Entscheidungsdatum: 21.06.2011
Für Versicherte, die Anspruch auf Krankengeld zunächst wegen einer ersten Krankheit und nach Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit sodann erneut wegen einer Zweitkrankheit haben, beginnt eine neue Blockfrist mit Eintritt der Arbeitsunfähigkeit wegen der Zweitkrankheit, auch wenn zu dieser später die Erstkrankheit hinzutritt und zwischendurch allein die Erstkrankheit Arbeitsunfähigkeit bedingt.
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 24. Februar 2010 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Krankengeld (Krg) für die Zeit vom 11.6. bis zum 13.8.2006.
Die 1949 geborene Klägerin ist als Verkaufsstellenleiterin einer Drogeriefiliale bei der beklagten Ersatzkasse versichert. Sie bezog Krg vom 6.4. bis 16.10.2004 und vom 5.4. bis 23.4.2005 wegen Arbeitsunfähigkeit (AU) auf Grund einer Herzkranzgefäßerkrankung. Wegen ärztlich festgestellter AU auf Grund einer Verletzung der linken Hand am 4.7.2005 erhielt sie zunächst Entgeltfortzahlung und anschließend fortlaufend Krg. Der Krg-Anspruch ruhte während einer vom 20.4. bis zum 11.5.2006 dauernden stationären orthopädischen Reha-Maßnahme. Aus dieser wurde die Klägerin mit AU wegen aufgetretener pektanginöser Beschwerden entlassen. Während der nachfolgenden Krankenhausbehandlung vom 12.5. bis 20.5.2006 erfolgte eine operative Myokardrevaskularisation. Nach einer Anschluss-Reha vom 20.5. bis zum 9.6.2006 bestand AU wegen noch nicht abgeschlossener Wundheilung nach der Operation und wegen Morbus Sudeck der linken Hand. Die Beklagte beendete die Krg-Zahlungen unter Hinweis auf die Erschöpfung des Anspruchs am 3.6.2006 aus Gründen des Vertrauensschutzes mit dem 10.6.2006. Maßgeblich sei hier die mit dem 6.4.2004 wegen der Herzkranzgefäßerkrankung beginnende Blockfrist zur Begrenzung der Krg-Höchstbezugsdauer wegen derselben Krankheit für längstens 78 Wochen innerhalb von drei Jahren. Herzkranzgefäß- und Handerkrankung hätten nach dem 4.7.2005 zeitweise nebeneinander AU verursacht. In solchen Fällen sei die Blockfrist der früher AU auslösenden Krankheit zugrunde zu legen und die später zu AU führende Erkrankung als "hinzugetretene" anzusehen, die die Krg-Höchstbezugsdauer nicht verlängere (Bescheid vom 7.6.2006, Widerspruchsbescheid vom 10.10.2006).
Die Klägerin hat - mit Blick auf die Wiederaufnahme ihrer Arbeit am 14.8.2006 - weiteres Krg für die Zeit vom 11.6. bis zum 13.8.2006 gefordert. Das SG hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt (Urteil vom 12.6.2008). Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Das LSG hat ua ausgeführt, mit der Handverletzung am 4.7.2005 habe eine neue Blockfrist begonnen. Auf die mit dem 6.4.2004 wegen der Herzkranzgefäßerkrankung beginnende Blockfrist komme es nicht an. Die Erkrankung der Hand sei nämlich nicht zur Herzkranzgefäßerkrankung "hinzugetreten". Bei ihrem Eintritt habe weder zuvor noch zeitgleich eine AU wegen der Herzerkrankung bestanden, wie es der Wortlaut des § 48 Abs 1 Satz 2 SGB V verlange. Allein der Umstand, dass zwei Erkrankungen zu einem beliebigen Zeitpunkt zeitgleich AU ausgelöst hätten, sei nicht geeignet, mit Blick auf frühere AU-Zeiten wegen der einen Erkrankung die Krg-Höchstdauer zu verkürzen (Urteil vom 24.2.2010).
Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung materiellen Rechts (§§ 44, 48 Abs 1 SGB V). Versicherte mit AU wegen verschiedener Erkrankungen seien finanziell nicht besser zu stellen als Versicherte mit AU wegen einer einzigen schweren Erkrankung. Das müsse auch beim Hinzutreten einer bereits zu einem früheren Zeitpunkt AU verursachenden Erkrankung gelten. Nur so lasse sich der Zielsetzung des § 48 Abs 1 SGB V entsprechend sicherstellen, dass die Höchstbezugsdauer des Krg von 78 Wochen bei unterschiedlichen und wechselnden Krankheitsbildern nicht überschritten werde.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 24.Februar 2010 und des Sozialgerichts Kiel vom 12. Juni 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Klägerin hält die Entscheidung der Vorinstanz für zutreffend.
Die zulässige Revision der beklagten Ersatzkasse ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Die Vorinstanzen haben zu Recht die angefochtenen Bescheide vom 7.6. und 10.10.2006 aufgehoben und die Beklagte zur Zahlung von weiterem Krg für die Zeit vom 11.6. bis 13.8.2006 verurteilt. Die Klägerin hatte bis zu diesem Zeitpunkt Anspruch auf Krg (dazu 1.), insbesondere war der Anspruch bis zum 13.8.2006 noch nicht wegen Erreichens der Anspruchshöchstdauer (546 Tage) erschöpft (dazu 2.).
1. Rechtsgrundlage des Krg-Anspruchs sind die §§ 44 ff SGB V. Nach § 44 Abs 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krg, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär behandelt werden. Für den geltend gemachten Krg-Anspruch ist dabei jeweils an den in Betracht kommenden Entstehenstatbestand anzuknüpfen, wie er zB allgemein in § 46 Satz 1 Nr 1 oder 2 SGB V geregelt ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats bestimmt allein das bei Entstehen eines Krg-Anspruchs bestehende Versicherungsverhältnis, wer in welchem Umfang als "Versicherter" Anspruch auf Krg hat (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 44 Nr 14 RdNr 12; Brandts in: Kasseler Komm, Stand April 2011, § 44 SGB V RdNr 3). Diese dargelegten Voraussetzungen für einen Krg-Anspruch der Klägerin vom 11.6. bis zum Ablauf des 13.8.2006 sind erfüllt.
2. Die Klägerin hatte die Krg-Anspruchshöchstdauer am 3.6. und am 13.8.2006 noch nicht erreicht. § 48 Abs 1 SGB V bestimmt zur Dauer des Krg: "Versicherte erhalten Krankengeld ohne zeitliche Begrenzung, für den Fall der Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit jedoch längstens für 78 Wochen innerhalb von je drei Jahren, gerechnet vom Tage des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an. Tritt während der Arbeitsunfähigkeit eine weitere Krankheit hinzu, wird die Leistungsdauer nicht verlängert." Entgegen der Auffassung der Beklagten ist für die Krg-Anspruchshöchstdauer von 78 Wochen hier nicht die Herzkranzgefäßerkrankung maßgeblich, sondern die Handverletzung. Diese ist auch keine weitere, im Rechtssinne hinzugetretene Krankheit. Das folgt aus Wortlaut, Regelungssystem und dem Zweck des § 48 Abs 1 SGB V, nur in besonderen Ausnahmefällen die Krg-Dauer zu begrenzen.
§ 48 Abs 1 SGB V enthält drei unterschiedliche Regelungen: Er stellt zunächst den Grundsatz der Krg-Gewährung ohne zeitliche Begrenzung auf: Anspruch auf Krg besteht danach ohne abstrakte zeitliche Begrenzung, solange die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind (zutreffend Berchtold, Krankengeld, 2004, S 169 RdNr 603). Nach diesem Grundsatz ist der streitbefangene Krg-Anspruch der Klägerin gegeben. Das verkennt auch die Beklagte nicht und beruft sich stattdessen auf die beiden weiteren Regelungen in § 48 Abs 1 SGB V, die Ausnahmen von dem Grundsatz des § 48 Abs 1 Satz 1 Halbs 1 SGB V enthalten. Deren Voraussetzungen sind jedoch nicht erfüllt.
Nach der in § 48 Abs 1 Satz 1 Halbs 2 SGB V geregelten ersten Ausnahme führt es zur Rechtsfolge der Begrenzung der Leistungsdauer auf 78 Wochen, wenn "dieselbe Krankheit" die AU bedingt (dazu a). Jede neue Krankheit löst hier eine Kette von Dreijahreszeiträumen mit entsprechenden Höchstbezugszeiten von 78 Wochen aus (Methode der starren Rahmenfrist; stRspr seit BSGE 31, 125, 130 = SozR Nr 49 zu § 183 RVO; Schmidt in: H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Bd 2, Stand 1.7.2010, § 48 SGB V RdNr 30; Höfler in: Kasseler Komm, Stand April 2011, § 48 SGB V RdNr 5, jeweils mwN). Die zweite Ausnahme ist in § 48 Abs 1 Satz 2 SGB V geregelt und ein der ersten gleichgestellter weiterer Fall der Leistungsbegrenzung, nämlich dass während der AU aufgrund einer ersten Erkrankung eine weitere Krankheit hinzutritt (dazu b). Zu Lasten der Klägerin greift keine dieser Ausnahmefälle ein. Weitere Ausnahmen sieht das SGB V bewusst nicht vor (dazu c).
a) Die Klägerin hatte aufgrund der AU wegen der Handverletzung ab 4.7.2005 bis zum Ablauf des 13.8.2006 noch nicht die 78-Wochen-Frist für ihren Krg-Anspruch ausgeschöpft. Der Leistungszeitraum umfasst - ungeachtet der Berechnungsgrundsätze im Einzelnen - vielmehr lediglich 406 Kalendertage. Nach § 48 Abs 3 SGB V werden bei der Feststellung der Leistungsdauer des Krg Zeiten, in denen der Anspruch auf Krg ruht oder für die das Krg versagt wird, wie Zeiten des Bezugs von Krg berücksichtigt. Zeiten, für die kein Anspruch auf Krg besteht, bleiben unberücksichtigt. Die Dauer von 78 Wochen entspricht einer Gesamtdauer von 546 Tagen, da das Krg für Kalendertage gezahlt wird (§ 47 Abs 1 Satz 6 SGB V). Die Leistungsdauer für den Krg-Anspruch der Klägerin umfasst die Zeit vom Beginn der AU am 4.7.2005 bis zum Ablauf des 13.8.2006. Hierbei sind auch die Zeiten einbezogen, in denen das Krg wegen der Leistung von Entgeltfortzahlung und Übergangsgeld ruhte (§ 49 Abs 1 Nr 1 und Nr 3 SGB V).
Die 78-Wochen-Frist für den Krg-Anspruch war nicht mit Blick auf § 48 Abs 1 Satz 1 Halbs 2 SGB V ausgeschöpft. Die AU-Zeiten vom 6.4. bis 16.10.2004 und vom 5.4. bis 23.4.2005 beruhten nicht auf "derselben Krankheit" wie die AU-Zeiten ab 4.7.2005. In einem solchen Falle wäre die Blockfrist vom 6.4.2004 bis 5.4.2007 maßgeblich gewesen. Herzkranzgefäßerkrankung und Handverletzung sind aber nicht "dieselbe Krankheit" im Rechtssinne. Bei im Zeitablauf nacheinander auftretenden Erkrankungen handelt es sich im Rechtssinne um dieselbe Krankheit, wenn der regelwidrige Körper- oder Geisteszustand, der die Krankheitsursache bildet, auf ein medizinisch nicht ausgeheiltes Grundleiden zurückzuführen ist (vgl BSGE 83, 7, 9 = SozR 3-2500 § 48 Nr 8 S 38). Dies kann zB bei wiederholt in unterschiedlicher Ausprägung auftretenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Fall sein (vgl BSG SozR 4-2500 § 48 Nr 3 RdNr 25 mwN). Hierbei ist eine stark verfeinernde, eng fachmedizinisch-diagnostische Sichtweise zu vermeiden, die die Gefahr begründet, dass dem Merkmal im Kontext des § 48 Abs 1 SGB V letztlich gar keine eigenständige rechtliche Bedeutung mehr zukommt, obwohl das Gesetz damit gerade eine Einengung des zeitlichen Umfangs der Krankengeldgewährung bezweckt (vgl BSG SozR 4-2500 § 48 Nr 3 RdNr 25; BSG Urteil vom 7.12.2004 - B 1 KR 10/03 R mwN, jeweils Kurzwiedergabe in NZA 2005, 572 = SGb 2005, 333 = Die Leistungen Beilage 2005, 173). Gleiches hat der erkennende Senat erwogen, wenn ein Versicherter etwa bei einem schweren, sich in einem Sekundenbruchteil realisierenden Unfallereignis zusammenhanglos Gesundheitsschäden in mehreren Körperregionen erleidet. Nichts anderes gilt bei Versicherten, bei denen wegen des Nebeneinanders verschiedener gravierender akuter oder chronischer Leiden von Anfang an eine Multi- oder Polymorbidität bzw Polypathie besteht. Denn in Bezug auf die Anspruchsdauer des Krg behandelt das Gesetz den Versicherten, der von vornherein an mehreren Krankheiten leidet und der deshalb arbeitsunfähig ist, nicht anders als denjenigen, bei dem "nur" ein einziges Leiden die AU auslöst (vgl zum Ganzen BSG SozR 4-2500 § 48 Nr 3 RdNr 21 mwN).
Die dargestellte Begrenzung der Leistungsdauer des Krg beruht maßgeblich auf der Erwägung, dass es in erster Linie der gesetzlichen Rentenversicherung obliegt, bei dauerhaft eingetretener Erwerbsminderung des Versicherten Entgeltersatzleistungen zur Verfügung zu stellen, während die gesetzliche Krankenversicherung typischerweise nur für den Ausgleich des entfallenden laufenden Arbeitsentgelts bei vorübergehenden, dh behandlungsfähigen Gesundheitsstörungen eintritt (BSG SozR 4-2500 § 48 Nr 3 RdNr 20; BSGE 94, 26 = SozR 4-2500 § 51 Nr 1, RdNr 13 mwN; BVerfGE 97, 378, 386 = SozR 3-2500 § 48 Nr 7 S 32 f). Krg hat auch beim Fehlen von Rentenansprüchen und -anwartschaften nicht die Funktion, dauerhafte Leistungsdefizite bzw eine Erwerbsminderung finanziell abzusichern (vgl zur Systementscheidung über die Zuordnung der Lohnersatzleistungen BSG Urteil vom 28.09.2010 - B 1 KR 31/09 R - zur Veröffentlichung in BSGE 106, 296 = SozR 4-2500 § 50 Nr 2 vorgesehen, RdNr 15 mwN; zur insoweit fehlenden Auffangfunktion des Krg vgl schon BVerfGE 97, 378, 386 = SozR 3-2500 § 48 Nr 7 S 32 f).
Keine der dargelegten Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 1 Halbs 2 SGB V sind erfüllt. Herzkranzgefäßerkrankung und Handverletzung der Klägerin sind nicht Ausdruck eines einheitlichen Grundleidens. Sie stehen weder in einem ursächlichen Zusammenhang noch lassen sie sich als Krankheitsbündelung iS von multiplen Unfallverletzungen oder Multimorbidität begreifen.
b) Die Handverletzung ist auch keine zur Herzkranzgefäßerkrankung "hinzugetretene Krankheit". § 48 Abs 1 Satz 2 SGB V stellt die hinzutretende Krankheit bezüglich der Rechtsfolge der Leistungsbegrenzung dem Fall "derselben Krankheit" rechtlich gleich (vgl BSGE 71, 290, 292 = SozR 3-2500 § 48 Nr 3 S 14). Das Hinzutreten einer weiteren Krankheit zu einer fortbestehenden und fortlaufend AU verursachenden Erkrankung führt weder zur Entstehung eines gänzlich neuen Krg-Anspruchs noch bewirkt es die Verlängerung der schon in Ansehung der ersten Krankheit maßgeblichen (begrenzten) Leistungsdauer (vgl BSGE 83, 7, 9 = SozR 3-2500 § 48 Nr 8 S 39). Die Regelungen des § 48 Abs 1 SGB V wollen auf diese Weise sicherstellen, dass die gesetzliche Höchstbezugsdauer bei AU sowohl bei identischen Krankheiten als auch bei bestimmten unterschiedlichen und wechselnden Krankheitsbildern nicht überschritten wird (vgl zum Ganzen BSG SozR 4-2500 § 48 Nr 3 RdNr 19 mwN).
Ein "Hinzutreten während der Arbeitsunfähigkeit" iS von § 48 Abs 1 Satz 2 SGB V liegt unter Berücksichtigung von Wortlaut, Systematik sowie nach Sinn und Zweck der Regelung auch dann vor, wenn zeitgleich mit dem Vorliegen oder Wiedervorliegen einer zur AU führenden ersten Erkrankung unabhängig von dieser Krankheit zugleich eine weitere Krankheit die Arbeitsunfähigkeit des Versicherten bedingt. Es reicht insoweit aus, dass die Krankheiten zumindest an einem Tag zeitgleich nebeneinander bestanden haben (BSG SozR 4-2500 § 48 Nr 3 RdNr 16; so im Ergebnis auch: LSG NRW Urteil vom 15.5.2001 - L 5 KR 77/00 = EzS 90/258; vgl ferner zB Schmidt in: H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Bd 2, Stand 1.7.2010, § 48 SGB V RdNr 46; Schulz, WzS 1985, 36, 38; Berchtold, Krankengeld, 2004, S 173 RdNr 622; noch offen lassend Just in: Wannagat, § 48 SGB V RdNr 9, Stand März 2005). § 48 Abs 1 Satz 2 SGB V setzt deshalb nicht voraus, dass zwei Krankheiten bei dem Versicherten im Falle bestehender AU in der Weise aufeinander treffen, dass eine zweite Krankheit einer schon zuvor eingetretenen und fortbestehenden ersten Krankheit zeitlich nachfolgt (vgl zum Ganzen BSG SozR 4-2500 § 48 Nr 3 RdNr 16).
§ 48 Abs 1 Satz 2 SGB V fordert für eine "hinzugetretene" Krankheit, dass sie bereits "während" des Bestehens "der Arbeitsunfähigkeit" infolge der ersten Krankheit aufgetreten ist. Diese vom Wortlaut der Norm gezogene Grenze darf nicht unter Berufung auf den dargelegten Regelungszweck unberücksichtigt bleiben, wie es bei Einnahme des Rechtsstandpunktes der Beklagten der Fall wäre. Deshalb hat die Rechtsprechung schon bisher betont, dass eine Krankheit nicht mehr hinzutritt, sondern in ihren Rechtsfolgen eigenständig zu beurteilen ist, wenn sie erst am Tage nach Beendigung der bisherigen AU oder noch später auftritt (vgl BSG SozR 4-2500 § 48 Nr 3 RdNr 23; BSGE 83, 7, 10 = SozR 3-2500 § 48 Nr 8 S 39; BSGE 71, 290, 292 = SozR 3-2500 § 48 Nr 3 S 14 f; BSG SozR Nr 40 zu § 183 RVO = USK 6950). Das ist auch in der Literatur weitgehend unumstritten (vgl zB Vay in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung - Pflegeversicherung, Stand März 2011, § 48 SGB V RdNr 9; Gerlach in: Hauck/Noftz, SGB V, Stand Mai 2011, K § 48 RdNr 5; Schmidt in: H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Bd 2, Stand 1.7.2010, § 48 SGB V RdNr 46; Marschner in: von Maydell, GK-SGB V, Stand Oktober 2002, § 48 RdNr 7; Höfler in: Kasseler Komm, Stand April 2011, § 48 SGB V RdNr 7a; Knorr/Krasney, Entgeltfortzahlung - Krankengeld - Mutterschaftsgeld, 7. Aufl, Stand Mai 2011, § 48 SGB V RdNr 16 S O 708 mwN; Widekamp in: Orlowski/Rau/Schermer/Wasem/Zipperer, Stand April 2011, GKV-Komm SGB V, § 48 RdNr 7; aA Franz, WzS 1966, 195, 198 f). Daran fehlt es.
Die Handerkrankung ist nicht bereits "während des Bestehens der AU" infolge der Herzkranzgefäßerkrankung aufgetreten. Nach den mit zulässigen Rügen nicht angegriffenen und daher für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) wurde die Klägerin aufgrund der Handverletzung vom 4.7.2005 arbeitsunfähig, nachdem die vorangegangene AU wegen der koronaren Zweigefäßerkrankung vom 6.4. bis 16.10.2004 und ab 5.4.2005 seit dem 24.4.2005 beendet war.
c) Weitergehende Ausnahmen vom Grundsatz der unbegrenzten Leistungsdauer sieht § 48 SGB V auch bei wechselnden Krankheitsbildern nicht vor. Eine weitere Ausnahmen begründende Analogie kommt nicht in Betracht. Die Norm ist nämlich bewusst abschließend gefasst. Das folgt aus dem aufgezeigten Wortlaut, Regelungssystem und -zweck sowie der Entstehungsgeschichte (vgl Entwurf eines Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen <Gesundheits-Reformgesetz - GRG> der Fraktionen der CDU/CSU und FDP , BT-Drucks 11/2237 S 181). Dementsprechend beurteilt sich die in der Gemeinsamen Verlautbarung des AEV, des AOK-Bundesverbandes und des VdAK (jetzt vdek) vom 6.3.2007 unter 2.3.1 (in: Die Leistungen 2008, S 20, 23; abweichend das bisher maßgebliche Rundschreiben der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 6.10.1993, Sonderdruck, unter 2.3.1) aufgeworfene Frage nach der Berücksichtigung von Vorerkrankungszeiten allein nach dem durch § 48 Abs 1 Satz 1 und 2 SGB V vorgegebenen Regel-Ausnahme-Schema.