Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 26.10.2011


BVerwG 26.10.2011 - 9 B 16/11

Besteuerung von Geldspielgeräten; erdrosselnde Wirkung des Steuersatzes; Wirtschaftlichkeit des Betriebs von Spielautomaten


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
9. Senat
Entscheidungsdatum:
26.10.2011
Aktenzeichen:
9 B 16/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 23. November 2010, Az: 14 A 2442/08, Urteilvorgehend VG Gelsenkirchen, 14. August 2008, Az: 2 K 4049/07
Zitierte Gesetze
Art 105 Abs 2a GG

Leitsätze

Lässt bereits die Entwicklung der Anzahl der Spielautomatenbetriebe und der dort aufgestellten Spielgeräte seit Erlass der maßgeblichen Satzung den hinreichend sicheren Rückschluss zu, dass die Erhebung der Vergnügungssteuer nicht erdrosselnd wirkt, bedarf es zur Beurteilung dieser Frage keiner weiteren Ermittlungen zur Ertragslage der Aufsteller im Satzungsgebiet (im Anschluss an Urteil vom 10. Dezember 2009 - BVerwG 9 C 12.08 - BVerwGE 135, 367 Rn. 45 f.).

Gründe

1

Die Beschwerde ist unbegründet. Der Beschwerdevortrag rechtfertigt eine Zulassung der Revision nicht.

2

1. Die Verfahrensrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) dringen nicht durch. Die Beschwerde sieht die Aufklärungspflicht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO dadurch verletzt, dass das Oberverwaltungsgericht entgegen den im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Dezember 2009 (BVerwG 9 C 12.08 - BVerwGE 135, 367) aufgestellten Grundsätzen jegliche Sachaufklärung im Hinblick auf

- die erdrosselnde Wirkung des streitgegenständlichen Steuersatzes und

- die der Gleichbehandlung gerecht werdende Erfassung des Aufwands bei Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit

unterlassen habe. Das Oberverwaltungsgericht hätte auf der Grundlage betriebswirtschaftlicher und steuerlicher Daten aufklären müssen, wie sich die konkret erhobene streitgegenständliche Steuer auf die Wirtschaftlichkeit der betroffenen Unternehmen auswirke. Indem das Oberverwaltungsgericht alleine die Entwicklung der Anzahl der Spielhallen und der aufgestellten Spielgeräte zur Grundlage seiner Bewertung gemacht habe, sei es der zwingend gebotenen Sachaufklärung nicht nachgekommen. Hätte das Oberverwaltungsgericht diese Aufklärung vorgenommen, wäre zumindest ebenso wahrscheinlich wie unwahrscheinlich gewesen, dass die Erdrosselungswirkung der erhobenen Steuer festgestellt worden wäre. Darüber hinaus hätte das Oberverwaltungsgericht aufklären müssen, ob alle maßgeblichen oder zumindest die wesentlichen der Besteuerung zu Grunde zu legenden Daten überhaupt durch die entsprechenden Spielgeräte erfasst und abgebildet würden. Es sei nicht ausgeschlossen, dass bei sachgerechter Aufklärung eine nicht dem Prinzip der Steuergerechtigkeit genügende Datenerfassung festgestellt worden wäre.

3

Damit sind Aufklärungsmängel nicht hinreichend dargelegt. Die Rüge mangelnder Sachaufklärung erfordert nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts u.a. die substantiierte Darlegung (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), welche Tatsachen auf der Grundlage der materiellrechtlichen Auffassung des Oberverwaltungsgerichts aufklärungsbedürftig waren, welche für erforderlich und geeignet gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht kamen, welche tatsächlichen Feststellungen dabei voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern diese unter Zugrundelegung der materiellrechtlichen Auffassung des Oberverwaltungsgerichts zu einer für den Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätten führen können. Dem genügt die Beschwerdebegründung nicht.

4

Die Beschwerde weist selbst darauf hin, dass nach der maßgeblichen Auffassung des Oberverwaltungsgerichts hier allein die Entwicklung der Anzahl der Spielhallen und der dort aufgestellten Geldspielgeräte die Annahme einer Erdrosselungswirkung ausschließt. Auf der Grundlage dieser Auffassung war eine weitere Sachaufklärung nicht erforderlich. Der Sache nach wendet sich die Beschwerde gegen den rechtlichen Ansatz des Oberverwaltungsgerichts und verfehlt damit den Regelungsgehalt der Aufklärungspflicht.

5

Ein Aufklärungsmangel ist ebenfalls nicht hinreichend dargelegt, soweit die Beschwerde die unzureichende Ermittlung der der Besteuerung zu Grunde liegenden Daten rügt. Der Vortrag bleibt unsubstantiiert und lässt nicht erkennen, welche Tatsachen hätten aufgeklärt werden sollen. Es bleibt insbesondere offen, ob die Beschwerde entsprechend dem Vortrag zur Divergenzrüge auf eine weitere Aufklärung im Hinblick auf die Bewertung der Gewinne im Geldspeicher und im Punktespeicher abhebt, zu denen das Oberverwaltungsgericht keine Feststellungen getroffen hat, oder auf diejenigen Spielgeräte, die nicht die nach § 12 Abs. 2 Buchst. d Spielverordnung (i.d.F. der Bekanntmachung vom 27. Januar 2006, BGBl I S. 280) erforderlichen Dokumentationsmöglichkeiten aufweisen, weil sie vor Inkrafttreten dieser Verordnung zugelassen worden sind.

6

2. Die Voraussetzungen einer Zulassung der Revision wegen entscheidungserheblicher Abweichung von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) sind ebenfalls nicht erfüllt. Eine Abweichung im Sinne dieser Vorschrift liegt nur dann vor, wenn sich das Oberverwaltungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz zu einem in einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Widerspruch gesetzt hat; die Beschwerdebegründung muss darlegen, dass und inwiefern dies der Fall ist (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, stRspr; vgl. z.B. Beschlüsse vom 21. Juli 1988 - BVerwG 1 B 44.88 - Buchholz 130 § 8 RuStAG Nr. 32 S. 5 f. und vom 12. Dezember 1991 - BVerwG 5 B 68.91 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 302). Daran fehlt es hier.

7

Die Beschwerde zeigt keinen Rechtssatz im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Dezember 2009 (a.a.O.) auf, von dem das Oberverwaltungsgericht abgewichen sein könnte. Das Bundesverwaltungsgericht hat nicht entschieden, dass die erdrosselnde Wirkung eines Steuersatzes ausschließlich auf der Grundlage betriebswirtschaftlicher und steuerlicher Daten von Unternehmen im Geltungsbereich der Vergnügungssteuersatzung beurteilt werden kann. Vielmehr kann auch der Entwicklung der Anzahl der entsprechenden Betriebe im Gemeindegebiet und der aufgestellten Spielgeräte seit Erlass der Vergnügungssteuersatzung indizielle Bedeutung zukommen (vgl. Urteil vom 10. Dezember 2009 a.a.O. Rn. 46). Darüber hinaus ist es vor allem eine Frage der Sachverhalts- und Beweiswürdigung durch das Tatsachengericht, ob im Einzelfall ein solches Indiz auch ohne Hinzutreten weiterer Erkenntnisse über die Ertragslage einzelner Betriebe hinreichend sichere Rückschlüsse auf eine fehlende erdrosselnde Wirkung zulassen kann. Denn die Frage, wie breit die Datenbasis sein muss, um repräsentative Aussagen treffen zu können, lässt sich nicht allgemein beantworten, sondern hängt von den konkreten Gegebenheiten im Satzungsgebiet der Beklagten ab. Soweit die Beschwerde die indizielle Bedeutung der Entwicklung von Spielhallen und Geldspielgeräten anders beurteilt als das Oberverwaltungsgericht, verfehlt sie den Zulassungsgrund der Divergenz nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO.

8

Soweit die Beschwerde eine Divergenz darin erkennen will, dass das Oberverwaltungsgericht sich nicht mit der Frage der Besteuerungsgleichheit im Hinblick auf die Erfassung von Gewinnen im Geldspeicher und im Punktespeicher befasst hat, legt die Beschwerde ebenfalls keinen Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 10. Dezember 2009 (a.a.O.) dar, von dem das Oberverwaltungsgericht abgewichen sein könnte. Vielmehr weist sie selbst darauf hin, dass die Rechtsfrage im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts wegen noch offener Tatsachenfeststellungen nicht entschieden werden konnte. Soweit die Beschwerde fehlende Tatsachenfeststellungen rügen will, kann damit jedenfalls keine Abweichung von einem Rechtssatz begründet werden.

9

Sollte das Oberverwaltungsgericht abweichend vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Dezember 2009 (a.a.O. Rn. 26) davon ausgegangen sein, der Maßstab des "Einspielergebnisses" könne auch dann ohne Verletzung der Besteuerungsgleichheit anstelle des den Vergnügungsaufwand genauer abbildenden Maßstabs des "Spieleinsatzes" gewählt werden, wenn es hierfür keine Gründe der Verwaltungspraktikabilität gebe, so beruht das angefochtene Urteil darauf jedenfalls nicht. Das Oberverwaltungsgericht hat nämlich selbstständig tragend auch darauf abgestellt, dass der Maßstab des "Einzelspielergebnisses" nach § 12a der Satzung eine Vereinfachungsregelung darstelle, die mit Blick darauf notwendig sei, dass die nach der vor dem Jahre 2006 gültigen Spielverordnung zugelassenen Geräte, die noch bis 2013 aufgestellt werden dürften, nicht notwendigerweise den Einsatz für steuerliche Zwecke dokumentierten. Mit Rücksicht darauf, dass die Zahl der nach der ab 2006 gültigen Spielverordnung zugelassenen Geräte, die den Spieleinsatz dokumentieren müssten, ständig steige, sei die Vereinfachung der Ermittlung der Besteuerungsgrundlage nach § 12a Abs. 3 der Satzung nur für Besteuerungszeiträume zulässig, die vor dem 1. Januar 2011 endeten. Damit habe der Satzungsgeber dem Umstand Rechnung getragen, dass mit zunehmendem Zeitablauf sich das Gewicht des sachlichen Grundes für den Ersatzmaßstab des "Einspielergebnisses" vermindere.