Entscheidungsdatum: 26.04.2018
I
Der Antragsteller wendet sich gegen die mit Wirkung zum 1. Januar 2014 neu gefasste Abfallgebührenordnung der Stadtgemeinde Bremen. Danach werden drei verschiedene Gebühren erhoben: 1. Grundgebühren für jede Nutzungseinheit auf einem an die öffentliche Abfallentsorgung angeschlossenen Grundstück, 2. Leistungsgebühren für die von der Stadtgemeinde zur Verfügung gestellten Restabfallbehälter sowie 3. Gebühren für bestimmte, in der Gebührenordnung näher bezeichnete Leistungen. Durch das Aufkommen aus der Grund- und der Leistungsgebühr werden die übrigen gebührenfreien Sammel- und Verwertungsdienste (Bioabfälle, Wertstoffe, Sperrmüll, etc.) mitfinanziert.
Der Begriff der Nutzungseinheit wird in der Gebührenordnung legaldefiniert; darunter fallen u.a. nach außen abgeschlossene Wohnungen sowie gewerbliche Nutzungseinheiten. Die Grundgebühr, durch die ein Teil der regelmäßig anfallenden Fixkosten (Vorhaltekosten) abgedeckt werden soll, beträgt für jede Nutzungseinheit einheitlich 43,26 € pro Kalenderjahr. Die Leistungsgebühr ist nach der Größe der Restabfallbehälter gestaffelt (60 l, 90 l, 120 l usw. bis max. 1 100 l). In der jeweiligen Jahresgebühr ist eine bestimmte Anzahl an Leerungen mitenthalten. Bei den 60 l-Behältern hängt die mitumfasste Anzahl an Leerungen davon ab, ob es sich um einen Ein-Personen- oder um einen Zwei-Personen-Haushalt handelt (13 bzw. 20 Leerungen); die Gebühr für zusätzliche Sonderleerungen ist identisch (5,32 €).
Der Antragsteller ist Eigentümer eines Zweifamilienhauses. Er lebt dort - ebenso wie sein Mieter - in einem Ein-Personen-Haushalt. Der Antragsteller hat von der vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht, einen Abfallbehälter zur gemeinsamen Nutzung bereitzuhalten (sog. Abfallgemeinschaft). Es handelt sich um einen 60-l-Abfallbehälter, für den der Antragsteller bislang anteilig 65,10 € zu zahlen hatte. Aufgrund der Neufassung der Gebührenordnung wurde für die Abfallgemeinschaft nun eine Jahresgebühr von 192,92 € festgesetzt (2 x die Grundgebühr i.H.v. 43,26 € und eine Leistungsgebühr i.H.v. 106,40 €), so dass auf den Antragsteller 96,46 € pro Jahr entfielen.
Der Antragsteller hält die neue Gebührenordnung u.a. wegen der Diskriminierung von Ein-Personen-Haushalten für rechtswidrig. Das Oberverwaltungsgericht hat den Normenkontrollantrag abgelehnt.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision, die auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und des Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützt ist, hat keinen Erfolg.
1. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu.
Grundsätzlich bedeutsam im Sinne dieser Vorschrift ist eine Rechtssache nur, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete fallübergreifende und bislang ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Den Darlegungen der Beschwerde (vgl. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO) lässt sich nicht entnehmen, dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sind.
a) Die von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen,
ob einer Leistungsgebühr durch die Festlegung einer bestimmten Anzahl von Mindestleerungen grundsätzlich der Charakter einer solchen genommen wird und ob es gegebenenfalls eine Grenze von Mindestleerungen gibt, ab welcher nicht mehr von einer Leistungsgebühr gesprochen werden kann,
rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision, denn sie lassen sich ohne Weiteres im Sinne des angegriffenen Urteils beantworten.
Die Beschwerde steht auf dem Standpunkt, dass die Gebührenordnung in Wirklichkeit zwei Grundgebühren nebeneinander erhebt, denn "durch die enorme Anzahl an Mindestleerungen" sowie die Gebührenfreiheit der sonstigen Müllentsorgung (Biomüll, Papier etc.) sei keinerlei Anreiz zum Einsparen gegeben, so dass es sich auch bei der Leistungsgebühr in Wahrheit um eine Grundgebühr handele. Dies vermag nicht zu überzeugen, denn die Gebührenordnung unterscheidet in § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 i.V.m. dem Gebührenverzeichnis deutlich zwischen "Grundgebühren für jede Nutzungseinheit", die verbrauchsunabhängig 43,26 € beträgt, und "Leistungsgebühren für die von der Stadtgemeinde zur Verfügung gestellten Restabfallbehälter", deren Höhe nach dem Volumen des Behälters gestaffelt wird, wobei eine bestimmte Anzahl von Regelleerungen mitenthalten ist. Letzteres nimmt - wie das Oberverwaltungsgericht zutreffend ausführt - der letztgenannten Gebühr nicht den Charakter einer Leistungsgebühr. Sie bleibt vielmehr, weil sie von der Behältergröße abhängt, personen- und mengenbezogen.
b) Die Frage,
ob - insbesondere im Hinblick auf die verursachergerecht zu erhebenden Abfallgebühren - die Bemessungsgrundlage einer Grundgebühr nach Wohneinheiten sachgerecht oder sachfremd ist,
ist, soweit sie überhaupt einer grundsätzlichen Klärung zugänglich ist, nicht klärungsbedürftig. Denn in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist bereits geklärt, dass dem Satzungsgeber bei der Bemessung von Abfallgebühren ein weiter Gestaltungsspielraum eröffnet ist, dessen Grenzen mit Blick auf den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG erst dann überschritten sind, wenn die Gebührenregelung nicht mehr durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist. Dabei lässt Art. 3 Abs. 1 GG - in Verbindung mit dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz der Praktikabilität - je nach den Umständen des Einzelfalls bei der Bemessung von Müllabfuhrgebühren sowohl mengen- oder gewichtsorientierte als auch personen- oder haushaltsbezogene Gebührenmaßstäbe zu. Von Bedeutung ist insoweit vor allem, ob und inwieweit in der mit der Gebühr abgegoltenen Leistung Teilbereiche der Müllentsorgung miterfasst sind, die - wie z.B. die Sperrmüllabfuhr - nicht strikt personenbezogen sind, sondern sich stärker an Haushalten ausrichten. Die Gemeinde kann auch - wie hier - beide Maßstäbe kombinieren (BVerwG, Urteile vom 21. Oktober 1994 - 8 C 21.92 - Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 71 = juris Rn. 12 f. und vom 20. Dezember 2000 - 11 C 7.00 - BVerwGE 112, 297 <299 f.>).
Die Beschwerde zeigt keinen weitergehenden Klärungsbedarf auf. Ihr Vorbringen, das Vorhalten sowie Bereitstellen des betriebsfertigen Abfallsystems (Fahrzeuge für die Abfallentsorgung, Betrieb der Recyclingstationen und des Schadstoffmobils) rechtfertige keine Ungleichbehandlung, übersieht, dass die Grundgebühr gerade von allen Nutzungseinheiten unabhängig von ihrer Größe erhoben wird, also eine Gleichbehandlung und keine Ungleichbehandlung darstellt. Soweit die Beschwerde darauf hinweist, dass die Gebühren verursachergerecht erhoben werden müssen, setzt sie sich nicht mit dem Umstand auseinander, dass die Grundgebühr nur 25 % des Gebührenbedarfs für die Hausmüllentsorgung abdecken soll.
c) Die Fragen,
ob die streitgegenständliche Abfallgebührenordnung den Vorgaben des § 6 KrWG genügt bzw. welche Anforderungen grundsätzlich an die Gestaltung einer Abfallgebührenordnung im Hinblick auf § 6 KrWG zu stellen sind,
rechtfertigen ebenfalls nicht die Zulassung der Revision. Die erste Teil-Frage wirft keine abstrakt zu klärende Frage auf, die zweite lässt sich - jedenfalls im Grundsatz - auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens klären, hängt aber im Übrigen weitgehend vom Einzelfall ab.
Das Kreislaufwirtschaftsgesetz stellt in § 6 eine bestimmte Rangfolge auf (Vermeidung, Recycling, Verwertung, Beseitigung), deren Beachtung auch das Bremische Ausführungsgesetz für die Ausgestaltung der Gebühren vorschreibt (vgl. § 8 Abs. 2 Satz 2 und 4 Krw/AbfGAG BR 2010). Danach soll die Vermeidung und Verwertung von Abfällen gefördert werden. Die Gebühren sollen in der Regel verursachergerecht bemessen werden, insbesondere entsprechend der Menge, der Behältergröße, der Abfuhrhäufigkeit, des Volumens und in Abhängigkeit des Aufwandes für die notwendige Behandlung oder Vorbehandlung der Abfälle.
Ob die jeweilige Gebührenordnung geeignet ist, die gewünschten Anreize zur Abfallvermeidung und -verwertung zu erzielen, ist eine Frage des Einzelfalls. Das Oberverwaltungsgericht hat dies für die hier in Rede stehende Gebührenordnung des Antragsgegners bejaht. Danach besteht die erwünschte Verhaltenssteuerung in dem Anreiz, Zusatzleerungen und -gebühren zu vermeiden, und zwar durch Verringerung des individuellen Abfallaufkommens sowie Nutzung der (gebührenfreien) kommunalen Sammel- und Verwertungsdienste. Da ein nicht unerheblicher Anteil der Haushalte die Zahl der Mindestleerungen überschreite, könne von einem durchaus relevanten Anreiz ausgegangen werden. Die Beschwerde setzt mit ihrem Vorbringen, ein tatsächlicher Anreiz zur Müllvermeidung bestehe teilweise gar nicht (Großbehälter), teilweise nur in geringem Umfang (Mülltonnen für max. acht Personen), lediglich ihre eigene Wertung an die Stelle des Gerichts, zeigt aber keinen abstrakten Klärungsbedarf auf. Soweit sie annimmt, für Biomüll, Altpapier und den gelben Sack liege ohnehin ein Verstoß gegen die abfallrechtlichen Vorschriften vor, setzt sie sich nicht mit dem o.g. Argument des Oberverwaltungsgerichts auseinander, dass auch die Nutzung der kommunalen Sammel- und Verwertungsdienste dem abfallrechtlichen Ziel entspricht. Denn diese Dienste führen gerade zu einer geordneten Trennung der verschiedenen Abfallfraktionen und ermöglichen eine spätere Verwertung.
d) Hinsichtlich der Fragen,
ob eine Leistungsgebühr grundsätzlich degressiv nach der Größe der Abfallbehälter ausgestaltet werden darf oder stattdessen das tatsächliche Müllaufkommen ermittelt werden muss,
und ob die Schüttdichte als Bezugsgröße herangezogen werden darf, und zwar insbesondere dann, wenn die Leistungsgebühren nach Volumen berechnet werden,
legt die Beschwerde weder deren Klärungsbedürftigkeit noch deren Entscheidungserheblichkeit dar.
2. Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.
Das rechtliche Gehör des Antragstellers ist nicht dadurch verletzt worden, dass das Oberverwaltungsgericht bestimmte Schlussfolgerungen aus den beigezogenen Verwaltungsakten (Beiakten I und II) gezogen hat, ohne den Antragsteller zuvor ausdrücklich darauf hinzuweisen. Konkret geht es um Untersuchungen zur Schüttdichte des Abfalls bei kleinen und großen Behältern sowie um das Ausmaß der Überschreitung der Zahl der Mindestleerungen. Entgegen der Beschwerde kann als drittes Beispiel nicht "das spezifische Abfallaufkommen bei Ein-Personen-Haushalten" angeführt werden, denn auf diese Erkenntnisse stellt das Urteil ausdrücklich nicht entscheidungstragend ab, sondern lässt die Frage offen (UA S. 12).
Die Beschwerde rügt, der Antragsteller hätte nicht ausreichend Gelegenheit gehabt, sich mit den beiden genannten Gesichtspunkten auseinanderzusetzen; das Gericht hätte ihm die relevanten Aktenauszüge vor der mündlichen Verhandlung zur Verfügung stellen müssen. Mit diesem Vorbringen wird ein Gehörsverstoß indes nicht dargelegt. Die Antragsgegnerin hat die Behördenakten (zwei Ordner) mit ihrer Antragserwiderung vom 16. Januar 2015 dem Gericht vorgelegt; in dieser Erwiderung nimmt sie wiederholt auf die genannten Beiakten - unter Angabe konkreter Blattzahlen - Bezug. Es hätte dem Antragsteller jederzeit frei gestanden, nach § 100 VwGO Akteneinsicht zu verlangen. Hiervon hat er keinen Gebrauch gemacht. Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs umfasst nicht die Verpflichtung des Gerichts, seine maßgeblichen rechtlichen Erwägungen bereits in oder gar vor der mündlichen Verhandlung mitzuteilen (BVerwG, Beschluss vom 12. Juni 2017 - 9 B 42.16 - juris Rn. 8).
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.