Bundessozialgericht

Entscheidungsdatum: 22.11.2012


BSG 22.11.2012 - B 1 KR 110/12 B

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Zulassungsgrund - grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache - Verfahrensmangel - Verletzung des rechtlichen Gehörs


Gericht:
Bundessozialgericht
Spruchkörper:
1. Senat
Entscheidungsdatum:
22.11.2012
Aktenzeichen:
B 1 KR 110/12 B
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend SG Chemnitz, 6. Mai 2010, Az: S 11 KR 63/09, Urteilvorgehend Sächsisches Landessozialgericht, 25. Januar 2012, Az: L 1 KR 86/10, Urteil
Zitierte Gesetze

Tenor

Dem Kläger wird wegen Versäumung der Frist zur Einlegung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 25. Januar 2012 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 25. Januar 2012 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

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I. Der bei der beklagten Krankenkasse versicherte Kläger ist mit seinem Begehren, die über den doppelten Festzuschuss für im Jahr 2008 eingegliederten Zahnersatz sowie die Kosten für eine ebenfalls im Jahr 2008 wegen Progenie durchgeführte Implantatversorgung erstattet zu bekommen, bei der Beklagten und den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das LSG hat ua ausgeführt, für den umfassend auf Erstattung aller im Zusammenhang mit der Einbringung von Zahnersatz und Implantaten im Jahr 2008 entstandenen Kosten gerichteten Anspruch des Klägers gebe es keine Rechtsgrundlage. Auch bei unzumutbarer Belastung entstehe grundsätzlich nur ein Anspruch auf den doppelten Festzuschuss bei der Versorgung mit Zahnersatz. Implantologische Leistungen seien nur bei - hier nicht gegebenen - Ausnahmeindikationen Gegenstand des GKV-Leistungskatalogs. Gegen die Begrenzung des Leistungskatalogs bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken (Urteil vom 25.1.2012).

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Für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil hat der erkennende Senat dem Kläger Prozesskostenhilfe (PKH) bewilligt und Rechtsanwalt S. aus K. beigeordnet (Beschluss vom 31.8.2012, zugestellt am 11.9.2012). Mit seiner am 10.10.2012 bei Gericht eingegangenen und begründeten Beschwerde beantragt der Kläger nunmehr die Zulassung der Revision.

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II. Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 SGG iVm § 169 S 3 SGG zu verwerfen. Zwar ist dem Kläger von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Beschwerdebegründung entspricht jedoch nicht den aus § 160a Abs 2 S 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung der in Betracht kommenden Revisionszulassungsgründe nach § 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG.

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1. Die Frist zur Einlegung der Beschwerde ist gewahrt. Dem Kläger ist von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde zu gewähren (§ 67 Abs 1 SGG). Die Voraussetzung, dass ein Beteiligter ohne Verschulden verhindert war, die Frist zur Einlegung der Beschwerde einzuhalten (§ 160a Abs 1 S 2 SGG), ist erfüllt. Der wegen Bedürftigkeit an der rechtzeitigen Einlegung des Rechtsbehelfs gehinderte Kläger hat innerhalb der Frist zur Einlegung der Beschwerde PKH beantragt und nach Bewilligung der PKH durch das Gericht die versäumte Beschwerdeeinlegung rechtzeitig innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses nachgeholt (§ 67 Abs 2 S 3 iVm S 1 SGG; vgl BSG SozR 4-1500 § 158 Nr 2 RdNr 3, 4). Dem Kläger ist daher auch ohne ausdrücklichen Antrag Wiedereinsetzung von Amts wegen zu gewähren (§ 67 Abs 2 S 4 SGG).

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2. Ausdrücklich stützt sich der Kläger nicht auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG) . Aber auch wenn man der Beschwerdebegründung sinngemäß ein solches Vorbringen entnehmen wollte (vgl hierzu BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 10), legt der Kläger die dazu notwendigen Voraussetzungen nicht in der gesetzlich gebotenen Weise dar. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern die Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; s auch BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN). Der Kläger formuliert aber schon keine Rechtsfrage. Selbst wenn es sinngemäß um die Rechtsfrage gehen sollte, ob die vom Gemeinsamen Bundesausschuss nach Abschnitt B VII Nr 2 der Richtlinien für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche vertragszahnärztliche Versorgung idF vom 1.3.2006 (, BAnz Nr 111 vom 17.6.2006, 4466) festgelegten Ausnahmeindikationen für implantologische Leistungen abschließende Bedeutung beigemessen werden muss oder bei einer stark ausgeprägten Progenie eine analoge Anwendung in Betracht kommt, beschäftigt er sich jedenfalls nicht mit den weiteren Voraussetzungen für die Darlegung einer Grundsatzrüge. Stattdessen führt die Beschwerdebegründung aus, das Urteil der Vorinstanz halte einer rechtlichen Überprüfung nicht stand, weil die angeborene Progenie des Klägers entgegen der Auffassung des LSG unter die Ausnahmeindikation nach Abschnitt B VII Nr 2 BehandlRL-ZÄ zu subsumieren sei. Damit wendet sich die Beschwerdebegründung gegen die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung des LSG. Diese ist indessen nicht Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde (stRspr, BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).

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3. Die Beschwerdebegründung bezeichnet auch einen Verfahrensmangel nicht ausdrücklich. Soweit ihr sinngemäß eine Verfahrensrüge entnommen werden könnte, beachtet der Kläger nicht die Anforderungen an die ausreichende Bezeichnung eines Verfahrensfehlers. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Wer sich auf eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG stützt, muss ua einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, die Rechtsauffassung des LSG wiedergeben, aufgrund derer bestimmte Tatsachen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen und die von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände darlegen, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten (vgl zB BSG Beschluss vom 20.7.2010 - B 1 KR 29/10 B - RdNr 5 mwN; BSG Beschluss vom 1.3.2011 - B 1 KR 112/10 B - mwN). Die Beschwerdebegründung geht schon nicht auf die Gründe ein, die das LSG bewogen haben, von weiterer Beweiserhebung Abstand zu nehmen.

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Der Kläger legt auch sinngemäß eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG, Art 47 Abs 2 Charta der Grundrechte der EU, Art 6 Abs 1 Europäische Menschenrechtskonvention) nicht hinreichend konkret dar. Wer die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör rügt, muss hierzu ausführen, welchen erheblichen Vortrag das Gericht bei seiner Entscheidung nicht zur Kenntnis genommen hat, welches Vorbringen des Rechtsuchenden dadurch verhindert worden ist und inwiefern das Urteil auf diesem Sachverhalt beruht (vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 36; BSG Beschluss vom 10.3.2011 - B 1 KR 134/10 B - RdNr 6 mwN). Daran fehlt es.

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4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.