Entscheidungsdatum: 22.10.2018
Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 25. Mai 2018 wird abgelehnt.
Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Etwaige außergerichtliche Kosten des Beigeladenen werden nicht erstattet.
Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 25.000 € festgesetzt.
I.
Der beigeladene Rechtsanwalt ist beim D. e.V. seit 2001 als Geschäftsführer für die dortige Geschäftsstelle eingestellt. Die Beklagte hat den Beigeladenen mit Bescheid vom 8. Mai 2017 als Syndikusrechtsanwalt zugelassen. Die hiergegen gerichtete Klage der D. hatte Erfolg. Der Anwaltsgerichtshof hat den Bescheid aufgehoben. Die Beklagte beantragt nunmehr die Zulassung der Berufung.
II.
Der Antrag der Beklagten ist nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er bleibt jedoch ohne Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1, 3 VwGO) liegen nicht vor.
1. Der Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 12. März 2018 - AnwZ (Brfg) 15/17, NJW-RR 2018, 827 Rn. 5 und vom 18. April 2018 - AnwZ (Brfg) 20/17, juris Rn. 4; jeweils mwN).
Der Anwaltsgerichtshof (Urteil S. 13 f. zu c) ist "insbesondere nach dem Eindruck in der mündlichen Verhandlung" davon ausgegangen, dass das Arbeitsverhältnis des Beigeladenen nicht durch die in § 46 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BRAO genannten Merkmale geprägt sei. Hierbei hat der Anwaltsgerichtshof maßgeblich auf das Ergebnis der Anhörung des Beigeladenen abgestellt und hierauf seine Feststellung gestützt, dass bereits der geschilderte zeitliche Umfang der nach Auffassung des Beigeladenen anwaltlichen Tätigkeiten in seinem Arbeitsalltag jedenfalls keinen überwiegenden Anteil einnimmt. Diese Ausführungen werden von der Beklagten in ihrer Zulassungsbegründung nicht schlüssig in Frage gestellt.
Eine anwaltliche Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt liegt nach § 46 Abs. 3 BRAO vor, wenn das Arbeitsverhältnis durch fachlich unabhängige und eigenverantwortliche Tätigkeiten im Sinne des § 46 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BRAO geprägt ist. Nach der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drucks. 18/5201 S. 19, 29) ist insoweit entscheidend, dass die anwaltliche Tätigkeit den Kern beziehungsweise Schwerpunkt der Tätigkeit darstellt, mithin die im Rahmen des Anstellungsverhältnisses qualitativ und quantitativ eindeutig prägende Leistung des Rechtsanwalts ist und damit das Anstellungsverhältnis durch die anwaltliche Tätigkeit beherrscht wird (siehe auch Senatsbeschlüsse vom 12. März 2018 - AnwZ (Brfg) 21/17, juris Rn. 5 und vom 18. April 2018, aaO Rn. 5). Von diesem rechtlichen Maßstab ist der Anwaltsgerichtshof zutreffend ausgegangen.
Soweit die Beklagte in der Zulassungsbegründung einzelne Sätze aus den § 46 Abs. 3 Nr. 3 BRAO betreffenden Ausführungen des Anwaltsgerichtshofs (Urteil S. 12 oben zu cc) in Frage stellt, ist deren Entscheidungserheblichkeit weder dargelegt noch ersichtlich. Der Anwaltsgerichtshof hat die Zulassung des Beigeladenen nicht daran scheitern lassen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 46 Abs. 3 Nr. 3 BRAO nicht vorliegen, sondern daran, dass die in § 46 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BRAO genannten Merkmale das Arbeitsverhältnis des Beigeladenen nicht prägen.
Mit der diesbezüglichen Begründung im angefochtenen Urteil setzt sich die Beklagte nicht schlüssig auseinander. Soweit sie aus der Formulierung im angefochtenen Urteil auf S. 13 unten, wonach bestimmte von dem Beigeladenen geschilderte Tätigkeiten in seiner Funktion als Geschäftsführer der Geschäftsstelle eher organisatorische als anwaltliche Prägung aufweisen und im Übrigen zeitlich ebenfalls untergeordnet sind, ableiten möchte, der Anwaltsgerichtshof sei davon ausgegangen, dass jedes einzelne Merkmal des § 46 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BRAO das Arbeitsverhältnis für sich - auch zeitlich - prägen müsse und es nicht ausreiche, wenn die Merkmale zusammen das Arbeitsverhältnis prägten, vermag der Senat dieses Textverständnis nicht zu teilen. Die Bemerkung bezieht sich nach ihrem Zusammenhang auf die zuvor getroffene Feststellung, wonach der zeitliche Umfang der anwaltlichen Tätigkeiten (§ 46 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BRAO) im Arbeitsalltag des Beigeladenen insgesamt keinen überwiegenden Anteil einnehme.
Der weitere Hinweis in der Zulassungsbegründung auf die "unbestrittene" Aussage des Beigeladenen, dass der anwaltliche Anteil 70 % betrage, ist ebenfalls ungeeignet, das angefochtene Urteil schlüssig in Frage zu stellen. Abgesehen davon, dass die Klägerin sowohl in ihrer Stellungnahme zu dem Zulassungsantrag als auch in ihrer Klagebegründung eine anwaltliche Prägung des Arbeitsverhältnisses im Einzelnen in Abrede gestellt hat, war dieser Schätzung des Beigeladenen bereits aufgrund seiner eigenen weiteren Angaben vor dem Anwaltsgerichtshof die Grundlage entzogen. So hat der Beigeladene zum Beispiel Aufgaben seiner "anwaltlichen" Tätigkeit zugeordnet, bei denen - wie etwa der Organisation der Mitgliederversammlung - ein Bezug zu einer Syndikustätigkeit nicht zu erkennen ist. Auch hat der Beigeladene - worauf der Anwaltsgerichtshof maßgeblich abgestellt hat und womit sich die Beklagte in ihrer Zulassungsbegründung nicht näher auseinandersetzt - angegeben, dass seine Tätigkeit, soweit sie anwaltlicher Natur sei, im Wesentlichen aus der Erteilung von Rechtsrat gegenüber den Mitgliedern des Verbandes bestehe, wobei der Beigeladene von ca. 15 bis 20 Beratungen à 30 Minuten pro Woche gesprochen hat. Dies wäre ein Arbeitsaufwand von 7,5 bis 10 Stunden pro Woche, was - auch wenn es hier nicht um den einzigen, sondern den wesentlichen Anteil an anwaltlicher Arbeit geht - mit der Schätzung von 70 % nicht zu vereinbaren ist.
2. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) stellen sich nicht. Dieser Zulassungsgrund ist gegeben, wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Zur schlüssigen Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung gehören dabei Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage sowie ihrer Bedeutung für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen oder ihrer Auswirkung auf die Allgemeinheit; begründet werden muss auch, warum ein korrigierendes Eingreifen des Bundesgerichtshofs erforderlich ist (vgl. nur Senat, Beschlüsse vom 12. März 2018, aaO Rn. 17 bzw. Rn. 11 und vom 18. April 2018, aaO Rn. 10).
Die Beklagte ist der Meinung, es sei "von grundsätzlicher Bedeutung zu klären, wie das Verhältnis der einzelnen vier Merkmale des § 46 Abs. 3 BRAO zueinander im Hinblick auf die Tatsache, in welchem Umfang das einzelne Merkmal erfüllt sein muss, ausgestaltet sein muss". Diese Frage stellt sich hier nicht. Nach der - mit der Zulassungsbegründung nicht schlüssig in Frage gestellten - Feststellung des Anwaltsgerichtshofs ist das Arbeitsverhältnis des Beigeladenen nicht durch die in § 46 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BRAO genannten Merkmale geprägt, weil bereits der zeitliche Umfang der maßgeblichen Tätigkeiten nicht den überwiegenden Anteil des Arbeitsalltags des Beigeladenen ausmacht.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 194 Abs. 2 BRAO.
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