstrichterlichen Rechtssatzes durch das Berufungsgericht geltend gemacht wird (bloße Subsumtionsrüge), denn nicht die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall, sondern nur eine Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen ermöglicht die Zulassung der Revision wegen Divergenz (BSG SozR 1500 § 160a Nr 67 S 91; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 f).
Den genannten Anforderungen wird das Vorbringen der Klägerin nicht gerecht. Sie trägt insoweit vor, das LSG sei in der angefochtenen Entscheidung einer Feststellung der Sachverständigen Dr. H. gefolgt, dass längere krankheitsbedingte Ausfallzeiten nicht zu erwarten seien. Damit habe es sich in Widerspruch zum Urteil des BSG vom 21.7.1992 (4 RA 13/91 - Juris RdNr 17 bzw 16) gesetzt, das klargestellt habe, dass die Mindestanforderungen, die ein Arbeitgeber berechtigt stellen könne, nicht mehr erfüllt würden, wenn der Versicherte die Arbeitsleistung für einen Zeitraum von mehr als 26 Wochen (sechs Monate) im Jahr nicht mehr erbringen könne. Das LSG habe somit "den Rechtssatz ausgeführt, dass die Klägerin nach dem Ergebnis der im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren durchgeführten medizinischen Ermittlungen seit Rentenantragstellung in der Lage (ist), unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein". Das vom LSG festgestellte Leistungsvermögen sei mithin mit dem Rechtssatz aus der genannten BSG-Entscheidung nicht vereinbar (Beschwerdebegründung S 8). Eine Divergenz im Rechtsgrundsätzlichen iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG ist damit jedoch nicht aufgezeigt. Denn die Klägerin stellt dem aus der BSG-Entscheidung vom 21.7.1992 entnommenen Rechtssatz keinen abweichenden abstrakt-generellen Rechtssatz gegenüber, der der angefochtenen Entscheidung des LSG zugrunde liegt. Was sie als "Rechtssatz" des LSG bezeichnet, ist vielmehr offenkundig das Ergebnis der vom LSG durchgeführten Subsumtion der von ihm im Einzelfall der Klägerin festgestellten Tatsachen unter die Vorschrift des § 43 Abs 3 SGB VI. Dass das LSG dabei von rechtlichen Maßstäben ausgegangen ist, die den in der genannten BSG-Entscheidung entwickelten Maßstäben widersprechen, hat die Klägerin jedoch nicht aufzuzeigen vermocht. Ihr Vortrag erschöpft sich vielmehr darin, das vom Berufungsgericht in ihrem Fall gefundene Subsumtionsergebnis als falsch zu kritisieren. Das geht über eine - unbeachtliche - Subsumtionsrüge nicht hinaus.
b) Auch einen Verfahrensmangel hat die Klägerin nicht in der erforderlichen Weise dargetan (§ 160 Abs 2 Nr 3 iVm § 160a Abs 2 S 3 SGG).
Hierzu müssen die tatsächlichen Umstände, welche den geltend gemachten Verfahrensverstoß begründen sollen, substantiiert und schlüssig dargelegt und darüber hinaus muss aufgezeigt werden, inwiefern die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4, Nr 21 RdNr 4 - jeweils mwN; Krasney in Krasney/ Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX RdNr 202 ff). Zu beachten ist aber, dass ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG gestützt werden kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 Teils 2 SGG) und dass die Rüge einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 103 SGG nur statthaft ist, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 Teils 3 SGG).
Auch diesen Erfordernissen wird das Vorbringen der Klägerin nicht gerecht:
aa) Soweit sie eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) rügt, weil das LSG ihren in der mündlichen Verhandlung am 17.12.2014 gestellten Vertagungsantrag zur Ermöglichung weiterer von der Klägerin angestrebter Untersuchungen in einem Schlaflabor vor einer abschließenden Entscheidung abgelehnt habe, hat sie keinen Beweisantrag bezeichnet, den sie bis zuletzt aufrechterhalten habe.
bb) Der Vorhalt, das Berufungsgericht habe ihren Vortrag nicht zur Kenntnis genommen, dass der Befund des Dipl.-Med. N. vom 11.2.2012 über das Nichtvorliegen eines behandlungsbedürftigen obstruktiven Schlafapnoesyndroms nicht mehr aktuell sei, zeigt eine hiermit geltend gemachte Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht in schlüssiger Weise auf. Denn grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs kann daher nur angenommen werden, wenn sich aus besonderen Umständen des Falles ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist (stRspr, vgl BVerfG
cc) Weiterhin beanstandet die Klägerin, das LSG habe sich medizinische Kenntnisse angemaßt, wenn es in der soeben genannten Urteilsbegründung ausführe, "dass die klinischen Auswirkungen des Schlafapnoesyndroms der Klägerin keinen Einfluss auf die streitentscheidende Leistungsbeurteilung haben würden". Auch damit ist ein Verfahrensmangel nicht schlüssig aufgezeigt. Denn die von der Klägerin wörtlich wiedergegebenen Urteilsgründe belegen, dass das LSG die ihm unterstellten Ausführungen tatsächlich nicht gemacht, sondern vielmehr genau das Gegenteil formuliert hat: "Maßgebend für die streitentscheidende Leistungsbeurteilung sind allein die klinischen Auswirkungen einer Erkrankung auf das Leistungsvermögen. Klinische Auswirkungen des Schlafapnoesyndroms sind von Dr. H., wie sie in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 16. September 2014 klargestellt hat, nicht festgestellt worden und werden auch von den behandelnden Ärzten nicht beschrieben" (Urteilsumdruck S 12 Abs 1 bzw Beschwerdebegründung S 6 Abs 3).
dd) Soweit die Klägerin rügt, die Beklagte habe keine ausreichende Gelegenheit gehabt, sich zu dem von ihr am 9.12.2014 dem LSG übersandten Schreiben des Dipl.-Med. N. vom 18.11.2014 zu äußern, behauptet sie eine Verletzung des Anspruchs der Beklagten auf ausreichendes rechtliches Gehör (§ 62 SGG). Es bedarf an dieser Stelle keiner vertieften Erörterung, ob die Klägerin überhaupt Verfahrensmängel rügen kann, die nicht ihre eigene Rechtsposition, sondern diejenige des Verfahrensgegners beeinträchtigt haben sollen. Jedenfalls handelt es sich bei der behaupteten Verletzung des rechtlichen Gehörs um einen grundsätzlich heilbaren Verfahrensmangel (§ 202 S 1 SGG iVm §§ 556, 295 Abs 1 ZPO - s hierzu BSG Beschluss vom 12.2.2002 - B 11 AL 249/01 B - Juris RdNr 8). Deshalb muss eine schlüssige Darlegung dieses Verfahrensmangels auch Ausführungen dazu enthalten, ob der Fehler schon in der Berufungsinstanz gerügt wurde oder weshalb sonst eine Heilung nicht eingetreten ist (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 160a RdNr 16a; Karmanski in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 160a RdNr 88). Dazu, wie die Beklagte sich zu der behaupteten Beeinträchtigung ihres rechtlichen Gehörs durch das LSG verhalten hat, insbesondere ob sie auf die Einräumung einer vierzehntätigen Äußerungsfrist verzichtet oder trotz Kenntnis des Mangels ohne entsprechende Rüge mündlich verhandelt hat, schweigt die Beschwerdebegründung jedoch.
ee) Der Vorwurf, das LSG habe den Antrag der Klägerin "auf Terminsaufhebung vom 09.12.2014 wegen neuer rechtlicher und tatsächlicher Gesichtspunkte" nicht zur Kenntnis genommen und nicht beschieden, enthält hingegen die Rüge einer Verletzung ihres eigenen Anspruchs auf rechtliches Gehör. Auch insoweit ist ihrem Vorbringen allerdings nicht zu entnehmen, ob sie diesen Mangel gerügt hat, bevor sie sich am 17.12.2014 auf die mündliche Verhandlung vor dem LSG eingelassen hat. Ein fortwirkender Verfahrensmangel ist deshalb auch in dieser Hinsicht nicht schlüssig dargetan. Im Übrigen trägt die Klägerin vor, sie habe in der mündlichen Verhandlung aus denselben Gründen einen Vertagungsantrag gestellt, der vom Berufungsgericht aber abgelehnt worden sei; zudem sei im Urteil des LSG näher begründet, weshalb das Gericht keinen Anlass gesehen habe, das Ergebnis einer eventuell demnächst stattfindenden Polysomnographie abzuwarten. Dass sie auch hierdurch in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden sei, macht die Klägerin selbst nicht geltend.
ff) Schließlich beanstandet die Klägerin, das Urteil des LSG enthalte keine ausreichenden Entscheidungsgründe iS von § 136 Abs 1 Nr 6 SGG. Sie macht hierzu jedoch keinerlei weitere Angaben. Allein mit dieser pauschalen Behauptung ist ein Verfahrensmangel, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, nicht schlüssig bezeichnet (zu den Darlegungsanforderungen s Senatsbeschluss vom 21.1.2015 - B 13 R 403/14 B - JurionRS 2015, 10754 RdNr 8).
gg) Soweit die Klägerin abschließend rügt, die Sachverständige Dr. H. sei bei ihren Feststellungen zur Glaubwürdigkeit der von ihr geklagten Schmerzen den seit 2007 bestehenden Leitlinien für die Begutachtung von Schmerzen nicht gerecht geworden, betrifft dies zunächst keinen Verfahrensfehler des LSG. Wenn sie damit letztlich aber geltend machen will, dass sich das LSG in seiner Entscheidung zu Unrecht auf das Gutachten der Dr. H. gestützt habe, greift sie die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts an. Nach ausdrücklicher Anordnung in § 160 Abs 2 Nr 3 Teils 2 SGG kann jedoch im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung des Grundsatzes freier richterlicher Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 S 1 SGG) gestützt werden.
Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.