Entscheidungsdatum: 14.06.2018
Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 22. Januar 2018 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
I. In der Hauptsache begehrt der Kläger Entschädigung wegen einer überlangen Dauer eines beim Beklagten geführten Widerspruchsverfahrens.
Im Ausgangsverfahren lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 24.6.2005 die Weitergewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II wegen den Vermögensfreibetrag übersteigenden Vermögens ab. Der hiergegen gerichtete Widerspruch vom 18.7.2005 blieb trotz zwischenzeitlicher Weitergewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ab Oktober 2005 erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 25.6.2007). Der Widerspruchsbescheid wurde dem damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers am 27.6.2007 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt. Mit Schreiben vom 20.11.2014 "rügte" der Kläger beim Beklagten die überlange Dauer des Widerspruchsverfahrens. Im anschließenden Klageverfahren vor dem SG Dresden hat der Kläger ua eine Entschädigung nach §§ 198 ff GVG in Höhe von 12 600 Euro geltend gemacht, welches die Klage "zuständigkeitshalber zur weiteren Veranlassung" an das Sächsische LSG weitergeleitet hat. Das LSG hat als Entschädigungsgericht die Entschädigungsklage abgewiesen und zur Begründung ua ausgeführt, dass die vom Kläger gerügte Dauer des Widerspruchsverfahrens des Beklagten keinen Entschädigungsanspruch wegen unangemessener Dauer eines sozialgerichtlichen Verfahrens begründe, weil weder das Verwaltungsverfahren noch das Widerspruchsverfahren Teil des Gerichtsverfahrens iS des § 198 Abs 6 Nr 1 GVG sei. Dies ergebe sich sowohl aus dem klaren Wortlaut des Gesetzes als auch aus den Gesetzesmaterialien zum Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (Urteil vom 22.1.2018).
Mit seinem Antrag begehrt der Kläger Prozesskostenhilfe (PKH) für seine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG unter sinngemäßer Beiordnung eines Rechtsanwalts.
II. Der Antrag auf PKH ist abzulehnen. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 ZPO). Weder die Antragsbegründung noch die Aktenlage lassen bei der gebotenen summarischen Prüfung die erforderliche Erfolgsaussicht erkennen.
Hinreichende Erfolgsaussicht hat eine Nichtzulassungsbeschwerde nur, wenn einer der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe mit Erfolg geltend gemacht werden könnte. Die Revision darf danach zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Von diesen Zulassungsgründen lässt sich nach Aktenlage unter Berücksichtigung der Entscheidungsgründe des LSG-Urteils und des Vortrags des Klägers keiner feststellen.
Die Sache bietet keine Hinweise für eine über den Einzelfall des Klägers hinausgehende, grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern die Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; s auch BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN). Insbesondere ergibt sich die Grundsätzlichkeit der Bedeutung danach entgegen der Auffassung des Klägers nicht aus einer eventuellen Überlänge des bei der Beklagten geführten Widerspruchsverfahrens hinsichtlich des Bescheides vom 24.6.2005 idF des Widerspruchsbescheids vom 25.6.2007. Es entspricht der gesicherten Senatsrechtsprechung, dass weder das Verwaltungs- noch das Widerspruchsverfahren Teil des Gerichtsverfahrens iS von § 198 GVG sind (BSG Urteil vom 3.9.2014 - B 10 ÜG 12/13 R - SozR 4-1720 § 198 Nr 4). Nach der Entscheidung des BVerwG mit Urteil vom 11.7.2013 (5 C 23/12 D - Juris RdNr 20 bis 24 = BVerwGE 147, 146), der sich der erkennende Senat in der oben genannten Entscheidung angeschlossen hat, sind das Verwaltungsverfahren und das dem gerichtlichen Verfahren vorausgegangene Vorverfahren bei einer Behörde (Widerspruchsverfahren) nicht Bestandteil des Gerichtsverfahrens iS von § 198 Abs 1 S 1 und § 198 Abs 6 Nr 1 GVG. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut "Gerichtsverfahren" im Gesetz und entspricht nach den Gesetzesmaterialien dem Willen des Gesetzgebers (vgl BT-Drucks 17/3802 S 17 f; siehe umfassende Begründung bei BVerwG, aaO; Loytved, jurisPR-SozR 3/2014 Anm 4).
Aus diesem Grund ist auch nicht ersichtlich, dass das LSG entscheidungstragend von der Rechtsprechung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abgewichen sein könnte (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 2 SGG).
Schließlich fehlt auch ein ausreichender Anhalt dafür, dass der Kläger einen die Revisionszulassung rechtfertigenden Verfahrensfehler des LSG bezeichnen könnte (Zulassungsgrund des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel dabei nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Entscheidungsrelevante Verfahrensmängel sind weder von dem Kläger geltend gemacht noch sonst ersichtlich. Insbesondere konnte das LSG in Abwesenheit des Klägers sowie des Beklagten verhandeln und entscheiden, weil die Beteiligten auf diese Möglichkeit in ihren Ladungen zur mündlichen Verhandlung vom 11. und 20.12.2017 hingewiesen worden sind (§§ 153 Abs 1, 110 Abs 1 S 2 und 126 SGG). Soweit der Kläger rügt, dass das Urteil des LSG falsch sei, weil es in rechtswidriger Weise das Widerspruchsverfahren entgegen § 198 Abs 1 GVG nicht entschädigungsrelevant berücksichtige, wendet er sich gegen die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung, die nicht Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde ist (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).
Der Antrag auf PKH ist daher abzulehnen. Damit entfällt zugleich auch die sinngemäß begehrte Beiordnung eines Rechtsanwalts (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 121 ZPO) und ebenso die Bestellung eines Notanwalts (§ 202 S 1 SGG iVm § 78b ZPO), sollte sich der Antrag des Klägers sinngemäß auch hierauf beziehen.