Entscheidungsdatum: 13.07.2017
Der Kläger wendet sich gegen die Bestellung des Beigeladenen zum bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger im Kehrbezirk Kreis C. und gegen die Ablehnung seiner eigenen Bewerbung; er erstrebt eine gerichtliche Verpflichtung des Beklagten zur erneuten Entscheidung über die Bestellung. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.
Die dagegen eingelegte Beschwerde, die Verfahrensmängel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geltend macht und sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO beruft, hat keinen Erfolg.
1. Die vom Kläger erhobenen Verfahrensrügen genügen teils nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO und sind im Übrigen nicht begründet.
a) Der geltend gemachte Verstoß gegen die gerichtliche Pflicht, den entscheidungserheblichen Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären (§ 86 Abs. 1 VwGO) ist nicht prozessordnungsgemäß dargetan (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Dazu hätte der Kläger substantiiert darlegen müssen, dass er bereits im vorinstanzlichen Verfahren auf die vermisste Sachverhaltsaufklärung hingewirkt hat oder dass diese sich dem Gericht auch ohne ein solches Hinwirken hätte aufdrängen müssen (BVerwG, Beschlüsse vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133
b) Der Vortrag, der Kläger habe nach dem Prozessverlauf nicht mit einer berufungsgerichtlichen Differenzierung nach benoteten und unbenoteten Abschlüssen rechnen müssen, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Der damit sinngemäß erhobene Vorwurf, das Berufungsgericht habe seine Hinweispflicht verletzt (vgl. § 86 Abs. 3 VwGO) und eine unzulässige Überraschungsentscheidung getroffen (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO), ist nicht stichhaltig.
Zu einem Hinweis auf die eigene Rechtsauffassung ist das Gericht nur verpflichtet, wenn ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht damit rechnen musste, dass die im Berufungsurteil getroffene Differenzierung nach dem Erwerb einer Qualifikation mit oder ohne benotete Abschlussprüfung für die Entscheidung erheblich sein könnte (BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 1991 - 1 BvR 1383/90 - BVerfGE 84, 188 <190> und Plenumsbeschluss vom 30. April 2003 - 1 PBvU 1/02 - BVerfGE 107, 395 <409>; BVerwG, Beschluss vom 12. März 2014 - 8 C 8.13 - juris Rn. 3). Hier musste ein solcher Prozessbevollmächtigter die differenzierende berufungsgerichtliche Beurteilung zumindest für möglich halten. Die Ausschreibungsrichtlinie konkretisierte das Befähigungsmerkmal bezüglich der Zusatzqualifikationen in der Weise, dass für bestimmte Qualifikationen eine nach der Abschlussnote gestaffelte Punktzahl vergeben und andere Qualifikationen nach der Fortbildungsdauer bewertet wurden. Danach lag es nicht fern, dass die Vorinstanz für die sachliche Rechtfertigung der differenzierenden Bewertung auf das Kriterium der benoteten Abschlussprüfung abstellen könnte.
b) Der darüber hinaus - ausdrücklich - gerügte Verstoß gegen das Recht des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) und gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegt nicht vor. Nach der materiell-rechtlichen Rechtsauffassung der Vorinstanz kam es für die Berufungsentscheidung nicht auf den (angeblichen) übergangenen Vortrag an, die Zusatzqualifikation als Brandschutztechniker stehe in unmittelbarem Bezug zum Schutzzweck des Gesetzes. Vielmehr hielt das Berufungsgericht die Bewertung dieser Zusatzqualifikation mit einem Punkt schon wegen seiner verfahrensfehlerfreien Annahme für gerechtfertigt, der Kläger habe insoweit keine benotete Abschlussprüfung abgelegt (vgl. UA S. 17 f.). Unabhängig davon ist nicht dargetan, dass die Zurückweisung der Berufung auf den geltend gemachten Verfahrensmängeln beruhen kann. Nach der materiell-rechtlichen Rechtsauffassung der Vorinstanz konnte eine die Abschlussnote berücksichtigende Vergabe eines zusätzlichen Punktes für die Qualifikation zum Brandschutztechniker (entsprechend der sonst in der Ausschreibungsrichtlinie vorgesehenen Bewertung der Note "befriedigend") den Abstand von insgesamt mehr als drei Punkten zur Punktzahl des Beigeladenen selbst dann nicht ausgleichen, wenn dadurch der Anspruch auf Berücksichtigung einer anderen fünftägigen Fortbildung aus 2009 wieder auflebte und diese Fortbildung mit einem weiteren Punkt zu berücksichtigen wäre. Auf die Frage, ob eine Überbrückung des Abstands bei zusätzlicher Besserbewertung anderer Qualifikationen möglich gewesen wäre, kommt es hier nicht an, weil der Kläger bezüglich der Bewertung der anderen Zusatzqualifikationen keine wirksamen Rügen erhoben hat.
2. Die Beschwerde legt keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dar, weil sie keine bestimmte, höchstrichterlich noch ungeklärte und für die Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, der eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukäme (zu diesen Kriterien vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133
a) Die Frage:
"Kann ein Verwaltungsgericht bei der Prüfung, ob die Verwaltung im Rahmen der Ausübung eines Beurteilungsspielraums die gesetzlichen Bewertungsgrundsätze oder -maßstäbe beachtet hat, eigene, von der Verwaltung nicht geltend gemachte Gesichtspunkte zur Rechtfertigung der im Hinblick auf die Ausfüllung des Beurteilungsspielraums getroffenen Verwaltungsentscheidung entwickeln und als entscheidungsrelevant berücksichtigen?"
wäre im angestrebten Revisionsverfahren nur erheblich, soweit sie auf die berufungsgerichtliche Rechtfertigung des Kriteriums des benoteten Prüfungsnachweises zielt. Insoweit bedarf sie keiner Klärung in einem Revisionsverfahren, weil sie bereits ohne Weiteres anhand der bisherigen Rechtsprechung zur Überprüfung der Grenzen von Beurteilungsspielräumen bei Auswahlentscheidungen - bejahend - zu beantworten ist. Danach erstreckt sich die gerichtliche Kontrolle der gesetzlichen Grenzen des Beurteilungsspielraums bei Auswahlentscheidungen unter anderem darauf, dass allgemeingültige Wertmaßstäbe beachtet, keine sachfremden Erwägungen angestellt und keine sachwidrigen oder willkürlichen Differenzierungen vorgenommen wurden (vgl. BVerwG, Urteile vom 25. Juli 1985 - 3 C 25.84 - BVerwGE 72, 38 <53> und vom 4. November 2010 - 2 C 16.09 - BVerwGE 138, 102 Rn. 45 a.E.; Beschluss vom 16. Dezember 2008 - 1 WB 39.07 - BVerwGE 133, 1 Rn. 41). Ob eine Differenzierung sachwidrig ist, hat das Gericht - wie stets bei der Anwendung von Diskriminierungsverboten - danach zu entscheiden, ob sachliche Gründe vorliegen, die die Ungleichbehandlung rechtfertigen können. Dies hat das Gericht aufgrund eigener Auslegung der gesetzlichen Ermächtigung unter Berücksichtigung ihres Zwecks zu bestimmen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 16. Juli 2012 - 1 BvR 2983/10 - NVwZ 2012, 1535 - juris Rn. 41 ff.). Bei der Prüfung, ob objektiv sachliche, die Differenzierung rechtfertigende Gründe vorliegen, ist es nicht auf eine Würdigung der dazu von der Behörde angeführten Gesichtspunkte beschränkt.
b) Die weitere Frage:
"Kann die Verwaltung bei der Bestimmung des Bewertungsmaßstabes zur Ausfüllung der Auswahlkriterien Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung im Rahmen von § 9 Abs. 4 SchfHwG für die Frage, ob eine Zusatzqualifikation ein höheres Gewicht als eine bloße Fortbildung erhalten soll, auf den Umstand abstellen, ob diese Qualifikation aufgrund einer Abschlussprüfung, die benotet worden ist, erworben wurde?"
würde sich ebenfalls im Revisionsverfahren so nicht stellen, weil sie von anderen Tatsachen ausgeht als das angegriffene Urteil. Nach dessen Feststellungen verlieh die Verwaltungsbehörde - in Übereinstimmung mit der Ausschreibungsrichtlinie - den Qualifikationen als Betriebswirt des Handwerks oder Schornsteinfegerhandwerks und als Gebäudeenergieberater nicht schon für sich genommen höheres Gewicht als den übrigen, als Fortbildungen eingestuften Zusatzqualifikationen. Der schlichte Erwerb einer der beiden erstgenannten Qualifikationen (bei Bestehen der Prüfung mit "ausreichend") wurde ebenso wie die beiden vom Kläger geltend gemachten Zusatzqualifikationen als Brandschutztechniker und als Fachberater mit jeweils einem Punkt bewertet. Zu einer höheren Gewichtung der beiden erstgenannten Qualifikationen führten nur bessere als "ausreichende" Prüfungsbewertungen, in denen sich besonders gute Leistungen niederschlugen. Als Argument für eine Berücksichtigung solcher Bewertungen - nur - bei diesen Qualifikationen führte die Behörde nicht an, nur dort werde eine benotete Abschlussprüfung abgelegt. Vielmehr begründete sie die notenabhängig höhere Gewichtung gerade der beiden erstgenannten Qualifikationen mit dem Anforderungsprofil für bevollmächtigte Bezirksschornsteinfeger, dem Zuschnitt seiner gesetzlichen Zuständigkeiten und der Notwendigkeit bestimmter Kenntnisse für die selbständige Führung eines Kehrbezirks (vgl. UA S. 7). Diese Feststellungen zur behördlichen Differenzierung und deren Begründung wurden nicht mit Verfahrensrügen angegriffen. Sie wären daher auch im Revisionsverfahren nach § 137 Abs. 2 VwGO bindend.
Soweit die zweite aufgeworfene Frage sich sinngemäß auch gegen die Annahme des Berufungsgerichts wendet, der sachliche, die differenzierende Bewertung rechtfertigende Grund liege im Bestehen einer benoteten Abschlussprüfung, ist ihre Erheblichkeit für das Revisionsverfahren nicht substantiiert dargelegt. Wäre die Annahme des Berufungsgerichts revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, bliebe es bei der Zurückweisung der Berufung. Schiede die benotete Abschlussprüfung als sachlicher Grund für die Differenzierung aus und dürften Noten allenfalls bei einem Vergleich zwischen Absolventen der gleichen Qualifikation berücksichtigt werden, ließe dies die Punktedifferenz des Klägers zum Beigeladenen ebenfalls unverändert. Beider, notenabhängig gleich gewichtete Qualifikation zum Gebäudeenergieberater wäre auch notenunabhängig gleich zu gewichten; eine notenabhängige Höhergewichtung der Qualifikation als Brandschutztechniker (zu dieser Variante vgl. oben Rn. 7) schiede aus. Eine für das Auswahlergebnis möglicherweise relevante Verschiebung des Punkteverhältnisses könnte sich nur ergeben, wenn der Beklagte andere Differenzierungskriterien hätte einführen müssen, die sich zugunsten des Klägers, aber nicht des Beigeladenen auswirkten. Dies wird mit der Grundsatzrüge jedoch nicht gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dargetan. Die Zulässigkeit des Punktebewertungssystems im Übrigen wird mit der Beschwerde nicht angegriffen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 i.V.m. § 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, entsprach nicht der Billigkeit, weil dieser keinen eigenen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs.1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.