Entscheidungsdatum: 16.10.2012
Die Kläger begehren die Rückübertragung einer mit einem Eigenheim bebauten etwa 770 qm großen Teilfläche eines 13 600 qm großen Gartengrundstücks, das ihrer Rechtsvorgängerin nach deren Ausreise aus der DDR 1960 entzogen und in Volkseigentum überführt worden war. Die Beklagte stellte zwar die Berechtigung der Kläger nach dem Vermögensgesetz fest, lehnte aber die Rückübertragung ab, weil Herr B. im Jahr 1983 das Eigenheim sowie ein dingliches Nutzungsrecht an der Teilfläche des Grundstücks redlich erworben habe. Die Beigeladene zu 2 erwarb das Eigenheim 2005 im Wege der Zwangsversteigerung. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg. Sie ist unzulässig. Die Kläger legen den allein in Anspruch genommenen Zulassungsgrund des Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) nicht schlüssig dar, obwohl dies geboten gewesen wäre (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).
1. Die Kläger rügen, dass das Verwaltungsgericht weder Herrn B. noch den Rechtspfleger als Zeugen vernommen hat, der das Versteigerungsverfahren 2005 geführt hatte. Aus dem Zusammenhang ihrer Ausführungen ergibt sich, dass sie hierin eine Verletzung des Gebots sehen, ihnen rechtliches Gehör zu gewähren (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG), nämlich das Parteivorbringen zur Kenntnis zu nehmen und bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen. Dieses Gebot bezieht sich aber nur auf diejenigen Umstände, die das Gericht nach seiner Rechtsauffassung für entscheidungserheblich hält. Die Kläger hätten deshalb angeben müssen, zu welchen Beweistatsachen sich die Zeugen hätten äußern können und inwiefern dies für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nach dessen Rechtsauffassung hätte erheblich sein können. Da sie - obwohl sie anwaltlich vertreten waren - im Termin zur mündlichen Verhandlung die Einvernahme der Zeugen nicht beantragt haben, hätten sie weiterhin darlegen müssen, weshalb sich die Einvernahme dem Gericht auch ohne förmlichen Beweisantrag hätte aufdrängen müssen (vgl. § 86 Abs. 1 und 2 VwGO). All das leisten sie nicht.
2. Die Kläger rügen ferner, das Gericht habe das Urteil bereits vor der mündlichen Verhandlung gefällt. Darin sehen sie eine weitere Verletzung des Gebots, rechtliches Gehör zu gewähren (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG), und obendrein einen Grund zur Besorgnis, dass der Einzelrichter befangen gewesen sei (§ 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO). Auch damit ist der Zulassungsgrund des Verfahrensmangels nicht hinreichend dargetan.
Das Gericht ist verpflichtet, gerade den Vortrag der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (§ 108 Abs. 2 VwGO); es darf seine Entscheidung nur auf der Grundlage des gesamten Verfahrens bilden, zu der vor allem die mündliche Verhandlung gehört (§ 101 Abs. 1, § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dieses Gebot ist verletzt, wenn das Gericht seine Entscheidung bereits gefällt oder seine der Entscheidung zugrundeliegende Überzeugung bereits gebildet hat, bevor die Beteiligten Gelegenheit hatten, sich abschließend zum Sach- und Streitstand in der mündlichen Verhandlung zu äußern. Ein solcher Fehler ist jedoch nicht mit der bloßen Behauptung dargetan, der Richter habe vor der mündlichen Verhandlung schon einen vollständigen Urteilsentwurf erstellt. Dass vor der Verhandlung ein schriftlicher Entscheidungsvorschlag oder -entwurf vorbereitet wird, lässt sich nicht beanstanden. Dieses Vorgehen ist nicht nur ein Gebot rationeller Arbeitsweise, es dient auch der Selbstkontrolle, weil auf diese Weise die Entscheidungserheblichkeit einzelner Punkte und die Entscheidungsreife des Falles besonders deutlich werden. Der Entscheidungsentwurf dient typischerweise der vorläufigen Standortbestimmung; mangels anderer Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass der Richter unverändert entscheidungsoffen, also bereit ist, seine vorläufige Auffassung infolge anderer oder besserer Erkenntnis auf der Grundlage der mündlichen Verhandlung zu korrigieren (ebenso BVerfG, Beschluss vom 17. März 1959 - 1 BvR 53/56 - BVerfGE 9, 213 <215>; BFH, Beschlüsse vom 17. Mai 1995 - X R 55/94 - BFHE 177, 344 und vom 4. Juli 2006 - X B 3/0 - juris Rn. 8). Hier liegen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass der Richter sich bereits vor der Beendigung des Vorbringens der Beteiligten seine der Entscheidung zugrundeliegende Überzeugung abschließend gebildet hatte und dass er das Vorbringen der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung nicht (mehr) zur Kenntnis genommen oder nicht in Erwägung gezogen hätte. Allein der Umstand, dass er nach dem Vorbringen der Kläger am Ende der mündlichen Verhandlung offenbar auf seinen Entscheidungsentwurf zurückgegriffen und auf dieser Grundlage eine Entscheidung getroffen und verkündet hat, reicht nicht aus, um einen Verstoß gegen § 101 Abs. 1, § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO darzutun.
Aus demselben Grunde scheidet auch die Annahme aus, der Einzelrichter des Verwaltungsgerichts könnte befangen gewesen sein (ebenso BFH, Beschluss vom 17. Mai 1995 a.a.O.). Deshalb mag offenbleiben, ob die Kläger den Einzelrichter nach dem Abschluss der Instanz überhaupt noch als befangen ablehnen (verneinend Beschlüsse vom 30. Oktober 1969 - BVerwG 8 CB 129.67 u.a. - Buchholz 310 § 54 VwGO Nr. 5 und vom 9. Mai 1989 - BVerwG 8 CB 27.89 - Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 103; kritisch Meissner, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO-Kommentar, Rn. 50 zu § 54 VwGO) und seine Mitwirkung an dem Urteil als Verfahrensmangel mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend machen können (verneinend Beschluss vom 17. September 1987 - BVerwG 9 B 327.87 - juris).