Entscheidungsdatum: 11.08.2011
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 1. Februar 2011 - 9 Sa 1133/09 - wird als unzulässig verworfen.
Der Antrag der Beklagten auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Einreichung der Nichtzulassungsbeschwerde und die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten der Nichtzulassungsbeschwerde zu tragen.
Der Streitwert wird auf 7.330,26 Euro festgesetzt.
A. Die Parteien streiten über eine mit Schreiben vom 12. März 2009 ausgesprochene außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses durch die Beklagte.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage stattgegeben, ohne die Revision zuzulassen. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde vom 22. Juni 2011, die sie auf die Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör sowie Divergenz stützt. Das Berufungsurteil ist dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 3. Februar 2011 zugestellt worden. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist am 23. Juni 2011 beim Bundesarbeitsgericht eingegangen. Die Beklagte beantragt, ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bezogen auf die Frist zur Einreichung der Nichtzulassungsbeschwerde und die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde zu gewähren. Sie begründet das Wiedereinsetzungsgesuch damit, dass nach Zugang der Kündigung das Arbeitsverhältnis zum 1. September 2009 auf die W GmbH übergegangen sei. Die Betriebsübernehmerin habe am 23. Februar 2011 im eigenem Namen im Verfahren - 9 AZN 238/11 - Beschwerde eingelegt und geltend gemacht, durch den Betriebsübergang „richtige“ Beklagte geworden zu sein. Deshalb habe sie annehmen dürfen, dass sie aus dem Rechtsstreit ausgeschieden sei und nichts mehr veranlassen müsse. Erst durch den ihr bekannt gewordenen Hinweis des Beschwerdegerichts in der Sache - 9 AZN 238/11 - vom 15. Juni 2011 habe sie erkannt, dass mit dem Betriebsübergang kein automatischer Parteiwechsel verbunden sei und sie zur Verhinderung der Rechtskraft Beschwerde hätte einlegen müssen. Das habe sie am 23. Juni 2011 getan.
B. Die Beschwerde ist unzulässig.
I. Die Beschwerde ist schon deswegen unzulässig, weil sie erst am 23. Juni 2011 und damit außerhalb der einmonatigen Einlegungsfrist gemäß § 72a Abs. 2 Satz 1 ArbGG eingegangen ist. Das anzufechtende Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 3. Februar 2011 zugestellt worden.
II. Der Beklagten ist keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 233 ZPO zu gewähren. Sie war nicht ohne ihr Verschulden gehindert, die Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde einzuhalten.
1. Nach § 233 ZPO ist Wiedereinsetzung zu gewähren, wenn eine Partei ohne ihr Verschulden gehindert war, eine Notfrist einzuhalten. Gemäß § 85 Abs. 2 ZPO steht das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten dem Verschulden einer Partei gleich. Wurde ein Prozessbevollmächtigter tätig, muss der Antragsteller einen Geschehensablauf vortragen, der ein Verschulden seines Prozessbevollmächtigten zweifelsfrei ausschließt. Beruft sich eine Partei darauf, ihr Prozessbevollmächtigter habe die Rechtslage verkannt und deswegen für die falsche Partei das Rechtsmittel oder den Rechtsbehelf eingelegt, schließt dies ein Verschulden nur aus, wenn der Rechtsirrtum unvermeidbar oder entschuldbar ist (vgl. BGH 15. Dezember 2010 - XII ZR 27/09 - Rn. 31, NJW 2011, 522). Hierfür müssen konkrete Umstände dargelegt werden, weil der Rechtsirrtum für einen Rechtsanwalt nur in Ausnahmefällen unverschuldet ist (BGH 3. November 2010 - XII ZB 197/10 - Rn. 14, NJW 2011, 386).
2. Diese Voraussetzungen hat die gemäß § 11 Abs. 4 ArbGG vertretene Beklagte nicht dargelegt. Sie beruft sich darauf, sie sei davon ausgegangen, dass die W GmbH als Betriebsnachfolgerin gemäß § 613a BGB „richtige“ Beklagte im Kündigungsrechtsstreit und entsprechend auch Beschwerdeführerin für die Nichtzulassungsbeschwerde sei. Diese war an dem Kündigungsrechtsstreit in beiden Vorinstanzen weder als Intervenientin noch als Partei beteiligt. Die rechtzeitig eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde für die am Rechtsstreit nicht beteiligte W GmbH hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten eingelegt. Seit der Entscheidung des Zweiten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 26. Mai 1983 (- 2 AZR 477/81 - zu B I der Gründe, BAGE 43, 13) entspricht es der ständigen Rechtsprechung, dass die Kündigungsschutzklage gegen den zu richten ist, der als Arbeitgeber die Kündigung ausgesprochen hat (sogenannte Passivlegitimation; BAG 13. April 2000 - 2 AZR 215/99 - zu B II der Gründe, AP KSchG 1969 § 17 Nr. 13 = EzA KSchG § 17 Nr. 9). Dieser bleibt nach einem rechtsgeschäftlichen Betriebsübergang gemäß § 265 ZPO prozessführungsbefugt. Dementsprechend hätte die kündigende Beklagte rechtzeitig die Nichtzulassungsbeschwerde einlegen müssen. Ihr Rechtsirrtum ist verschuldet; denn die schuldhafte, fehlerhafte Einschätzung der prozessualen Lage durch den beauftragten Prozessbevollmächtigten ist ihr gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen. Die Kenntnis einer ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts muss bei einem Vertreter nach § 11 Abs. 4 ArbGG vorausgesetzt werden. Danach ist ein Verbandsvertreter einem Rechtsanwalt gleichgestellt.
C. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Beschwerde zu tragen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 GKG.
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