Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 28.04.2015


BPatG 28.04.2015 - 7 W (pat) 66/14

Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
7. Senat
Entscheidungsdatum:
28.04.2015
Aktenzeichen:
7 W (pat) 66/14
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze
§ 2 Abs 2 Nr 1 PatGebErstG

Leitsätze

Gebühren des beigeordneten Vertreters

Der beigeordnete Vertreter erhält eine 13/10-Verfahrensgebühr gem. § 2 Abs. 2 Nr. 1 VertrGebErstG für die Anmeldung eines Patents oder im Verfahren nach § 42 PatG für Tätigkeiten, die er vor Beginn des Prüfungsverfahrens erbracht hat. Da das Prüfungsverfahren gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 PatKostG grundsätzlich erst mit Zahlung der Prüfungsgebühr beginnt, ist im Falle von beantragter Verfahrenskostenhilfe als Be-ginn des Prüfungsverfahrens der Zeitpunkt anzunehmen, in dem der Beschluss über die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe wirksam wird.

Tenor

In der Beschwerdesache

Antragstellerin und Beschwerdeführerin,

betreffend die Patentanmeldung ...

wegen Erstattung von Gebühren der beigeordneten Vertreterin

hat der 7. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts am 28. April 2015 durch den Vorsitzenden Richter Rauch, die Richterin Püschel und die Richterin Dr. Schnurr

beschlossen:

Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes - Prüfungsstelle für Klasse H04N - vom 3. März 2014 dahingehend abgeändert, dass der Antragstellerin über den dort festgesetzten Betrag von 323,68 € hinaus weitere 468,-- € nebst 19 % Mehrwertsteuer (= 88,92 €), mithin weitere 556,92 € zu erstatten sind.

Gründe

I.

1

Am 17. Juni 2011 reichte der Anmelder S… beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) eine Erfindung mit der Bezeichnung „...“ zur Patentierung ein und stellte zugleich einen Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe und Beiordnung eines Patentanwalts für das Erteilungsverfahren. Die Anmeldung wird beim DPMA unter dem Aktenzeichen ... geführt. Am 11. November 2011 reichte er einen Antrag auf Prüfung der Anmeldung ein.

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Mit Beschluss vom 10. Juli 2012 wurde dem Anmelder Verfahrenskostenhilfe für das Erteilungsverfahren und für die im Erteilungsverfahren fällig werdenden Jahresgebühren bewilligt. Die Antragstellerin wurde ihm zugleich als Vertreterin beigeordnet. Bereits am 14. März 2012 hatte diese ihre Bereitschaft zur Vertretungsübernahme erklärt und um Übermittlung einer Kopie der eingereichten Unterlagen und ggf. weiterer danach erfolgter Korrespondenz für die Akte bzw. um Mitteilung des Verfahrensstandes gebeten.

3

Mit Schreiben vom 3. Oktober 2012 teilte das DPMA der Antragstellerin mit, dass der Prüfungsantrag vom 11. November 2011 mangels Zahlung der Prüfungsantragsgebühr als zurückgenommen zu gelten habe, weshalb zur Fortsetzung des Prüfungsverfahrens die Stellung eines neuen Prüfungsantrags sowie die Zahlung der vollständigen Gebühr erforderlich sei. Unter dem Datum 16. Oktober 2012 erfolgte dann die weitere Mitteilung, dass der Prüfungsantrag am 17. August 2012 wirksam gestellt und das Prüfungsverfahren damit eingeleitet sei.

4

Im Prüfungsverfahren wurde die Anmeldung durch Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H04N des DPMA vom 20. August 2013 unter Hinweis auf einen vorangegangenen Bescheid zurückgewiesen.

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Zur Erstattung ihrer Gebühren und Auslagen reichte die Antragstellerin beim DPMA einen Antrag vom 9. September 2013 ein, worin sie u. a. 468,-- € für die Tätigkeit im Anmelde- bzw. im Offensichtlichkeitsverfahren sowie 252,-- € für die Tätigkeit im Prüfungsverfahren in Ansatz brachte. In Beantwortung eines Zwischenbescheids, demzufolge eine Tätigkeit im Anmelde- und Offensichtlichkeitsverfahren nicht erkennbar sei, konkretisierte die Antragstellerin ihren diesbezüglichen Antrag und stellte darauf ab, dass sie nach ihrer Vertretungsübernahme vom 14. März 2012 mehrfach habe telefonisch nachhaken müssen, bis die Beiordnung sowie die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe schließlich eingetragen worden seien.

6

Auch nach Erlass des Bewilligungsbeschlusses vom 10. Juli 2012 sei die Offensichtlichkeitsprüfung noch nicht abgeschlossen gewesen. Dies zeigten u. a. die Mitteilungen vom 3. und vom 16. Oktober 2012. Am 18. Oktober 2012 habe sie auf telefonische Aufforderung des DPMA - ihren Antrag auf Akteneinsicht erneut gestellt und nochmals um Mitteilung des Verfahrensstandes gebeten. Zu diesem Zeitpunkt hätten noch formale Mängel bestanden, die in der Offensichtlichkeitsprüfung nach § 42 Abs. 1, § 34 Abs. 3 und § 37 PatG amtlich festzustellen und anmelderseitig zu beheben seien. U. a. hätten die vom DPMA übermittelten Aktenkopien gezeigt, dass die ursprünglich per Fax eingereichten Zeichnungen wegen schlechter Qualität ganz offensichtlich nicht zur direkt bevorstehenden Publikation geeignet gewesen seien. Um dem DPMA die Arbeit zu erleichtern, habe sie die Unterlagen in Reinform per Post nachgereicht, weshalb ein diesbezüglicher Mängelbescheid des DPMA im Rahmen der Offensichtlichkeitsprüfung nicht mehr erforderlich gewesen sei. Die nachgereichten Unterlagen seien offensichtlich auch für die Publikation verwendet worden. Zudem habe sie am 20. November 2012 auf Grund eines telefonischen Hinweises seitens des DPMA eine korrigierte Erfinderbenennung nachgereicht. Frühestens hiermit (wahrscheinlich sogar später) sei die Offensichtlichkeitsprüfung abgeschlossen gewesen.

7

Im Anschluss an einen weiteren Zwischenbescheid setzte das DPMA Prüfungsstelle für Klasse H04N - durch Beschluss vom 3. März 2014 die Höhe der Kosten des beigeordneten Vertreters auf 323,68 € fest, wobei eine Gebühr für Tätigkeiten im Anmelde- und Offensichtlichkeitsverfahren nicht berücksichtigt wurde. Der Anmelder habe bereits am 11. November 2011 den Prüfungsantrag gestellt, die Vertretungsübernahme sei aber erst mit Eingabe vom 14. März 2012, die Beiordnung mit Beschluss vom 10. Juli 2012 erfolgt.

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Mit ihrer gegen diesen Beschluss gerichteten Beschwerde beantragt die Antragstellerin, ihr

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über den bereits festgesetzten Erstattungsbetrag hinausgehend auch eine 13/10-Vertretergebühr nebst 19 % Mehrwertsteuer für ihre Tätigkeit im Verfahren der Offensichtlichkeitsprüfung zu bewilligen.

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Zur Begründung beruft sich die Antragstellerin wiederum auf ihre Mitwirkung bei der Nachreichung von publikationstauglichen Zeichnungen und einer korrigierten Erfinderbenennung. Dies stelle eine Beteiligung am Offensichtlichkeitsverfahren dar, vor dessen Abschluss das Prüfungsverfahren nicht beginnen könne. Auch nach den Prüfungsrichtlinien seien formelle Mängel, insbesondere bei Verstößen gegen die Patentverordnung, im Rahmen der Offensichtlichkeitsprüfung zu beanstanden. Die Bewilligung der Vertretergebühr für die Offensichtlichkeitsprüfung dürfe nicht vom vorherigen Erlass eines formalen amtlichen Mängelbescheids abhängen; eine Aktennotiz über eine vom DPMA telefonisch übermittelte Bemängelung sei insofern als Beleg ausreichend.

II.

11

Die Beschwerde ist gemäß § 7 Nr. 2 Vertretergebühren-Erstattungsgesetz (VertrGebErstG) i. V. m. § 62 Abs. 2 Satz 4, § 73 PatG zulässig und auch in der Sache erfolgreich. Der Antragstellerin kann neben den Gebühren, die ihr in dem Beschluss vom 3. März 2014 bereits zugesprochen worden sind, nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 VertrGebErstG auch eine 13/10-Gebühr in Höhe von 468,-- € geltend machen.

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1. Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 VertrGebErstG (i. d. F. vom 1. Januar 2002) steht dem Vertreter für die Anmeldung eines Patents oder im Verfahren nach § 42 PatG eine 13/10 Verfahrensgebühr zu. Nach ständiger Rechtsprechung erfasst § 2 Abs. 2 Nr. 1 VertrGebErstG das Anmeldeverfahren bis zum Beginn des Prüfungsverfahrens, das dann Gegenstand der Gebühren nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 VertrGebErstG ist (vgl. BPatG, Beschl. v. 4. Dezember 1995 – 4 W (pat) 55/95, BlPMZ 1996, 459). Der Vertreter erhält die Gebühr nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 VertrGebErstrG, wenn er im Rahmen der Beiordnung vor Beginn des Prüfungsverfahrens tätig geworden ist (vgl. BPatG, Beschl. v. 5. Dezember 2002 10 W (pat) 32/02, BlPMZ 2003, 242, 244; Beschl. v. 24. August 2006 – 10 W (pat) 13/06, veröffentlicht auf der Homepage des BPatG, http://juris.bundespatentgericht.de - Rechtsprechung). Als ausreichend anzusehen ist hierbei ein Tätigwerden bei der Anmeldung oder im Verfahren der Offensichtlichkeitsprüfung, d. h. der Vertreter muss nicht sowohl bei der Anmeldung als auch im Verfahren nach § 42 PatG mitgewirkt haben (BPatG a. a. O., BlPMZ 1996, 459).

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2. Im vorliegenden Fall wurde der Prüfungsantrag vom Anmelder am 11. November 2011 wirksam gestellt. Der Antrag galt auch nicht - entgegen der patentamtlichen Mitteilung vom 3. Oktober 2012 - wegen Nichtzahlung der Prüfungsgebühr (Nr. 311 400 des Gebührenverzeichnisses, Anlage zu § 2 Abs. 1 PatKostG) als zurückgenommen. Zwar ist in § 6 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 PatKostG diese Rechtsfolge für den Fall vorgesehen, dass die Prüfungsgebühr nicht innerhalb von drei Monaten nach Stellung des Prüfungsantrags gezahlt wird. Da der Anmelder jedoch Verfahrenskostenhilfe für das Erteilungsverfahren beantragt hatte, war die Frist zur Zahlung der Prüfungsgebühr gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 134 PatG zunächst gehemmt. Die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe durch Beschluss vom 10. Juli 2012 bewirkte schließlich, dass bei der Prüfungsgebühr die für den Fall der Nichtzahlung vorgesehene Rechtsfolge nicht eintrat (§ 130 Abs. 2 Satz 1 PatG). Es bleibt somit dabei, dass der Prüfungsantrag am 11. November 2011 wirksam gestellt war.

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3. Für die Beantwortung der Frage, ob die Tätigkeit des beigeordneten Patentanwalts noch dem Verfahren nach § 42 PatG oder bereits dem Prüfungsverfahren zuzuordnen ist, ist allerdings nicht allein auf die wirksame Stellung des Prüfungsantrags abzustellen. Wegen der Vorschrift des § 5 Abs. 1 Satz 1 PatKostG, wonach in Verfahren vor dem DPMA die Bearbeitung erst nach Zahlung der Gebühr für das Verfahren erfolgen soll, ist nämlich grundsätzlich davon auszugehen, dass das Prüfungsverfahren erst mit Zahlung der Prüfungsgebühr beginnt (im Ergebnis ebenso Busse/Brandt, PatG, 7. Aufl., § 44 Rn. 14 a. E. und 28). Sofern dem Anmelder Verfahrenskostenhilfe für das Erteilungsverfahren bewilligt wird, ist als Beginn des Prüfungsverfahrens der Zeitpunkt anzunehmen, in dem der Bewilligungsbeschluss wirksam geworden ist, vorliegend also der 17. August 2012. Daraus folgt, dass Tätigkeiten, die die Antragstellerin für den Anmelder vor diesem Zeitpunkt erbracht hat, noch dem Verfahren nach § 42 PatG zuzurechnen und somit nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 VertrGebErstG zu vergüten sind.

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4. Maßgeblich kommt es daher vorliegend darauf an, ob die Antragstellerin im Rahmen ihrer Beiordnung bereits vor dem 17. August 2012 für den Anmelder tätig geworden ist, was zu bejahen ist.

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Soweit die Antragstellerin auf Tätigkeiten abstellt, die sie erst nach dem Beginn des Prüfungsverfahrens erbracht hat (Nachreichung von publikationsfähigen Unterlagen sowie einer korrekten Erfinderbenennung), kann darauf allerdings kein Anspruch auf die in § 2 Abs. 2 Nr. 1 VertrGebErstG genannte Verfahrensgebühr gestützt werden. Dies gilt unabhängig davon, ob diese Tätigkeiten ihrem Wesen nach dem Verfahren der Offensichtlichkeitsprüfung hätten zugerechnet werden können, wenn das Prüfungsverfahren zu dem Zeitpunkt noch nicht begonnen hätte. Die Offensichtlichkeitsprüfung endet spätestens mit Beginn des Prüfungsverfahrens, weil sich die dann durchzuführende Sachprüfung auf sämtliche Patenterfordernisse erstreckt (vgl. BGH BlPMZ 1985, 117 f.).

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Die Antragstellerin ist jedoch auch schon vor Beginn des Prüfungsverfahrens für den Anmelder tätig geworden, nämlich dadurch, dass sie am 14. März 2012 nicht nur ihre Bereitschaft zur Vertretungsübernahme erklärt, sondern zugleich um Übermittlung einer Kopie der eingereichten Unterlagen und ggf. weiterer danach erfolgter Korrespondenz für die Akte bzw. um Mitteilung des Verfahrensstandes gebeten hat. Auch wenn es sich hierbei lediglich um eine geringfügige Tätigkeit handelte, wird dadurch gleichwohl der pauschalierte Gebührentatbestand des § 2 Abs. 2 Nr. 1 VertrGebErstG erfüllt (vgl. BPatG, Beschl. v. 6. Mai 2002 10 W (pat) 48/01; Beschl. v. 24. August 2006 - 10 W (pat) 23/06; Beschl. v. 19. April 2011 – 10 W (pat) 15/10, jeweils veröffentlicht auf der Homepage des BPatG, http://juris.bundespatentgericht.de - Rechtsprechung).

18

Die Antragstellerin hat diese Tätigkeit auch im Rahmen ihrer Beiordnung wahrgenommen. Da der Bewilligungsbeschluss keine gegenteilige Festlegung trifft, ist er nämlich so auszulegen, dass die Beiordnung bis zum Zeitpunkt der Stellung des Beiordnungsantrags zurückwirken soll, d. h. hier bis zum 17. Juni 2011 (vgl. BPatG, Beschl. v. 24. Oktober 1986 – 4 W (pat) 74/85, BlPMZ 1988, 132, 134, linke Spalte oben).

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5. Da somit die Voraussetzungen der Gebühr i. S. d. § 2 Abs. 2 Nr. 1 VertrGebErstG erfüllt sind, war der Antragstellerin - über den ihr bereits im Beschluss der Prüfungsstelle zugesprochenen Betrag hinausgehend - die beantragte 13/10-Gebühr nebst der in der Kostenrechnung geltend gemachten Mehrwertsteuer zuzusprechen.