Entscheidungsdatum: 18.04.2013
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 18. Juli 2012 wird als unzulässig verworfen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 9764,72 Euro festgesetzt.
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrundeliegenden Rechtsstreit wendet sich die Klägerin gegen die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen. Streitig ist insbesondere, ob der Beitragsbemessung die nach allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträgen für das Gebäudereiniger-Handwerk zu zahlenden Entgelte zugrundezulegen sind.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Thüringer LSG vom 18.7.2012 ist in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Die Behauptung, die Berufungsentscheidung sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen.
1. Die Klägerin begründet ihre Beschwerde zunächst mit dem Vorliegen eines Verfahrensmangels iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG. Für die Bezeichnung eines Verfahrensmangels müssen die den Verfahrensmangel vermeintlich begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 34, 36). Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Verfahrensmangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 36). Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerdebegründung der Klägerin nicht.
Als Verfahrensmangel rügt die Klägerin, dass das LSG "das Verfahren nicht zur Klärung der Tarifzuständigkeit von Bundesinnungsverband bzw. Landesinnungsverband gem. § 97 Abs. 5 ArbGG ausgesetzt hat". Vielmehr habe es unter Verletzung dieser "verfahrensrechtlich zwingenden Vorschrift … selbst … über die Tarifzuständigkeit, die vorliegend entscheidungserheblich ist, entschieden" und hierdurch "die gesetzliche Kompetenzordnung" verletzt. Den aus § 160a Abs 2 S 3 SGG abzuleitenden Darlegungserfordernissen genügt die Klägerin damit schon deshalb nicht, weil sie nicht darlegt, dass vorliegend die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 97 Abs 5 ArbGG überhaupt erfüllt sind. So muss sich für die Aussetzung des Verfahrens nach § 97 Abs 5 ArbGG die Tariffähigkeit oder Tarifzuständigkeit in dem anderen - also dem hier von den Sozialgerichten zu entscheidenden - Verfahren als Vorfrage stellen. Dabei muss es auf die Frage der Tariffähigkeit oder Tarifzuständigkeit für die Entscheidung des anderen Rechtsstreits tatsächlich ankommen; es reicht nicht aus, wenn es hierauf möglicherweise ankommen könnte (BAG Beschluss vom 28.1.2008 - 3 AZB 30/07 - AP Nr 17 zu § 97 ArbGG 1979). Zudem muss die Entscheidung in dem anderen Rechtsstreit ausschließlich von der Tariffähigkeit oder Tarifzuständigkeit abhängen (BAG Urteil vom 29.6.2004 - 1 AZR 143/03 - AP Nr 36 zu § 1 TVG). Allein der Verweis auf widerstreitende Literaturmeinungen zur Tarifzuständigkeit für "einfache Tätigkeiten" im Reinigungsgewerbe genügt zur Darlegung dieser Voraussetzungen nicht aus. Zumindest wäre herauszuarbeiten gewesen, wieso die an der Tarifzuständigkeit von Bundesinnungsverband bzw Landesinnungsverband geäußerten Zweifel im vorliegenden Fall zwingend zur Unanwendbarkeit eines für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrags führen, der nach den Bestimmungen über seinen fachlichen Geltungsbereich das Unternehmen der Klägerin erfasst. Dies darzulegen hat die Klägerin versäumt.
2. Die Klägerin beruft sich darüber hinaus auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Hierzu muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; vgl auch BVerwG NJW 1999, 304 und BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31).
Die Klägerin hält die Fragen für grundsätzlich bedeutsam, |
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ob "§ 97 Abs. 5 ArbGG wegen einer fehlenden Verweisung (im) SGG in sozialgerichtlichen Verfahren nicht anwendbar sei" |
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"ob hinsichtlich der Tarifzuständigkeit neben der Unterscheidung industrieller Betrieb - Handwerksbetrieb auch eine solche zwischen handwerklichen Tätigkeiten und einfachen nichthandwerklichen Tätigkeiten vorzunehmen ist". |
Es kann unerörtert bleiben, ob die Klägerin damit hinreichend konkrete Rechtsfragen zum Anwendungsbereich einer revisiblen Norm aufgeworfen und den vom Revisionsgericht erwarteten klärenden Schritt ausreichend konkret dargelegt hat. Jedenfalls fehlt es in der Begründung an ausreichenden Darlegungen zur Klärungsbedürftigkeit bzw Klärungsfähigkeit dieser Fragen. So erläutert die Klägerin zu ihrer ersten Frage, die Rechtsauffassung des LSG, § 97 Abs 5 ArbGG sei im sozialgerichtlichen Verfahren nicht anwendbar, werde anderenorts nicht vertreten und stelle "eher eine isolierte Mindermeinung" dar. Ihr stehe die ganz einhellige Auffassung in der Literatur und die Rechtsprechung des BAG entgegen. Vor diesem Hintergrund hätte die Klägerin jedoch darlegen müssen, wieso sich die Rechtsfrage dennoch ernsthaft stellt und einer höchstrichterlichen Klärung auch durch das BSG bedarf. Hierzu wäre etwa darzulegen gewesen, dass es außer dem, eine Verbindlichkeit des § 97 Abs 5 ArbGG im sozialgerichtlichen Verfahren vermeintlich leugnenden, hier angegriffenen Urteil des LSG in der sozialrechtlichen Rechtsprechung und Literatur weitere Stimmen gibt, die diese Auffassung teilen, oder dass es ernsthafte anderweitige Zweifel an der Anwendbarkeit der von der Klägerin in Bezug genommenen Rechtsprechung des BAG auch im sozialgerichtlichen Verfahren gibt. Mit der Qualifikation der vermeintlichen Rechtsauffassung des LSG als "isolierte Mindermeinung" wendet sich die Klägerin im Kern nur gegen die inhaltliche Richtigkeit des LSG-Urteils, worauf jedoch - wie oben ausgeführt - die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision nicht gestützt werden kann.
Bezüglich der zweiten Frage fehlt es - unabhängig von der Frage der hinreichenden Darlegung der Klärungsbedürftigkeit - jedenfalls an der Darlegung der Klärungsfähigkeit. Mit Rücksicht auf ihre Auffassung, dass der Rechtsstreit zur Klärung der Tarifzuständigkeit von Bundesinnungsverband bzw Landesinnungsverband nach § 97 Abs 5 ArbGG ausgesetzt werden müsse, damit hierüber die allein zuständige Arbeitsgerichtsbarkeit entscheiden könne, hätte die Klägerin deutlich machen müssen, warum die Frage nach der Unterscheidung von handwerklichen und einfachen nichthandwerklichen Tätigkeiten für Zwecke der Tarifzuständigkeit im Rahmen des angestrebten Revisionsverfahrens durch das BSG entschieden werden könnte. Zudem wäre es zur Darlegung der Klärungsfähigkeit erforderlich gewesen darzustellen, dass das LSG im angegriffenen Urteil die diese Unterschiede nach Auffassung der Klägerin begründenden "Tatsachen" überhaupt mit Bindungswirkung für das BSG (§ 163 SGG) festgestellt hat, sodass es diese "Tatsachen" einer Entscheidung im Revisionsverfahren zugrunde legen könnte.
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Halbs 3 SGG iVm § 154 Abs 2, § 162 Abs 3 VwGO.
5. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 S 1 Halbs 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG und entspricht der Festsetzung durch das LSG im angegriffenen Urteil, welche von keinem der Beteiligten in Frage gestellt wurde.