Entscheidungsdatum: 28.10.2010
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 16. Juni 2010 wird als unzulässig verworfen.
Der Antrag der Klägerin auf Aufhebung der im vorgenannten Urteil getroffenen Entscheidung, ihr Gerichtskosten in Höhe von 225 Euro aufzuerlegen, wird abgelehnt.
Die Beteiligten haben einander auch für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Mit Urteil vom 16.6.2010 hat das LSG Niedersachsen-Bremen den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf höhere Anpassung ihrer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zum 1.7.2007 verneint und ihr Gerichtskosten in Höhe von 225 Euro auferlegt.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin beim BSG Beschwerde eingelegt. Sie beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Ferner beantragt sie, "gemäß § 192 Abs. 3 Satz 2 SGG" die Entscheidung des LSG aufzuheben, ihr eine sog Missbrauchsgebühr nach § 192 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG aufzuerlegen.
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Begründung genügt den gesetzlichen Anforderungen nicht, weil der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG nicht ordnungsgemäß dargelegt worden ist (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
Grundsätzlich bedeutsam iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG ist eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese Rechtsfragen noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine derartige Klärung erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin (1) eine konkrete Rechtsfrage, (2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) und (4) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) aufzeigen (vgl zum Ganzen BSG vom 25.9.2002, SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
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Die Klägerin bezeichnet als grundsätzlich bedeutsam die Frage: |
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"Stellt die zum 01.07.2007 erfolgte Rentenanpassung eine Verletzung der Art. 14 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG dar und in diesem Zusammenhang konkret: Hat der Gesetzgeber durch die Rentenanpassung 2007 die Grenzen seines sozialpolitischen Gestaltungsspielraums bei der Ausgestaltung der Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung überschritten, sodass von einer dauerhaften Abkoppelung von der allgemeinen Lohnentwicklung auszugehen ist, …" |
Es kann dahinstehen, ob die Klägerin damit eine hinreichend konkrete Rechtsfrage im oben genannten Sinne formuliert hat. Jedenfalls fehlt es an der erforderlichen Darlegung der Klärungsbedürftigkeit. Für die Darlegung verfassungsrechtlicher Bedenken gegen die Regelungen, auf die das Berufungsgericht seine Entscheidung gestützt hat, muss unter Einbeziehung der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung - insbesondere des BVerfG, aber auch des BSG - im Einzelnen aufgezeigt werden, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Verfassungsmäßigkeit umstritten ist (vgl BSG vom 22.8.1975 - BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; BSG vom 5.8.2003 - B 12 RA 5/03 B - Juris RdNr 6; BSG vom 8.12.2008 - B 12 R 38/07 B - Juris RdNr 7). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Die Klägerin zitiert zwar die Entscheidung des BVerfG vom 26.7.2007 (
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin sich in ihrer Beschwerdebegründung hinreichend mit der von ihr zitierten Entscheidung des BVerfG auseinandergesetzt und untersucht hat, ob sich aus den dortigen Ausführungen Hinweise für die Beantwortung der aufgeworfenen Frage ergeben. Eine Auseinandersetzung erfordert, anhand dieser Rechtsprechung zu begründen, dass Bedarf nach einer - weiteren - Entscheidung des Revisionsgerichts bestehe (vgl BSG vom 22.4.1997 - BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 23 S 42; BSG vom 27.6.2001 - B 6 KA 6/01 B - Juris RdNr 4). Sie erübrigt sich jedenfalls nicht bereits deshalb, weil die von der Klägerin herangezogene Entscheidung des BVerfG nicht die Verfassungsmäßigkeit der Rentenanpassung 2007 zum Gegenstand hat. Denn eine Rechtsfrage ist auch dann als höchstrichterlich geklärt anzu- sehen, wenn das Revisionsgericht sie zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, aber bereits eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl Senatsbeschlüsse vom 21.1.1993 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17; vom 31.3.1993 - SozR 3-1500 § 146 Nr 2 S 6).
Die Klägerin versäumt es bereits, sich hinsichtlich der im Streit stehenden Rentenanpassung 2007 mit den gegenüber 2004 geänderten Rechtsgrundlagen auseinanderzusetzen. Während die Rentenanpassung 2004 durch eine Sondernorm (Art 2 2. SGB VI-ÄndG vom 27.12.2003
Im Übrigen hat die Klägerin auch nicht die Rechtsprechung des BSG zu dem mit der Frage aufgeworfenen Problemkreis der Rentenanpassung ausgewertet. Sie hätte im Einzelnen unter Berücksichtigung und Darstellung der Rechtsprechung des BSG (vgl Senatsurteile vom 27.3.2007 - BSGE 98, 157 = SozR 4-2600 § 65 Nr 1 und vom 13.11.2008 - SozR 4-2600 § 255e Nr 1; BSG vom 20.12.2007 - SozR 4-2600 § 255a Nr 2; BSG vom 21.1.2009 - B 12 R 1/07 R - Juris) zur verfassungsrechtlichen Bewertung der Rentenanpassung und deren Aussetzung (auch unter dem Blickwinkel des von ihr angesprochenen Eigentumsschutzes) dezidiert aufzeigen müssen, warum die Rentenanpassung 2007 - anders als die Aussetzung der Rentenanpassung in den Vorjahren - zu einem verfassungswidrigen Eingriff führe. Entsprechende substantiierte Darlegungen enthält die Beschwerdebegründung nicht. Rechtsprechung des BSG zum aufgeworfenen Problemkreis wird nicht einmal erwähnt.
Soweit die Klägerin in ihrer Beschwerdebegründung auf anhängige Verfassungsbeschwerden zu dem von ihr aufgeworfenen Problemkreis hinweist, kommt es im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht auf den Bedarf nach Klärung durch das BVerfG an, sondern entscheidend ist die Frage nach der Klärungsbedürftigkeit innerhalb des Revisionsverfahrens (vgl BSG vom 25.9.2002 - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72; Senatsbeschluss vom 2.11.2009 - B 13 R 291/09 B - BeckRS 2009, 74206 RdNr 11); für diese fehlen aber - wie aufgezeigt - hinreichende Ausführungen.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbs 2 SGG).
Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbs 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
2. Der Antrag auf Aufhebung der Entscheidung des LSG, der Klägerin Kosten in Höhe von 225 Euro wegen rechtsmissbräuchlicher Rechtsverfolgung nach § 192 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG aufzuerlegen, wird abgelehnt. Die Klägerin kann sich nicht auf § 192 Abs 3 Satz 2 SGG stützen, wonach die Entscheidung nach § 192 Abs 1 SGG durch eine zu begründende Kostenentscheidung im Rechtsmittelverfahren aufgehoben werden kann. Denn mit der Einfügung dieser Norm - durch das 6. SGG-ÄndG vom 17.8.2001 (BGBl I 2144) mit Wirkung vom 2.1.2002 als Abs 2 Satz 2; seit dem 1.4.2008 Abs 3 Satz 2 - ist kein gesondertes Rechtsmittel gegen Entscheidungen nach § 192 Abs 1 SGG eingeführt worden. Dies ergibt sich bereits aus den Materialien des 6. SGG-ÄndG zu § 192 SGG (BT-Drucks 14/5943 S 28 zu Nr 65 <§ 192>), wonach die "Entscheidung über die Kostenauferlegung grundsätzlich endgültig (ist); eine Aufhebung kann nur durch eine Kostenentscheidung im Rechtsmittelverfahren erfolgen." Hieraus wird deutlich, dass die von der Klägerin beantragte Überprüfung der vom LSG getroffenen Entscheidung, ihr Kosten wegen rechtsmissbräuchlicher Rechtsverfolgung in Höhe von 225 Euro aufzuerlegen, dem Senat im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren verwehrt ist. Nachdem die Klägerin gegen die Entscheidung des LSG in der Hauptsache kein Revisionszulassungsgrund dargelegt hat, ist die begehrte Überprüfung der Anwendung von § 192 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG eine isolierte Anfechtung einer Kostenentscheidung, die gemäß § 165 Satz 1 iVm § 144 Abs 4 SGG nicht zur Zulassung der Revision führen und deshalb auch nicht gesondert mit der Beschwerde geltend gemacht werden kann (stRspr, BSG vom 21.12.1956 - SozR Nr 2 zu § 192 SGG; BSG vom 24.6.1993 - 6 BKa 27/92 - Juris RdNr 7; BSG vom 27.1.1999 - B 12 KR 56/98 B - Juris RdNr 2; BSG vom 13.7.2004 - B 2 U 84/04 B - Juris RdNr 13; Senatsbeschluss vom 5.8.2008 - B 13 R 153/08 - Juris RdNr 13; BSG vom 25.2.2010 - B 11 AL 114/09 B - Juris RdNr 7). Das BSG hat in diesem Sinne nur dann eine "Kostenentscheidung im Rechtsmittelverfahren" zu treffen, wenn es im Rahmen einer statthaften und zulässigen Revision neben der Hauptsache auch die Kostenentscheidung des LSG zu prüfen hat (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 192 RdNr 20). Allenfalls für den Fall einer Klagerücknahme im Revisionsverfahren ließe sich diskutieren, ob das BSG auf Antrag des Klägers (vgl § 102 Abs 3 Satz 1 SGG) gemäß § 192 Abs 3 Satz 2 SGG die Entscheidung über die Auferlegung der Kosten nach § 192 Abs 1 und 2 SGG durch einen zu begründenden Beschluss aufheben kann; ansonsten bliebe nämlich diese Entscheidung trotz Klagerücknahme gemäß § 192 Abs 3 Satz 1 SGG - eingefügt mit Wirkung vom 2.1.2002 durch das 6. SGG-ÄndG (aaO) als Abs 2 Satz 1; seit dem 1.4.2008 Abs 3 Satz 1 - wirksam.