Entscheidungsdatum: 17.07.2015
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 25. März 2015 wird als unzulässig verworfen.
Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im bezeichneten Urteil Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt H. beizuordnen, wird abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
I. Im Streit ist die Rücknahme der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für die Zeit von August 2003 bis Dezember 2004 und die Erstattung dieser Leistung sowie der von der Beklagten gezahlten Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung.
Insoweit erließ die Beklagte Rücknahme- und Erstattungsbescheide, weil die Klägerin nicht verfügbar (Tätigkeit als Verfügungsberechtigte und Alleingesellschafterin einer GmbH) und in dem streitbefangenen Zeitraum nicht bedürftig gewesen sei; sie habe über mehrere Bankguthaben verfügt (wenigstens 32 000 Euro), ihr seien aus der Veräußerung eines Pkw 51 000 Euro zugeflossen und sie habe aufgrund Pflichtteilsverzichts über weitere 100 000 Euro verfügt (Bescheide vom 24.4.2009; Widerspruchsbescheide vom 12.8.2009).
Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 12.4.2013), wobei es davon ausgegangen ist, dass eine die Verfügbarkeit ausschließende Tätigkeit der Klägerin nicht bewiesen sei, aber die Klägerin in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft lebe und ihr Partner Einkommen und Vermögen besessen habe. Das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 25.3.2015). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, die Klägerin habe zwar nicht in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft gelebt; sie habe jedoch nach dem Gesamtergebnis des Rechtsstreits über ein den Freibetrag übersteigendes Vermögen verfügt, und zwar unabhängig ua von einem behaupteten Treuhandverhältnis.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Nichtzulassungsbeschwerde. Sie rügt eine Divergenz, sowie Verfahrensmängel, auf denen die angefochtene Entscheidung beruhen könne, und macht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Zugleich beantragt sie Prozesskostenhilfe (PKH) und die Beiordnung ihres Bevollmächtigten für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde.
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die von der Klägerin geltend gemachten Zulassungsgründe der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>), der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) und des Verfahrensmangels, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), nicht in der erforderlichen Weise bezeichnet bzw dargelegt sind (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Der Senat konnte deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter entscheiden (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG iVm § 169 SGG).
Zur ordnungsgemäßen Bezeichnung einer Divergenz sind nach ständiger Rechtsprechung entscheidungstragende Rechtssätze aus dem Berufungsurteil sowie aus einer Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG), des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts einander so gegenüberzustellen, dass die Abweichung deutlich wird. Dabei ist zu begründen, weshalb diese nicht miteinander vereinbar sind und inwiefern die Entscheidung des LSG auf der Abweichung beruht (stRspr; vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 10 RdNr 4).
Die Klägerin zitiert zwar einen Rechtssatz aus der Entscheidung des LSG und stellt diesem einen Rechtssatz des BSG (Urteil vom 24.11.2010 - B 11 AL 35/09 R) gegenüber. Ob dies eine Abweichung hinreichend dargelegt hat, also der Widerspruch herausgearbeitet ist, ist zweifelhaft. Das BSG hat in seiner Entscheidung ausgeführt, die Grundsätze der Beweislastumkehr könnten eingreifen, wenn es um in der Sphäre des Arbeitslosen liegende Tatsachen gehe, die die Beklagte in Ermangelung entsprechender Angaben des Arbeitslosen nicht kenne oder nicht kennen müsse. Insoweit benennt das BSG Beispiele, in denen eine Beweislastumkehr geboten sei. Gerade von einem dieser Beispiele ist aber das LSG in seiner Entscheidung in der Sache ausgegangen. Entgegen der Ausführungen der Klägerin hat das LSG damit erkennbar gerade nicht den von ihr aufgeführten Rechtssatz aufgestellt, für eine Beweislastumkehr komme es stets allein "auf in der Sphäre des Arbeitslosen wurzelnde nicht aufklärbare Vorgänge" an, ohne dass weitere Umstände hinzutreten müssten. Ob dies einer genaueren Darlegung bedurft hätte, bedarf keiner Entscheidung.
Denn die Klägerin hat jedenfalls nicht die Entscheidungserheblichkeit der divergierenden Rechtsfrage für das LSG und in einem künftigen Revisionsverfahren (zu dieser Voraussetzung: BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34; BSG, Beschluss vom 5.10.2010 - B 8 SO 61/10 B) bezeichnet. Dies wäre schon deshalb notwendig gewesen, weil das LSG es als bewiesen erachtet hat, dass die Klägerin selbst ausreichendes Vermögen besessen hat, also in Wahrheit keine Beweislastentscheidung getroffen hat. Darüber hinaus hätte sich die Klägerin zumindest ansatzweise mit den sonstigen rechtlichen Aspekten (siehe die unterschiedlichen Begründungen im Bescheid, SG-Urteil und LSG-Urteil) auseinandersetzen müssen, die ggf eine Rechtswidrigkeit der Leistungsbewilligung begründen könnten.
Soweit die Klägerin die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache rügt, stellt sie zwar Fragen, denen sie grundsätzliche Bedeutung beimisst. Es wird jedoch aus denselben Gründen nicht deutlich, dass diese Fragen überhaupt entscheidungserheblich sind. Soweit schließlich Verfahrensfehler geltend gemacht werden, auf denen die angefochtene Entscheidung beruhen könne, rügt sie zu Unrecht eine Verkennung der Beweislast. Die Verkennung der Beweislast ist kein Verfahrensfehler (error in procedendo), sondern ein materiellrechtlicher error in iudicando (BSG, Beschluss vom 23.2.2010 - B 13 R 457/09 B).
Soweit die Klägerin als Verfahrensmangel einen Verstoß gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze rügt, ist dies im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde nicht möglich (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG iVm § 128 Abs 1 Satz 1 SGG). Selbst wenn schließlich der Vortrag der Klägerin zur Vernehmung der angebotenen Zeugin als eine Rüge der Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) zu verstehen wäre, wäre der Bezeichnungspflicht (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG iVm § 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nur genügt, wenn die Klägerin angegeben hätte, wann, in welcher Form und zu welchem Thema sie einen Antrag auf Vernehmung ihrer Tochter beim LSG gestellt hat (vgl BSG, Beschluss vom 1.10.2014 - B 9 SB 53/14 B).
Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist damit abzulehnen. PKH ist nämlich nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Zivilprozessordnung <ZPO>); daran fehlt es hier aus den dargestellten Gründen. Mit der Ablehnung von PKH entfällt zugleich die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).