Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 12.12.2018


BGH 12.12.2018 - AnwZ (Brfg) 65/18

Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
Senat für Anwaltssachen
Entscheidungsdatum:
12.12.2018
Aktenzeichen:
AnwZ (Brfg) 65/18
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2018:121218BANWZ.BRFG.65.18.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend Anwaltsgerichtshof Schleswig, 18. Juni 2018, Az: 1 AGH 5/18
Zitierte Gesetze

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das am 18. Juni 2018 verkündete Urteil des 1. Senats des Schleswig-Holsteinischen Anwaltsgerichtshofs wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Kläger wurde erstmals am 14. Oktober 2003 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Im Jahre 2004 verlegte er seine Kanzlei in den Bezirk der Beklagten. Mit Bescheid vom 21. Februar 2018 widerrief die Beklagte die Zulassung des Klägers wegen Vermögensverfalls. Die Klage des Klägers gegen diesen Bescheid ist erfolglos geblieben. Nunmehr beantragt der Kläger die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.

II.

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Der Antrag des Klägers ist nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er bleibt jedoch ohne Erfolg.

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1. Ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (BGH, Beschluss vom 29. Dezember 2016 - AnwZ (Brfg) 36/16, juris Rn. 3; vom 15. Dezember 2017 - AnwZ (Brfg) 11/17, juris Rn. 3). Daran fehlt es hier. Das Urteil des Anwaltsgerichtshofs steht im Einklang mit der Rechtsprechung des erkennenden Senates.

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a) Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen hierfür sind Schuldtitel und Vollstreckungsmaßnahmen, die sich gegen den Rechtsanwalt richten (BGH, Beschlüsse vom 8. Dezember 2010 - AnwZ (B) 119/09, NJW-RR 2011, 483 Rn. 12; vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 4; vom 20. Dezember 2013 - AnwZ (Brfg) 40/13, juris Rn. 4; vom 15. Dezember 2017 - AnwZ (Brfg) 11/17, Rn. 4; vom 29. Mai 2018 - AnwZ (Brfg) 71/17, juris Rn. 4). Gibt es Beweisanzeichen wie offene Forderungen, Titel und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, welche den Schluss auf den Eintritt des Vermögensverfalls zulassen, kann der betroffene Rechtsanwalt diesen Schluss nur dadurch entkräften, dass er umfassend darlegt, welche Forderungen im maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheides gegen ihn bestanden und wie er sie - bezogen auf diesen Zeitpunkt - zurückführen oder anderweitig regulieren wollte (BGH, Urteil vom 9. Februar 2015 - AnwZ (Brfg) 51/13, juris Rn. 14; Beschluss vom 29. Mai 2018 - AnwZ (Brfg) 71/17, juris Rn. 4). Von diesen Grundsätzen ist der Anwaltsgerichtshof ausgegangen.

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b) Der Kläger verweist auf einen Schriftsatz vom 18. Mai 2018, in welchem er seine Vermögensverhältnisse am Tag des Widerrufsbescheides dargelegt habe. Diesen Vortrag hat der Anwaltsgerichtshof für unerheblich gehalten. Der Kläger sagt dazu nichts. Die behaupteten Honorarforderungen sind nach wie vor nicht belegt. Hinsichtlich der Schulden kommt es weiterhin auf die festgesetzten Steuern an. Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung von einer Tatbestandswirkung der Titel und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen aus (vgl. BGH, Beschluss vom 5. September 2016 - AnwZ (Brfg) 39/15, juris Rn. 16 mwN). Im Widerrufsverfahren nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO werden Titel und Vollstreckungsmaßnahmen nicht auf ihre inhaltliche und verfahrensrechtliche Richtigkeit überprüft. Fehler sind in den jeweils vorgesehenen Verfahren geltend zu machen, nicht im Widerrufsverfahren. Die Rückstände beim Versorgungswerk bestehen ebenfalls; die Hoffnung des Klägers, sein zwischenzeitlich gestellter Härteantrag werde Erfolg haben, ist hinsichtlich der Frage eines Vermögensverfalls am 21. Februar 2018 unerheblich. Ratenzahlungsvereinbarungen mit den übrigen Gläubigern hat der Kläger nur pauschal behauptet, nicht aber substantiiert dargelegt und in geeigneter Weise belegt. Die Mietrückstände sollen erst im Mai 2018 beglichen worden sein.

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c) Der Kläger meint weiter, die Interessen der Rechtsuchenden seien nicht gefährdet. Das trifft ebenfalls nicht zu.

7

Nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers ist mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Auch wenn diese Regelung nicht im Sinne eines Automatismus zu verstehen ist, die Gefährdung daher nicht zwangsläufig und ausnahmslos schon aus dem Vorliegen eines Vermögensverfalls folgt, kann die Gefährdung im nach der gesetzlichen Wertung vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden, wobei den Rechtsanwalt hierfür die Feststellungslast trifft. Die Annahme einer derartigen Sondersituation setzt mindestens voraus, dass der Rechtsanwalt seine anwaltliche Tätigkeit nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlich abgesicherte Maßnahmen verabredet hat, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern (BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2017 - AnwZ (Brfg) 11/17, juris Rn. 15; vom 21. Februar 2018 - AnwZ (Brfg) 72/17, juris Rn. 12; vom 5. März 2018 - AnwZ (Brfg) 52/17, juris Rn. 8). Selbst auferlegte Beschränkungen des in Vermögensverfall geratenen Rechtsanwalts sind grundsätzlich nicht geeignet, eine Gefährdung der Rechtsuchenden auszuschließen (BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2017, aaO Rn. 17 mwN).

8

Der Kläger verweist lediglich darauf, dass "die wenigen Beschwerden der ehemaligen Mandanten" zu keinem Zeitpunkt im Zusammenhang mit seinem (bestrittenen) Vermögensverfall gestanden hätten. Das mag sein, reicht aber nicht aus.

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2. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung wirft der Fall nicht auf (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Dieser Zulassungsgrund ist gegeben, wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BGH, Beschluss vom 29. Dezember 2016 - AnwZ (Brfg) 53/16, juris Rn. 21 mwN). Diese Voraussetzungen sind vom Beschwerdeführer darzulegen. Insbesondere muss begründet werden, warum ein korrigierendes Eingreifen des Bundesgerichtshofs erforderlich ist (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2016 - AnwZ (Brfg) 39/16, Rn. 9 mwN; st. Rspr.). Das ist hier nicht geschehen.

10

3. Dem Anwaltsgerichtshof ist schließlich kein Verfahrensfehler unterlaufen, auf dem sein Urteil beruhen kann (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Insbesondere hat der Anwaltsgerichtshof nicht gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) verstoßen.

11

a) Im Antrag auf Zulassung der Berufung wegen eines Verstoßes gegen den Amtsermittlungsgrundsatz muss substantiiert dargelegt werden, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären. Weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren erster Instanz, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (BGH, Beschlüsse vom 6. Februar 2012 - AnwZ (Brfg) 42/11, juris Rn. 19 mwN; vom 29. Mai 2018 - AnwZ (Brfg) 71/17, juris Rn. 11).

12

b) Diesen Voraussetzungen genügt der Zulassungsantrag nicht. Der Kläger verweist ohne weitere Erläuterungen auf einen Beweisantritt vom 18. Juni 2018, welcher den Schriftsatz vom 18. Mai 2018 betreffen soll. Das reicht nicht aus. Im Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 18. Juni 2018 findet sich überdies nur ein Antrag des Klägers, ihm Gelegenheit zu geben, das Bestehen der behaupteten Honorarforderungen nachzuweisen. Diesen Antrag hat der Anwaltsgerichtshof in den Urteilsgründen abgelehnt, nachdem der Kläger im Verwaltungsverfahren und im gerichtlichen Verfahren ausreichend Gelegenheit erhalten hat, ordnungsgemäß zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen vorzutragen, ohne dass er von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht hätte. Auch in der Begründung des Zulassungsantrags hat der Kläger sich darauf beschränkt, seinen bisherigen unzulänglichen Vortrag zu wiederholen.

III.

13

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.

Kayser     

      

Lohmann     

      

Bellay

      

Kau     

      

Lauer