Entscheidungsdatum: 01.12.2010
Die Klägerin ist Eigentümerin des mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks B...straße ... (Flur A, Flurstücke B und C) auf der Gemarkung Bernburg. Sie wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 7. Juli 2008 für den "Neubau der B 6n, Ortsumgehung Bernburg, Planungsabschnitt 14".
Der Vorhabenträger beantragte mit Schreiben vom 10. Mai 2004 die Durchführung des Planfeststellungsverfahrens. Die Planung sieht den Neubau der B 6n als Umgehungsstraße der Stadt Bernburg mit einer Länge von 7,287 km vor. Die Straße ist Teilstück der mit der B 6n geplanten West-Ost-Verbindung, die mit der A 395 in Niedersachsen und der A 9 in Sachsen-Anhalt verknüpft ist. Sie schließt an den Planungsabschnitt 13.3, Güsten-Ilberstedt, an. Die Trasse führt nördlich um die Innenstadt von Bernburg herum und bindet diese durch die drei Zufahrten "Magdeburger Chaussee" (B 71), "Altenburger Chaussee" (L 65) und "Dessauer Straße" (B 185) an. Der Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen weist das Vorhaben als vordringlichen Bedarf aus.
Die Planunterlagen lagen nach vorheriger ortsüblicher Bekanntmachung im Amtsblatt der Verwaltungsgemeinschaft Bernburg in der Zeit vom 7. Juni 2004 bis zum 6. Juli 2004 zur allgemeinen Einsichtnahme aus. Die Bekanntmachung enthielt den Hinweis, dass jeder Einwendungen gegen den Plan bis spätestens zwei Wochen nach Ablauf der Auslegungsfrist beim Beklagten oder bei der Verwaltungsgemeinschaft Bernburg schriftlich oder zur Niederschrift erheben könne. Die Einwendung müsse den geltend gemachten Belang und das Maß seiner Beeinträchtigung erkennen lassen. Nach Ablauf der Frist seien Einwendungen ausgeschlossen. Am 9. Juli 2004 erhob die Klägerin verschiedene Einwände. Sie machte formelle Mängel bei der Planauslegung geltend. Außerdem rügte sie eine fehlerhafte Ermittlung der Lärmimmissionen. Die Verkehrsprognose berücksichtige nicht den von der Stadt Bernburg angedachten Ausbau der Altenburger Chaussee als Hauptzufahrtsstraße nach Bernburg. Bei der schalltechnischen Untersuchung sei versäumt worden, den Querverkehr, die Lärmwerte in den Hauptverkehrszeiten, die örtlichen Windverhältnisse und die Straßennässe in die Berechnungen einzubeziehen. Die Ablehnung aktiven Schallschutzes sei nicht nachvollziehbar. Passiver Schallschutz sei am bestehenden Objekt nur mit hohen Aufwendungen möglich. Es seien Beeinträchtigungen durch Luftverschmutzung und Erschütterungen zu erwarten. Die Immobilie werde wegen der gesundheitsschädigenden Immissionen erheblich an Wert verlieren. Auf die Einfahrt der B...straße in die Magdeburger Chaussee solle im Interesse eines besseren Verkehrsflusses verzichtet werden.
Mit auf den 7. Juli 2008 datiertem Beschluss stellte der Beklagte den Plan fest. Wegen der Überschreitungen der Grenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung am Wohngebäude der Klägerin und im Außenwohnbereich sieht der Planfeststellungsbeschluss Maßnahmen des passiven Schallschutzes bzw. die Gewährung einer Entschädigung vor. Die sonstigen Einwendungen der Klägerin wurden - mit Ausnahme der Forderung nach schallgedämmten Lüftungseinrichtungen in Schlafräumen - zurückgewiesen. Die Lärmeinwirkungen seien methodengerecht nach Maßgabe der Verkehrslärmschutzverordnung sowie den Richtlinien für den Lärmschutz an Straßen (RLS 90) berechnet worden. Die den Berechnungen zugrunde liegende Verkehrsprognose für das Prognosejahr 2015, die sich auch auf die L 65 und die B 71 erstrecke, sei nicht zu beanstanden. Aktive Maßnahmen zum Schutz des einzeln stehenden Wohngebäudes der Klägerin kämen nicht in Betracht, weil sie außer Verhältnis zum damit zu erzielenden Nutzen stünden.
Am 25. August 2008 hat die Klägerin Klage gegen den ihr am 25. Juli 2008 zugestellten Planfeststellungsbeschluss erhoben. Zur Begründung ihrer Klage trägt sie im Wesentlichen vor: Die schalltechnische Untersuchung sei fehlerhaft. Bei den Berechnungen hätten nicht nur die durchschnittlichen Tages- und Nachtwerte, sondern auch die Belastungen in den Hauptverkehrszeiten ermittelt und der Querverkehr auf der B 71 sowie die sonstigen Lärmvorbelastungen zugrunde gelegt werden müssen. Die konkreten Windverhältnisse vor Ort seien unberücksichtigt geblieben. Zu Unrecht habe die Untersuchung einen trockenen Fahrbahnbelag unterstellt. Ferner sei nicht berücksichtigt worden, dass die Stadt Bernburg die Altenburger Chaussee als Hauptzufahrtsstraße ausbauen wolle, wodurch sich die Verkehrsströme erheblich änderten. Die Verkehrsprognose habe die Anzahl der am Grundstück der Klägerin vorbeifahrenden Fahrzeuge zu niedrig angesetzt. Es sei mit weitaus mehr Lärm- und Schadstoffimmissionen zu rechnen, als im Planfeststellungsbeschluss zugrunde gelegt worden sei.
Die Klägerin beantragt,
den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 7. Juli 2008 aufzuheben.
Der Beklagte stellt den Antrag,
die Klage abzuweisen.
Er tritt dem Vortrag der Klägerin im Einzelnen entgegen.
Die auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses gerichtete Klage ist zulässig, jedoch unbegründet. Der Planfeststellungsbeschluss leidet an keinem Rechtsfehler, der die Klägerin in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und die - vollständige oder teilweise - Aufhebung des Beschlusses oder zumindest die Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit rechtfertigt.
1. Zur Begründung nimmt der Senat vollinhaltlich Bezug auf die Ausführungen in seinem Beschluss vom 4. Dezember 2008 (BVerwG 9 VR 19.08), mit dem der Antrag der Klägerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen den hier in Rede stehenden Planfeststellungsbeschluss abgelehnt wurde. In dem Beschluss wird im Einzelnen dargelegt, dass und warum der Planfeststellungsbeschluss auf der Grundlage der zur Antragsbegründung vorgetragenen Gesichtspunkte nicht gegen Rechtsvorschriften verstößt, deren Verletzung die Klägerin mit der Folge einer Aufhebung der Planfeststellung oder der Notwendigkeit eines ergänzenden Verfahrens (§ 17e Abs. 6 Satz 2 Halbs. 1 FStrG) geltend machen kann. Der Senat sieht keinen Anlass, von dieser Beurteilung abzugehen, zumal die Klägerin zu den Ausführungen des Beschlusses nicht mehr Stellung genommen hat.
2. Auch das ergänzende Vorbringen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 1. Dezember 2010 lässt hinsichtlich ihrer - nicht bereits gemäß § 17 Abs. 4 Satz 1 FStrG a.F. bzw. § 17a Nr. 7 Satz 1 FStrG n.F. ausgeschlossenen - eigenen Belange keinen offensichtlichen Abwägungsmangel erkennen, der auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen ist und nicht durch Planergänzung behoben werden kann (§ 17e Abs. 6 FStrG).
a) Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung erstmals vorgetragen, dass es gelegentlich bei besonders starkem Verkehr während der jeweils etwa zehnminütigen Schließung des über 300 m südlich des Knotens B 6n/B 71 gelegenen und durch Lichtzeichen geregelten Bahnübergangs zu Rückstaus komme, die bis in den Knotenbereich hinein reichen könnten. Dies führe dazu, dass viele Fahrzeuge nicht auf der B 71 nach Süden über den Stadtteil Waldau in die Innenstadt fahren würden, sondern weiter östlich über den Knoten B 6n/L 65 und die von dort nach Süden abzweigende Ortsstraße; dies habe einen erhöhten Verkehr auf dem zwischen den beiden Knoten gelegenen Abschnitt der B 6n und damit vor ihrem Wohngebäude zur Folge. Dieser Ausweichverkehr bei Rückstaus vor dem geschlossenen Bahnübergang sei bei der Verkehrsprognose nicht berücksichtigt worden.
Mit diesem Einwand ist die Klägerin ausgeschlossen. Sie hat ihn in ihrem Einwendungsschreiben weder ausdrücklich noch sinngemäß geltend gemacht. Diesbezüglicher Vortrag konnte von der Klägerin bereits innerhalb der Einwendungsfrist erwartet werden, weil die ausgelegten Planunterlagen auch insoweit eine hinreichende Anstoßwirkung entfalteten. Denn die für das Jahr 2015 prognostizierte Verkehrsbelastung auf der B 71 konnte die Klägerin dem Erläuterungsbericht der schalltechnischen Untersuchung entnehmen. Diese Angaben hätten ihr Anlass geben müssen, die behördlicherseits zugrunde gelegte Prognose schon im Anhörungsverfahren mit Blick auf einen bei dieser Verkehrsbelastung in Stoßzeiten zu erwartenden Ausweichverkehr bei geschlossenem Bahnübergang anzugreifen. Stattdessen hat sie insoweit lediglich eine zusätzliche Verkehrsbelastung durch die damalige Ausbauplanung der Stadt Bernburg geltend gemacht. Dass die Klägerin mangels Kenntnis der Verhältnisse am Bahnübergang nicht in der Lage war, den nunmehr vorgebrachten Einwand rechtzeitig zu erheben, ist nicht erkennbar, zumal ihr Wohngebäude nicht weit entfernt liegt. Da die Klägerin in der ortsüblichen Bekanntmachung der Planauslegung auf die Möglichkeit, Einwendungen zu erheben, die Einwendungsfrist und die Folgen verspäteter Einwendungen hingewiesen worden ist, liegen auch die formellen Präklusionsvoraussetzungen vor.
Davon abgesehen spricht nichts dafür, dass die Abwägung bei Berücksichtigung des von der Klägerin geltend gemachten Ausweichverkehrs zu einem anderen Ergebnis geführt hätte, das nicht durch schlichte Planergänzung hätte verwirklicht werden können (§ 17e Abs. 6 FStrG). Dies würde voraussetzen, dass die durch den behaupteten Ausweichverkehr ausgelösten Immissionen nicht mehr durch Schutzmaßnahmen, sondern nur noch durch eine Verlegung der Trasse bewältigt werden könnten. Da nach dem Vortrag der Klägerin die von ihr behauptete Staubildung nur während der Hauptverkehrszeiten und dann auch nur für einen kurzen Zeitraum auftreten wird, besteht hierfür kein Anhaltspunkt. Hinzu kommt die von der Klägerin nicht substantiiert bestrittene fehlende Leistungsfähigkeit des Knotens B 6n/L 65, die ausschlaggebend dafür war, die Hauptzufahrt in die Innenstadt nicht, wie von der Stadt zunächst empfohlen, über diesen Knoten, sondern über die B 71 zu führen.
b) In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin ferner geltend gemacht, die Stadt Bernburg plane, die Leistungsfähigkeit der Straßenunterführung auf der vom Knoten B 6n/L 65 abzweigenden Ortsstraße zu verbessern, auf der auf kürzestem Weg in die Innenstadt gefahren werden könne. Aufgrund dieser Maßnahme werde sich der Verkehr stärker als erwartet zum Knoten B 6n/L 65 verlagern.
Auch dieses Vorbringen lässt keinen erheblichen Abwägungsmangel erkennen. Es ist nicht ersichtlich, dass bereits zum Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses eine verfestigte und mit der Bahn abgestimmte Planung der Stadt Bernburg zu baulichen Maßnahmen an der genannten Bahnüberführung bestand, die bei der Verkehrsprognose hätte berücksichtigt werden müssen. Außerdem ist ausgeschlossen, dass die Trasse bei Berücksichtigung dieses Umstandes anders geplant worden wäre. Denn nach der plausiblen und von der Klägerin nicht substantiiert in Abrede gestellten Annahme des Beklagten wird die Hauptzufahrt nach Bernburg wegen der fehlenden Leistungsfähigkeit des Knotens B 6n/L 65 auch dann weiterhin über die B 71 und nicht über die Ortsstraße erfolgen, wenn die Verhältnisse an der Bahnüberführung verbessert werden.
c) Soweit die Klägerin meint, die Lärmeinwirkungen hätten nach der Richtlinie VDI 4100 für jedes Fenster ihres Wohngebäudes einzeln berechnet werden müssen und nicht nur nach Stockwerken, ist nicht nachvollziehbar, inwiefern dieser Vortrag der Anfechtungsklage zum Erfolg verhelfen könnte. Im Übrigen hat der Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass die Lärmeinwirkungen nach den Vorgaben der Verkehrslärmschutzverordnung zu berechnen waren. Soweit die nicht enteignungsbetroffene Klägerin in der mündlichen Verhandlung schließlich bemängelt hat, dass die B 6n zur Vermeidung der Gefährdung von Fußgängern mit einem Gehweg hätte geplant werden müssen, macht sie keine eigenen Belange geltend.