Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 30.01.2014


BPatG 30.01.2014 - 7 W (pat) 13/14

Patentbeschwerdeverfahren – Wiedereinsetzung - "Bindung für ein Snowboard" - keine Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Bezahlung der Jahresgebühr – Überschreitung der Jahresausschlussfrist – kein Ausnahmefall


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
7. Senat
Entscheidungsdatum:
30.01.2014
Aktenzeichen:
7 W (pat) 13/14
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 100 15 022.5

wegen Wiedereinsetzung

hat der 7. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts am 30. Januar 2014 durch den Vorsitzenden Richter Rauch, die Richterin Püschel und die Richterin Kortge

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Am 25. März 2000 reichte der Antragsteller beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) eine Patentanmeldung mit der Bezeichnung „Bindung für ein Snowboard“ ein. Im Laufe des beim DPMA unter dem Aktenzeichen 100 15 022.5 geführten Anmeldeverfahrens gab der Antragsteller zwei Mal eine Änderung seines Wohnortes bekannt; demzufolge zog er im Jahr 2004 von München nach Unterschleißheim, im Jahr 2006 wieder zurück nach München.

2

Nach einer vom DPMA unter dem Datum 14. August 2009 erstellten, an die frühere Adresse in Unterschleißheim gesandten Mitteilung hatte der Antragsteller die für seine Anmeldung fällig gewordene zehnte Jahresgebühr in Höhe von 175,-€ nicht innerhalb der zuschlagfreien Zahlungsfrist von zwei Monaten nach Fälligkeit gezahlt, weshalb die Anmeldung als zurückgenommen gelten müsse, wenn nicht bis zum 30. September 2009 zusätzlich ein Verspätungszuschlag in Höhe von 50,- € entrichtet werde. Da diese Mitteilung den Anmelder nicht erreichte, wurde sie an das DPMA zurückgeschickt.

3

Mit Schreiben vom 2. Oktober 2009 und vom 4. November 2009 wurde dem Antragsteller vom DPMA mitgeteilt, dass seine Anmeldung wegen Nichtzahlung des Verspätungszuschlags nunmehr als zurückgenommen gelte. Gleichzeitig wurde er darauf hingewiesen, dass er einen Erstattungsantrag oder einen Antrag auf Wiedereinsetzung stellen könne. Beide Schreiben waren an die neue Adresse des Antragstellers in München adressiert, konnten ihm dort aber nicht zugestellt werden.

4

Im Patentregister wurde der Eintritt der gesetzlichen Rücknahmefiktion am 21. Januar 2010 veröffentlicht.

5

Am 26. Mai 2011 ging beim Patentamt ein vom 13. Mai 2011 datiertes Schreiben des Antragstellers ein. Darin beschwerte er sich gegen die im DPMA getroffene Feststellung, wonach die Anmeldung wegen Nichtzahlung der Jahresgebühr mit Wirkung vom 1. Oktober 2009 als zurückgenommen gelte. Zur Begründung wies er darauf hin, dass er die zehnte Jahresgebühr in Höhe von 175,- € am 3. Juni 2009 eingezahlt habe. Ein Hinweis auf den Wegfall der Anmeldung bei Nichtzahlung der Jahresgebühr sei ihm nicht zugesandt worden.

6

Gleichzeitig beantragte der Antragsteller seine Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der elften Jahresgebühr. Hierzu gab er an, er sei durch eine depressive Gemütsstimmung vom Frühjahr 2010 bis zum Frühjahr 2011 nicht fähig gewesen, den Verfahrensstand seiner Anmeldung zu ermitteln, weshalb er erst vor einer Woche von der unzutreffenden Feststellung des DPMA vom 1. Oktober 2009 Kenntnis erlangt habe. Mangels Übersendung dieser Feststellung sowie mangels Übersendung eines Hinweises auf den Wegfall der Anmeldung bei Nichtzahlung der Jahresgebühr sei er auch nicht in der üblichen, gleichbehandelnden Weise vom DPMA zur rechten Zeit in Kenntnis hierüber gesetzt worden.

7

Durch Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse A63C des DPMA vom 6. November 2012 wurde der Wiedereinsetzungsantrag unter Bezugnahme auf einen zuvor ergangenen Zwischenbescheid vom 26. Juni 2012 als unzulässig verworfen. In dem Zwischenbescheid war ausgeführt worden, dass eine Wiedereinsetzung in die zehnte Jahresgebühr wegen Versäumung der gesetzlichen Jahresausschlussfrist nicht in Frage komme. Da die Anmeldung als zurückgenommen gelte, sei die elfte Jahresgebühr nicht fällig geworden.

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Gegen diesen Beschluss wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde. Er beantragt sinngemäß,

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den Beschluss vom 6. November 2012 aufzuheben und ihm

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Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der zehnten Jahresgebühr zu gewähren.

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Eine Beschwerdebegründung hat der Antragsteller nicht eingereicht.

II.

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Die Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das Patentamt hat dem Wiedereinsetzungsantrag zu Recht nicht entsprochen.

13

1. Der Antrag ist zwar statthaft, weil der Antragsteller die Frist zur Zahlung der zehnten Jahresgebühr für seine Patentanmeldung versäumt und dadurch einen gesetzlich festgelegten Rechtsnachteil erlitten hat. Die Gebühr war – ausgehend vom Anmeldetag 25. März 2000 – am 31. März 2009 fällig geworden (§ 3 Abs. 2 PatKostG). Sie hätte bis zum 31. Mai 2009 ohne Zuschlag gezahlt werden können. Da der Antragsteller eine Lizenzbereitschaftserklärung abgegeben hatte, ermäßigte sich der Gebührenbetrag für ihn auf 175,- € (Nr. 312 101 des Gebührenverzeichnisses, Anlage zu § 2 Abs. 1 PatKostG). Eine Zahlung in dieser Höhe hatte der Antragsteller auch vorgenommen, allerdings erst mit Wirkung vom 3. Juni 2009. Zu diesem Zeitpunkt hätte er aber zusätzlich einen Verspätungszuschlag in Höhe von 50,- € entrichten müssen (Nr. 312 102 des Gebührenverzeichnisses). Da er dies bis zum Ablauf der Nachfrist am 30. September 2009 (§ 7 Abs. 1 PatKostG) nicht getan hat, gilt seine Anmeldung gemäß § 58 Abs. 3 PatG als zurückgenommen.

14

2. Im Übrigen ist der Wiedereinsetzungsantrag jedoch nicht zulässig, weil er nicht vor Ablauf der Jahresausschlussfrist des § 123 Abs. 2 Satz 4 PatG gestellt worden ist.

15

Da die Frist zur Zahlung der zehnten Jahresgebühr mit Verspätungszuschlag am 30. September 2009 abgelaufen ist, hätte der Wiedereinsetzungsantrag demnach bis spätestens 30. September 2010 gestellt werden müssen. Tatsächlich wurde der Antrag aber erst am 26. Mai 2011 gestellt.

16

Die Vorschrift des § 123 Abs. 2 Satz 4 PatG, wonach ein Jahr nach Ablauf der versäumten Frist die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt und die versäumte Handlung nicht mehr nachgeholt werden kann, hat absoluten Charakter. Sie verfolgt mit der Begrenzung der Möglichkeit der Wiedereinsetzung - wie die entsprechende Vorschrift in § 234 Abs. 3 ZPO - im Interesse der Rechtssicherheit den Zweck, eine unangemessene Verzögerung von Verfahren zu verhindern und deren rechtskräftigen Abschluss zu gewährleisten. Billigkeitsgründe können daher nicht berücksichtigt werden (BPatG BlPMZ 1996, 357, 358; Schulte/Schell, PatG mit EPÜ, 9. Aufl., § 123 Rn. 30).

17

Ebenso wenig kommt es darauf an, ob und wann der Säumige Kenntnis vom Beginn dieser Jahresfrist erlangt hat, denn diese läuft als Ausschlussfrist grundsätzlich unabhängig von Kenntnis und Verschulden des Säumigen (vgl. Schulte, a. a. O.; Busse/Baumgärtner, PatG, 7. Aufl., § 123 Rn. 66).

18

Von der Einhaltung der Jahresfrist kann nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur entsprechenden Regelung in § 234 Abs. 3 ZPO nur in bestimmten Ausnahmefällen abgesehen werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Ursache der Überschreitung der Jahresfrist nicht in der Sphäre der Partei lag, sondern allein dem Gericht zuzurechnen ist (BGH Mitt. 2011, 24 Rn. 18 - Crimpwerkzeug IV m. w. N.). Dementsprechend hat der Senat anerkannt, dass auch im patentamtlichen Verfahren die Stellung eines Antrags auf Wiedereinsetzung trotz Ablaufs der Jahresfrist des § 123 Abs. 2 Satz 4 PatG in besonders gelagerten Ausnahmefällen als zulässig anzusehen ist, und zwar insbesondere dann, wenn die Fristüberschreitung ausschließlich auf Umstände zurückzuführen ist, die der Sphäre des Patentamts zuzurechnen sind (vgl. für den Fall der Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Jahresgebühr: Senatsbeschluss vom 26. Februar 2009 – 10 W (pat) 40/06, BPatGE 51, 197, 202 - Überwachungsvorrichtung; für den Fall der Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Anmeldegebühr: Senatsbeschluss vom 10. Februar 2012 – 10 W (pat) 38/08, Mitt. 2012, 293 f. - Wäschespinne). Danach kann bei der verspäteten Zahlung der Jahresgebühr ein solcher Ausnahmefall anzunehmen sein, wenn das Patentamt den Patentinhaber nicht über die verspätete Gebührenzahlung und den drohenden Rechtsverlust informiert hat und ihn vor Ablauf der Jahresfrist auch nicht über das Erlöschen des Patents in Kenntnis gesetzt hat, was, nachdem das Gesetz hierfür keine förmliche Mitteilung an den Patentinhaber vorschreibt, entweder durch Veröffentlichung im Patentregister oder durch Rücküberweisung der verspätet gezahlten Gebühr geschehen kann (Senatsbeschluss vom 26. Februar 2009 – 10 W (pat) 40/06, BPatGE 51, 197, 202 - Überwachungsvorrichtung).

19

Ein solcher Ausnahmefall ist hier nicht gegeben. Zwar hat das DPMA seine Mitteilung vom 14. August 2009 an die frühere Adresse des Antragstellers geschickt; der Umstand, dass ihn diese Mitteilung nicht erreicht hat, ist insofern dem Patentamt zuzurechnen. Dasselbe kann aber von den Schreiben des DPMA vom 2. Oktober 2009 und vom 4. November 2009 nicht gesagt werden. Obwohl diese dem Antragsteller unter seiner dem Amt im Jahr 2006 mitgeteilten Adresse zugestellt werden sollten, war dies aus Gründen, die das Patentamt nicht zu verantworten hat, nicht möglich. Zudem hätte der Antragsteller seit dem 21. Januar 2010 dem Patentregister entnehmen können, dass seine Anmeldung als zurückgenommen gilt.

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Somit muss es dabei bleiben, dass der Wiedereinsetzungsantrag wegen Überschreitung der Jahresausschlussfrist unzulässig ist.

21

3. Davon abgesehen, hat der Antragsteller auch keine Gründe dargelegt, nach denen er die Frist zur Zahlung der Jahresgebühr mit Verspätungszuschlag ohne Verschulden überschritten haben könnte. Soweit er darauf abstellt, dass er auf Grund einer depressiven Gemütsstimmung vom Frühjahr 2010 bis zum Frühjahr 2011 nicht fähig gewesen sei, den Verfahrensstand seiner Anmeldung zu ermitteln, so betrifft dies nicht den für die zehnte Jahresgebühr relevanten Zahlungszeitraum.

22

Bezogen auf die Frist zur Zahlung der elften Jahresgebühr ist das Vorbringen des Antragstellers deshalb unbeachtlich, weil diese Gebühr – wie das Patentamt zutreffend ausgeführt hat – nicht fällig geworden ist, nachdem die Anmeldung wegen nicht vollständiger Zahlung der zehnten Jahresgebühr mit Verspätungszuschlag als zurückgenommen zu gelten hat.