Entscheidungsdatum: 24.05.2011
Jagdgenossenschaften steht in Anbetracht ihres eigentumsrechtlich geschützten Jagdausübungsrechts im gemeinschaftlichen Jagdbezirk eine Klagebefugnis gegen flurbereinigungsrechtliche Maßnahmen zur Änderung der Eigentumslage zu, die nach den jagdrechtlichen Vorschriften zwangsläufig eine Veränderung ihres gemeinschaftlichen Jagdbezirks oder dessen Wegfall zur Folge haben.
Die Beschwerde der Klägerin ist mit dem Ergebnis der Zurückverweisung an das Oberverwaltungsgericht begründet (§ 133 Abs. 6 VwGO).
1. Die Klägerin sieht zu Recht einen Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO darin, dass ihre Klage als unzulässig abgewiesen wurde. Auf diesem Verfahrensmangel kann das Urteil des Oberverwaltungsgerichts auch beruhen.
Die Abweisung einer Klage als unzulässig stellt einen Verfahrensmangel dar, wenn die Möglichkeit einer Rechtsverletzung nicht aufgrund einer fehlerhaften Beurteilung der materiellen Rechtslage, sondern aufgrund einer unzutreffenden Beurteilung gerade der prozessualen Anforderungen des § 42 Abs. 2 VwGO ausgeschlossen wird (vgl. Beschlüsse vom 23. Januar 1996 - BVerwG 11 B 150.95 - Buchholz 424.5 GrdstVG Nr. 1 S. 1 und vom 28. Juni 2007 - BVerwG 7 B 4.07 - juris Rn. 7). Letzteres ist hier der Fall. Das Oberverwaltungsgericht hat unterstellt, dass Jagdgenossenschaften ein eigentumsrechtlich geschütztes Jagdausübungsrecht zusteht. Es geht ferner davon aus, dass sich Jagdgenossenschaften auf der Grundlage dieses Rechtes gegen öffentlich-rechtliche Maßnahmen wenden können, die - wie etwa Verkehrsanlagen, die einen Jagdbezirk durchschneiden - die Ausübung der Jagd faktisch beeinträchtigen. Dies gelte jedoch nicht im Hinblick auf flurbereinigungsrechtlich verfügte Änderungen der Eigentumslage, die - ohne die Möglichkeit der Jagdausübung selbst zu ändern - zum Wegfall von Jagdbezirken und damit zum Untergang von Jagdgenossenschaften führten. Selbst wenn solche Maßnahmen - wie hier - gezielt erfolgten, werde unmittelbar nur die Eigentumslage verändert; der Untergang der Jagdgenossenschaft sei hingegen nicht Gegenstand der Maßnahmen, sondern lediglich ihre mittelbare Folge aufgrund jagdrechtlicher Vorschriften (§ 8 BJagdG i.V.m. § 6 Abs. 1 LJagdG) ein. Eine solche Differenzierung zwischen abwehrfähiger faktischer Beeinträchtigung des Jagdausübungsrechts und nicht abwehrfähigem (zwangsläufigem) Verlust dieses Rechtes bei einer darauf gerichteten Veränderung der Eigentumslage findet in § 42 Abs. 2 VwGO keine Stütze, zumal auch bei einer durch eine flurbereinigungsrechtliche Änderung der Eigentumslage vermittelten Verkleinerung des gemeinschaftlichen Jagdbezirks oder dessen Wegfall wegen Unterschreitens der Mindestgröße nach § 8 BJagdG die tatsächlichen Möglichkeiten der Jagdgenossenschaft zur Ausübung der Jagd eingeschränkt werden oder sogar ganz entfallen.
2. Eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) kommt hingegen nicht in Betracht. Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage,
ob eine Jagdgenossenschaft, deren gemeinschaftlicher Jagdbezirk aufgrund einer Maßnahme im Flurbereinigungsverfahren die für einen gemeinschaftlichen Jagdbezirk vorgeschriebene Mindestgröße nicht mehr erreicht und dadurch wegfällt und die deswegen untergeht, durch diese Maßnahme in ihren Rechten verletzt sein kann,
ist nicht klärungsbedürftig. Sie muss vielmehr auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung ohne Weiteres bejaht werden.
Durch die höchstrichterliche Rechtsprechung ist geklärt, dass das Jagdausübungsrecht der Jagdgenossenschaft "gleichsam ein Stück abgespaltenen Eigentums der einzelnen Genossen ist, das erst in der Hand der Genossenschaft als Trägerin zu einem Recht erstarkt" (BGH, Urteile vom 14. Juni 1982 - III ZR 175/80 - NJW 1982, 2183 und vom 20. Januar 2000 - III ZR 110/99 - NJW 2000, 1720 f.). Die Jagdgenossenschaft kann sich auch als Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 8 Satz 1 LJagdG) auf den eigentumsrechtlichen Schutz ihres Jagdausübungsrechts im gemeinschaftlichen Jagdbezirk berufen, weil sie sich insoweit in der gleichen "grundrechtstypischen Gefährdungslage" (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Juni 1977 - 1 BvR 108, 424/73 und 226/74 - BVerfGE 45, 63 <79>) befindet wie Grundstückseigentümer, die nach § 7 BJagdG Inhaber von Eigenjagdbezirken sind. Demzufolge sind Jagdgenossenschaften befugt, sich gegen planfestgestellte Vorhaben zu wenden, die das Jagdausübungsrecht beeinträchtigen (vgl. Urteil vom 4. März 1983 - BVerwG 4 C 74.80 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 53 S. 27).
Das Bundesverwaltungsgericht hat bislang nicht ausdrücklich entschieden, dass eine Jagdgenossenschaft auch eine flurbereinigungsrechtlich verfügte Änderung der Eigentumslage anfechten kann, die - zwangsläufig - dazu führt, dass der gemeinschaftliche Jagdbezirk sich verändert oder wegen Unterschreitens der nach § 8 BJagdG vorgeschriebenen Mindestgröße ganz wegfällt. Ausgehend von der oben genannten höchstrichterlichen Rechtsprechung muss eine solche Klagebefugnis ohne Weiteres bejaht werden. Gemäß der - auch im vereinfachten Flurbereinigungsverfahren anwendbaren - Regelung des § 37 Abs. 1 Satz 1 FlurbG ist das Flurbereinigungsgebiet unter Beachtung der jeweiligen Landschaftsstruktur neu zu gestalten, wie es den gegeneinander abzuwägenden Interessen der Beteiligten sowie den Interessen der allgemeinen Landeskultur und der Landentwicklung entspricht und wie es das Wohl der Allgemeinheit erfordert. Jagdgenossenschaften sind nach § 10 Nr. 2 Buchst. b FlurbG Nebenbeteiligte des Flurbereinigungsverfahrens, wenn sich ihr gemeinschaftlicher Jagdbezirk infolge der flurbereinigungsrechtlichen Neuordnung der Eigentumsverhältnisse verändert; dies hat auch das Oberverwaltungsgericht zutreffend angenommen. Allerdings kann eine Klagebefugnis weder allein aus der Stellung als Nebenbeteiligter im Flurbereinigungsverfahren noch unmittelbar aus § 37 FlurbG hergeleitet werden. Voraussetzung ist vielmehr, dass sich der Nebenbeteiligte auf Rechte berufen kann, die bei der Neugestaltung des Flurbereinigungsgebietes mit abgewogen werden können (vgl. Urteil vom 23. Juni 1983 - BVerwG 5 C 13.83 - Buchholz 424.01 § 10 FlurbG Nr. 1 S. 2 ff.). Diese Voraussetzung ist bei flurbereinigungsrechtlich bewirkten Veränderungen des gemeinschaftlichen Jagdbezirks von Jagdgenossenschaften erfüllt. Wie ausgeführt, ist den Genossenschaften das Jagdausübungsrecht im gemeinschaftlichen Jagdbezirk als eigentumsrechtlich geschützte Rechtsposition zugeordnet. Somit können Jagdgenossenschaften eine flurbereinigungsrechtlich verfügte Änderung der Eigentumsverhältnisse mit der Begründung anfechten, dass diese Maßnahme auf einer abwägungsfehlerhaften Berücksichtigung ihres Interesses am Fortbestand des gemeinschaftlichen Jagdbezirks und ihres auf diese Fläche bezogenen Jagdausübungsrechts beruht.
3. Der Senat übt sein ihm im Rahmen von § 133 Abs. 6 VwGO eingeräumtes Ermessen im Interesse der Prozessökonomie dahin aus, dass die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen wird. Im Rahmen der materiellrechtlichen Prüfung wird das Oberverwaltungsgericht unter anderem nunmehr der Frage nachgehen müssen, ob gesetzlich vorgesehene Zwecke der Flurbereinigung den Eingriff in das Jagdausübungsrecht der Klägerin rechtfertigen können (vgl. Urteile vom 14. Juni 1972 - BVerwG 5 C 1.72 - BVerwGE 40, 143 <145 f.> und vom 21. Januar 1988 - BVerwG 5 C 5.84 - BVerwGE 79, 9 <10 f.>; Beschluss vom 27. Februar 1991 - BVerwG 5 B 40.91 - Buchholz 424.01 § 44 FlurbG Nr. 63 S. 20 f.). So hat die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren neben der Verletzung verfahrensrechtlicher Vorschriften etwa geltend gemacht, die Einbeziehung von Flächen ihres gemeinschaftlichen Jagdbezirks in das Flurbereinigungsverfahren sei nicht erforderlich, um eine wertgleiche Abfindung des Beigeladenen zu 1 zu sichern oder die Produktions- und Arbeitsbedingungen von dessen Betrieb zu verbessern, sondern diene nur dem Zweck, dem Beigeladenen zu 1 zu einem Eigenjagdbezirk zu verhelfen.