Entscheidungsdatum: 15.07.2011
Das Sozialgericht Freiburg wird zum zuständigen Gericht bestimmt, soweit die Kläger als Erben Klage gegen den an Frau H. gerichteten Bescheid vom 26. August 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juli 2010 erhoben haben.
Im Übrigen wird der Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts abgelehnt.
I. Der Bruder der Kläger bezog von dem beklagten Landkreis bis zum 31.7.2002 Sozialhilfeleistungen für den Besuch einer Werkstatt für behinderte Menschen und ist am 23.12.2006 verstorben. Mit jeweils gesonderten Bescheiden vom 26.8.2009 in der Gestalt der jeweiligen Widerspruchsbescheide vom 8.7.2010 forderte der Beklagte von dem Kläger zu 1. und von dem Kläger zu 2. sowie von deren Mutter H., die Erben ihres Bruders bzw Sohnes geworden waren, unter Hinweis auf eine Haftung als Gesamtschuldner Kostenersatz nach § 102 SGB XII in Höhe von 39 398,72 Euro. Die Mutter der Kläger ist am 9.6.2010 verstorben und von ihnen beerbt worden.
Am 22.7.2010 haben die Kläger zu 1. und 2. gemeinsam jeweils gegen die an sie gerichteten Bescheide sowie als Erben gegen den an ihre Mutter gerichteten Bescheid Klage vor dem SG Freiburg erhoben. Der Kläger zu 1. hatte bei Klageerhebung seinen Wohnsitz im Bezirk des SG Freiburg, der Kläger zu 2. dagegen seinen Wohnsitz im Bezirk des SG Berlin.
Mit Beschluss vom 18.3.2011 hat das SG Freiburg nach Anhörung der Beteiligten das BSG zur Bestimmung des zuständigen Gerichts innerhalb der Sozialgerichtsbarkeit angerufen. Weil die Kläger als Miterben bei demselben Gericht Klage erhoben hätten, könne eine notwendige Streitgenossenschaft vorliegen, so dass keine gemeinsame örtliche Zuständigkeit für die Klagen bestehe.
II. Durch das BSG ist das zuständige Gericht nur für einen Teil der gleichzeitig erhobenen Klagen zu bestimmen.
Die hier allein in Betracht kommende Vorschrift des § 58 Abs 1 Nr 5 SGG setzt (negativ) für eine Zuständigkeitsbestimmung durch das BSG voraus, dass eine örtliche Zuständigkeit nicht gegeben ist, dh das bereits mit der Sache befasste Gericht weder zuständig ist noch von sich aus das zuständige Gericht bestimmen kann (vgl BSG SozR 4-1500 § 58 Nr 8 RdNr 4 f). Diese Voraussetzung ist vor allem dann gegeben, wenn zwischen mehreren gemeinsam Klagenden eine notwendige Streitgenossenschaft iS von § 74 SGG, § 62 Abs 1 ZPO besteht oder jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann (vgl zB BSG SozR 4-1500 § 58 Nr 5 RdNr 6 mwN).
Hier liegen die Voraussetzungen einer Zuständigkeitsbestimmung durch das BSG vor, soweit die Kläger als Erben gemeinsam Klage gegen den an ihre Mutter gerichteten Bescheid vom 26.8.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8.7.2010 erhoben haben. Insoweit ist das BSG als nächsthöheres gemeinschaftlich übergeordnetes Gericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts berufen (§ 58 Abs 2 SGG) (dazu unter 1.). Im Übrigen sind die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung durch das BSG nicht erfüllt (dazu unter 2.). Soweit es der Zuständigkeitsbestimmung durch das BSG bedarf, ist das SG Freiburg als zuständiges Gericht zu bestimmen (dazu unter 3.).
1. Im Sinne von § 58 Abs 1 Nr 5 SGG ist eine gemeinsame örtliche Zuständigkeit nicht gegeben, soweit die Kläger als Erben gemeinsam gegen den an ihre Mutter gerichteten Bescheid vom 26.8.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8.7.2010 klagen, weil für die Kläger zu 1. und 2. zum Zeitpunkt der Klageerhebung SGe verschiedener LSG-Bezirke zuständig waren und eine notwendige Streitgenossenschaft insoweit nicht auszuschließen ist. Die Kläger wenden sich insoweit gegen eine Geldforderung, die gegen ihre Mutter als Gesamtschuldnerin in einem an diese gerichteten Bescheid und nicht gegen die Kläger als Erben ihrer Mutter geltend gemacht wird. Fällt diese Verbindlichkeit in den Nachlass, so kommt eine Haftung der Kläger als Erben ihrer Mutter für diese Verbindlichkeit in Betracht. Der Beklagte kann als Gläubiger eine Nachlassforderung bis zur Teilung des Nachlasses sowohl jeweils gegen den einzelnen Miterben als Gesamtschuldner als auch gegen die Erbengemeinschaft geltend machen (vgl §§ 1967, 2058, 2059 Abs 2 BGB). Im Hinblick auf eine damit mögliche Geltendmachung gegenüber der Erbengemeinschaft (vgl zur Geltendmachung einer Nachlassforderung gegen alle Erben als Gesamthänder oder gegen einzelne Erben als Gesamtschuldner BSG SozR 3-1500 § 58 Nr 1 S 2 f) ist eine notwendige Streitgenossenschaft iS von § 74 SGG, § 62 Abs 1 ZPO jedenfalls nicht ausgeschlossen. Dies rechtfertigt die Bestimmung eines gemeinsamen Gerichtsstands der notwendigen Streitgenossenschaft (vgl zB BSG SozR 4-1500 § 58 Nr 2 RdNr 5 und 10, BSG Beschluss vom 10.6.2009 - B 12 SF 6/09 S).
2. Der Antrag, das zuständige Gericht zu bestimmen, ist dagegen abzulehnen, soweit es die Klagen der Kläger gegen die jeweils an sie gerichteten Bescheide betrifft. Insoweit liegen die Voraussetzungen des § 58 Abs 1 Nr 5 SGG nicht vor. Insbesondere besteht keine notwendige Streitgenossenschaft iS von § 74 SGG iVm § 62 Abs 1 ZPO. Eine solche kann nämlich im Hinblick auf die Klagen der Kläger gegen die jeweils an sie gerichteten Bescheide ausgeschlossen werden. In diesen Bescheiden werden sie als Gesamtschuldner in Anspruch genommen, nicht aber als Gesamthänder. Die gesamtschuldnerische Haftung trifft jeden der Erben gesondert und bewirkt gerade nicht, dass das streitige Rechtsverhältnis ihnen gegenüber iS des § 62 Abs 1 ZPO nur einheitlich festgestellt werden könnte oder ihre Streitgenossenschaft aus einem sonstigen Grund eine notwendige wäre (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 58 Nr 1 S 3).
Selbst wenn hier die logische Notwendigkeit übereinstimmender Entscheidungen bestehen sollte, kann eine Zuständigkeitsbestimmung durch das BSG nicht erfolgen. Eine einfache vom Willen der Beteiligten abhängige Streitgenossenschaft begründet grundsätzlich keinen Mangel der örtlichen Zuständigkeit iS von § 58 Abs 1 Nr 5 SGG. Dies gilt auch, wenn selbstständige Klagen mehrerer Personen aus Gründen der Zweckmäßigkeit oder des Sachzusammenhangs in einem Verfahren zusammengefasst werden. Die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen oder Gründe der Prozessökonomie rechtfertigen die Bestimmung eines einheitlichen Gerichtsstands gemäß § 58 Abs 1 Nr 5 SGG nicht (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 58 Nr 1 S 2).
3. Soweit die Kläger gegen den an ihre Mutter gerichteten Bescheid als ihre Erben klagen, wird zum zuständigen Gericht das SG Freiburg bestimmt. Hierfür spricht, dass der Kläger zu 1. seinen Wohnort und die Prozessbevollmächtigten der Kläger ihr Büro im Bezirk dieses Gerichts haben. Auch der Sitz des Beklagten liegt im Bezirk dieses Gerichts. Beide Kläger haben dieses Gericht für ihre gemeinsame Klage gewählt. Das Verfahren ist zudem seit dem 22.7.2010 dort rechtshängig.
Im Übrigen bestimmt sich die örtliche Zuständigkeit für die Klagen gegen die an die Kläger gerichteten Bescheide nach § 57 Abs 1 SGG. Durch eine Trennung der Verfahren und eine Verweisung der vom Kläger zu 2. gegen den an ihn gerichteten Bescheid erhobenen Klage durch das SG Freiburg an das SG Berlin kann der unterschiedlichen örtlichen Zuständigkeit Rechnung getragen werden.