Bundessozialgericht

Entscheidungsdatum: 19.01.2017


BSG 19.01.2017 - B 10 EG 4/16 B

Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache - Elterngeld - Selbstständige in der Gründungsphase - Anwendung des strengen Zuflussprinzips - Ungleichbehandlung gegenüber Eltern in nicht selbstständiger Tätigkeit - Verfassungsmäßigkeit - Darlegungsanforderungen


Gericht:
Bundessozialgericht
Spruchkörper:
10. Senat
Entscheidungsdatum:
19.01.2017
Aktenzeichen:
B 10 EG 4/16 B
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend SG München, 1. September 2014, Az: S 33 EG 36/14, Gerichtsbescheidvorgehend Bayerisches Landessozialgericht, 24. Februar 2016, Az: L 12 EG 39/14, Urteil
Zitierte Gesetze

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 24. Februar 2016 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. In der Hauptsache begehrt die Klägerin höheres Elterngeld für ihr am 2.9.2012 geborenes Kind. Der Beklagte bewilligte der zunächst im Anstellungsverhältnis (bis Oktober 2011) und später als Rechtsanwältin selbstständig tätigen Klägerin antragsgemäß Elterngeld für den ersten bis 12. Lebensmonat, ohne im Bemessungszeitraum erarbeitetes, aber erst im Bezugszeitraum zugeflossenes Einkommen bei der Bemessung des Elterngeldes zu berücksichtigen (vorläufiger Bescheid vom 13.11.2012, Teilabhilfebescheid vom 29.1.2014, Widerspruchsbescheid vom 13.2.2014). Das SG hat die Klage abgewiesen, weil nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung insoweit das strenge Zuflussprinzip gelte. Die Ungleichbehandlung gegenüber Eltern in nicht selbstständiger Tätigkeit sei sachlich gerechtfertigt. Auch die Personengruppe der Klägerin werde mindestens durch den Sockelbetrag in einer den Anforderungen des Art 6 Abs 1 GG entsprechenden Weise gefördert (Gerichtsbescheid vom 1.9.2014). Das LSG hat die Berufung unter Bezug auf die Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung zurückgewiesen (Urteil vom 24.2.2016).

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Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG und macht die grundsätzliche Bedeutung der Sache geltend.

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II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung nicht ordnungsgemäß dargetan worden ist (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG).

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1. Die Klägerin hat die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) nicht hinreichend dargetan. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sogenannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Daran fehlt es.

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Die Beschwerdebegründung lässt bereits die ausdrückliche Formulierung einer hinreichend deutlichen Rechtsfrage vermissen. Soweit dem Vortrag der Klägerin sinngemäß die Rechtsfrage entnommen werden kann, ob Selbstständige in der Gründungsphase mit fast ausschließlich einem Auftraggeber als arbeitnehmerähnlich (vgl etwa § 2 S 1 Nr 9 SGB VI) einzustufen seien, beschäftigt sich die Begründung schon nicht damit, dass das LSG eine selbstständige Tätigkeit der Klägerin mit diesen Einschränkungen nicht festgestellt hat, ohne dass dies mit durchgreifenden Verfahrensrügen in Frage gestellt worden wäre (§ 163 SGG). Soweit die Klägerin die Anwendung der modifizierten Zuflusstheorie jedenfalls auf Selbstständige in der Gründungsphase für geboten und die Anwendung des strengen Zuflussprinzips insoweit wegen sachwidriger Benachteiligung gegenüber Eltern in nicht selbstständiger Erwerbstätigkeit sowie eines Verstoßes gegen Art 6 Abs 1 GG für verfassungswidrig hält, fehlt es an hinreichender Darlegung zum Klärungsbedarf.

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Wer sich auf die Verfassungswidrigkeit einer Regelung beruft, darf sich nicht auf die Benennung angeblich verletzter Rechtsgrundsätze beschränken, sondern muss unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG darlegen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (vgl zB BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; BSG Beschlüsse vom 4.4.2006 - B 12 RA 16/05 B - und vom 16.2.2009 - B 1 KR 87/08 B). Hierzu müssen der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verletzung der konkreten Regelung des GG dargelegt werden. Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerdebegründung nicht. Ihr lassen sich schon keine Ausführungen zu der vom SG und ihm folgend dem LSG auch zitierten Rechtsprechung des BSG entnehmen, das in ständiger Rechtsprechung die abweichende Behandlung der Einkommen von Eltern in selbstständiger Tätigkeit und nicht selbstständiger Tätigkeit mit Blick auf die Unterschiede in der Ausgestaltung beider Erwerbstätigkeiten für verfassungsgemäß erachtet, ohne besondere Phasen der Selbstständigkeit - zB Niederlassungsphase mit hohen Abschreibungsmöglichkeiten - hiervon auszunehmen (vgl BSG Urteil vom 15.12.2015 - B 10 EG 6/14 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 30).

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Klärungsbedarf ist in der Regel auch dann zu verneinen, wenn es bei der vermeintlichen Rechtsfrage um ausgelaufenes oder auslaufendes Recht geht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 19), soweit es nicht noch eine erhebliche Anzahl von Fällen gibt, für die die Rechtsfrage von Bedeutung ist (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 19) oder die Vorschrift insoweit nachwirkt, als sie die Grundlage für eine Nachfolgevorschrift darstellt oder die frühere Rechtsprechung für die neue Rechtslage erheblich geblieben ist (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 58). Der Anspruch der Klägerin auf höheres Elterngeld richtet sich ihrem Vortrag zufolge nach § 2 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) in der Fassung des Haushaltsbegleitgesetzes 2011. Inzwischen ist § 2 BEEG durch Art 1 des Gesetzes zur Vereinfachung des Elterngeldvollzugs vom 10.9.2012 (BGBl I 1878) mit Wirkung vom 18.9.2012 geändert und in den §§ 2, 2a bis f BEEG neu strukturiert worden. Hierzu äußert sich die Beschwerdebegründung ebenfalls nicht.

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2. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

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3. Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG).

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4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.