Entscheidungsdatum: 12.03.2015
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 19. September 2014 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Mit Urteil nach mündlicher Verhandlung vom 19.9.2014 hat das Hessische LSG die Rechtmäßigkeit des Aufhebungs- und Erstattungsbescheids der Beklagten vom 14.1.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.1.2011 bestätigt, durch den der Bescheid vom 4.4.2001 über die Gewährung der Altersrente für Landwirte für die Zeit vom 1.1.2007 bis 30.6.2009 aufgehoben und überzahlte Altersrente in Höhe von 10 968,32 Euro zurückgefordert worden ist unter Bewilligung erneuter Leistungen in Höhe von 390,04 Euro ab dem 1.2.2010. Durch die erneute eigene Bewirtschaftung des Unternehmens des Klägers sei dem ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 4.4.2001 die Grundlage entzogen worden und habe der Kläger in der Zeit ab 1.1.2007 keinen Anspruch auf Altersrente für Landwirte mehr gehabt. Folglich sei die Beklagte berechtigt gewesen, den Rentenbescheid vom 4.4.2001 rückwirkend ab 1.1.2007 aufzuheben, weil der Kläger iS von § 48 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB X zumindest grob fahrlässig seinen Mitteilungspflichten nach § 60 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB I nicht nachgekommen sei. Die Erstattung der zu Unrecht erbrachten Rentenzahlungen finde ihre rechtliche Grundlage in § 50 Abs 1 SGB X. Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde eingelegt und das Vorliegen von Verfahrensmängeln (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) geltend gemacht.
Die Beschwerde ist unzulässig, weil der Kläger die Gründe für die Zulassung der Revision iS von § 160 Abs 2 SGG nicht hinreichend dargelegt hat.
Soweit - wie vorliegend - ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, so kann dieser nicht auf eine Verletzung der §§ 109 (Anhörung eines bestimmten Arztes) und 128 Abs 1 S 1 SGG (freie richterliche Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Aufklärung eines Sachverhalts von Amts wegen) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
Der Kläger rügt im Wesentlichen die Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG) dadurch, dass er aufgrund verkehrsbedingter Verzögerungen nicht rechtzeitig zur mündlichen Verhandlung habe erscheinen können. Als er kurz vor 11:00 Uhr eingetroffen sei, sei die mündliche Verhandlung bereits geschlossen gewesen. Laut Protokoll sei der Beginn des Termins mit 10:50 Uhr vermerkt und als Ende des Termins 11:05 Uhr angegeben. In diesen fünfzehn Minuten habe neben der mündlichen Verhandlung die geheime Beratung und die Verkündung der Urteilsformel stattgefunden, auch mit Wiedergabe des wesentlichen Inhalts der Entscheidungsgründe. Folglich habe der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht befragt werden können, weil unmittelbar vor seiner Ankunft diese bereits geschlossen worden sei. Er habe auf dem Gerichtsflur auf die Verkündung der Entscheidung gewartet. Der Kläger verfüge auch nicht über ein Handy oder ein Smartphone, mit welchem er seine verspätete Ankunft aufgrund der schwierigen Verkehrsverhältnisse hätte mitteilen können. Während des Termins sei auf verschiedene Urkunden über Pachtverträge und Förderanträge eingegangen worden, zu denen er sich hätte erklären wollen. Mit diesen Ausführungen hat der Kläger jedoch die Verletzung seines rechtlichen Gehörs nicht hinreichend dargelegt.
Der Anspruch auf rechtliches Gehör soll verhindern, dass die Beteiligten durch eine Entscheidung überrascht werden, die auf Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht äußern konnten (s § 128 Abs 2 SGG; vgl BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 12; BSG SozR 3-1500 § 153 Nr 1 mwN; BVerfGE 84, 188, 190). Darüber hinaus soll dieses Verfahrensgrundrecht sicherstellen, dass das Vorbringen der Beteiligten vom Gericht in seine Erwägungen miteinbezogen wird (vgl BVerfGE 22, 267, 274; 96, 205, 216 f). Aus ihm ergibt sich zwar keine Pflicht des Prozessgerichts, die Beteiligten vor einer Entscheidung auf eine in Aussicht genommene Beweiswürdigung hinzuweisen oder die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gesichtspunkte zuvor mit den Beteiligten zu erörtern. Die Beteiligten müssen aber ausreichend Gelegenheit zur Abgabe sachgemäßer Erklärungen innerhalb einer angemessenen Zeit haben. Ein Verstoß gegen die Pflicht zur Berücksichtigung von Vorbringen ist dann anzunehmen, wenn sich dies aus den besonderen Umständen des Falles ergibt (vgl BVerfGE aaO), zB wenn ein Gericht - ohne entsprechende Beweisaufnahme - das Gegenteil des Vorgebrachten annimmt, den Vortrag eines Beteiligten als nichtexistent behandelt (vgl BVerfGE 22, 267, 274) oder wenn es auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, nicht eingeht, es sei denn, der Tatsachenvortrag ist nach der materiellen Rechtsauffassung des Gerichts unerheblich (BVerfGE 86, 133, 146). Art 103 Abs 1 GG schützt indessen nicht davor, dass ein Gericht die Rechtsansicht eines Beteiligten nicht teilt (BVerfGE 64, 1, 12; 76, 93, 98).
Vor dem Hintergrund dieser rechtlichen Gegebenheiten liegt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs des Klägers bereits deshalb nicht vor, weil dieser durch seinen Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG ordnungsgemäß vertreten war, ohne dass das LSG sein persönliches Erscheinen angeordnet hat. Der Kläger selbst behauptet nicht einmal, dass er gegenüber dem Gericht seine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung angekündigt hat. Folglich bestand für das LSG auch keine Pflicht, auf den Kläger zu warten (vgl hierzu BSG Beschluss vom 31.3.2004 - B 4 RA 126/03 B - SozR 4-1500 § 112 Nr 2). Zudem wäre es dem Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG unbenommen gewesen, einen Vertagungsantrag zu stellen. Einen solchen hat der Kläger jedoch ebenso wenig behauptet wie einen vor Verkündung durch das LSG gestellten Antrag, die Verhandlung wieder zu eröffnen (vgl hierzu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 62, RdNr 6b). Dies wäre dem Prozessbevollmächtigten und dem Kläger selbst aber unbenommen gewesen, da sie nach eigenem Vorbringen noch vor Verkündung der Entscheidung durch das LSG auf dem Gerichtsflur anwesend waren. Insgesamt kann sich ein Beteiligter in der Regel nicht darauf berufen, sein rechtliches Gehör sei verletzt, wenn er, ohne einen Verlegungs- bzw Vertagungsantrag gestellt zu haben, trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht rechtzeitig zur Sitzung erscheint (vgl Keller, aaO). Dies gilt erst recht, wenn der Termin - wie vorliegend geschehen - vom Prozessbevollmächtigten des Klägers wahrgenommen wird und dieser entsprechende oben genannte Antragstellungen unterlässt. Schließlich hat der Kläger auch nicht dargelegt, zu welchen erläuterungsbedürftigen Punkten er sich konkret nicht habe äußern können und zu welcher sachlich für ihn günstigeren Entscheidung des LSG dieses Vorbringen geführt hätte.
Soweit - wie vorliegend - auch ein Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) gerügt wird, muss die Beschwerdebegründung hierzu jeweils folgende Punkte enthalten: (1.) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren, bis zuletzt aufrechterhaltenen Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2.) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (3.) Darlegung der von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände, die zu einer weiteren Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, (4.) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (5.) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterlassenen Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 5, 35, 45; BSG SozR 1500 § 160a Nr 24, 34).
Diesen Erfordernissen wird die Beschwerdebegründung des Klägers nicht gerecht. Der im Berufungsverfahren bereits anwaltlich vertretene Kläger hat es unterlassen darzulegen, woraus sich ergebe, dass er vor dem LSG einen Beweisantrag gestellt und bis zuletzt aufrechterhalten habe. Hierzu hätte es insbesondere der weiteren Ausführungen bedurft, dass er derartige Beweisanträge in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG am 19.9.2014 zu Protokoll ausdrücklich aufrechterhalten habe (vgl hierzu BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 31 S 51 f; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 1 RdNr 5; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11). Ebenso fehlt es an einer näheren Begründung, weshalb sich das LSG zu den vom Kläger angestrebten weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen.
Im Übrigen greift der Kläger die Beweiswürdigung des LSG iS des § 128 Abs 1 S 1 SGG an. Darauf kann eine Nichtzulassungsbeschwerde allerdings von vornherein nicht gestützt werden (vgl § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG). Entsprechendes gilt, soweit der Kläger eine unzutreffende Rechtsanwendung des LSG rügen wollte (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7 S 10).
Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG).