Entscheidungsdatum: 21.06.2011
1. Krankenkassen können die befristete Zulassung eines strukturierten Behandlungsprogramms mit Wirkung zu einem früheren Zeitpunkt als zuerkannt mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage geltend machen, auch wenn die Befristung der gesetzlichen Höchstdauer entspricht.
2. Strukturierte Behandlungsprogramme sind nur dann zuzulassen, wenn die hierfür vertraglich geregelten Anforderungen an die Qualitätssicherung mit höherrangigem Recht vereinbar sind.
3. Eine sachliche Teilzulassung eines strukturierten Behandlungsprogramms mit Blick auf geschlossene Vertragsteile ist unzulässig.
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 22. April 2010 geändert. Das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 13. Januar 2009 wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Die Anschlussrevision der Klägerin wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in allen Rechtszügen.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 500 000 Euro festgesetzt, derjenige für die Anschlussrevision auf 5000 Euro.
Die Beteiligten streiten über den Zeitpunkt der Wirksamkeit einer Zulassung eines strukturierten Behandlungsprogramms (Disease-Management-Programm
Die Anforderungen an die Zulassung strukturierter Behandlungsprogramme nach § 137f Abs 2 SGB V sind seit Inkrafttreten der Vierten Verordnung zur Änderung der Risikostruktur-Ausgleichsverordnung (4. RSA-ÄndV) am 1.7.2002 in § 28b bis § 28h Risikostruktur-Ausgleichsverordnung (RSAV) geregelt (Art 1 Nr 6 der 4. RSA-ÄndV vom 27.6.2002, BGBl I 2286). Ziffer 1.4.3.6 (operative Therapie der Axilla) der Anlage 3 zur 4. RSA-ÄndV bestimmt: "Die Axilladissektion sollte bei allen Patientinnen mit einem invasiven operablen Mammakarzinom durchgeführt werden. Aus Level I und II sollten hierbei insgesamt mindestens 10 Lymphknoten entfernt und untersucht werden. Nur bei klinischem Befall dieser Level sollte auch die Entfernung von Lymphknoten des Levels III erfolgen. Auf die axilläre Lymphonodektomie kann verzichtet werden bei mikroinvasiven Karzinomen (≤ 2 mm), bei tubulären Karzinomen, die kleiner als 1 cm sind sowie bei im Gesunden exstirpierten DCIS" (ductale Carcinoma in situ). Erst die 13. RSA-ÄndV (vom 23.1.2006, BGBl I 228) sieht ab 1.2.2006 die Sentinel-Lymphknoten-Biopsie (Sentinel-LK-Biopsie) als neue, DMP-konforme Behandlungsmethode vor. Die Sentinel-LK-Biopsie beruht auf der Annahme, dass Sentinel-Lymphknoten (Wächter-Lymphknoten) besonderen Aufschluss über einen Metastasenbefall geben. Erweisen sich diese Lymphknoten bei einer Untersuchung als gesund, soll sich eine Entfernung weiterer Lymphknoten erübrigen.
Die Landesverbände der Krankenkassen (KKn) Schleswig-Holsteins einschließlich der Rechtsvorgängerin der klagenden AOK (im Folgenden einheitlich: "Klägerin"), die Ersatzkassenverbände, die Krankenhausgesellschaft Schleswig-Holstein und die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein vereinbarten im Oktober/November 2003 das strukturierte sektorenübergreifende Behandlungsprogramm Curaplan Brustkrebs nach § 140b SGB V und seine Durchführung. Die Anlage 3 dieser Vereinbarung stellt die Versorgungsinhalte dar. Sie entspricht der Anlage 3 der 4. RSA-ÄndV. Anlage 4 der Vereinbarung regelt die Qualitätssicherung (QS). Der Abschnitt über die pathohistologischen Untersuchungen benennt als QS-Ziel die Sicherstellung einer ausreichenden Anzahl entfernter Lymphknoten, als QS-Kriterien Entfernung und Untersuchung von mindestens zehn Lymphknoten aus Level I und II, als QS-Maßnahme ua eine Auswertung durch die Gemeinsame Einrichtung und als QS-Indikatoren: "Möglichst viele Behandlungsfälle mit Entfernung von mindestens 10 LK bei Axilladissektion bei allen invasiven Karzinomen (außer Patientinnen in Studien zur Sentinel-LK-Biopsie)."
Die Klägerin beantragte bei der beklagten Bundesrepublik (Bundesversicherungsamt
Das SG hat die Beklagte verurteilt, das DMP Curaplan Brustkrebs für Schleswig-Holstein ab 1.7.2004 zuzulassen (Urteil vom 13.1.2009). Das LSG hat auf die Berufung der Beklagten diese verurteilt, das DMP Curaplan Brustkrebs für Schleswig-Holstein mit Ausnahme des in Anlage 4 aufgeführten Zusatzes "(Außer Patientinnen in Studien zur Sentinel-LK-Biopsie)" ab 1.7.2004 zuzulassen, die weitergehende Klage ab- und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen. Denn das Ermessen der Beklagten, den Mangel der Erwähnung der Sentinel-LK-Biopsie durch eine entsprechende Auflage zu beseitigen, sei auf Null reduziert gewesen (Urteil vom 22.4.2010).
Die Beklagte rügt mit ihrer Revision die Verletzung von § 137g Abs 1 Satz 1 und 7 SGB V. Die geschlossenen Verträge hätten erst ab 29.8.2005 den Anforderungen der Anlage 3 zu § 28b bis § 28g RSAV idF der 4. RSA-ÄndV entsprochen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 22. April 2010 zu ändern, das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 13. Januar 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen,
sowie - im Wege der Anschlussrevision -,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 22. April 2010 zu ändern und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 13. Januar 2009 zurückzuweisen,
hilfsweise,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 22. April 2010 zu ändern und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 13. Januar 2009 mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Beklagte unter Änderung ihres Bescheides vom 24. Januar 2006 verurteilt wird, das Programm Curaplan Brustkrebs für die Region Schleswig-Holstein ab 1. Februar 2005, ganz hilfsweise, zu einem späteren Zeitpunkt vor dem 29. August 2005 zuzulassen.
Die Klägerin rügt die Verletzung des § 137g Abs 1 Satz 1 und 4 SGB V sowie der Ziffer 1.4.3.6 der Anlage 3 zu § 28b bis § 28g RSAV idF der 4. RSA-ÄndV. Sie trägt vor, die Beklagte müsse das DMP bereits zum 1.7.2004 uneingeschränkt zulassen, da zu diesem Zeitpunkt alle Voraussetzungen des § 137g Abs 1 Satz 1 SGB V einschließlich eines Datenstellenvertrags erfüllt gewesen seien. Der Klammerzusatz in der Anlage 4 der Vereinbarung von 2003 stelle keinen zulassungserheblichen Mangel dar.
Die Beklagte beantragt,
die Anschlussrevision der Klägerin zurückzuweisen.
Die zulässige Revision der beklagten Bundesrepublik (BVA) ist begründet; die zulässige Anschlussrevision der klagenden AOK ist dagegen unbegründet. Das LSG-Urteil ist zu ändern, das erstinstanzliche Urteil ist aufzuheben und die Klage ist abzuweisen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zulassung des DMP Curaplan Brustkrebs vor dem 29.8.2005.
1. Der erkennende Senat ist geschäftsplanmäßig für die Sache zuständig, da es sich um einen Streit der gesetzlichen Krankenversicherung handelt, für den kein anderer Senat des BSG zuständig ist. Streitbefangen ist der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte, das DMP Curaplan Brustkrebs für die Region Schleswig-Holstein vor dem 29.8.2005 zuzulassen. Die Sache betrifft lediglich Vorfragen des Risikostrukturausgleichs.
Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtenden Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt. Die Klägerin macht ihren Anspruch zu Recht mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage geltend (§ 54 Abs 1 SGG). Über den Zeitpunkt der Wirksamkeit der Zulassung eines DMP hat die Beklagte nämlich durch Verwaltungsakt zu entscheiden (vgl dazu 2.).
2. Rechtsgrundlage des Begehrens der Klägerin ist § 137g SGB V (hier anzuwenden idF durch Art 204 Nr 1 Achte Zuständigkeitsanpassungsverordnung vom 25.11.2003, BGBl I 2304 mWv 28.11.2003). Nach § 137g Abs 1 SGB V hat das BVA auf Antrag einer KK oder eines Verbandes der KKn die Zulassung von Programmen nach § 137f Abs 1 SGB V zu erteilen, wenn die Programme und die zu ihrer Durchführung geschlossenen Verträge die in der Rechtsverordnung nach § 266 Abs 7 SGB V genannten Anforderungen erfüllen. Dabei kann es wissenschaftliche Sachverständige hinzuziehen. Die Zulassung ist zu befristen. Sie kann mit Auflagen und Bedingungen versehen werden. Die Zulassung ist innerhalb von drei Monaten zu erteilen. Die Frist nach Satz 5 gilt als gewahrt, wenn die Zulassung aus Gründen, die von der KK zu vertreten sind, nicht innerhalb dieser Frist erteilt werden kann. Die Zulassung wird mit dem Tage wirksam, an dem die in der Rechtsverordnung nach § 266 Abs 7 SGB V genannten Anforderungen erfüllt und die Verträge nach Satz 1 geschlossen sind, frühestens mit dem Tag der Antragstellung, nicht jedoch vor dem Inkrafttreten dieser Verordnungsregelungen. Für die Bescheiderteilung sind kostendeckende Gebühren zu erheben.
§ 137g SGB V ist verfassungsgemäß (vgl BVerfGE 113, 167 = SozR 4-2500 § 266 Nr 8). § 137g Abs 1 Satz 1 SGB V gibt den Antragsberechtigten nach dem klaren Wortlaut einen gebundenen Anspruch auf Zulassung von Programmen nach § 137f Abs 1 SGB V durch Bescheid (§ 137g Abs 1 Satz 8 SGB V). Die Möglichkeit, wissenschaftliche Sachverständige hinzuziehen (§ 137g Abs 1 Satz 2 SGB V), begründet keinen Beurteilungsspielraum des BVA (aA Hess in: Kasseler Komm, Stand April 2011, § 137g SGB V RdNr 2; Wille in: jurisPK-SGB V, Stand: 26.1.2010, § 137g RdNr 27). Vielmehr sieht diese Regelung eine kostenrelevante Variante der Amtsermittlung vor, ohne die gerichtliche Prüftiefe zu mindern. Rechtssystematisch handelt es sich um eine Sonderregelung gegenüber dem SGB X, wie sie der Gesetzgeber auch im Rahmen der Bestimmungen unmittelbar zum RSA vorgesehen hat (vgl hierzu BSGE 90, 231, 244 = SozR 4-2500 § 266 Nr 1 RdNr 41).
Das BVA hat bei einer Zulassung eines DMP auch den Tag festzusetzen, mit dem die Zulassung wirksam wird (§ 137g Abs 1 Satz 7 SGB V). Das Gesetz gibt die materiellen Kriterien für die Festsetzung vor, ohne eine Verwaltungsentscheidung zu erübrigen. Der Zeitpunkt der Wirksamkeit der Zulassung des DMP muss für alle Betroffenen zweifelsfrei aufgrund der Zulassungsentscheidung feststehen, um - zusammen mit der Einschreibung der Versicherten in die DMP - verlässliche Grundlagen zur Bildung besonderer Versichertengruppen für den Risikostrukturausgleich zu haben (vgl § 266 Abs 4 Satz 2 SGB V aF, § 266 Abs 7 Satz 1 Nr 3 SGB V).
Entgegen der Auffassung der Beklagten kann ein nach § 137g Abs 1 Satz 1 SGB V Antragsbefugter gerichtlich geltend machen, sein DMP sei zu einem früheren Zeitpunkt als vom BVA festgesetzt zuzulassen, obwohl der Risikostrukturausgleich inzwischen für den betroffenen Zeitraum durchgeführt worden und der Zeitraum der höchstzulässigen Befristung abgelaufen ist (§ 137g Abs 1 Satz 3 SGB V; § 28g Abs 5 RSAV). Andernfalls unterläge die Zulassungsentscheidung über DMP keiner wirksamen gerichtlichen Kontrolle. Zudem kann die Zulassung eines Programms verlängert werden (§ 28g Abs 5 RSAV). Ergibt sich im Gerichtsverfahren, dass ein früherer Zulassungszeitpunkt festzusetzen ist, und sind bereits zu diesem früheren Zeitpunkt auch Versicherte in das Programm eingeschrieben gewesen, hat das BVA dies bei der nächsten Ermittlung der Höhe der Zuweisungen zu berücksichtigen (vgl § 266 Abs 6 Satz 7 SGB V und hierzu BSGE 90, 231, 258 = SozR 4-2500 § 266 Nr 1 RdNr 87 f).
3. Die Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs der Klägerin darauf, dass die Beklagte einen Wirksamkeitszeitpunkt vor dem 29.8.2005 für das DMP Curaplan Brustkrebs festsetzt, sind nicht erfüllt. Eine KK kann die Festsetzung der Wirksamkeit eines DMP zu einem früheren Zeitpunkt als vom BVA entschieden nur dann beanspruchen, wenn bereits zu einem vor dem vom BVA festgesetzten Wirksamkeitstermin des DMP die Zulassungsvoraussetzungen nach § 137g Abs 1 Satz 1 SGB V unter Beachtung der Anforderungen des § 137g Abs 1 Satz 7 SGB V, mithin kumulativ folgende sieben Voraussetzungen erfüllt gewesen sind: (1.) Ein zulässiger Antrag muss gestellt worden sein. (2.) Der Antrag muss sich auf ein Programm nach § 137f Abs 1 SGB V (DMP) beziehen. (3.) Das im Antrag bezeichnete DMP muss die in der RSAV (Rechtsverordnung nach § 266 Abs 7 SGB V) genannten Anforderungen erfüllt haben. (4.) Das bezeichnete DMP muss verdeutlichen, welche Verträge zu seiner Durchführung abzuschließen sind. (5.) Die zur Durchführung des bezeichneten Programms erforderlichen Verträge müssen geschlossen worden sein. (6.) Diese geschlossenen Verträge müssen die in der RSAV genannten Anforderungen erfüllt haben. (7.) Die RSAV muss in Kraft getreten sein.
An den unter (6.) genannten Voraussetzungen fehlt es. Die zunächst zur Durchführung des DMP Curaplan Brustkrebs geschlossenen Verträge erfüllten nicht vollständig die in der RSAV genannten Anforderungen (dazu a). Die späteren Verträge zur Durchführung des DMP Curaplan Brustkrebs sind nicht erweislich vor dem 29.8.2005 geschlossen worden (dazu b).
a) Der Ende 2003 geschlossene Vertrag zur Durchführung des DMP Curaplan Brustkrebs widersprach jedenfalls insoweit den Anforderungen der RSAV, als er in seiner Anlage 4 (Qualitätssicherung) unter QS-Indikatoren den Absatz enthielt: "Möglichst viele Behandlungsfälle mit Entfernung von mindestens 10 LK bei Axilladissektion bei allen invasiven Karzinomen (außer Patientinnen in Studien zur Sentinel-LK-Biopsie)." Denn Ziffer 1.4.3.6 (operative Therapie der Axilla) der Anlage 3 der 4. RSA-ÄndV enthält keine entsprechende Ausnahme. Sie fordert vielmehr die Entfernung von mindestens zehn Lymphknoten der Level I und II bei Axilladissektion, ohne eine Ausnahme für Patientinnen in Studien zur Sentinel-LK-Biopsie zu machen. § 28b Abs 1 Satz 2 RSAV sieht in allen seit 2004 geltenden Fassungen ua ausdrücklich vor, dass für die Zulassung eines Programms jeweils die Vorgaben in Ziffer 1 der Anlage 3 zur RSAV zu beachten sind.
Entgegen der Auffassung der Klägerin genügt es nicht, dass etwa Anlage 3 des 2003 geschlossenen Vertrags den Anforderungen der RSAV entspricht. Auch die Anforderungen an die Qualitätssicherung in Anlage 4 des Vertrags müssen vielmehr die Anforderungen der RSAV beachten.
Ebenso wenig kann sich die Klägerin mit Erfolg auf § 28b Abs 1 Satz 3 RSAV berufen. Die Norm regelt, dass, soweit die Vorgaben des § 28b Abs 1 Satz 2 RSAV Inhalte der ärztlichen Therapie betreffen, diese Vorgaben den zur Erfüllung des ärztlichen Behandlungsauftrags im Einzelfall erforderlichen ärztlichen Behandlungsspielraum nicht einschränken. Mit der Ausnahme für "Patientinnen in Studien zur Sentinel-LK-Biopsie" wird indes keine Fallgruppe umschrieben, bei welcher der zur Erfüllung des ärztlichen Behandlungsauftrags im Einzelfall erforderliche ärztliche Behandlungsspielraum betroffen wäre. So läge es nur, wenn der betroffene Personenkreis aus anerkannten medizinischen Gründen von den Maßstäben der RSAV dispensiert werden müsste, um ordnungsgemäß ärztlich behandelt werden zu können. Die Teilnehmerinnen an einer Studie über eine ärztliche Behandlungsmethode sind indes zu Studienzwecken, nicht aber zur Ermöglichung der im Einzelfall erforderlichen ordnungsgemäßen Behandlung zusammengefasst.
b) Erst die Ende August 2005 geschlossenen Verträge zur Durchführung des DMP Curaplan Brustkrebs beseitigten den aufgezeigten Mangel. Der Senat geht von der Wirksamkeit der kassenartenübergreifenden Durchführungsverträge ab 29.8.2005 aus, denn ein früherer Zeitpunkt des Vertragsschlusses - vor dem 29.8.2005 - ist nicht erweislich. Die Klägerin trägt für diese ihr vorteilhafte Tatsache in ihrer Sphäre nach allgemeinen Grundsätzen (vgl hierzu zB BSGE 71, 256 = SozR 3-4100 § 119 Nr 7; Hauck in: Hennig, SGG, Stand September 2010, § 103 RdNr 71 mwN) die objektive Beweislast.
Für die Wirksamkeit eines Vertragsschlusses zwischen mehreren Vertragspartnern kommt es grundsätzlich auf die Annahmeerklärung des letzten Vertragspartners an (vgl entsprechend §§ 145, 147 BGB). Nichts anderes gilt bei einem öffentlich-rechtlichen Vertrag unter Abwesenden wie hier, bei dem die Vertragspartner mit Blick auf das Schriftformerfordernis (§ 56 SGB X iVm § 126 Abs 2 Satz 1 BGB; zur Möglichkeit des Absehens von der Urkundeneinheit vgl BSGE 69, 238, 241 f = SozR 3-1200 § 52 Nr 2 S 23 mwN) ihre übereinstimmenden Willenserklärungen sukzessive auf einer einheitlichen Urkunde abgeben. Dass die Vertragsunterschriften für VdAK und AEV vor dem 29.8.2005 erfolgten, ist nicht feststellbar. Von einem Vertragsschluss zwischen mehreren Vertragspartnern ist bei den gemeinsamen kassenartenübergreifenden Verträgen zur Durchführung des DMP Curaplan Brustkrebs nach Form und Inhalt auszugehen.
Es verhilft der Klägerin auch nicht zum Erfolg, dass die Durchführungsverträge rückwirkend zum 1.2.2005 in Kraft treten sollten. Vor dem 29.8.2005 waren sie nämlich noch nicht "geschlossen", wie es § 137g Abs 1 Satz 1 SGB V voraussetzt. Der Gesetzgeber hat diese Anforderung bewusst getroffen. Sie war in Art 1 Nr 1 Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Risikostrukturausgleichs in der gesetzlichen Krankenversicherung der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN noch nicht vorgesehen (vgl BT-Drucks 14/6432). Erst der Ausschuss für Gesundheit (14. Ausschuss) beschloss, den Prüfgegenstand des BVA um die zur Durchführung der Programme "geschlossenen Verträge" zu erweitern (vgl BT-Drucks 14/7355 S 6). Er wollte damit klarstellen, dass das BVA im Zusammenhang mit der Zulassung strukturierter Behandlungsprogramme auch zu prüfen hat, ob die zur Durchführung der Programme geschlossenen Verträge mit dem Inhalt der Programme übereinstimmen. Dies gilt - so heißt es in der Begründung (vgl BT-Drucks 14/7395 S 6) - sowohl für die Verträge, die mit zugelassenen Leistungserbringern geschlossen worden sind als auch für Verträge mit Dritten, denen die KK nach § 137f Abs 5 Satz 2 SGB V (vgl Änderung zu § 175f Abs 5 SGB V) ihre Aufgaben zur Durchführung der Programme übertragen hat. Hierdurch wird gewährleistet, dass sowohl die Programme als auch die Verträge für alle KKn nach einheitlichen Maßstäben geprüft werden.
Nachteile für die KKn erwachsen daraus nicht. Sie haben nämlich die Möglichkeit, sich die Übereinstimmung ihres Programms mit den in der RSAV geregelten Anforderungen vorab vom BVA bestätigen zu lassen, bevor sie auf dieser Grundlage in die Vertragsverhandlungen mit den Leistungserbringern eintreten (vgl BT-Drucks 14/7395 S 6).
4. Die Klägerin kann sich auch weder erfolgreich auf eine Fiktion der Zulassung noch darauf berufen, zu ihren Gunsten hätte die Beklagte eine Zulassung mit einer Nebenbestimmung oder eine teilweise Zulassung zu einem früheren Zeitpunkt erteilen müssen.
a) Überschreitungen der Frist von drei Monaten, binnen derer das BVA über einen Antrag auf Zulassung eines DMP zu entscheiden hat (§ 137g Abs 1 Satz 5 SGB V), führen nicht zu einer Zulassungsfiktion. Fiktive Zulassungen sieht das Gesetz ausdrücklich vor, wenn sie gewollt sind. Das belegt etwa § 135 Abs 1 Satz 5 SGB V. Danach darf eine Untersuchungs- und Behandlungsmethode in der vertragsärztlichen oder vertragszahnärztlichen Versorgung zu Lasten der KK erbracht werden, obwohl der Gemeinsame Bundesausschuss keine Empfehlung ausgesprochen hat, wenn innerhalb der Frist des § 135 Abs 1 Satz 4 SGB V kein Beschluss zustande kommt. Schuldhafte Fristversäumnisse können - außerhalb solch ausdrücklich angeordneter Fiktionen - allenfalls Amtshaftungsansprüche auf Schadensersatz in Geld begründen.
b) Aus der Möglichkeit, die Zulassung mit Auflagen und Bedingungen zu versehen (§ 137g Abs 1 Satz 4 SGB V), ist entgegen der Auffassung der Vorinstanz ebenfalls nichts zugunsten der Klägerin abzuleiten. Die in Betracht kommende aufschiebende Bedingung, dass die geschlossenen Verträge (aufgrund genau bezeichneter Änderungen) den Anforderungen der RSAV genügen, hat eine Steuerungswirkung nur für die Zukunft, hilft aber nicht für die Vergangenheit, um die es vorliegend allein geht. Eine Zulassung unter der Auflage, die geschlossenen Verträge den Anforderungen der RSAV innerhalb einer bestimmten Frist anzupassen, widerspräche den dargelegten Anforderungen des § 137g Abs 1 Satz 1 SGB V. Anpassungsfristen sieht die RSAV lediglich vor, wenn die geschlossenen Verträge an geänderte Bedingungen der RSAV anzupassen sind.
c) Auch eine teilweise Zulassung des DMP Curaplan Brustkrebs zu einem früheren Zeitpunkt ist nicht möglich. Zulassungen nach § 137g Abs 1 Satz 1 SGB V sind Dauerverwaltungsakte, die in zeitlicher Hinsicht teilbar sind; sie sind zu befristen (§ 137g Abs 1 Satz 3 SGB V). Dagegen ist es rechtlich nicht möglich, eine sachliche Teilzulassung eines DMP mit Blick auf geschlossene Vertragsteile auszusprechen. Das SGG gibt selbst nicht vor, wann und unter welchen Voraussetzungen die Regelungen eines Verwaltungsaktes teilbar und damit der teilweisen Bestandskraft zugänglich sind. Vielmehr knüpft es an die nach materiell-rechtlichen Vorschriften zu beurteilende Teilbarkeit an (vgl § 54 Abs 1 Satz 1 iVm § 131 Abs 1 Satz 1 SGG und BSG Urteil vom 1.3.2011 - B 1 KR 10/10 R - SozR 4-2500 § 35 Nr 4 RdNr 17, zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen; BSGE 59, 137, 143 = SozR 2200 § 368a Nr 13 S 43; BVerwG Beschluss vom 2.1.1997 - 8 B 240/96; BVerwG Beschluss vom 30.7.2010 - 8 B 125/09; BFH Beschluss vom 24.3.2009 - III B 120/07; Hauck in: Zeihe, SGG, Stand 1.11.2010, § 131 Anm 3 mwN). Der für das materielle Recht maßgebliche § 137g Abs 1 Satz 1 SGB V setzt für die DMP-Zulassung indes ua voraus, dass die zur Durchführung von Programmen nach § 137f Abs 1 SGB V geschlossenen Verträge insgesamt die in der RSAV genannten Anforderungen erfüllen. Das ergibt sich nicht nur aus Wortlaut und Entstehungsgeschichte (vgl dazu bereits oben, unter II. 3. b), sondern auch aus dem Regelungszweck. Die Zulassung unter den genannten Voraussetzungen sichert, dass die für den RSA gebildeten Versichertengruppen klar und einfach zu ermitteln sind. Komplizierte Auslegungen der geschlossenen Verträge, wann und unter welchen Voraussetzungen Vertragsteile noch oder nicht mehr den Anforderungen in der RSAV entsprechen, lassen sich hiermit nicht vereinbaren.
5. Die zulässige Anschlussrevision der Klägerin (§ 202 SGG iVm § 554 ZPO) ist zurückzuweisen. Sie hat - wie dargelegt - keinen Anspruch auf Zulassung des DMP Curaplan Brustkrebs vor dem 29.8.2005.