Entscheidungsdatum: 06.05.2019
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Berlin vom 9. August 2018 (1 AGH 10/17) wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt.
Die Klägerin beansprucht von der Beklagten die Einrichtung eines besonderen elektronischen Anwaltspostfaches (beA) für sich als Rechtsanwaltsaktiengesellschaft. Nach Abweisung der Klage durch den Anwaltsgerichtshof verfolgt sie ihr Begehren mit der zugelassenen Berufung weiter.
Nach Auffassung der Klägerin ergibt sich der Anspruch auf Einrichtung des beA aus einer die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift des § 31a Abs. 1 Satz 1 BRAO erst herstellenden erweiternden Auslegung dahingehend, dass als Berechtigte die Mitglieder der Rechtsanwaltskammern nicht nur in Gestalt natürlicher, sondern auch juristischer Personen anzusehen seien. Andernfalls sei die genannte Norm wegen Verstoßes gegen Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG als verfassungswidrig zu verwerfen, weil die Vorenthaltung eines beA die Rechtsanwaltsaktiengesellschaft gleichheitswidrig in ihrer Berufsausübungsfreiheit verletze, indem sie zu Unzuträglichkeiten und Mehraufwand hinsichtlich der internen organisatorischen Abläufe führe.
Sie beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Anwaltsgerichtshofs des Landes Berlin vom 9. August 2018 zu verurteilen, für die Klägerin als Rechtsanwaltsaktiengesellschaft das besondere elektronische Anwaltspostfach empfangsbereit einzurichten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, sie sei durch den eindeutigen Wortlaut des § 31a Abs. 1 Satz 1 BRAO an der Einrichtung eines solchen Postfachs zugunsten der Klägerin gehindert.
I.
1. Die seitens des Anwaltsgerichtshofs zugelassene Berufung der Klägerin ist nach § 112e Satz 1 BRAO statthaft und auch im Übrigen zulässig; insbesondere ist dieselbe fristgerecht eingelegt worden. Nachdem das Urteil des Anwaltsgerichtshofs vom 9. August 2018 verbunden mit einer berichtigten Rechtsmittelbelehrung der Klägerin am 26. Oktober 2018 erneut zugestellt worden war, ging der Berufungsschriftsatz am 31. Oktober 2018 und damit fristgerecht bei dem Anwaltsgerichtshof ein.
2. Die Berufung bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg, denn die Beklagte hat die empfangsbereite Einrichtung des beA zugunsten der Klägerin nach den Maßstäben der ihrerseits verfassungskonformen § 31 Abs. 1 Satz 1, § 31a Abs. 1 Satz 1 BRAO zu Recht verweigert.
a) Die einfachgesetzlichen Vorschriften der § 31 Abs. 1 Satz 1, § 31a Abs. 1 Satz 1 BRAO sehen die empfangsbereite Einrichtung des beA in ihrer Zusammenschau nur zugunsten derjenigen Mitglieder einer Rechtsanwaltskammer, die natürliche Personen sind, vor. Die von § 31a Abs. 1 Satz 1 BRAO in Bezug genommene, die Verzeichnisse der Rechtsanwaltskammern und das Gesamtverzeichnis der Bundesrechtsanwaltskammer betreffende Vorschrift des § 31 Abs. 1 BRAO bezieht sich ihrem Wortlaut nach ausschließlich auf die in den Bezirken zugelassenen Rechtsanwälte und damit auf natürliche Personen (Feuerich/Weyland, BRAO, 9. Aufl., § 31 Rn. 19b; für eine Anpassung de lege ferenda allerdings Rn. 19 f.; ebenso differenzierend: Gaier/Wolf/Göcken/Siegmund, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 31 BRAO Rn. 25 ff.; Deckenbrock, AnwBl. 2014, 118, 119 ff.). Dieses Normverständnis entspricht ausweislich der Gesetzesbegründung auch demjenigen des Gesetzgebers, der die seinerzeitige Änderung des § 31 Abs. 1 Satz 1 BRAO insoweit als Klarstellung dahingehend bezeichnet hat, "dass nur Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte als natürliche Personen in die Verzeichnisse eingetragen werden" (BT-Drucks. 16/11385, S. 35). Ausschließlich die - als natürliche Personen - eingetragenen Mitglieder einer Rechtsanwaltskammer finden Eingang in das Gesamtverzeichnis und erhalten demgemäß nach § 31a Abs. 1 Satz 1 BRAO seitens der Bundesrechtsanwaltskammer ein beA empfangsbereit eingerichtet.
b) Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der § 31 Abs. 1 Satz 1, § 31a Abs. 1 Satz 1 BRAO bestehen ebenfalls nicht.
aa) Zwar liegt eine Beeinträchtigung des Schutzbereichs des einheitlichen Grundrechts der Berufsfreiheit i.S.v. Art. 12 Abs. 1 GG - bestehend aus Berufswahl- und Berufsausübungsfreiheit (BVerfGE 7, 377, 400 ff.; 110, 226, 254) - auf der Stufe der Berufsausübungsfreiheit vor; diese ist jedoch durch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügende, vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls gerechtfertigt (vgl. BVerfGE 94, 372, 390; 101, 331, 347).
(1) Im Hinblick auf § 31 BRAO a.F. hat der Senat (BGH, Beschluss vom 2. November 2012 - AnwZ (Brfg) 50/12, NJW-RR 2013, 253 Rn. 10) in einer Fallkonstellation, bei der der Umfang bestehender Veröffentlichungspflichten streitig war, bereits ausgesprochen, dass die Vorschrift lediglich Berufsausübungsregelungen i.S.d. Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG enthält, die durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls gerechtfertigt sind, weil es im Interesse des einfachen und sichereren Rechtsverkehrs unerlässlich ist, dass Gerichte, Behörden und Rechtsuchende schnell, unbürokratisch und dem Stand der Technik entsprechend feststellen können, wer zur Rechtsanwaltschaft zugelassen ist. Das Register dient damit der Transparenz des Rechtsdienstleistungsmarkts und den Interessen der Verbraucher, beinhaltet aber keine subjektiven oder gar objektiven Berufswahlbeschränkungen. An dieser Rechtsprechung ist auch nach der klarstellenden Änderung des § 31 Abs. 1 Satz 1 BRAO festzuhalten.
(2) Soweit die Klägerin vorbringt, die Nichtberücksichtigung der Rechtsanwaltsaktiengesellschaft hinsichtlich der Einrichtung eines beA führe zu Unzuträglichkeiten und Mehraufwand, weil elektronische Zustellungen mit der Konsequenz verlängerter Laufzeiten und zusätzlicher Sicherheitsrisiken über "Umwege" an ihren Vorstand oder andere empfangsbefugte natürliche Personen erfolgen müssten, gibt diese Argumentation keinen Anlass zu einer abweichenden Entscheidung. Diesbezüglich verweist bereits die Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 16/11385, S. 35) darauf, dass die persönliche Qualifikation der natürlichen Berufsträgerinnen und Berufsträger für die Ausübung der Tätigkeit entscheidend ist und für eine mit der Berücksichtigung etwa von Rechtsanwaltsaktiengesellschaften verbundene weitreichende und zugleich aufwändige Ausweitung des Inhalts des Verzeichnisses auf verschiedenartige - auch nach ausländischem Recht gegründete - Gesellschaftsformen kein Bedürfnis besteht. Dass es sich auch insoweit um den Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit rechtfertigende vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls handelt, steht nach Auffassung des Senats außer Frage. Eine unverhältnismäßige Behinderung der Berufsausübung der Klägerin ist ebenfalls nicht gegeben. Bei den vorgebrachten Einschränkungen handelt es sich ersichtlich um solche, die durch organisatorische Vorkehrungen ausgeglichen werden können.
bb) Auch ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht gegeben. Es fehlt bereits an im Wesentlichen gleichartigen Sachverhalten (vgl. BVerfGE 130, 151, 174 f.; Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 15. Aufl. Art. 3 Rn. 11) und damit an einer Beeinträchtigung des Schutzbereichs des Gleichheitsgrundrechts.
Insoweit hat der Anwaltsgerichtshof in dem angefochtenen Urteil zu Recht ausgeführt, dass Rechtsanwaltsaktiengesellschaften und Rechtsanwälte als natürliche Personen "keinesfalls identisch" sind, sondern sich in vielerlei Hinsicht unterscheiden, und sich hierzu beispielhaft auf solche Rechtsvorschriften berufen, die diese Unterschiedlichkeit als Anknüpfungspunkt voraussetzen, wie etwa die Verweisungsvorschrift des § 59m Abs. 2 BRAO, der seinerseits nicht auf §§ 31, 31a BRAO verweist, und der die Gesellschafter einer Rechtsanwaltsgesellschaft betreffende § 59e BRAO einerseits sowie die ausschließlich an die Eigenschaft als natürliche Person anknüpfenden § 4 Abs. 1 BRAO, §§ 137 ff. StPO und die Vorschriften der BORA andererseits.
Selbst wenn aber entgegen dem Vorstehenden vom Vorliegen hinreichend gleichartiger Sachverhalte auszugehen sein sollte, wäre die dann durch § 31 Abs. 1 Satz 1 BRAO normierte Ungleichbehandlung ebenfalls durch die oben bereits angeführten sachlich vertretbaren Erwägungen gerechtfertigt (vgl. Jarass/Pieroth, aaO Art. 3 Rn. 19).
cc) Soweit es die Vorschrift des § 31a Abs. 1 BRAO unmittelbar betrifft, kommt eine Verfassungswidrigkeit im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG unter dem Aspekt der Unterscheidung zwischen natürlicher und juristischer Person schon deshalb nicht in Betracht, weil die genannte Vorschrift als Tatbestandsvoraussetzung lediglich das im Gesamtverzeichnis eingetragene Mitglied einer Rechtsanwaltskammer benennt, und zwar gerade unabhängig von dessen Ausprägung als natürliche oder juristische Person.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 52 Abs. 2 GKG.
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