Entscheidungsdatum: 19.08.2015
In der Beschwerdesache
betreffend das Patent 10 2006 045 450
…
…
hat der 9. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 19. August 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Hilber sowie der Richter Dipl.-Ing. Bork, Paetzold und Dr.-Ing. Baumgart
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Einsprechenden wird der Beschluss der Patentabteilung 15 vom 10. Februar 2010 aufgehoben das Patent 10 2006 045 450 aufrechterhalten.
I.
Die Patentabteilung 15 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat den fristgerecht erhobenen Einspruch der A… GmbH & Co. KG gegen das am 19. September 2006 angemeldete Patent 10 2006 045 450 mit der Bezeichnung
„Spritzvorrichtung zum Versprühen von Spritzmitteln sowie Verfahren zum Betreiben einer solchen Spritzvorrichtung“,
dessen Erteilung am 10. Juli 2008 veröffentlich wurde, nach Anhörung durch den am 10. Februar 2010 verkündeten Beschluss als unzulässig verworfen.
Mit dem einzigen innerhalb der Einspruchsfrist eingegangenen Schreiben der Einsprechenden vom 25. September 2008 hatte diese gegen den Bestand des 22 Patentansprüche umfassenden Patents mit Bezug auf Patentdokumente zum Beleg des Standes der Technik geltend gemacht, dass dem Patentgegenstand nach Patentanspruch 1 bzw. in seinen Ausbildungen nach den Ansprüchen 2 bis 21 und auch in seiner Erscheinungsform nach dem Anspruch 22 jeweils keine erfinderische Tätigkeit zugrunde liege.
Mit Schriftsatz vom 31. März 2009 war die Patentinhaberin dem Vorbringen der Einsprechenden vollumfänglich entgegengetreten; nach ihrer Auffassung ist bereits die Auffindung der Gegenstände nach den erteilten Ansprüchen 1 und 22 nicht naheliegend.
Mit Bescheid vom 4. Februar 2010 hat die Patentabteilung den Beteiligten noch vor der mündlichen Verhandlung am 10. Februar 2010 Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit des Einspruchs mit sinngemäßem Hinweis auf eine mangelnde Substantiierung des Vortrags der Einsprechenden mit Bezug auf ein Anspruchsmerkmal mitgeteilt.
Gegen den nach Anhörung auch dahingehend ergangenen Beschluss der Patentabteilung – Ausfertigungen der Beschlussbegründung wurden von den Beteiligten am 21. bzw. 19. Mai 2010 empfangen – richtet sich die mit Schriftsatz vom 9. Juni 2010 am selben Tag beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangene, auf einen Widerruf des Patents abzielende Beschwerde der Einsprechenden. Mit Schriftsatz vom 17. Juni 2010 hat die Beschwerdeführerin ihre Beschwerde mit Ausführungen zur nach ihrer Auffassung ausreichenden Substantiierung des Einspruchsvorbringens begründet und u. a. beantragt, „die Sache zur erneuten Verhandlung an die erste Instanz zurückzuweisen“.
Ihre gegenteilige Auffassung hat die Patentinhaberin mit Schriftsatz vom 30. Dezember 2010 dargelegt.
Auf die Terminsladung vom 16. Juni 2015 hat die Patentinhaberin die Nichtteilnahme an der Verhandlung angekündigt, nachdem sie zuvor mit Schriftsatz vom 30. Dezember 2010 beantragt hatte, die Beschwerde der Einsprechenden wegen des auch nach ihrer Auffassung unzulässigen Einspruchs zurückzuweisen und hierfür hilfsweise eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.
Mit gerichtlichem Hinweis vom 12. August 2015 hat der Senat darauf hingewiesen, dass die Frage einer Zurückverweisung Gegenstand einer vom Senat auszuübenden Ermessensentscheidung nach § 79 (3) PatG sei. Außerdem hat er mitgeteilt, dass er hinsichtlich der Frage der Zulässigkeit des Einspruchs eher zur Bejahung tendiere und bei einer insoweit möglichen unmittelbaren Entscheidung auch in der Sache unter Berücksichtigung des schriftsätzlichen Vorbringens der Beteiligten zur Frage der Patentfähigkeit auch im Einspruchsverfahren eher zur Aufrechterhaltung des Patents neige.
In der mündlichen Verhandlung am 27. Mai 2015 hat der Vertreter der Einsprechenden und Beschwerdeführerin nach Erörterung der – mit dem gerichtlichen Hinweis aufgeworfenen – Frage der Rangfolge der mit den Schriftsätzen vom 9. und 17. Juni 2010 mitgeteilten Anträge den Antrag gestellt,
den Beschluss der Patentabteilung 15 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 10. Februar 2010 aufzuheben und das Patent zu widerrufen, hilfsweise die Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen.
Seitens der Beschwerdegegnerin, die wie angekündigt zur Verhandlung nicht erschienen ist, liegt der Antrag aus dem Schriftsatz vom 30. Dezember 2010 vor,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Ansprüche 1 und 22 des angegriffenen Patents haben lt. der veröffentlichten Fassung gemäß DE 10 2006 045 450 B4 – folgend mit der Buchstabenkombination PS kurzbezeichnet – folgenden Wortlaut:
1. „Spritzvorrichtung zum Versprühen von Spritzmitteln für den Pflanzenschutz, insbesondere Feldspritze, mit wenigstens einer Dosierpumpe (10), wobei die Dosierpumpe (10) wenigstens einen Förderraum (20) mit wenigstens einem Flüssigkeitseinlass (12) und wenigstens einem Flüssigkeitsauslass (16) aufweist, wobei der wenigstens eine Flüssigkeitseinlass (12) und/oder der wenigstens eine Flüssigkeitsauslass (16) mit einem Ventil (14, 18) verschließbar ist und wobei das wenigstens eine Ventil (14, 18) selbstsperrend sowie mittels einer Entsperrvorrichtung (36) entsperrbar ausgebildet ist, dadurch gekennzeichnet, dass mittels der Dosierpumpe (10) Wirkstoff über eine Wirkstoffeinspeiseleitung in eine Trägerflüssigkeitsleitung eingespeist werden kann, wobei im Bereich der Mündung der Wirkstoffeinspeiseleitung in die Trägerflüssigkeitsleitung in oder an der Wirkstoffeinspeiseleitung ein Sensor vorgesehen ist, der wenigstens das Vorhandensein von Fluid detektiert und ein entsprechendes Signal ausgibt.“
22. „Verfahren zum Betreiben einer Spritzvorrichtung nach einem der vorstehenden Ansprüche mit den Schritten: a. Entsperren des wenigstens einen Ventils (14, 18) der Dosierpumpe (10; 110),
b. Vorfördern von Spritzmittel zu der wenigstens einen Dosierpumpe (10; 110), Rückfördern von Spritzmittel von der wenigstens einen Dosierpumpe (10; 110) oder Spülen der wenigstens einen Dosierpumpe (10; 110) in entsperrtem Zustand des wenigstens einen Ventils (14, 18).“
Im Verfahren befinden sich folgende Dokumente aufgrund Berücksichtigung im Einspruchs- bzw. Prüfungsverfahren:
D1 - DE 101 62 773 A1 D2 - WO 96/35876 A1 D3 - DE 103 53 789 A1 D4 - DE 10 2004 047 585 A1 D5 - DE 696 01 461 T2 P1 – DE 195 27 402 A1:
Wegen des Wortlauts der sich an den Patentanspruch 1 anschließenden Unteransprüche wird auf die Patenschrift, wegen weiterer Einzelheiten einschließlich des schriftsätzlichen Vorbringens der Verfahrensbeteiligten im Beschwerde- und Einspruchsverfahren auf die Akte auch im Übrigen verwiesen.
II.
Die statthafte Beschwerde ist frist- und formgerecht eingelegt worden und auch im Übrigen zulässig. Sie hat in der Sache jedoch nur insoweit Erfolg, als der Einspruch nicht unzulässig ist. Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung erfüllt der Einspruch zwar noch die zu den förmlichen Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines Einspruchs gehörende Anforderung an eine ausreichende Substantiierung des geltend gemachten Einspruchsgrundes.
Jedoch erweist sich der hierfür im Einspruchsverfahren geltend gemachte Widerrufsgrund fehlender Patentfähigkeit im Sinne des § 21 (1) Nr. 1 PatG nicht als durchgreifend, weil sich die durch den Patentanspruch 1 definierte Vorrichtung bzw. das durch den Patentanspruch 22 definierte Verfahren gegenüber dem von der Einsprechenden eingeführten bzw. dem bereits im Prüfungsverfahren berücksichtigen Stand der Technik jeweils als neu und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend erweisen.
1. Zum Gegenstand des Patents
Das angegriffene Patent betrifft eine Spritzvorrichtung zum Versprühen von Spritzmitteln bzw. ein Verfahren zum Betreiben einer Spritzvorrichtung, bei der mittels einer Dosierpumpe Wirkstoff über eine Wirkstoffeinspeiseeinleitung in eine Trägerflüssigkeitsleitung eingespeist werden kann, vgl. Ansprüche 1 bzw. 22 in der PS.
Eine erfindungsgemäß ausgeführte Spritzvorrichtung soll bezüglich der Handhabung im Betrieb, in der Vorbereitung zum Betrieb und bei der Reinigung verbessert sein, vgl. Absatz 0007 in der PS.
Als Durchschnittsfachmann ist ein Maschinenbauingenieur angesprochen, mit mehrjähriger Erfahrung in der Entwicklung von Spritzvorrichtungen zum Versprühen von Spritzmitteln, insoweit vertraut mit den notwendigen hydraulischen Komponenten hierfür und deren strömungstechnischer Verschaltung.
Während sich dem Fachmann aus der Beschreibung eines Ausführungsbeispiels im Patent im Hinblick auf die Figur 4 der mögliche strukturelle Aufbau einer erfindungsgemäß ausgeführten Spritzvorrichtung im Einzelnen unmittelbar erschließt, haben hiervon in der sprachlichen Fassung des Patentanspruchs 1 einzelne Merkmale in einer Gliederung wie folgt Niederschlag gefunden:
M1 Spritzvorrichtung zum Versprühen von Spritzmitteln für den Pflanzenschutz, insbesondere Feldspritze,
M2 mit wenigstens einer Dosierpumpe (10),
M2.1 die Dosierpumpe (10) weist wenigstens einen Förderraum (20) mit wenigstens einem Flüssigkeitseinlass (12) und wenigstens einem Flüssigkeitsauslass (16) auf,
M2.2 der wenigstens eine Flüssigkeitseinlass (12) und/oder der wenigstens eine Flüssigkeitsauslass (16) ist mit einem Ventil (14, 18) verschließbar
M2.3 wobei das wenigstens eine Ventil (14, 18) selbstsperrend sowie mittels einer Entsperrvorrichtung (36) entsperrbar ausgebildet ist,
(Ende Oberbegriff)
M3 mittels der Dosierpumpe (10) kann Wirkstoff über eine Wirkstoffeinspeiseleitung in eine Trägerflüssigkeitsleitung eingespeist werden
M3.1 im Bereich der Mündung der Wirkstoffeinspeiseleitung in die Trägerflüssigkeitsleitung in oder an der Wirkstoffeinspeiseleitung ist ein Sensor vorgesehen ist, der wenigstens das Vorhandensein von Fluid detektiert und ein entsprechendes Signal ausgibt.
(Ende Kennzeichenteil)
Der auf ein Verfahren zum Betreiben einer Spritzvorrichtung nach u. a. dem Patentanspruch 1 gerichtete Patentanspruch 22 umfasst die Merkmale:
V1 Entsperren des wenigstens einen Ventils (14, 18) der Dosierpumpe (10; 110),
V2a Vorfördern von Spritzmittel zu der wenigstens einen Dosierpumpe (10; 110),
V2b Rückfördern von Spritzmittel von der wenigstens einen Dosierpumpe (10; 110)
V2c Spülen der wenigstens einen Dosierpumpe (10; 110) in entsperrtem Zustand des wenigstens einen Ventils (14, 18).
Figur 4 aus PS (freigestellt, ergänzt)
Die Figur 4 zeigt zwar eine vom Anspruchswortlaut umfasste bzw. unter den Wortlaut der Merkmale M3.1 und M3 fallende Anordnung, mit der lt. den Angaben im Absatz 0054 der PS die Stellung eines in Abhängigkeit vom Vorhandensein von Wirkstoff aufschwimmenden Schwimmers „nahe“ am Einspeiseort detektiert werden kann, wobei dieser Sensor dort stromabwärts der Dosierpumpe angeordnet ist, und die Dosierpumpe in einer Wirkstoff führenden Leitung zwischen dem Vorratstank für den Wirkstoff und dem Sensor angeordnet ist. Bei einer Auffassung des Anspruchs 1 in seiner philologischen Bedeutung allein hat dieser strukturelle Zusammenhang darin allerdings nicht ausdrücklich Niederschlag gefunden. Den Grundsätzen zu § 14 PatG folgend ist bei der Auslegung eines Patents der Patentanspruch jedoch in seinem technischen Sinn aufzufassen. Die Frage, ob eine bestimmte Anweisung zum Gegenstand eines Anspruchs des Patents gehört, entscheidet sich deshalb danach, ob sie in dem betreffenden Anspruch Ausdruck gefunden hat (st. Rechtsprechung., vgl. GRUR 2007, 778 – Ziehmaschinenzugeinheit; GRUR 2007, 959 – Pumpeinrichtung). Danach ist entscheidend, welcher technische Sinngehalt aus der Sicht des angesprochenen Fachmanns den Merkmalen des Patentanspruchs im Einzelnen und in ihrer Gesamtheit aufgrund einer am technischen Gesamtzusammenhang orientierten Betrachtung zukommt (st. Rspr. vgl. GRUR 2012, 129 – Fentanyl-TTS; GRUR 2004, 845 – Drehzahlermittlung, m. w. N.). Dies darf allerdings weder zu einer inhaltlichen Erweiterung noch zu einer sachlichen Einengung des durch den Wortlaut des Patentanspruchs festgelegten Gegenstands führen (GRUR 2004, 1023 – Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung).
Vorliegend wird der angesprochene Fachmann nach dem Gesamtinhalt der Patentschrift unter Berücksichtigung der in ihr objektiv offenbarten Lösung bei unbefangener Erfassung der im Anspruch umschriebenen Lehre die Merkmalsangabe M3.1 nicht isoliert im Sinne einer Begrenzung des für die Anordnung des Sensors vorgesehenen Bauraums gegenüber der Ausdehnung der Spritzvorrichtung insgesamt auffassen, bei der es vorrangig nur auf die Funktion der Detektion von Fluid in einer Wirkstoffeinspeiseleitung ankäme, unabhängig von der Lage der Dosierpumpe entlang der Wirkstoffeinspeiseleitung, soweit dieser eine Erstreckung von einem Tank bis zur Mündung reichend unterstellt wird. Diese ein solch weiteres Verständnis für sich isoliert noch u. U. stützende Aussage eingangs des Absatzes 0012 in der linken Spalte der Seite 3 in der PS, demnach „die Zudosierung eines Spritzmittels in eine Trägerflüssigkeit an verschiedenen Stellen des Systems […] erfolgen kann“, so auch „in den Ansaugbereich der Brühepumpe“ (vgl. Absatz 0012, rechte Spalte, 3. und 4. Zeile), wird durch die sich daran anschließende Aussage in der rechten Spalte relativiert, demnach es „wichtig“ ist, „so dicht wie möglich an den Düsen einzuspeisen“. Wenn nämlich „die Dosierpumpe Spritzmittel unmittelbar stromaufwärts der Sprühdüse […] fördert“ (vgl. Absatz 0030, Satz 1), ergibt sich der Vorteil einer geringeren Menge zurückbleibenden Spritzmittels in der Wirkstoffeinspeiseleitung (vgl. Absatz 0030, Satz 6) im Sinne der Aufgabenstellung einer verbesserten Reinigung, die demnach „zwischen der Dosierpumpe 80 und dem Einspeiseort 65“ angeordnet ist (vgl. Absatz 0047), mit dem für die Detektion von Fluid mit Sensoren ausgebildeten Schwimmerventil dazwischen liegend (vgl. Absatz 0050, erster Satz).
Da das Patent eine inhaltliche Erweiterung auf stromaufwärts der Dosierpumpe oder abseitig der Einspeisestelle an der Wirkstoffeinspeiseleitung angeordnete Sensoren zum Detektieren des Vorhandenseins von (Wirkstoff-)Fluid ausschließt, gehört die strukturelle Anweisung, den Sensor stromaufwärts der Einspeisestelle, jedoch stromabwärts der Dosierpumpe „in oder an der Wirkstoffeinspeiseleitung“ vorzusehen (Merkmal M3.1), mit zum Gegenstand des Anspruchs 1, wodurch auch dem Merkmal M3 die Bedeutung zukommt, die Wirkstoffeinspeiseleitung als die von der Dosierpumpe zur Mündung in die Trägerflüssigkeitsleitung führende Leitung zu qualifizieren.
Entsprechend dieses Verständnisses sind auch die Verfahrensschritte V2a, V2b und V2c als Alternativen zu verstehen, deren Realisierung in Abhängigkeit von dem hierfür in entsperrtem Zustand gehaltenen Ventil mit dem Merkmal V1 gestellt ist. So unterscheidet sich der „Vorförderbetrieb“ vom „Förderbetrieb“ – bei dem Wirkstoff der Trägerflüssigkeit beigemengt wird – dadurch, dass der Wirkstoff bis zum Einspeiseort durch die auf Durchgang geschalteten Ventile „vorgefördert“ wird (vgl. Absatz 0053, Satz 1), wodurch der Förderraum der Dosierpumpe entlüftet werden kann (vgl. Absatz 0054, letzter Satz). Im „Förderbetrieb“ dagegen ist die Entsperrung aufgehoben (vgl. Absatz 0055), was insoweit auch Implikation der Merkmale V1 und V2a ist. Ähnliches gilt für den „Rückförderbetrieb“ gemäß Merkmal V2b, für den ein Betrieb des Ventils im entsperrten Zustand entsprechend Merkmal V1 zwingende Voraussetzung ist (vgl. Absatz 0056). So kann auch der „Spülbetrieb“ gemäß Merkmal V2c wie beim „Vorförderbetrieb“ gemäß Merkmal V1 mit einem in Offenstellung gehaltenen Ventil erfolgen (vgl. Absatz 0058) – also nicht unter bloßer selbsttätiger Entsperrung der hierbei in der Öffnungsrichtung durchströmten Ventile.
2. Zur Zulässigkeit des Einspruchs
Die Zulässigkeit eines Einspruchs ist in jedem Stadium des Verfahrens und damit auch im Beschwerdeverfahren vorrangig zu prüfen (vgl. BGH in GRUR 1972, 592 „Sortiergerät“; GRUR 1990, 348 „Gefäßimplantat“), wobei ein unzulässiger – einziger – Einspruch zur Beendigung des Verfahrens ohne weitere Sachprüfung über die Rechtsbeständigkeit des angegriffenen Patents führt (BGH GRUR 1987, 513, II.1 – „Streichgarn“).
Nach § 59 (1) PatG hängt die Zulässigkeit eines Einspruchs u. a. davon ab, dass die Einsprechende einen der Widerrufsgründe des § 21 PatG geltend macht; das ist vorliegend der Fall und wurde auch nicht Abrede gestellt. Die Einsprechende hat sich sinngemäß auf fehlende Patentfähigkeit des Patentgegenstands nach § 4 PatG entsprechend § 21 (1) Nr. 1 berufen.
Des Weiteren ist der Einspruch zu begründen; die ihn rechtfertigenden Tatsachen müssen innerhalb der Einspruchsfrist im Einzelnen angegeben werden (§ 59 (1) Sätze 2, 4 und 5), wobei sich der technische Zusammenhang des Gegenstands des Patents und des entgegen gehaltenen Standes der Technik aus der Begründung des Einspruchs für den Fachmann auf dem jeweiligen Gebiet ergeben muss, der auch maßgebend für das Ausmaß der Würdigung ist – das setzt voraus, dass die Begründung des Einspruchs sich zumindest mit dem Kern der patentierten Erfindung auseinandersetzt (vgl. Schulte, 9. Auflage, § 59, Rn. 95 und Rn. 99).
Der Tatsachenvortrag ist dann ausreichend substantiiert, wenn er die Patentinhaberin und das Deutsche Patent- und Markenamt bzw. vorliegend das Bundespatentgericht in die Lage versetzt, daraus abschließende Folgerungen in Bezug auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Widerrufsgrundes ziehen zu können (st. Rspr. vgl. BGH BlPMZ 1987, 203, 204 – Streichgarn; BGH BlPMZ 1993, 439, 440 – Tetraploide Kamille; BGH BlPMZ 1998, 201, 202 –Tabakdose; BGH BlPMZ 2003, 241 – Automatisches Fahrzeuggetriebe), die von der Einspruchsbegründung allerdings fordern, dass sie sich nicht nur mit einem Teilaspekt der unter Schutz gestellten Erfindung befasst, sondern mit der gesamten patentierten Lehre (vgl. BGH GRUR 1988, 364 – Epoxidationsverfahren), und was im Übrigen die Angabe der relevanten Stellen in einer Entgegenhaltung erforderlich macht, wenn sonst der Fachmann den objektiv gegebenen Zusammenhang nur mühsam erkennen könnte (vgl. Schulte, 9. Auflage, § 59, Rn. 101).
2.1 Zum Einspruchsvorbringen
Im Schriftsatz vom 25. September 2008 hat die Einsprechende im ersten Absatz auf Seite 3 hinsichtlich Merkmal M1 auf Absatz 0001 in der D3, und hinsichtlich Merkmal M2 auf Absatz 0033 in D3 hingewiesen.
Im zweiten Absatz ist hinsichtlich Merkmal M2.1 auf die Absätze 0040 und 0045, und im dritten Absatz hinsichtlich Merkmal M2.2 auf Absatz 0045 in der D3 hingewiesen.
Zum Merkmal M2.3 wird im letzten Absatz auf Seite 3 auf die Druckschriften D1 und D2 hingewiesen; zu diesen hat sie bereits auf Seite 2 im drittvorletzten Absatz ausgeführt: „Aus dem Verlauf des Prüfungsverfahrens ergibt sich, dass eine Dosierpumpe wie sie im Oberbegriff des Patentanspruchs 1 vorausgesetzt ist, durch die DE 101 62 773 A1 oder der WO 96/35876 A1 bekannt ist“.
Zum Merkmal M3 wird im vierten Absatz auf die Absätze 0040, 0029, 0024, 0014 und 0110 sowie Patentanspruch 1 in D3 hingewiesen.
Während auf Seite 2 des Einspruchsschriftsatzes im dritten Absatz der Wortlaut des das Merkmal M3.1 enthaltenden kennzeichnenden Teils des Anspruchs 1 noch vollständig wiedergegeben ist, weist die entsprechende Angabe im fünften Absatz auf Seite 3 betreffend die dort hierfür benannten Fundstellen (Absätze 0117, 0118 und Figur 17) zum Nachweis dieses Merkmals Wortauslassungen (folgend kursiv unterstrichen hervorgehoben) auf in der Aussage „Im Bereich der Mündung der Wirkstoffeinspeiseleitung in der an der Wirkstoffeinspeiseleitung ist ein Sensor vorgesehen“.
Im Kontext der folgenden Aussage im sechsten Absatz „aus diesen Stellen ergibt sich, dass ein an dem Schwimmerventil vorhandener elektronischer Geber dem Anwender signalisiert und somit ein entsprechendes Signal ausgibt, dass der Wirkstoff Fluid also ein vorhanden ist“ wird deutlich, dass die Einsprechende sich im vorangehenden Absatz durchaus auf das Merkmal M3.1 bezogen hat, dieses jedoch wie das Merkmal M3 nur aus dem nach ihrer Sicht gebotenen, weiteren Verständnis dieses Merkmals in seiner philologischen Bedeutung isoliert betrachtet hat – und hierbei den Kern der Erfindung eher in der Detektion des Vorhandenseins von Fluid in einer den Wirkstoff führenden Leitung gesehen hat. Die Einsprechende hat dem Patentanspruch 1 offensichtlich keine Aussage zur Struktur der beanspruchten Spritzvorrichtung entnommen und die einzelnen Merkmale als aus dem Ausführungsbeispiel herausgegriffen betrachtet und das Merkmal M3.1 eher räumlich-örtlich betrachtet, ohne die funktionelle Einbindung des Sensors in einer implizit vorgegebenen Struktur an einem speziellen Leitungsabschnitt aufgegriffen zu haben, vgl. hierzu vorstehende Ausführungen im Abschnitt 1.
Insoweit hat sich die Einsprechende mit einer Lehre des Patentanspruchs 1 insgesamt befasst, die dieser nach ihrem eigenen – fachmännischen – Verständnis vermittelt, wobei sie diese hierbei allerdings nicht in dem aus der Auslegung des Patents tatsächlich folgenden technischen Sinn aufgefasst hat. Die Auslegung des Patentanspruchs gehört indes zur rechtlichen Würdigung, von der im Übrigen die Begründetheit eines Einspruchs abhängt. Eine unzutreffende Auslegung des Patentanspruchs oder eine Verkennung des tatsächlichen „Kerns der Erfindung“ durch die Einsprechende – mag diese dann auch als Befassung mit lediglich einer Teillehre des Patents erscheinen – kann von daher nicht zu einer Unzulässigkeit des Einspruchs führen, solange die zur Begründung des Einspruchs angegebenen Tatsachen zumindest insoweit einen sachlichen Bezug zum Gegenstand des erteilten Patents haben und die maßgeglichen Umstände auch so vollständig dargelegt sind, dass eine Überprüfung durch die Patentinhaberin oder das Patentamt bzw. des Patentgericht ohne eigene Ermittlungen möglich ist.
Diese Anforderungen an die Begründungspflicht hat die Einsprechende – entgegen der von der Patentabteilung im angegriffenen Beschluss vertretenen Auffassung – jedoch erfüllt. Denn sie hat innerhalb der Einspruchsfrist – wie vorstehend ausgeführt – zu allen Merkmalen des Patentanspruchs 1 unter Bezugnahme auf die Druckschriften D1 bis D3 in ausreichendem Umfang Umstände vorgetragen, die nach ihrer Auffassung für eine Überprüfung ausreichen: Hinsichtlich der Merkmale M1 bis M2.2 sowie der Merkmale M3 und M3.1 in der Druckschrift D3 auf Textpassagen und die Figur 17 Seite 22/26 darin (s. o.), die der Fachmann – wie im gleichen Maße auch bei der Streitpatentschrift erforderlich und stillschweigend zu unterstellen – auch dort in den Kontext der übrigen Beschreibung im Rahmen seines Fachwissens stellt, was ihm hilft, diese Entgegenhaltung auch im Übrigen zu verstehen. So ist in der Figur der D3, auf die sich die Einsprechende bezieht, eine Spritzvorrichtung schematisch in ähnlicher Weise wie in der Figur 5 der PS dargestellt, für die in der Streitpatentschrift eine weitere mögliche Ausführungsform einer Spritzvorrichtung zur Verwirklichung der Merkmale des Anspruchs 1 in Kombination beschrieben ist. Den in der Figur 17 der D3 zeichnerisch dargestellten Komponenten wird der Fachmann daher auch ohne weiteres eine ähnliche technische Bedeutung wie bei diesem Ausführungsbeispiel des angegriffenen Patents unterstellen, ohne dass es hierzu näherer Ausführungen bedurfte. Insoweit war es unschädlich, dass die Einsprechende nur pauschal auf bestimmte Absätze bzw. eine Figur verwiesen hat.
Abbildung in Originalgröße in neuem Fenster öffnen
Figur 5 aus PS (freigestellt)
Hinsichtlich des Merkmals M2.3 war die Angabe einer relevanten Stelle in den angeführten Entgegenhaltungen D1 und D2 entbehrlich, weil der Fachmann aufgrund des Titels dieser Patentdokumente („Dosierpumpe“ bzw. Fördervorrichtung) i. V. m. mit den deutlichen Figurendarstellungen darin (Figur 2 in D1 bzw. Figur 1 in D2) ohne weiteres den sachlichen Bezug zu dem nachzuweisenden Merkmal erkennt.
Der Einspruch erfüllt daher die Zulässigkeitsanforderungen durch die Ausführungen der Einsprechenden bereits zum Patentanspruch 1.
3. Zur Überprüfung des behaupteten Widerrufsgrundes
3.1 Die Neuheit i. S. des § 3 PatG der Spritzvorrichtung mit den Merkmalen des erteilten Anspruchs 1 ist gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik gegeben, diese wurde auch nicht bestritten. Denn mit keiner der Druckschriften ist das Merkmal M3.1 entsprechend dem gebotenen Verständnis dieser Ausbildung des Patentgegenstandes nachgewiesen, das eine Anordnung eines Sensors zum Detektieren des Vorhandenseins von (Wirkstoff-) Fluid insoweit „im Bereich der Mündung der Wirkstoffeinspeiseleitung in die Trägerflüssigkeitsleitung in oder an der Wirkstoffeinspeiseleitung“ vorschreibt, als der Sensor hierfür stromabwärts der von der Dosierpumpe ausgehenden Wirkstoffeinspeiseleitung angeordnet sein muss.
Die nächstkommende, ein Verfahren zum Betreiben einer Pflanzenschutzspritze mit direkter Dosierung der Wirkstoffe an den Düsenhaltern durch hydraulisch angetriebene Dosierpumpen (vgl. Bezeichnung) betreffende D3 zeigt in Figur 17 die Anordnung von Schwimmerventilen mit Sensor (Pos. 17, gesondert in Figur 18 deutlich gezeigt) am Ende einer jeden Versorgungsstrecke, an der jeweils mehrere Dosierpumpen (Pos. 18) angeschlossen sind, vgl. die benannten Absätze 0117 und 0118. Mit dieser Anordnung ist zwar das Vorhandensein von Fluid in der Versorgungsstrecke am Ende einer jeden Dosierpumpengruppe detektierbar (vgl. Absatz 0111) , jedoch erfolgt diese Detektion stromaufwärts der Dosierpumpen und nicht stromabwärts in oder an der Wirkstoffeinspeiseleitung, die bei dem Aufbau dort ja ebenfalls ausgehend von den Dosierpumpen in die Trägerflüssigkeitsleitung (vgl. Figur 6) mündet.
Zusammenstellung freigestellter Figuren 6, 17 und 18 aus D3
Gleiches gilt für die aus der ein Wirkstoffversorgungssystem und eine Spritzeinrichtung zum Versprühen von Flüssigkeiten betreffenden D4 bekannte Anordnung der Komponenten. In dieser Druckschrift ist mit der darin enthaltenen Figur 5 zwar ein ähnlicher Aufbau wie in der Streitpatentschrift hier mit der Figur 5 dargestellt. Während auch dort wie bei den in D3 beschriebenen Ausführungsformen eine Vermischung von Wirkstoff und Trägerflüssigkeit erst in den einzelnen Dosierpumpen in den Düsenhaltern erfolgt (vgl. Absatz 0062, Satz 6 in D4 bzw. Absatz 0001 in D3), ist indes kein Sensor an der Wirkstoffeinspeiseleitung im Bereich der Mündung der Wirkstoffeinspeiseleitung in die Trägerflüssigkeitsleitung vorgesehen. Vielmehr sind dort Füllstandsgeber (Pos. 22 u. 24 in Figur 1, zeichnerisch angedeutet in Figur 5) an einem Wirkstoffvorbehälter (Pos. 16) angeordnet, der eine als Wirkstoffzirkulationsleitung ausgeführte Versorgungsleitung stromaufwärts der Dosierpumpen speist (vgl. Absatz 0062, Satz 4 i. V. m. Absatz 0064, Satz 3).
Figur 5 aus D4 (freigestellt, ergänzt)
Die übrigen im Verfahren befindlichen Druckschriften liegen nach Überprüfung weiter ab und wurden von der Beschwerdeführerin im Hinblick auf das Merkmal M3.1 auch nicht weiter betrachtet.
Bei der durch das Merkmal M3.1 in der beanspruchten Kombination definierten Anordnung handelt es sich auch nicht um eine einfache konstruktive Abwandlung, die dem Fachmann ausgehend von der D3 oder D4 in Verbindung mit allgemeinem Fachwissen nahegelegt sein könnte. Denn die ihrem Aufbau zumindest in der D3 beschriebenen, ventilgesteuerten Dosierpumpen weisen aufgrund ihrer unmittelbaren Anordnung an der Trägerflüssigkeitsleitung – vgl. hierzu Figur 6 Seite 15/26 in D3 – nur eine sehr kurze Wirkstoffeinspeiseleitung zwischen dem ausgangsseitigen Ventil und der Mündung in die Trägerflüssigkeitsleitung auf, in der keine größere Menge Wirkstoff verbleibt. Ein für eine Übertragung ausreichender Anlass, dort – zumal zusätzlich oder abweichend von deren Anordnung stromaufwärts – Sensoren stromabwärts der Dosierpumpen vorzusehen, besteht nicht.
Mithin konnte der Fachmann auch bei Zusammenschau des im Verfahren befindlichen Standes der Technik und unter Berücksichtigung seines allgemeinen Fachwissens nicht zur der erfindungsgemäßen Dosierpumpe gelangen.
Aus der Erörterung in der mündlichen Verhandlung auf Basis des unveränderten Tatsachenvortrags haben sich keine Gesichtspunkte ergeben, die eine andere Beurteilung des Sachverhalts geboten erscheinen lassen könnten.
3.2 Die erteilten Patentansprüche 2 bis 21 benennen zweckmäßige Weiterbildungen der Spritzvorrichtung nach Patentanspruch 1 und stellen keine Selbstverständlichkeiten dar.
3.3 Der Anspruch 22 betrifft eine Erscheinungsform der Erfindung in der Kategorie Verfahren, die sich auf die Betriebsweise einer Spritzvorrichtung mit jedenfalls den Merkmalen des Patentanspruchs 1 bezieht, bei der deren Dosierpumpe gemäß Merkmal M2.2 dort auch ein selbstsperrendes sowie mittels einer Entsperrvorrichtung entsperrbares Ventil und einen Sensor stromabwärts in oder an der Wirkstoffeinspeiseleitung aufweist.
Die für die Spritzvorrichtung gemäß D3 beschriebenen Dosierpumpen weisen zwar eine Ventilmembran (Pos. 3) auf, die im Bereich des Flüssigkeitsauslasses (Pos. 13) bzw. des Flüssigkeitsauslasses selbstsperrend ausgebildet sind. Wenn Wirkstoff im Förderbetrieb auf die Ventilmembrane drückt, wird diese angehoben und der Wirkstoff kann durch die Austrittsöffnung (Pos. 13) abfließen. Gleichzeitig gelangt der Druck des Wirkstoffs auf die Ventilmembrane im Bereich des Ansaugventils. Dort wird die Membrane auf die Ventilbohrungen gedrückt und dichtet diese gegen die Eintrittsöffnung (Pos. 10) ab, vgl. hierzu Figur 1 in Skizze 1 aus Seite 12/26 i. V. m. Absätzen 0033, 0035. 0049 und 0050.
Figur 1 aus D3 (freigestellt, ergänzt)
Entsperrvorrichtungen zur zwangsweisen Entsperrung dieser Ventile aus dem selbstsperrenden Zustand heraus sind jedoch weder bei der in Figur 1 gezeigten Dosierpumpe noch den übrigen in D3 beschriebenen Pumpenaufbauten vorgesehen. Hieraus folgt zwangsläufig die Neuheit i. S. des § 3 PatG des vorliegend beanspruchten Verfahrens gegenüber der D3, das das „Entsperren des wenigstens einen Ventils (14, 18) der Dosierpumpe (10;110)“ einschließt; diese wurde auch nicht bestritten.
Aus der D1 geht zwar eine Pumpe mit einem selbstsperrend sowie mittels einer Entsperrvorrichtung entsperrbar ausgebildeten Ventil hervor – vgl. dort Figur 2 –, das insoweit für eine die Entsperrung einschließende Betriebsweise ausgelegt ist.
Figur 2 aus D1 (freigestellt, ergänzt)
Allerdings wird dieser Aufbau und diese Betriebsweise dort lediglich zur „Einstellung der Fördermenge“ vorgeschlagen - vgl. Absatz 0011 – und nicht, um ein Vorfördern, Rückfördern oder Spülen der Pumpe zu ermöglichen. Da in der D1 eine solche Betriebsweise im entsperrten Zustand des Ventils nicht angesprochen ist, ist das vorliegend mit dem Anspruch 22 beanspruchte Verfahren bereits deshalb neu i. S. des § 3 PatG gegenüber der D1.
Aus der D2 geht zwar für sich eine Pumpe mit ähnlichem Aufbau wie in D3 im Zusammenhang mit einer Spritzvorrichtung beschrieben hervor, für die auch die Ausbildung eines mit einer Entsperrvorrichtung versehenen, selbstsperrenden Ventils vorgeschlagen ist: Die in Figur 3 der D2 gezeigte Ventilvorrichtung 20 ist dort zum Einsatz anstelle des „passiven“ Ventils 6 der in Figur 1 dargestellten Pumpe vorgeschlagen – allerdings zur „aktiven Regelung“ des „ununterbrochenen Fördergutaustritts“ vorgesehen, vgl. Seite 10, Zeilen 24 bis 27 i. V. m. Seite 7, Zeile 36 fortlaufend bis Seite 8, Zeile 10.
Figuren 1 und 3 aus D2 (freigestellt und ergänzt)
Eine Betriebsweise, die ein Vorfördern, Rückfördern oder Spülen der Pumpe bei entsperrtem Ventil vorsieht, ist in D2 dagegen nicht angesprochen, weshalb das vorliegend mit dem Anspruch 22 beanspruchte Verfahren bereits deshalb neu i. S. des § 3 PatG gegenüber der D2 ist.
Es kann dahingestellt bleiben, ob der Fachmann bei einer Spritzvorrichtung wie aus D3 bekannt anstelle der dort für eine Anordnung unmittelbar vor den Düsen vorgesehenen, druckmittelangetriebenen Dosierpumpen – ohne Entsperrvorrichtung an einem der Ventile – Pumpen wie aus D1 bekannt zur „Einstellung der Fördermenge“ oder auch aus D2 bekannt aus dem Grund einer „aktiven Regelung“ eines „ununterbrochenen“ Wirkstoffaustritts (D2) verwenden würde. Eine dahingehende Betriebsweise wie vorliegend durch die Merkmale V1 und V2x des Anspruchs 20 definiert, dass das entsprechende Ventil soweit entsperrt wird, dass ein Vorfördern, Rückfördern oder Spülen möglich ist und diese Maßnahmen dann auch für den Betrieb einer Spritzvorrichtung mit den Merkmalen des Anspruchs 1 – die zudem selbst durch den Stand der Technik nicht nahegelegt ist, s .o. – zwingend vorgesehen sind, ist mangels Vorbild im berücksichtigten Stand der Technik dem Fachmann somit auch nicht nahegelegt.
Für die aus der D4 hervorgehenden Spritzvorrichtung ist zwar ein Rückförderbetrieb beschrieben – vgl. dort Absatz 0080, auf den die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung insoweit in Ergänzung ihres schriftlichen Vorbringens mit dem Einspruchsschriftsatz vom 25.09.2008 hingewiesen hat (vgl. dort Seite 4, vorletzter Absatz). Diese Betriebsweise wird nach dem Vorschlag dort allerdings mittels eines hierfür zu verstellenden Mehrwegeventils realisiert, dass zudem stromaufwärts der Dosierpumpen in einer Wirkstoffvorlaufleitung angeordnet ist, wodurch dort auch keine Rückförderung aus der Wirkstoffeinspeiseleitung stromabwärts der Dosierpumpen realisierbar ist – wie bei einer nach dem hier beanspruchten Verfahren betriebenen Spritzvorrichtung mit u. a. den Merkmalen des Patentanspruchs 1.
Die übrigen im Verfahren befindlichen Druckschriften liegen nach Überprüfung weiter ab und wurden von der Beschwerdeführerin im Hinblick auf das beanspruchte Verfahren auch nicht weiter betrachtet.
Andere oder neue Gesichtspunkte, die eine andere Beurteilung des Sachverhalts geboten erscheinen lassen könnten, haben sich aus dem Gang der mündlichen Verhandlung auch im Übrigen nicht ergeben.
4. Zur Frage der Zurückverweisung
Die Zurückverweisung steht nach § 79 (3) PatG im Ermessen des Gerichts. Hierbei sind Instanzenverlust, Verfahrensverzögerung und ausreichende Prüfung in der Sache zu berücksichtigen (vgl. Schulte, PatG 9. Aufl. 2014, § 79 Rdn. 18 m. w. N.). Ist die Sache allerdings entscheidungsreif, weil das Gericht aufgrund des vorliegenden Materials zu einer abschließenden Entscheidung in der Lage ist, kommt eine Zurückverweisung nicht in Betracht (vgl. BGH Bl.f PMZ 1992, 496 (498); Schulte a. a. O.)
Der Senat hat sich in der Lage gesehen, in Anbetracht der unveränderten Tatsachenlage abschließend über das Vorliegen des behaupteten Widerrufsgrundes fehlender Patentfähigkeit zu befinden und in der Sache zu entscheiden, worauf die Beteiligten vom Senat auch vor der Verhandlung hingewiesen wurden.
Eine neue Sachaufklärung, die eine Zurückverweisung hätte geboten erscheinen lassen können, war nach dem Senatshinweis vom 12. August 2015 und der Erörterung in der mündlichen Verhandlung nicht notwendig.
In Anbetracht der Verfahrensdauer bisher bei gegebener Entscheidungsreife nach insoweit ausreichender Prüfung kam eine Zurückverweisung nicht in Betracht.
Vielmehr war der Beschluss der Patentabteilung aufzuheben und das die mit dem Einspruch in Abrede gestellten Patentfähigkeitsvoraussetzungen der §§ 3 und 4 PatG – wie vorstehend dargelegt – erfüllende Patent im erteilten Umfang aufrechtzuerhalten.