Entscheidungsdatum: 21.11.2017
Die Klägerin begehrt als Insolvenzverwalterin für die H. GmbH & Co. KG, die durch Umwandlungen aus der H. OHG hervorgegangen ist, eine Entschädigung nach dem DDR-Entschädigungserfüllungsgesetz (DDR-EErfG) für den Verlust von Eigentumsrechten der H. OHG an der B. AG und der W. GmbH. Die beiden zuletzt genannten Unternehmen wurden nach Kriegsende gemäß SMAD-Befehl Nr. 124 vom 30. Oktober 1945 beschlagnahmt. Ihr Vermögen wurde aufgrund des Gesetzes zur Einziehung von Vermögenswerten der Kriegsverbrecher und Naziaktivisten des Magistrats von Groß-Berlin vom 8. Februar 1949 eingezogen und in Volkseigentum überführt. Mit Bescheid vom 15. März 2010 lehnte das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen den Entschädigungsantrag der H. GmbH & Co. KG ab. Diese hat nach erfolglosem Widerspruch Klage erhoben und zuletzt eine Entschädigung in Höhe von mindestens 869 680,29 € nebst Zinsen begehrt. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.
Die dagegen eingelegte Beschwerde, die sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO beruft und Verfahrensmängel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geltend macht, hat keinen Erfolg.
Eine Zulassung der Revision ist mit den erhobenen Rügen nicht zu erreichen, weil diese nur eine von zwei alternativ tragenden Begründungen des angefochtenen Urteils angreifen. Bei mehrfacher, die Entscheidung jeweils selbstständig tragender Urteilsbegründung muss für jede ein Zulassungsgrund geltend gemacht sein und vorliegen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 9. April 1981 - 8 B 44.81 - und vom 4. Juli 2007 - 8 B 8.07 - juris Rn. 11 m.w.N.). Daran fehlt es hier.
Das Verwaltungsgericht hat einen Entschädigungsanspruch der Klägerin gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 DDR-EErfG verneint, weil die unmittelbare Beteiligung der H. OHG an der B. AG und die mindestens mittelbare Beteiligung dieser OHG an der W. GmbH auch bei Berücksichtigung des 70%igen OHG-Anteils der in Uruguay geborenen, mit dem deutschen Staatsangehörigen H. S. verehelichten Frau C. S. jeweils - erstens - nicht als Beteiligung eines ausländischen Gesellschafters zu qualifizieren und - zweitens - auch nicht von der Enteignung freigestellt gewesen seien. Jede dieser beiden Erwägungen trägt bereits für sich genommen die Klageabweisung. § 1 Abs. 2 Satz 2 DDR-EErfG setzt nicht nur voraus, dass eine ausländische Beteiligung an einem im Beitrittsgebiet besatzungsrechtlich oder -hoheitlich enteigneten Unternehmen bestand, sondern verlangt zusätzlich, dass diese Beteiligung zunächst von der Enteignung freigestellt war. Danach scheidet ein Entschädigungsanspruch nach der genannten Vorschrift schon aus, wenn nur eine der beiden Voraussetzungen fehlt.
1. Die Grundsatzrüge zielt allein auf die zweite selbstständig tragende Urteilserwägung, die eine Freistellung der Beteiligung verneint. Die von der Klägerin formulierte Rechtsfrage problematisiert die Anwendung dieser Tatbestandsvoraussetzung, ohne Grundsatzfragen auch zur weiteren Voraussetzung des - im Urteil ebenfalls verneinten - Vorliegens einer ausländischen Beteiligung aufzuwerfen. Vielmehr unterstellt die Klägerin das Vorliegen einer solchen Beteiligung, ohne die gegenteilige Annahme der Vorinstanz mit der Grundsatzrüge oder anderen Rügen (dazu unten 2.) anzugreifen. Sie möchte nur geklärt wissen, ob eine (unterstellte) ausländische Beteiligung bereits von Rechts wegen und auch ohne den Eintrag des Zusatzes "deutsche Anteile enteignet" in den Listen 1 und 3 von der Enteignung freigestellt war, wenn das enteignete Unternehmen in der DDR in der Liste der "Volkseigene[n] Betriebe mit ausländischer Beteiligung" geführt und als VEB mit ausländischer Beteiligung behandelt wurde. Die anschließenden Erläuterungen der Klägerin (S. 7 ff. der Beschwerdebegründung) verdeutlichen unmissverständlich, dass sich die Fragestellung auf die Klärung der Freistellungsvoraussetzungen beschränkt. Sie heben hervor, bisher sei nur die Einordnung des - hier fehlenden - Listenzusatzes "deutsche Anteile enteignet" als Indiz für eine Freistellung geklärt, nicht jedoch die Indizwirkung einer späteren Aufnahme des Unternehmens in die Liste der "Volkseigene[n] Betriebe mit ausländischer Beteiligung" und auch nicht die Frage, ob eine Freistellung aller ausländischen Beteiligungen schon de iure erfolgt und unabhängig von Listeneinträgen aus dem Völkerrecht und den Dratwinschen Instruktionen zum SMAD-Befehl Nr. 104 abzuleiten sei. Anschließend erörtert die Beschwerdebegründung detailliert diese letzte, aus der Sicht der Klägerin vorzugswürdige Auffassung sowie die von ihr angenommene Indizwirkung der Einträge in die VEB-Listen, die Auffassung und Praxis verschiedener Stellen der DDR und die Gesetzesmaterialien zu § 1 Abs. 2 Satz 2 DDR-EErfG. Auch dabei unterstellt sie stets das Vorliegen eines ausländischen Gesellschaftsanteils, ohne bezüglich der gegenteiligen, alternativ tragenden Erwägung des angegriffenen Urteils eine rechtsgrundsätzliche Frage aufzuwerfen, die klärungsbedürftig und im angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig wäre. Bezüglich dieser Urteilserwägung macht sie auch keine anderen Zulassungsgründe geltend, wie sich aus dem Folgenden ergibt.
2. Mit der Verfahrensrüge, die eine Verletzung der gerichtlichen Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen gemäß § 86 Abs. 1 VwGO geltend macht, greift die Klägerin ebenfalls nur das Verneinen einer Freistellung von der Enteignung und nicht auch das Verneinen einer ausländischen Beteiligung durch die Vorinstanz an. Unabhängig davon genügt ihre Aufklärungsrüge bereits nicht den Anforderungen an eine substantiierte Darlegung des angeblichen Verfahrensmangels (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Sie beanstandet, das Verwaltungsgericht habe mangels ausreichender Ermittlungen zur Historie und zur Aufstellung der Liste der "Volkseigene[n] Betriebe" mit ausländischer Beteiligung die entscheidende Bedeutung dieser Liste verkannt. Bei zutreffender Aufklärung habe es eine Fiktionswirkung der Liste für die Freistellung von ausländischen Beteiligungen anerkennen müssen. Damit werden keine konkreten, nach der materiell-rechtlichen Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts entscheidungserheblichen und aufklärungsbedürftigen tatsächlichen Umstände benannt. Stattdessen postuliert die Klägerin eine Fiktionsregel, die das Gericht gerade unabhängig von einer tatsächlichen Freistellung von Rechts wegen zu deren Annahme verpflichten soll. Sie wäre deshalb dem materiellen Recht zuzuordnen, das nicht Gegenstand einer Verfahrensrüge sein kann.
3. Ob die Berufung der Klägerin auf eine Fiktionswirkung der Liste dahin verstanden werden könnte, dass bei den dort eingetragenen Unternehmen nicht nur die Freistellung von Gesellschaftsanteilen, sondern auch die Inhaberschaft eines ausländischen Gesellschafters als fingiert anzusehen sei, kann hier offen bleiben. Zwar würde die Annahme einer solchen Fiktionswirkung sich auch gegen das Verneinen einer ausländischen Beteiligung und damit gegen die erste selbstständig tragende Urteilsbegründung richten. Sie beträfe aber - ebenso wie eine Fiktion der Freistellung - das materielle Recht. Außerdem erfüllen die entsprechenden Ausführungen der Beschwerdebegründung nicht die Anforderungen an die Darlegung eines Revisionszulassungsgrundes gemäß § 132 Abs. 2, § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Dazu genügt es nicht, der Rechtsauffassung der Vorinstanz eine eigene, abweichende Rechtsauffassung gegenüberzustellen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 i.V.m. § 162 Abs. 3 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG; sie entspricht der Höhe der von der Klägerin begehrten Entschädigung. § 52 Abs. 4 Nr. 3 GKG ist in Verfahren über Ansprüche nach dem DDR-Entschädigungserfüllungsgesetz nicht anzuwenden, da die erforderliche Nähe zur Feststellung einer Berechtigung nach dem Vermögensgesetz fehlt (BVerwG, Urteil vom 17. Mai 2017 - 8 C 19.16 - juris Rn. 46 a.E.). Der Gesetzgeber hat keine generelle Streitwertbegrenzung für Verfahren geregelt, die eine Bewältigung der rechtlichen Folgen der Herrschaft der DDR zum Gegenstand haben. Vielmehr hat er punktuelle Regelungen zur Streitwertdeckelung geschaffen (vgl. § 6 Abs. 3 VZOG) und die bei Erlass des DDR-Entschädigungserfüllungsgesetzes bereits vorhandene Streitwertbegrenzung in § 13 Abs. 3 GKG i.d.F. vom 17. August 2001 (BGBl. I S. 2144) nicht auf Verfahren wegen Entschädigungserfüllungsansprüchen erstreckt. Eine Analogie zu § 52 Abs. 4 Nr. 3 GKG scheidet aus, weil § 6 DDR-EErfG nur eingeschränkt auf das Verfahren nach dem Vermögensgesetz verweist.