Entscheidungsdatum: 23.06.2010
1. § 204 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Teilsatz 1 VVG regelt abschließend die Erhebung von Zuschlägen im Falle eines Tarifwechsels. Ein allein an den Tarifwechsel anknüpfender Tarifstrukturzuschlag ist als gesetzlich nicht vorgesehener Sonderzuschlag unzulässig.
2. Bei einem Tarifwechsel in der substitutiven Krankenversicherung gehört zu den aus dem Vertrag erworbenen Rechten nicht ein "Recht auf die ursprüngliche Risikomischung".
Die Klägerin, ein privates Krankenversicherungsunternehmen, bietet seit dem Frühjahr 2007 neue Krankenversicherungstarife an, für die sie von der Beklagten ein unbefristetes Testat gemäß § 257 Abs. 2a Satz 1 SGB V erhalten hat.
Im Gegensatz zu den bisher bestehenden Tarifen sehen die neuen AktiMed-Tarife einen niedrigeren Grundbeitrag mit einem korrespondierend ausgeweiteten Bereich von individuellen Risikozuschlägen vor. Von Versicherungsnehmern, die vom bestehenden Tarif in die neuen Tarife wechseln wollen, erhebt die Klägerin einen Tarifstrukturzuschlag. Nach ihren Angaben entspricht er funktionell dem kalkulatorischen pauschalen Risikozuschlag, der von den Bestandsversicherten in den Alttarifen als Bestandteil ihrer Prämie vertragsgemäß zu zahlen sei.
Nach einem Schriftwechsel mit der Klägerin ordnete die Beklagte mit Bescheid vom 8. Mai 2008 an, dass diese Anträge ihrer Versicherungsnehmer auf Wechsel aus Tarifen des Unternehmens mit gleichartigem Versicherungsschutz in die Tarife der AktiMed-Serie ohne Erhebung eines Tarifstrukturzuschlags annehmen muss, soweit bei Vertragsbeginn keinerlei Vorerkrankungen, Beschwerden oder sonstige gefahrerhöhende Umstände, die nach den Annahmegrundsätzen für die AktiMed-Tarife zu einem Risikozuschlag führen, dokumentiert wurden. Das Recht auf die Vereinbarung von Risikozuschlägen bei Mehrleistungen sollte unberührt bleiben.
Den gegen den Bescheid eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24. September 2008 zurück.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin geltend gemacht, die Anordnung sei rechtswidrig, weil die Erhebung des Tarifstrukturzuschlags keinen Missstand im Sinne des § 81 Abs. 2 VAG darstelle. Der Tarifstrukturzuschlag sei mit den Vorgaben des Versicherungsvertragsgesetzes vereinbar, insbesondere liege kein Verstoß gegen § 204 Abs. 1 VVG vor. Der Tarifstrukturzuschlag im Falle eines Tarifwechsels sei erforderlich, um den Übergang zu der neuen Tarifstruktur überhaupt zu ermöglichen, ohne dabei die neuen Tarife wettbewerbspolitisch zu entwerten oder einzelne Gruppen von Versicherten zu diskriminieren. Würde von den Altversicherten kein Tarifstrukturzuschlag verlangt, müssten mit den Grundprämien des neuen Tarifs in großem Umfang die schlechten Risiken der Altversicherten abgedeckt werden, obwohl die Prämie nur für beste Risiken kalkuliert sei. Dies sei nur mit einer erheblichen Erhöhung der Grundprämie zu kompensieren, die die neuen Tarife für Neukunden unattraktiv machten. Der Verzicht auf jeglichen Zuschlag für Altversicherte würde zudem zu einer Benachteiligung der Neukunden führen. Diese müssten sich über die Grundprämie an den schlechten Risiken der Altversicherten beteiligen, während sie für eigene schlechte Risiken mit einem Risikozuschlag bedacht würden, also nicht auf die Solidarität der Altversicherten zurückgreifen könnten. Befriedigende Ergebnisse ließen sich auch nicht dadurch erzielen, dass auf den Tarifstrukturzuschlag verzichtet und stattdessen von Altversicherten, für die bei Vertragsschluss Vorerkrankungen dokumentiert worden seien, ein individueller Risikozuschlag erhoben würde. Die Dokumentation von Vorerkrankungen und gefahrerhöhenden Umständen sei in der Vergangenheit nicht lückenlos durchgeführt worden, weil es aufgrund der pauschalisierenden Tarifstruktur nicht darauf angekommen sei, jene unterschiedlich hohen Risiken festzustellen, die heute zu einem Risikozuschlag für Neukunden führten. Selbst wenn die Dokumentation von Vorschädigungen lückenlos erfolgt und es damit möglich wäre, wirklich nur jene Altversicherten von dem Zuschlag freizustellen, die bei Vertragsbeginn keine Vorschädigungen aufgewiesen hätten, könne die Klägerin auf ein solches Vorgehen nicht verpflichtet werden, weil sie an die im Herkunftstarif erworbenen Rechte der Altversicherten gebunden sei. Zu diesen gehöre auch das Recht, wegen etwaiger Vorerkrankungen gerade nicht mit einem individuellen Risikozuschlag belegt zu werden. Es gebe keine Rechtfertigung dafür, die gesünderen Mitglieder des Altversichertenkollektivs im Rahmen eines Tarifwechsels aus der bestehenden Solidarität zu entlassen. Auch hinsichtlich der "ungesünderen" Altversicherten führe der Tarifstrukturzuschlag zu angemessenen Ergebnissen. Er überbrücke die kalkulatorische Inkompatibilität zwischen Herkunftstarif und Zieltarif, indem er den tarifwechselnden Altversicherten einerseits Bestandsschutz bezüglich des ohne Risikozuschlag gewährten Versicherungsschutzes gewähre, ihnen aber andererseits den systemsprengenden Sondervorteil der Erlangung einer wesentlich reduzierten und deshalb nicht kostendeckenden Grundprämie bei unverändertem Leistungsumfang verweigere. Der Tarifstrukturzuschlag gleiche die Absenkung der Grundprämie im Neutarif aus, ohne die bei Vertragsschluss im Herkunftstarif vorgenommene Risikoeinstufung zum Nachteil der Altversicherten zu verändern. Der Tarifwechsel sei trotz Tarifstrukturzuschlags für den Altversicherten attraktiv, weil er dadurch Mitglied eines strukturell verjüngten und damit gesünderen Versichertenkollektivs werde mit der Folge, dass einer "Vergreisung" des Tarifs und einer entsprechenden Erhöhung der Prämien vorgebeugt sei. Der Tarifstrukturzuschlag greife somit nicht in die vertraglich erworbenen Rechte der Tarifwechsler ein und schränke den Tarifwechsel deshalb auch nicht unzulässig ein. Der Tarifstrukturzuschlag führe auch nicht dazu, dass die Prämien für das Neugeschäft niedriger seien als die Prämien, die sich im Altbestand ergäben. Der Gleichbehandlungsgrundsatz werde verletzt, wenn der Tarifstrukturzuschlag nicht erhoben würde. Die angefochtene Anordnung verletze schließlich den Anspruch der Klägerin auf Vertrauensschutz, da die Beklagte mit ihrem Testat bestätigt habe, dass die streitgegenständlichen Tarife ordnungsgemäß nach Art der Lebensversicherung kalkuliert worden seien.
Das Verwaltungsgericht hat mit dem angefochtenen Urteil der Klage stattgegeben. Der Bescheid sei rechtswidrig und verletze die Klägerin in ihren Rechten. Dem Verbot der Beklagten fehle es an einer gesetzlichen Ermächtigung. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 81 Abs. 2 VAG seien nicht erfüllt. Danach dürfe die Beklagte gegenüber Versicherungsunternehmen alle Anordnungen treffen, die geeignet und erforderlich seien, um Missstände zu vermeiden oder zu beseitigen. Missstand sei jedes Verhalten des Unternehmens, das den Aufsichtszielen des § 81 Abs. 1 VAG widerspreche. Dazu gehöre auch die Missachtung der Gesetze, die für den Betrieb des Versicherungsgeschäfts gälten. Die Erhebung des Tarifstrukturzuschlags verletze keine der gesetzlichen Bestimmungen zum Tarifwechsel. Nach § 204 Abs. 1 Satz 1 VVG könne der Versicherungsnehmer bei einem bestehenden Versicherungsverhältnis verlangen, dass der Versicherer Anträge auf Wechsel in andere Tarife mit gleichartigem Versicherungsschutz unter Anrechnung der aus dem Vertrag erworbenen Rechte und der Alterungsrückstellung annehme. Die Erhebung eines Tarifstrukturzuschlags führe nicht dazu, dass der Tarifwechsler seine erworbenen Rechte ganz oder teilweise verliere. Zu den erworbenen Rechten gehöre, dass der bei Vertragsbeginn festgestellte Gesundheitszustand im weiteren Verlauf des Versicherungsverhältnisses für den Umfang der Risikoaufbürdung maßgeblich und die vom Versicherer bei Vertragsbeginn vorgenommene Risikoeinstufung unverändert bleibe. Zu den erworbenen Rechten gehöre aber auch das Recht auf jene Risikomischung, für die der ursprüngliche Versicherungsvertrag abgeschlossen worden sei. Das Versichertenkollektiv der privaten Krankenversicherung sei wie das der gesetzlichen Krankenversicherung eine Gefahrengemeinschaft. Zwar bestehe bei der privaten Krankenversicherung eine Gefahrengemeinschaft nicht im Rechtssinne, weil die einzelnen Versicherungsnehmer nicht miteinander korporativ verbunden seien. Sie bestehe jedoch funktional. Für welche Risiken die Mitglieder des Versichertenkollektivs für einander einstünden, bestimme sich in der privaten Krankenversicherung nach dem jeweiligen Tarif. Sehe dieser vor, dass auch die Risiken abgedeckt würden, die sich aus bestimmten Vorerkrankungen eines Teils der Mitglieder des Kollektivs ergäben, so beziehe sich die Solidargemeinschaft auch auf diese Risiken. Es gehöre daher auch zu den erworbenen Rechten, nicht aus einer ursprünglichen Solidargemeinschaft ausgeschlossen zu werden, die durch ihre ursprüngliche Risikomischung bestimmt sei. Die Bestandsversicherten hätten im Alttarif nicht das Recht erworben, nur mit einem Versicherungsbeitrag belastet zu werden, der auf der Basis bester Risiken kalkuliert worden sei. Sie hätten einen Versicherungsvertrag geschlossen, der eine Prämie vorsehe, die gerade auf der Grundlage einer Mischung bester und weniger guter Risiken kalkuliert worden sei. § 204 Abs. 1 Nr. 1 VVG verlange nicht, den Altversicherten den Tarifwechsel so attraktiv wie möglich zu machen, sondern nur die Anrechnung erworbener Rechte. Die Vorschrift solle nur sicher stellen, dass Altversicherte bei Schließung ihres Tarifs oder im Falle des Angebots günstigerer Tarife für neue Versicherungsnehmer die Möglichkeit erhielten, dadurch bedingten Kostensteigerungen ihres alten Tarifs durch einen Wechsel in den neuen Tarif zu entgehen. Dieser Vorteil werde ihnen durch einen Tarifstrukturzuschlag nicht genommen.
Auch § 11 Abs. 2, § 12 Abs. 4 Satz 1 VAG seien nicht verletzt. Danach dürften bei gleichen Voraussetzungen Prämien und Leistungen nur nach gleichen Grundsätzen bemessen werden. Mit dieser Vorschrift solle verhindert werden, dass einzelne Versicherungsnehmer oder Gruppen hiervon im Vergleich zu anderen benachteiligt oder bevorzugt würden. Der Gesetzgeber habe dabei in erster Linie eine Gleichbehandlung hinsichtlich der Prämienhöhe im Blick gehabt. Dass Neuversicherte mit besten Risiken nur die allgemeine Versicherungsprämie zahlten, während die Tarifwechsler mit besten Risiken zusätzlich zu dieser Versicherungsprämie noch den Tarifstrukturzuschlag leisten müssten, stelle keine Ungleichbehandlung dar. Beide Versichertengruppen hätten den Versicherungsvertrag gerade nicht unter den gleichen Voraussetzungen geschlossen. Die Altversicherten seien vertraglich verpflichtet, nicht nur für die Risiken einzustehen, die sich bei anderen Versicherten mit bestem Risiko realisierten, sondern auch für die Realisierung der Risiken, die den Versicherten mit erhöhtem Risiko anhafteten. Auf die Neuversicherten treffe dies nicht zu. Mit dem Tarifstrukturzuschlag werde die Solidargemeinschaft aufrechterhalten, die die Versicherten zu Vertragsbeginn eingegangen seien.
§ 12 Abs. 4 Satz 2 VAG stehe der Erhebung des Tarifstrukturzuschlags ebenfalls nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift dürfe die Prämie für das Neugeschäft nicht niedriger sein als die Prämie, die sich im Altbestand für gleichaltrige Versicherte ohne Berücksichtigung ihrer Alterungsrückstellung ergebe. Dies gelte bei der gebotenen teleologischen Reduktion der Vorschrift allerdings nur, wenn der Prämie jeweils ein qualitativ gleiches Leistungsversprechen gegenüberstehe. Aufgrund der erworbenen Rechte von Tarifwechslern könne es aber zu unterschiedlichen Leistungsversprechen kommen, wenn für Risiken, die im Zusammenhang mit Vorerkrankungen stünden, in einem Fall Leistungen erbracht würden, und im anderen Fall keine Leistungen erfolgten.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte mit Zustimmung der Klägerin die vom Verwaltungsgericht zugelassene Sprungrevision eingelegt. Sie beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 23. Juli 2009 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Zur Begründung ihrer Sprungrevision trägt sie im Wesentlichen vor, das angegriffene Urteil verletze § 204 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG. Diese Vorschrift stehe der Erhebung des Tarifstrukturzuschlags entgegen. Die im Alttarif vorgenommene ursprüngliche Risikoeinstufung zähle zu den vertraglich erworbenen Rechten, die bei einem Tarifwechsel anzurechnen seien. Danach könne von Tarifwechslern mit ursprünglich tadellosem Gesundheitszustand kein Zuschlag aus Anlass des Tarifwechsels verlangt werden.
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts hätten die Versicherungsnehmer im Alttarif auch kein Recht auf die ursprüngliche "Risikomischung" erworben. Ein derartiges Recht sei eine Last und mit den bislang anerkannten erworbenen Rechten im Sinne des § 204 Abs. 1 VVG nicht vergleichbar. Das Urteil missachte überdies den Gleichheitsgrundsatz gemäß § 12 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 11 Abs. 2 VAG. Der Tarifstrukturzuschlag bewirke eine unzulässige Schlechterstellung der Altversicherten und führe zu einer Aushöhlung des Tarifwechselrechts durch strengere Risikoauswahl. Da die Prämien der Neukunden um ca. 20 % niedriger seien als die Prämien der Bestandskunden, liege auch ein Verstoß gegen § 12 Abs. 4 Satz 2 VAG vor.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
Die Sprungrevision der Beklagten hat Erfolg. Das angegriffene Urteil beruht auf der Verletzung bundesrechtlicher Vorschriften und erweist sich auch nicht als aus anderen Gründen richtig (§ 137 Abs. 1 Nr. 1, § 144 Abs. 4 VwGO).
Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts findet der angegriffene Bescheid seine Rechtsgrundlage in § 81 Abs. 2 Satz 1 VAG, weil ein Missstand in Sinne der Vorschrift vorliegt. Der gegenteiligen Auffassung der Vorinstanz liegt eine fehlerhafte Anwendung des § 204 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Teilsatz 1 VVG in der seit 1. Januar 2009 geltenden Fassung (vgl. Art. 11, 12 Abs. 2 des Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts vom 23. November 2007 - BGBl I S. 2631) (1.) sowie der aufsichtsrechtlichen Vorschriften des Krankenversicherungsrechts, § 12 Abs. 4 Satz 1 i.V.m § 11 Abs. 2, § 12 Abs. 4 Satz 2 VAG (2.) zugrunde.
Nach § 81 Abs. 2 Satz 1 VAG kann die Aufsichtsbehörde gegenüber dem Versicherungsunternehmen alle Anordnungen treffen, die geeignet und erforderlich sind, um Missstände zu vermeiden und zu beseitigen. Missstand ist jedes Verhalten eines Versicherungsunternehmens, das den Aufsichtszielen des Absatzes 1 widerspricht. Zu den Aufsichtszielen des Absatzes 1 gehören die ausreichende Wahrung der Belange der Versicherten und die Einhaltung der Gesetze, die für den Betrieb des Versicherungsgeschäfts gelten.
1. Die Vorschrift über das Tarifwechselrecht in § 204 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Teilsatz 1 VVG n.F. gehört zu den für den Betrieb des Versicherungsgeschäfts geltenden Vorschriften und wird entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts durch die Erhebung des streitigen Tarifstrukturzuschlags verletzt.
Gemäß § 204 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Teilsatz 1 , 2 und 3 VVG kann der Versicherungsnehmer vom Versicherer verlangen, dass dieser Anträge auf Wechsel in andere Tarife mit gleichartigem Versicherungsschutz unter Anrechnung der aus dem Vertrag erworbenen Rechte und der Alterungsrückstellung annimmt; soweit die Leistungen in dem Tarif, in den der Versicherungsnehmer wechseln will, höher oder umfassender sind als in dem bisherigen Tarif, kann der Versicherer für die Mehrleistung einen Leistungsausschluss oder einen angemessenen Risikozuschlag und insoweit auch eine Wartezeit verlangen; der Versicherungsnehmer kann die Vereinbarung eines Risikozuschlags und eine Wartezeit dadurch abwenden, dass er hinsichtlich der Mehrleistung einen Leistungsausschluss vereinbart. § 204 VVG ist gemäß § 208 VVG für den Versicherer zwingendes Recht.
a) Die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Anordnung sei rechtswidrig, weil die Klägerin mit der Erhebung eines Tarifstrukturzuschlags von ihren Versicherungsnehmern im Fall eines Tarifwechsels nicht gegen das gesetzlich bestehende Tarifwechselrecht verstoßen hat, beruht auf einem unzutreffenden Verständnis des § 204 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Teilsatz 1 VVG. Sie geht irrig von einer nur durch die erworbenen Rechte des Versicherungsnehmers beschränkten Befugnis des Versicherers aus, Zuschläge aus Anlass des Tarifwechsels zu erheben. Dabei übersieht sie, dass § 204 Abs. 1 Satz 1 VVG die Zuschlagserhebung bei Tarifwechsel abschließend regelt und es nicht zulässt, vom Tarifwechsler andere als die gesetzlich vorgesehenen Zuschläge zu fordern. Soweit das Verwaltungsgericht meint, der Tarifstrukturzuschlag sei als Anrechnung eines erworbenen Rechts nach § 204 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Teilsatz 1 VVG zu rechtfertigen, verkennt es den Begriff des erworbenen Rechts. Entgegen dem angegriffenen Urteil erwirbt der Bestandskunde kein "Recht auf die ursprüngliche Risikomischung". Erst recht ist daraus keine Pflicht der Tarifwechsler abzuleiten, durch Entrichten eines Prämienzuschlags im neuen Tarif die Versicherungsleistungen an die im Alttarif verbliebenen Bestandskunden weiterhin mitzufinanzieren.
§ 204 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG regelt abschließend die Erhebung von Zuschlägen im Fall eines Tarifwechsels und stellt keine Rechtsgrundlage für einen Sonderzuschlag wie den Tarifstrukturzuschlag dar. Die gegenteilige Auffassung des Verwaltungsgerichts wird schon dem Wortlaut der Vorschrift nicht gerecht. Der Versicherungsnehmer hat einen Anspruch auf Wechsel "in einen anderen Tarif", den der Versicherer nicht ablehnen darf, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen gegeben sind. Das bestehende Versicherungsverhältnis ist zu den Bedingungen des neuen Tarifs fortzusetzen (Urteil vom 5. März 1999 - BVerwG 1 A 1.97 - BVerwGE 108, 325 <332> = Buchholz 452.00 § 81 VAG Nr. 6 S. 6). Abweichungen von diesen, auch für Neukunden geltenden Bedingungen gestattet § 204 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG nur, sofern sie sich aus der Verpflichtung zur Anrechnung der aus dem Vertrag erworbenen Rechte des Versicherungsnehmers ergeben (Teilsatz 1), oder wenn die Leistungen im neuen Tarif höher oder umfassender sind als in dem bisherigen Tarif (Teilsatz 2). Eine Belastung der wechselwilligen Versicherungsnehmer mit weiteren an den Tarifwechsel anknüpfenden Zuschlägen sieht § 204 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG nicht vor.
Diese Auslegung wird durch die systematische Verknüpfung von § 204 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Teilsatz 1 und 2 VVG einerseits mit der Regelung der Prämien- und Bedingungsanpassung in § 203 Abs. 1 VVG andererseits bestätigt. Wäre die Befugnis des Versicherers, Zuschläge aus Anlass eines Tarifwechsels zu fordern, in § 204 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG nicht abschließend normiert, hätte es der ausdrücklichen Erlaubnis zur Erhebung von Risikozuschlägen wegen höherer oder umfassenderer Leistungen im Zieltarif nach Teilsatz 2 der Vorschrift nicht bedurft. Nach dieser Systematik dürfen Zuschläge aus Anlass des Tarifwechsels nur in Form von Risikozuschlägen wegen Mehrleistungen im Zieltarif erhoben werden. Im Übrigen sind Tarifwechsler zur Zahlung von Zuschlägen nur nach Maßgabe der auch für Neukunden geltenden Bedingungen des Zieltarifs verpflichtet, wobei ihre erworbenen Rechte anzurechnen sind (vgl. Urteil vom 21. März 2007 - BVerwG 6 C 26.06 - Buchholz 452.50 § 178f VVG Nr. 1 Rn. 21, 27 f., 31). Aus dem Urteil vom 5. März 1999 (a.a.O. S. 329 f. bzw. S. 4 f.) ergibt sich nichts anderes. Mit der Erwägung, die Regelung von Risikozuschlägen wegen Mehrleistungen im Zieltarif lasse nicht - umgekehrt - auf die Unzulässigkeit aller sonstigen Risikozuschläge schließen, stellt es nur klar, dass die spezielle Regelung nur die Zuschlagserhebung aus Anlass des Tarifwechsels betrifft, den Versicherer aber nicht hindert, vom Tarifwechsler im Rahmen der Fortführung des Versicherungsvertrags im Zieltarif die dort auch für Neukunden vorgesehenen Risikozuschläge zu erheben, wobei die erworbenen Rechte des Tarifwechslers anzurechnen sind. Dazu ist die ursprüngliche, auf der Gesundheitsprüfung bei Vertragsschluss im Alttarif beruhende Risikoeinstufung des Versicherungsnehmers in die Risikoabstufung des neuen Tarifs einzupassen.
Aus dem systematischen Zusammenhang mit den gesetzlichen Regelungen zur Prämien- und Bedingungsanpassung in der substitutiven Krankenversicherung gemäß § 203 Abs. 1 VVG ist ebenfalls keine Zulässigkeit des Tarifstrukturzuschlags abzuleiten. § 203 Abs. 1 VVG beschränkt die vertragliche Gestaltungsfreiheit des Versicherers, indem er in der substitutiven Krankenversicherung nur die Erhebung von Prämien gestattet, die entsprechend den Normen der technischen Berechnungsgrundlagen nach §§ 12, 12a und 12e i.V.m. § 12c VAG berechnet wurden. Mit dieser Verweisung überträgt § 203 Abs. 1 VVG die versicherungsaufsichtsrechtlichen Vorgaben zur Prämienkalkulation als zwingende Kalkulationsbestimmungen in das Vertragsverhältnis einer nach Art der Lebensversicherung kalkulierten Krankenversicherung (vgl. § 12c VAG in Verbindung mit der Kalkulationsverordnung
Keine der genannten Vorschriften gestattet die Erhebung eines Zuschlags, der an einen Wechsel aus dem Herkunftstarif anknüpft. Dies gilt unabhängig davon, ob die Prämie im Herkunftstarif im Gegensatz zur Prämie im neuen Tarif auf der Grundlage eines wesentlich breiter angelegten Basisrisikos kalkuliert worden ist oder nicht.
Die Kalkulationsverordnung sieht pauschale Risikozuschläge wie den Tarifstrukturzuschlag zu einer neu kalkulierten Prämie nicht vor (vgl. §§ 7 und 8 KalV). § 13 KalV regelt nur die Anrechnung erworbener Rechte und der Alterungsrückstellung bei einem Tarifwechsel und geht im Übrigen von der Anwendung der auch für Neukunden geltenden Bedingungen des Zieltarifs aus. Dass § 13 Abs. 4 KalV in Verbindung mit Anhang I, Abschnitt B, es zulässt, bei einer "Umstufung" (so die frühere Bezeichnung des Tarifwechsels, vgl. BTDrucks 12/6959 S. 105) einmalige Sanierungskosten in die Prämienberechnung des Zieltarifs mit einzubeziehen, berechtigt den Versicherer nicht, die Verpflichtung zur Fortführung des Versicherungsverhältnisses nach den Bedingungen des neuen Tarifs zu durchbrechen und zusätzlich einen laufenden Zuschlag zur Überbrückung der Grundprämiendifferenz im alten und neuen Tarif zu erheben. Vielmehr sind die Folgen eines zulässigen Tarifwechsels vom Aktuar (vgl. § 11a VAG) bereits bei der Prämienkalkulation des neuen Tarifs zu berücksichtigen und mit ausreichenden Sicherheiten zu versehen (§ 2 Abs. 3 KalV). Der Versicherer muss also den Tarif, soweit erforderlich, auch unter Berücksichtigung der möglichen Folgen des § 204 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG kalkulieren (Urteil vom 21. März 2007 a.a.O.).
Als Risikozuschlag im Sinne des § 203 Abs. 1 Satz 2, § 204 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Teilsatz 2 VVG lässt sich der Tarifstrukturzuschlag ebenfalls nicht rechtfertigen. Unabhängig davon, dass die Voraussetzungen des § 204 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Teilsatz 2 VVG fehlen, ist der Tarifstrukturzuschlag schon begrifflich nicht als Risikozuschlag im Sinne des § 203 Abs. 1 Satz 2 VVG einzuordnen. Dazu genügt nicht, dass er sich kalkulatorisch wegen des weiter definierten Basisrisikos im Herkunftstarif als "pauschaler Risikozuschlag" auf die niedrige, nur auf das beste Risiko kalkulierte Grundprämie im Zieltarif darstellen ließe.
Nach § 203 Abs. 1 Satz 2 VVG kann der Versicherer mit Rücksicht auf ein erhöhtes Risiko einen angemessenen Risikozuschlag vereinbaren. Außer im Basistarif dürfen Risikozuschläge verlangt werden, soweit sie angemessen sind. Dies setzt jedoch eine individuelle Risikoprüfung voraus, weil der Risikozuschlag einem erhöhten Risiko Rechnung tragen soll, das in der Person des Versicherungsnehmers liegt. Der Tarifstrukturzuschlag knüpft im Gegensatz dazu nicht an das individuelle Krankheitsrisiko des jeweiligen Versicherungsnehmers an, sondern wird von allen wechselwilligen Versicherungsnehmern erhoben, um die Differenz der Grundprämie im Herkunftstarif zum neuen Tarif infolge einer Inkompatibilität der Tarife auszugleichen. Der Anknüpfungspunkt für die Erhebung des Tarifstrukturzuschlags ist somit nicht das individuelle Risiko, das der Versicherungsnehmer für den Versicherer im Falle des Tarifwechsels mit sich bringt. Unabhängig von individuellen Vorerkrankungen wird der Zuschlag vielmehr auch von Versicherungsnehmern mit besten Risiken erhoben, um diese in einer - vermeintlichen - Solidargemeinschaft mit den übrigen Versicherungsnehmern im Herkunftstarif festzuhalten und eine Finanzierung der Leistungen im Zieltarif ohne erhebliche Prämiensteigerungen zu möglichen.
Die Annahme, § 204 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG gestatte die Erhebung gesetzlich nicht vorgesehener Zuschläge, widerspricht schließlich dem Sinn und Zweck des § 204 Abs. 1 Satz 1 VVG, der für die Vorgängerregelung in § 178f VVG a.F. aus den Gesetzesmaterialien zu belegen ist (vgl. Urteil vom 5. März 1999 a.a.O.; BTDrucks 12/6959 S. 105). Die Regelung des Anspruchs auf Tarifwechsel bezweckt, den Altkunden mit der Fortführung ihres Versicherungsverhältnisses im Zieltarif gerade die Herauslösung aus der Versichertengemeinschaft des Herkunftstarifs zu ermöglichen, ohne ihnen Einbußen an den vertraglich erworbenen Rechten und der Alterungsrückstellung zuzumuten. Mit der Vorschrift soll bewirkt werden, dass in einen neu eröffneten Tarif nicht nur aus Sicht des Versicherers sogenannte gute Risiken aufgenommen werden. Auch Bestandsversicherte, bei denen nach längerer Versicherungszugehörigkeit unter Umständen ein höheres Krankheitsrisiko eingetreten ist, das der Versicherer zu tragen hat, sollen nicht davon abgehalten werden, in einen günstigeren Tarif zu wechseln. Wird durch eine günstige Tarifstruktur das Interesse von Neukunden auf einen neuen Tarif gelenkt, könnten sonst mit einer "Vergreisung" der Versichertenstruktur im alten Tarif dort die Prämien wegen erhöhter Kosten steigen, während Versicherte mit geringem Risiko, typischerweise jüngere Versicherungsnehmer, den Tarif mit günstigeren Prämien wählen (vgl. BTDrucks 12/6959 S. 105; 16/3945 S. 114; Hohlfeld, in: Berliner Kommentar zum VVG, 1999, Vorbemerkungen zu §§ 178a bis 178o Rn. 1).
Die Annahme, der Versicherer dürfe Tarifwechsler wegen der Ausübung ihres Rechts mit weiteren als den gesetzlich vorgesehenen Zuschlägen belasten, unterläuft diesen Regelungszweck. Das Recht, den Tarif zu wechseln, wird ausgehöhlt, wenn von wechselwilligen Versicherungsnehmern neben der Grundprämie und einem eventuell zu leistenden individuellen Risikozuschlag noch ein allgemeiner Tarifstrukturzuschlag erhoben wird.
b) Entgegen dem angegriffenen Urteil lässt die Erhebung dieses Zuschlags sich auch nicht als Anrechnung erworbener Rechte des Versicherungsnehmers, insbesondere nicht als Anrechnung eines erworbenen "Rechts auf die ursprüngliche Risikomischung" rechtfertigen.
Der Tarifwechselanspruch bei demselben Versicherer ist ein Optionsrecht des Versicherungsnehmers auf Inhaltsänderung seines bestehenden Krankenversicherungsvertrags (vgl. Reinhard, in: Looschelders/Pohlmann, VVG, 2010, § 204 Rn. 1). Der Versicherungsnehmer wechselt von seinem bisherigen Tarif in den neuen Tarif unter Fortsetzung des alten Vertrags. Bereits in der Entscheidung vom 5. März 1999 - BVerwG 1 A 1.97 - (BVerwGE 108, 325 f. = Buchholz 452.00 § 81 VAG Nr. 6 S. 5 f.) hat das Bundesverwaltungsgericht die nach § 178f Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. (Vorgängervorschrift zu § 204 Abs. 1 VVG) anzurechnenden "erworbenen Rechte" als besondere unentziehbare Rechtspositionen umschrieben, die der Versicherungsnehmer durch den Abschluss und im Verlauf des Vertrags gewinnt und insbesondere in der Bewertung des Gesundheitszustandes des Versicherungsnehmers durch den Versicherer bei Vertragsbeginn eine Position gesehen, die zu den "aus dem Vertrag erworbenen Rechten" des Versicherungsnehmers gehört. Hat der Versicherer den Gesundheitszustand nach einer eigenen Risikoskala bewertet, darf er im weiteren Verlauf von dieser Einstufung nicht zu Ungunsten des Versicherten abweichen, und zwar auch dann nicht, wenn im Lichte späterer Erkenntnisse - etwa aufgrund eines weiteren Krankheitsverlaufs oder neuerer Erkenntnisse der medizinischen Forschung - die damalige Einstufung zu günstig war.
Im Übrigen bestimmt sich das Vertragsverhältnis bei einem Tarifwechsel nach dem neuen Tarif. Sieht der neue Tarif wie der bisherige Tarif neben einer Grundprämie die Erhebung eines Risikozuschlags vor, so hat der Versicherungsnehmer Anspruch darauf, dass er höchstens nach Maßgabe der bei Vertragsbeginn festgelegten Risikoeinstufung gesetzt wird. Dies schließt nicht aus, dass der Versicherer die ursprüngliche Risikoeinstufung gegebenenfalls in eine neue Risikoskala einpasst. Nicht zulässig ist es jedoch, den bei Vertragsbeginn festgestellten Gesundheitszustand nach Maßgabe einer jetzt geltenden Risikoskala zu Gunsten des Versicherungsnehmers neu zu bewerten. Sieht das für den neuen Tarif angewendete interne Regelwerk für den damals festgestellten Gesundheitszustand des Versicherungsnehmers inzwischen eine ungünstigere Risikostufe vor, ist der Versicherer gehindert, Prämie und Versicherungszuschlag im neuen Tarif nach Maßgabe dieser ungünstigeren Risikostufe zu berechnen.
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts erwirbt der Versicherungsnehmer aus dem Versicherungsvertrag jedoch kein "Recht auf ursprüngliche Risikomischung" und kein "Recht", auch bei einem Tarifwechsel aus der "ursprünglichen Solidargemeinschaft" nicht ausgeschlossen zu werden. Diese Auslegung wird weder dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck der Vorschrift gerecht. § 204 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Teilsatz 1 VVG spricht von der "Anrechnung der aus dem Vertrag erworbenen Rechte". Gemäß § 1 VVG verpflichtet sich der Versicherer mit dem Versicherungsvertrag ein bestimmtes Risiko des Versicherungsnehmers oder eines Dritten durch eine Leistung abzusichern, die er bei Eintritt des vereinbarten Versicherungsfalles zu erbringen hat. Die privaten Krankenversicherungsunternehmen erbringen ihren Versicherten in Abhängigkeit von vereinbarten Produkten (Tarife) auf der Grundlage der allgemeinen Versicherungsbedingungen differenzierte Leistungen in Form von Kostenerstattung oder in Form von Tagegeld (vgl. Boetius, in: Münchner Kommentar zum VVG, 1. Aufl. 2009, Einführung in die Krankenversicherung, Rn. 83; § 4 Abs. 1 BKK/2009). Wie das Verwaltungsgericht selbst einräumt, wird dabei keine Solidargemeinschaft zwischen den Versicherungsnehmern begründet. Nur bei der gesetzlichen Krankenversicherung dominiert der Grundsatz der Solidargemeinschaft, wonach die Versichertengemeinschaft für die Risiken der Erkrankung des Einzelnen und seiner mitversicherten Angehörigen einsteht. Das gesundheitliche Risiko des Einzelnen ist nicht maßgebend für den Versicherungsbeitrag. Vielmehr ist ein nur am Arbeitsentgelt orientierter Solidarbeitrag zu entrichten (vgl. Terbille, Münchner Anwaltshandbuch Medizinrecht, 1. Aufl. 2009, § 3 Private Krankenversicherung, Rn. 25; BVerfG, Kammerbeschluss vom 4. Februar 2004 - 1 BvR 1103/03 - VersR 2004, 898 f.; Beschluss vom 30. September 1987 - 2 BvR 933/82 - BVerfGE 76, 256 <300 f.>).
Außerdem übersieht das Verwaltungsgericht bei seiner Bewertung, dass das Tatbestandsmerkmal der erworbenen Rechte nach § 204 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG nach dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck der Regelung ausschließlich den Versicherungsnehmer begünstigende subjektive Rechtspositionen erfasst, die sich aus den Abreden des Versicherungsvertrags und dessen Verlauf ergeben, und deren Bestand für den Fall des Tarifwechsels gewahrt bleiben soll. Diese Rechte bestehen nur gegenüber dem Versicherer. Den übrigen Versicherungsnehmern gegenüber begründen sie weder ein Recht noch eine Pflicht, weil der Versicherungsvertrag keinen Vertrag zu Gunsten oder zu Lasten Dritter darstellt. Die abweichende Einschätzung des Verwaltungsgerichts verkennt, dass die Einbindung in ein "Versichertenkollektiv" nicht aus der vertraglichen Vereinbarung resultiert, sondern nur die interne Prämienkalkulation betrifft, auf die der Versicherungsnehmer keinen Einfluss hat. Die Bildung altersabhängiger Risikogemeinschaften zur Prämienkalkulation hat mit einer erworbenen Rechtsposition im positiven wie im negativen Sinn aus dem Versicherungsvertrag nichts gemein (vgl. Bohn, VW 2000, 1937 f.; Derks, Der Gleichbehandlungsgrundsatz im Versicherungsaufsichtsrecht, S. 203).
Die verwaltungsgerichtliche Annahme eines "Rechts" darauf, trotz des Wechsels in den Zieltarif einer - zusätzlichen - Pflicht zur solidarischen Mitfinanzierung der Leistungen des Herkunftstarifs unterworfen zu werden, widerspricht auch dem Sinn und Zweck des § 204 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Teilsatz 1 VVG. Er soll dem Versicherungsnehmer ermöglichen, einer "Vergreisung" seines Herkunftstarifs durch Tarifwechsel zu entgehen, ohne die von ihm bereits erworbenen Rechte gegenüber dem Versicherer zu verlieren. Die Vorschrift dient damit dem Bestandsschutz der subjektiven Rechte des wechselwilligen Versicherungsnehmers. Dagegen bezweckt sie nicht, die im Herkunftstarif verbleibenden Versicherungsnehmer vor Prämiensteigerungen zu bewahren oder dem Versicherer die Berücksichtigung der Folgen einer Inanspruchnahme des Tarifwechselrechts bei der Kalkulation neuer Tarife zu ersparen. Es entspricht nicht der Absicht des Gesetzgebers, den Tarifwechsel nur auf Kosten der wechselwilligen Versicherungsnehmer zuzulassen und mit der Erhebung eines allgemeinen Tarifstrukturzuschlags von diesem Personenkreis die neuen Tarife zu "stützen".
2. Das angegriffene Urteil verstößt auch insoweit gegen Bundesrecht, als das Verwaltungsgericht die Verletzung versicherungsaufsichtsrechtlicher Maßgaben durch die Klägerin aus § 12 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 11 Abs. 2, § 12 Abs. 4 Satz 2 VAG verneint hat.
a) Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts widerspricht die Erhebung des Tarifstrukturzuschlags § 12 Abs. 4 Satz 2 VAG. Danach dürfen die Prämien für das Neugeschäft nicht niedriger sein als die Prämien, die sich im Altbestand für gleichaltrige Versicherte ohne Berücksichtigung ihrer Alterungsrückstellung ergeben würden. Da der Tarifstrukturzuschlag nur von Tarifwechslern aus dem Altbestand gefordert wird, müssen diese jedoch - ohne Berücksichtigung ihrer Alterungsrückstellungen - im Zieltarif insgesamt eine höhere Prämie zahlen als Neukunden gleichen Alters und gleicher Risikoeinstufung.
Unzutreffend ist die Annahme des Verwaltungsgerichts, § 12 Abs. 4 Satz 2 VAG greife hier nicht ein, weil er nach seinem Sinn und Zweck qualitativ gleiche Leistungsversprechen voraussetze und es daran fehle. Dies verkennt zum einen, dass der Gesetzeszweck darauf gerichtet ist, jede Privilegierung von Neukunden bei der Prämienfestsetzung zu verhindern, und schon deshalb keine Einschränkung des Anwendungsbereichs rechtfertigen kann. Soweit das Verwaltungsgericht meint, mangels gleichartiger Leistungsversprechen liege keine Ungleichbehandlung vor, übersieht es, dass die Zieltarife hinsichtlich des Umfangs und der Höhe der vertraglichen Versicherungsleistungen nicht nach Tarifwechslern und Neukunden differenzieren. Die Tatsache, dass die Prämien in den Ausgangstarifen und in den Zieltarifen unterschiedlich kalkuliert worden sind, hat auf das Leistungsversprechen in den neuen Tarifen keinen Einfluss.
b) Zu Unrecht verneint das angegriffene Urteil auch einen Verstoß gegen § 12 Abs. 4 Satz 1 VAG, der für die substitutive Krankenversicherung § 11 Abs. 2 VAG für entsprechend anwendbar erklärt. Danach dürfen bei gleichen Voraussetzungen Prämien und Leistungen nur nach gleichen Grundsätzen bemessen werden. § 11 Abs. 2 VAG verlangt keine absolute Gleichbehandlung. Der Versicherer kann Änderungen in der Tarifstruktur vornehmen oder von seiner bisherigen Praxis abweichen, vorausgesetzt diese Änderungen werden auch für bestehende Verträge generell und willkürfrei vorgenommen (Urteil vom 25. November 1986 - BVerwG 1 C 54.81 - BVerwGE 75, 155 <165> = Buchholz 452.00 § 1 VAG Nr. 13). Mit dem Gleichheitssatz aus § 11 Abs. 2 VAG soll verhindert werden, dass einzelne Versicherungsnehmer zu Lasten anderer Versicherungsnehmer benachteiligt oder bevorzugt werden (vgl. Kaulbach, in: Fahr/Kaulbach/Bähr, VAG, 2007, § 11 Rn. 10; vgl. BRDrucks 23/94 S. 165). Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist verletzt, wenn sich ein vernünftiger aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie einleuchtender Grund für die Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt.
Die Erhebung des Tarifstrukturzuschlags benachteiligt die Tarifwechsler aus dem Altbestand gegenüber den Kunden des Neugeschäfts, ohne dass dies durch einen sachlichen Grund gerechtfertig wäre. Die Prämienbemessung im Zieltarif darf nur an die gesetzlich zulässigen versicherungsmathematisch relevanten Faktoren anknüpfen. Danach ist unerheblich, ob der Tarifkunde im Rahmen des Neugeschäfts oder durch Tarifwechsel in den Zieltarif gelangt ist.
Die versicherungstechnische Bildung von Risikogemeinschaften zur Prämienkalkulation kann die Ungleichbehandlung durch die Erhebung eines Tarifstrukturzuschlags nicht rechtfertigen. Eine Diskriminierung der Neukunden geht damit nicht einher; denn von den Bestandskunden, die Vorerkrankungen aufweisen, kann ein individueller Risikozuschlag erhoben werden, wenn der neue Tarif individuelle Risikozuschläge für die in seine Risikoskala eingepasste Risikoeinstufung des wechselwilligen Versicherungsnehmers vorsieht. Eine solche Einstufung ist aufgrund der ursprünglichen Gesundheitsprüfung vorzunehmen. Sollte diese unvollständig oder mangelhaft durchgeführt worden sein, geht dies zu Lasten des Versicherers.
Soweit die Anrechnung erworbener Rechte und der Alterungsrückstellung nach § 204 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG für die Tarifwechsler zu günstigeren Prämien als für Neukunden führt, ist dies durch die gesetzliche Anordnung der Anrechnung legitimiert. Sachlich rechtfertigt sich diese Besserstellung zum einen aus dem Sinn und Zweck des § 204 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Teilsatz 1 VVG, eine "Vergreisung" von Versicherungstarifen zu verhindern, und zum anderen daraus, dass die Tarifwechsler im Herkunftstarif bereits - regelmäßig höhere - Beiträge gezahlt haben (vgl. Urteil vom 21. März 2007 a.a.O. Rn. 39).
3. Revisionsrechtlich fehlerfrei ist die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Anordnung der Beklagten verletze nicht den rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes (Art. 20 Abs. 3 GG). Die Beklagte hat mit der Erteilung des Testats gemäß § 257 Abs. 2a Satz 1 SGB V keinen Vertrauenstatbestand bezüglich der Prämiengestaltung durch die Klägerin geschaffen. Mit dem Testat ist keine Aussage dahingehend verbunden, dass zusätzlich zu den für Neukunden festgesetzten Prämien im Falle eines Tarifwechsels ein Tarifstrukturzuschlag erhoben werden darf.
4. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts beruht auf den festgestellten Bundesrechtsverstößen. Sie erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als zutreffend (§ 144 Abs. 4 VwGO); bei zutreffender Anwendung der verletzten Vorschriften hätte das Verwaltungsgericht die Klage abweisen müssen. Der angegriffene Bescheid verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Die Beklagte hat von ihrem Ermessen, dem festgestellten Missstand entgegenzuwirken, entsprechend dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung und den rechtlichen Grenzen des Ermessens Gebrauch gemacht. Sie ist im öffentlichen Interesse der Durchsetzung versicherungsrechtlicher Standards und der Wahrung der Belange der Gemeinschaft der Versicherten eingeschritten.
Die angegriffene Anordnung ist auch verhältnismäßig. Ihre Geeignetheit scheitert weder daran, dass sie sich nur auf künftige Tarifwechsel bezieht, noch daran, dass sie allein Wechselanträge von Altversicherten mit sogenannten "besten Risiken" erfasst. Anordnungen gemäß § 81 Abs. 2 Satz 1 VAG sind ausdrücklich nicht nur zur Beseitigung, sondern auch vorbeugend zur Vermeidung von weiteren Missständen zulässig. Darum geht es der Beklagten vorliegend. Sie will mit ihrer Anordnung unterbinden, dass die Klägerin mit unzureichend kalkulierten neuen Tarifen den Markt bedient und das gesetzliche Recht auf einen Tarifwechsel durch die Erhebung eines Tarifstrukturzuschlags verkürzt. Das Verbot, den Tarifstrukturzuschlag von Tarifwechslern mit "besten Risiken" zu erheben, kann zumindest in diesem Teilbereich eine Beendigung der rechtswidrigen Geschäftspraxis herbeiführen. Selbst wenn angenommen würde, die Anordnung sei ungeeignet, weil sie nicht weit genug greife und die Erhebung des Tarifstrukturzuschlags im Übrigen nicht erfasse, wäre die Klägerin dadurch nicht in ihren Rechten verletzt. Die Anordnung ist auch erforderlich, weil die Klägerin in der Vorkorrespondenz mit der Beklagten zu erkennen gegeben hat, dass sie an der Erhebung des Tarifstrukturzuschlags festhält.
Die Anordnung ist schließlich nicht unzumutbar. Mit Rücksicht auf die Interessen der Klägerin hat die Beklagte ihre Anordnung auf den Personenkreis der sogenannten besten Risiken beschränkt und berücksichtigt, dass die Verluste der Klägerin durch Beitragssteigerungen aufgefangen werden können, weil die Neuversicherten keinen Anspruch haben, dass die Prämien auf Kosten der Altversicherten künstlich niedrig gehalten werden (vgl. Kollhosser, in: Prölss/Kollhosser (Hrsg.), VAG, 12. Aufl. 2005, § 81 Rn. 47 f.; BVerwG, Urteil vom 21. März 2007 a.a.O.).
B e s c h l u s s
Der Wert des Streitgegenstandes wird unter Änderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 23. Juli 2009 für beide Instanzen auf je 1 800 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 und 2, § 52 Abs. 1, § 66 Abs. 3 GKG.
Der Streitwert ist grundsätzlich nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Maßgebend ist dabei der Wert, den die Sache bei objektiver Beurteilung für den Kläger hat, nicht die Bedeutung, die er ihr subjektiv beimisst. Zu bewerten sind insbesondere die Auswirkungen, die ein Erfolg des Begehrens auf die wirtschaftliche oder sonstige Lage des Klägers hätte. Das wirtschaftliche Interesse der Klägerin, den Wegfall des Tarifstrukturzuschlags zu verhindern, den sie von wechselwilligen Bestandskunden verlangt, die keine Vorerkrankungen, Beschwerden oder sonstige gefahrerhöhende Umstände aufweisen, wird maßgeblich durch den andernfalls zu erwartenden Verlust bestimmt. Ist dieser nicht hinreichend sicher zu beziffern, darf aus Gründen der Praktikabilität pauschalierend vorgegangen werden (vgl. Beschluss vom 28. August 1992 - BVerwG 4 B 170.92 - Buchholz 360 § 13 GKG Nr. 63). Der Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, der lediglich nicht verbindliche Empfehlungen enthält, sieht für die Fälle der vorliegenden Art keine Richtwerte vor.
Ausgehend von den Feststellungen des Verwaltungsgerichts hatte die Klägerin zum Zeitpunkt der Einführung der neuen Tarife im Jahr 2007 760 000 Bestandskunden. Hiervon haben in einem Zeitraum von zwei Jahren 2 500 Kunden den Tarif gewechselt. Der Jahresbetrag des von einem Tarifwechslers zu zahlenden Tarifstrukturzuschlags beläuft sich auf 480 €. Geht man davon aus, dass bisher pro Jahr ca. 1 250 Kunden den Tarif gewechselt haben, so beläuft sich der geschätzte jährliche Verlust der Klägerin auf 600 000 €. Der Senat geht aufgrund der Einlassung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung davon aus, dass die Klägerin die Tarife der AktiMed-Serie demnächst schließen und neue Tarife auf den Markt bringen wird. Den Zeitbedarf für diese Umstellung veranschlagt der Senat auf einen Zeitraum von drei Jahren, so dass der Streitwert auf 1,8 Mio. € festzusetzen war.