Entscheidungsdatum: 01.08.2018
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 5. Oktober 2017 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
I. Die bei der beklagten Krankenkasse versicherte Klägerin ist mit ihrem Begehren auf Erstattung von 5764,64 Euro bisher aufgewendeter Kosten und auf Übernahme künftig zu tragender Kosten der selbstbeschafften privatzahnärztlichen Behandlung ihrer Cranio-Mandibulären-Dysfunktion (CMD) durch Dr. R. bei der Beklagten und den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das LSG hat zur Begründung - unter teilweiser Bezugnahme auf die SG-Entscheidung - ausgeführt, ein Anspruch aus § 13 Abs 3 SGB V sei nicht gegeben. Die Behandlung der CMD gehöre verfassungskonform als kieferorthopädische Behandlung nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 28 Abs 2 S 6 iVm § 29 SGB V). Zudem habe es sich nicht um eine unaufschiebbare Leistung gehandelt (Urteil vom 5.10.2017).
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.
II. Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht bereits nicht den aus § 160a Abs 2 S 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des Revisionszulassungsgrundes des Verfahrensfehlers (Zulassungsgrund nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG) und der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Im Übrigen ist sie verfristet.
1. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Wer eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf stützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG), muss die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert darlegen, um den Verfahrensmangel zu bezeichnen (§ 160a Abs 2 S 3 SGG; vgl hierzu zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 36). Daran fehlt es.
Soweit die Klägerin vorträgt, sie habe ein "Gutachten gem. § 109 SGG angeboten zur Klärung der Frage, dass hier eine interdisziplinäre Heilbehandlung vorliege" übersieht sie, dass eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hierauf - wie dargelegt - nicht gestützt werden kann. Die Klägerin rügt mit ihrem Vorbringen der "Nichtgewährung des rechtlichen Gehörs" sinngemäß, das LSG habe seine Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG verletzt. Der Beschwerdevortrag genügt aber nicht den Anforderungen an die Darlegung eines Verfahrensfehlers. Wer sich auf eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht stützt, muss einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, die Rechtsauffassung des LSG wiedergeben, aufgrund der bestimmte Tatsachen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, die von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände darlegen, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, und schildern, dass und warum die Entscheidung des LSG auf dem angeblich fehlerhaften Unterlassen der Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin in Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterlassenen Beweisaufnahmen von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigen Ergebnis hätte gelangen können (vgl zB BSG Beschluss vom 20.7.2010 - B 1 KR 29/10 B - RdNr 5 mwN; BSG Beschluss vom 1.3.2011 - B 1 KR 112/10 B - Juris RdNr 3 mwN). Daran fehlt es. Die Klägerin bezeichnet bereits keinen Beweisantrag, zumal sie - anwaltlich vertreten - in der mündlichen Verhandlung beim LSG bloß einen Sachantrag gestellt hat. Zu einer anderen vermeintlichen "Nichtgewährung des rechtlichen Gehörs" fehlt jeder Vortrag.
2. Die Klägerin legt auch die grundsätzliche Bedeutung der Sache nicht ausreichend dar. Wer sich - wie hier die Klägerin sinngemäß - auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN).
Die Klägerin richtet ihr Vorbringen hieran nicht aus. Sie formuliert schon keine Rechtsfrage. Sie legt vielmehr lediglich ihre abweichende Meinung dar und rügt damit die - vermeintlich - fehlerhafte Rechtsanwendung im vorliegenden Einzelfall. Dies kann indes nicht zur Zulassung der Revision führen. Denn die Revision dient nicht - wie schon die enumerative Aufzählung der Zulassungsgründe in § 160 Abs 2 SGG zeigt - einer allgemeinen Überprüfung des Rechtsstreits in der Sache (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 26; BSG Beschluss vom 25.10.2017 - B 1 KR 18/17 B - Juris RdNr 8 mwN).
3. Im Übrigen ist die Beschwerde auch verfristet. Die Klägerin hat die Beschwerde nicht innerhalb der einmonatigen Frist (§ 160a Abs 1 S 2 SGG) eingelegt, die am 23.11.2017 geendet hat (§ 160a Abs 1, § 64 Abs 2, § 63 Abs 2 SGG, § 174 ZPO). Die Klägerin hat erst am 8.12.2017 Beschwerde einlegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Die Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 67 SGG) - schuldlose Versäumung der Frist zur Beschwerdebegründung - sind nicht erfüllt. Die Klägerin legt nicht dar, dass ihr Prozessbevollmächtigter durch eine zweckmäßige Büroorganisation ausreichende Vorkehrungen zur Vermeidung von Fristversäumnissen getroffen hat. Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Antrag ist binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sollen glaubhaft gemacht werden (§ 67 Abs 1 und Abs 2 S 1 und 2 SGG). Eine Säumnis ist schuldhaft, wenn der Beteiligte hinsichtlich der Wahrung der Frist diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden im Hinblick auf die Fristwahrung geboten ist und ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Falles zuzumuten ist (vgl zB BSGE 1, 227, 232; BSGE 61, 213, 214 = SozR 1500 § 67 Nr 18 S 42; BSG SozR 3-1500 § 67 Nr 21 S 60; BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 23 RdNr 5 mwN; BSG SozR 4-1500 § 67 Nr 7 RdNr 14). Das Verschulden eines Bevollmächtigten ist dem vertretenen Beteiligten stets wie eigenes Verschulden zuzurechnen (§ 73 Abs 6 S 7 SGG iVm § 85 Abs 2 ZPO; vgl BSG SozR 3-1500 § 67 Nr 19 S 50 mwN und SozR 3-1500 § 67 Nr 21 S 60 mwN). Ein Rechtsanwalt ist verpflichtet, durch organisatorische Maßnahmen Fehlerquellen bei der Behandlung von Fristsachen in größtmöglichem Umfang auszuschließen; hierzu gehört insbesondere eine wirksame Ausgangskontrolle, durch die gewährleistet wird, dass fristwahrende Schriftsätze auch tatsächlich rechtzeitig hinausgehen. Unverzichtbares Organisationserfordernis sind ausreichende Einrichtungen zur Vermeidung von Fehlern bei der Behandlung von Fristsachen (BSG Beschluss vom 29.12.2015 - B 13 R 392/15 B - Juris RdNr 8 mwN). Ein eigenes Verschulden an einer Fristversäumung trifft den Rechtsanwalt, wenn ihm Akten zur Bearbeitung in einer Fristsache vorgelegt worden sind (vgl BGH Beschluss vom 19.12.2000 - VIII ZB 35/00 - Juris RdNr 4 = NJW-RR 2001, 782). Dies gilt umso mehr, wenn nur er in der Lage ist, die Ausgangskontrolle vorzunehmen.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin trägt nur vor, die Akte sei ihm zwar am 23.11.2017 sichtbar vorgelegt worden, der gelbe Post-it-Zettel mit der Hauptfrist sei allerdings aufgrund anderer Vorgänge verdeckt gewesen. Er wisse nicht, warum er trotz Erkrankung der Mitarbeiterin nicht in den Fristenkalender geschaut habe. Ungeachtet der Frage, ob nicht bereits die auf dem Schreibtisch des Prozessbevollmächtigten der Klägerin unterbliebene klare Ordnung der Akten nach Fristensachen und sonstigen Sachen einen vermeidbaren schuldhaften Fehler der Büroorganisation darstellt, hat der Prozessbevollmächtigte es jedenfalls zu vertreten, dass er am 23.11.2017 nicht selbst die Ausgangskontrolle wahrgenommen hat.