Entscheidungsdatum: 09.01.2017
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 13. Oktober 2016 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Das Bayerische LSG hat mit Urteil vom 13.10.2016 den geltend gemachten Anspruch der Klägerin auf Rente wegen Erwerbsminderung verneint. Die Klägerin sei zwar zumindest befristet als voll erwerbsgemindert anzusehen; sie erfülle aber die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 43 Abs 2 S 1 Nr 2 SGB VI nicht, weil in den letzten 5 Jahren vor dem Eintritt des Leistungsfalls nur 32 statt der erforderlichen 36 Monate mit Pflichtbeitragszeiten vorlägen. Die hilfsweise beantragte Beitragsnachzahlung könne nicht mit einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch begründet werden. Ein Beratungsmangel der beigeladenen Bundesagentur für Arbeit sei nicht als belegt anzusehen. Im Übrigen scheitere ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch an der nicht hinreichend belegbaren Kausalität.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin beim BSG Beschwerde eingelegt und die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG sowie Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG geltend gemacht.
Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Beschwerdebegründung vom 27.12.2016 genügt nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Form, weil sie die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht ordnungsgemäß dargetan hat (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG).
1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtssicherheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine solche Klärung erwarten lässt (vgl zum Ganzen BSG Beschluss vom 25.9.2002 - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).
Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. Als bereits höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht bzw das BVerfG diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17). Im Hinblick hierauf muss in der Beschwerdebegründung unter Auswertung der Rechtsprechung des BSG zu dem Problemkreis substantiiert vorgetragen werden, dass zu dem angesprochenen Fragenbereich noch keine Entscheidung vorliege oder durch die schon vorliegenden Urteile die hier maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet sei (Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX RdNr 183 mwN).
Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Sie bezeichnet als Fragen von grundsätzlicher Bedeutung, |
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"ob die Verletzung der Beratungspflicht eines Sozialversicherungsträgers dem anderen Sozialversicherungsträger, dessen Leistung davon betroffen ist, zuzurechnen ist", | ||
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"ob die Voraussetzungen der Leistungen aus dieser Sozialversicherung dann infolge des Beratungsfehlers als erfüllt angenommen werden." |
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin hinreichend konkrete Rechtsfragen iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG bezeichnet hat. Denn sie setzt sich insoweit nicht ansatzweise mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung und damit auch nicht mit der Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Fragen auseinander. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG kann sich ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch grundsätzlich auch aus dem fehlerhaften Verhalten anderer Behörden ergeben (vgl BSGE 51, 89, 95 = SozR 2200 § 381 Nr 44; 57, 288, 290 = SozR 1200 § 14 Nr 18; 63, 112, 115 = SozR 1200 § 14 Nr 28; 71, 217, 218 = SozR 3-1200 § 14 Nr 8; Senatsurteil vom 22.10.1996 - 13 RJ 69/95 - SozR 3-1200 § 14 Nr 22 S 74; Senatsurteil vom 6.5.2010 - B 13 R 44/09 R - SozR 4-1200 § 14 Nr 13 RdNr 30). Eine dem zuständigen Leistungsträger zurechenbare Verletzung der Beratungspflicht einer anderen Behörde wird insbesondere angenommen, wenn die Zuständigkeitsbereiche beider Stellen materiell-rechtlich eng miteinander verknüpft sind, die andere Behörde im maßgeblichen Zeitpunkt aufgrund eines bestehenden Kontaktes der aktuelle "Ansprechpartner" der Versicherten ist und sie aufgrund der ihr bekannten Umstände erkennen kann, dass bei der Versicherten im Hinblick auf das andere sozialrechtliche Gebiet ein dringender Beratungsbedarf in einer gewichtigen Frage besteht (vgl Senatsurteil vom 22.10.1996 - 13 RJ 69/95 - SozR 3-1200 § 14 Nr 22 S 75; Senatsurteil vom 6.5.2010 - B 13 R 44/09 R - SozR 4-1200 § 14 Nr 13 RdNr 31 ff). Ist die unzureichende Beratung ursächlich für ein Handeln oder Unterlassen zB rechtzeitiger Beitragsentrichtung geworden, kann die Herstellung des Zustands verlangt werden, der bestehen würde, wenn die Beratung pflichtgemäß erfolgt wäre, dh ggf auch die Zulassung der Beitragsnachentrichtung (vgl BSGE 49, 76, 81 = SozR 2200 § 1418 Nr 6; 65, 266, 270 = SozR 2400 § 2 Nr 28; Senatsurteil vom 22.10.1996 - aaO - SozR 3-1200 § 14 Nr 22 S 77).
Allein die pauschale Behauptung der Klägerin, die aufgeworfenen Fragen seien noch nicht geklärt, reicht vor diesem Hintergrund nicht aus.
Darüber hinaus hat die Klägerin die Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) der gestellten Fragen nicht hinreichend dargelegt.
Soweit sie geltend macht, dass sie aufgrund fehlender Beratung versäumt habe, freiwillige Beiträge zu zahlen, bleibt in der Beschwerdebegründung bereits offen, warum hier statt der grundsätzlich erforderlichen Pflichtbeitragszeiten iS von § 43 Abs 2 S 1 Nr 2 SGB VI ausnahmsweise (zB nach § 241 Abs 2 SGB VI) freiwillige Beiträge zum Erhalt der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen ausreichend gewesen sein sollen.
Die Klägerin trägt schließlich auch nicht vor, dass der Beratungsmangel kausal dafür gewesen sei (vgl zu diesem Erfordernis BSGE 59, 60, 68 = SozR 5070 § 10 Nr 31; Senatsurteil vom 22.10.1996 - aaO - SozR 3-1200 § 14 Nr 22 S 77; Senatsurteil vom 26.7.2007 - B 13 R 4/06 R - SozR 4-2600 § 115 Nr 2 RdNr 25), dass sie einen Antrag auf Versicherungspflicht für Selbständige nach § 4 Abs 2 SGB VI unterlassen hätte. Da das LSG den Kausalzusammenhang verneint hat, wären insoweit nähere Ausführungen erforderlich gewesen.
2. Um eine Divergenz iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG in einer den Anforderungen des § 160a Abs 2 S 3 SGG genügender Weise zu bezeichnen, muss die Beschwerdebegründung ua einen Widerspruch tragender abstrakter Rechtssätze in der Entscheidung des LSG einerseits und einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG andererseits aufzeigen (BSG SozR 1500 § 160a Nr 67). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Sie rügt die Nichtbeachtung von Entscheidungen des BSG zum sozialrechtlichen Herstellungsanspruch, ohne diesen jedoch einen abweichenden abstrakten Rechtssatz des LSG gegenüberzustellen. Die Zulassung der Revision wegen Divergenz kann aber nicht mit der behaupteten Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern nur mit der Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet werden.
Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.