Entscheidungsdatum: 27.02.2019
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 19. Mai 2017 wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 25.000 € festgesetzt.
I.
Der Beigeladene wurde am 27. Oktober 1995 im Bezirk der Beklagten zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Er ist bei der W. GmbH & Co. KG angestellt. Am 29. Februar 2016 beantragte er die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt. Die Klägerin stimmte nicht zu. Mit Bescheid vom 4. Oktober 2016 ließ die Beklagte den Beigeladenen als Syndikusrechtsanwalt zu. Die Klage gegen diesen Bescheid ist erfolglos geblieben. Nunmehr beantragt die Klägerin die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.
II.
Der Antrag ist nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er bleibt jedoch ohne Erfolg. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen nicht (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
1. Dieser Zulassungsgrund ist erfüllt, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (BGH, Beschluss vom 29. Dezember 2016 - AnwZ (Brfg) 36/16, juris Rn. 3; vom 15. Dezember 2017 - AnwZ (Brfg) 11/17, juris Rn. 3). Zweifel an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen füllen den Zulassungsgrund dann nicht aus, wenn sie nicht die Richtigkeit des Ergebnisses erfassen (BGH, Beschluss vom 24. November 2014 - NotZ (Brfg) 7/14, WM 2015, 898 Rn. 8; vgl. auch BVerfGE 134, 106 = NJW 2013, 3506 Rn. 40).
2. Die Klägerin hält den Zulassungsbescheid vom 4. Oktober 2016 für nicht hinreichend bestimmt. Diese Bedenken teilt der Senat im Ergebnis nicht.
a) Die Anforderungen an die Bestimmtheit eines Verwaltungsakts richten sich jeweils nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden und mit dem Verwaltungsakt umzusetzenden materiellen Rechts (BVerwG, Beschluss vom 22. Februar 2018 - 9 B 26/17, juris Rn. 6 mwN). Die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt bezieht sich, wie sich aus § 46 Abs. 1 Satz 1 BRAO ergibt, auf ein bestimmtes Arbeitsverhältnis. Das Arbeitsverhältnis muss den Anforderungen des § 46 Abs. 2 bis 5 BRAO genügen. Entspricht die arbeitsvertragliche Gestaltung des Arbeitsverhältnisses oder die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit diesen Anforderungen nicht oder nicht mehr, ist die Zulassung zu widerrufen (§ 46b Abs. 2 Satz 2 BRAO; vgl. BGH, Urteil vom 29. Januar 2018 - AnwZ (Brfg) 12/17, NJW 2018, 791 Rn. 14). Werden nach einer Zulassung weitere Arbeitsverhältnisse als Syndikusrechtsanwalt aufgenommen oder tritt innerhalb bereits bestehender Arbeitsverhältnisse eine wesentliche Änderung der Tätigkeit ein, ist auf Antrag die Zulassung auf die weiteren Arbeitsverhältnisse oder auf die geänderte Tätigkeit zu erstrecken. Daraus folgt, dass der Zulassungsbescheid das Arbeitsverhältnis und die von ihm umfassten Tätigkeiten, auf welche sich die Zulassung bezieht, so genau bezeichnen muss, dass nachträgliche Veränderungen, die einen Antrag auf Erweiterung der Zulassung oder aber deren Widerruf erfordern, erkennbar sind. Die Zulassung bindet überdies gemäß § 46a Abs. 2 Satz 4 BRAO den Träger der Rentenversicherung bei seiner Entscheidung über die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 SGB VI. Gemäß § 6 Abs. 5 Satz 1 SGB VI ist die Befreiung auf die jeweilige Beschäftigung beschränkt. Diese muss sich folglich aus dem Zulassungsbescheid ergeben (BGH, Urteil vom 15. Oktober 2018 - AnwZ (Brfg) 68/17, NJW 2018, 3712 Rn. 9).
b) Der Tenor des Zulassungsbescheides genügt diesen Anforderungen für sich genommen nicht. Er spricht die Zulassung des Beigeladenen "als Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt) gem. § 46 Abs. 2 BRAO bei der W. GmbH & Co. KG" aus. Damit ist die Tätigkeit des Beigeladenen, auf welche sich die Zulassung bezieht, nicht einmal ansatzweise hinreichend bestimmt beschrieben. Materielle Bindungswirkung entfaltet ein Verwaltungsakt nur in Bezug auf den Regelungsausspruch, nicht aber in Bezug auf die den Ausspruch tragenden Gründe (BVerwGE 159, 148 Rn. 13). Zur Ermittlung des objektiven Erklärungswertes des Verwaltungsaktes können jedoch alle dem Empfänger bekannten oder erkennbaren Umstände einschließlich der Begründung des Bescheides herangezogen werden (BVerwGE 60, 223, 228 f.; BVerwG, Beschluss vom 30. Juni 2011 - 3 B 87/10, juris Rn. 3). Die Begründung ist die Erläuterung der Behörde, warum sie den verfügenden Teil ihres Verwaltungsakts so und nicht anders erlassen hat. Sie bestimmt damit den Inhalt der getroffenen Regelung mit, so dass sie in aller Regel ein unverzichtbares Auslegungskriterium ist. Die Begründung des Zulassungsbescheides lässt hinreichend deutlich erkennen, dass sich die Zulassung auf den Arbeitsvertrag vom 20. Dezember 2013, auf eine Tätigkeitsbeschreibung vom 29. Februar 2016 und auf die Zusatzvereinbarung vom 29. September 2016 bezieht. Da die genannten Vereinbarungen allen Beteiligten in Abschrift vorliegen, schadet es auch nicht, dass sie dem Bescheid nicht beigefügt waren.
3. Die Klägerin bezweifelt, dass die anwaltliche Tätigkeit des Beigeladenen dessen Arbeitsverhältnis prägt. Nach der Zusatzvereinbarung vom 29. September 2016 entfielen 67 % der Tätigkeiten des Beigeladenen auf anwaltliche Tätigkeiten und 33 % auf nichtanwaltliche Tätigkeiten.
a) Wie der Senat bereits entschieden hat, müssen die in § 46 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BRAO genannten, fachlich unabhängig und eigenverantwortlich auszuübenden Tätigkeiten quantitativ und qualitativ den Schwerpunkt des Arbeitsverhältnisses darstellen (BGH, Urteil vom 15. Oktober 2018 - AnwZ (Brfg) 20/18, z.V.b. in BGHZ, juris Rn. 79 mwN). Ob es für die Annahme einer Prägung des Arbeitsverhältnisses ausreicht, dass die in § 46 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BRAO genannten Tätigkeiten mehr als die Hälfte der insgesamt geleisteten Arbeit ausmachen, hat der Senat bisher offengelassen. Ein Anteil von etwa 70 bis 80 % der insgesamt geleisteten Arbeit reicht regelmäßig aus (BGH, Urteil vom 15. Oktober 2018, aaO Rn. 82; Beschluss vom 14. Januar 2019 - AnwZ (Brfg) 29/17, juris Rn. 7). Im Urteil vom 14. Januar 2019 (AnwZ (Brfg) 25/18, juris Rn. 27) hat der Senat einen Anteil an anwaltlichen Tätigkeiten von "mindestens 60 %, zeitweise eher 70 %" für ausreichend gehalten.
b) Inhaltlich genügen die in der Zusatzvereinbarung vom 29. September 2016 aufgeführten Tätigkeiten den Anforderungen des § 46 Abs. 3 BRAO. Der Anwaltsgerichtshof hat nach Anhörung des Beigeladenen die Überzeugung gewonnen, dass die anwaltlichen Tätigkeiten dessen Arbeitsverhältnis prägen.
4. Die Klägerin meint schließlich, dem Beigeladenen fehle die Befugnis zum eigenverantwortlichen Auftreten nach außen gemäß § 46 Abs. 3 Nr. 4 BRAO. Der Beigeladene habe von seinem Arbeitgeber eine Handlungsvollmacht gemäß § 54 HGB erhalten, welche ihn (nur) zur Vertretung gemeinsam mit einem Geschäftsführer berechtige; im laufenden Geschäftsverkehr dürfe er Schreiben gemeinsam mit einem Prokuristen unter Verwendung des Zusatzes "i.V." unterzeichnen. Zur alleinigen Vertretung sei er also nicht berechtigt; damit fehle ihm zudem die fachliche Unabhängigkeit.
Diese Bedenken sind ebenfalls unbegründet. Wie der Senat zwischenzeitlich entschieden hat (BGH, Urteil vom 14. Januar 2019 - AnwZ (Brfg) 25/18, juris Rn. 25 ff.; Beschluss vom 14. Januar 2019 - AnwZ (Brfg) 29/17, juris Rn. 5), verlangt § 46 Abs. 3 Nr. 4 BRAO keine Alleinvertretungsbefugnis des Syndikusrechtsanwalts im Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit für seinen Arbeitgeber. Mit einer Gesamtvertretung oder dem Erfordernis einer zweiten Unterschrift lässt sich danach eine wesentliche Teilhabe in Abstimmungs- und Entscheidungsprozessen im Unternehmen nicht in Frage stellen (BGH, Urteil vom 14. Januar 2019, aaO Rn. 19). Die fachliche Unabhängigkeit wird hierdurch ebenfalls nicht in Frage gestellt. Der Beigeladene hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Anwaltsgerichtshof erläutert, dass er in Konfliktfällen seine Rechtsauffassung dokumentiere und es dann der jeweils zuständigen Person überlasse, entgegen seinem Rechtsrat tätig zu werden. Anders würde sich auch ein selbständiger Berater nicht verhalten, der aufgrund eines Auftragsverhältnisses tätig wird (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 25. September 2014 - IX ZR 199/13, WM 2014, 2274 Rn. 20).
III.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 112c Abs. 1 BRAO, § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Der Streitwert wurde nach § 194 Abs. 2 BRAO festgesetzt.
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