Entscheidungsdatum: 24.02.2016
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sächsischen Landessozialgerichts vom 25. August 2015 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
I. Die Beteiligten streiten in der Hauptsache über eine Rente wegen Erwerbsminderung.
Den Antrag des 1960 geborenen Klägers auf Rente wegen Erwerbsminderung vom Januar 2013 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 24.5.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.7.2013 ab. Die hiergegen vor dem SG Leipzig erhobene Klage blieb erfolglos (Urteil vom 16.6.2014). Im Berufungsverfahren hat das LSG ua ein Sachverständigengutachten der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. P. vom 27.7.2015 eingeholt. Diese hat den Kläger noch für in der Lage erachtet, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte körperliche Arbeiten mindestens sechs Stunden täglich, zB als Warenaufmacher/Versandfertigmacher, auszuüben. Mit Schreiben vom 6.8.2015, beim Prozessbevollmächtigten des Klägers eingegangen am 12.8.2015, hat das LSG dieses Gutachten dem Kläger zur Kenntnis übersandt und darauf hingewiesen, dass es beabsichtige, den Rechtsstreit nach § 153 Abs 4 S 1 SGG ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden. Zugleich hat es ihm Gelegenheit zur Äußerung binnen vier Wochen gegeben. Mit Beschluss vom 25.8.2015 hat das LSG die Berufung zurückgewiesen und sich zur Begründung ua auch auf das Gutachten der Sachverständigen Dr. P. gestützt. Die Entscheidung wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 31.8.2015 zugestellt.
Der Kläger rügt eine Verletzung des § 153 Abs 4 S 2 SGG. Das LSG habe ihm in seiner Anhörungsmitteilung eine Frist zur Äußerung bis zum 9.9.2015 (vier Wochen bei Zugang am 12.8.2015) gesetzt. Ohne eine entsprechende Stellungnahme von ihm abzuwarten, habe das LSG im Beschlussverfahren aber bereits am 25.8.2015 entschieden. Er habe daher keine Gelegenheit mehr gehabt, fristgerecht insbesondere zum Gutachten der Sachverständigen Dr. P. eine Stellungnahme abgeben zu können. Dies stelle einen absoluten Revisionsgrund dar.
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist zulässig und begründet. Er hat mit der von ihm gerügten Verletzung der Anhörungspflicht nach § 153 Abs 4 S 2 SGG einen Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG schlüssig bezeichnet (§ 160a Abs 2 S 3 SGG). Dieser Verfahrensmangel liegt auch tatsächlich vor (dazu unter 1.). Die angefochtene Entscheidung beruht auch auf diesem Verfahrensmangel (dazu unter 2.).
1. Das LSG hat § 153 Abs 4 S 2 SGG verletzt, wonach die Beteiligten vor Erlass eines Beschlusses nach § 153 Abs 4 S 1 SGG zu hören sind. Der Verstoß des Berufungsgerichts gegen diese Verfahrensvorschrift liegt darin begründet, dass es dem Kläger in seiner Anhörungsmitteilung vom 6.8.2015 eine Frist zur Äußerung von vier Wochen eingeräumt und diese durch seine bereits am 25.8.2015 erfolgte Beschlussfassung selbst nicht beachtet hat (vgl Senatsbeschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 61/12 B - Juris RdNr 8; BSG Beschluss vom 12.2.2009 - B 5 R 386/07 B - SozR 4-1500 § 153 Nr 7 RdNr 12 mwN).
2. Die angefochtene Entscheidung beruht auch auf dem festgestellten Verfahrensmangel. Anders als die Verletzung von § 153 Abs 4 S 1 SGG ist diejenige von S 2 nicht ohne Weiteres wie ein absoluter Revisionsgrund (gemäß § 202 S 1 SGG iVm § 547 Nr 1 ZPO
Soweit der bisherigen Rechtsprechung des Senats Gegenteiliges entnommen werden kann (vgl Senatsbeschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 61/12 B - Juris RdNr 9 f), hält er hieran nach erneuter Prüfung nicht fest (der Senatsbeschluss vom 8.1.2013 - B 13 R 300/11 B - Juris RdNr 14 ff und der Beschluss des 5. Senats des BSG vom 12.2.2009 - B 5 R 386/07 B - SozR 4-1500 § 153 Nr 7 betreffen dagegen den hier nicht zu behandelnden Fall einer zu kurzen Anhörungsfrist).
3. Da somit die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliegen, macht der Senat von der Möglichkeit Gebrauch, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 160a Abs 5 SGG).
4. Die Entscheidung über die Kosten unter Einbeziehung der Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt der abschließenden Entscheidung des LSG vorbehalten.