Entscheidungsdatum: 29.06.2016
1. Internationale Beziehungen im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG (juris: UIG 2005) sind auch die Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zur Europäischen Union.
2. § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG räumt der informationspflichtigen Stelle einen Beurteilungsspielraum in der Frage ein, was nachteilige Auswirkungen auf die internationalen Beziehungen sind.
Mit Schreiben vom 30. Mai 2013 (im Folgenden: Aufforderungsschreiben) leitete die Europäische Kommission das Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2013/4000 gegen die Bundesrepublik Deutschland ein. Gegenstand dieses Verfahrens ist die Vereinbarkeit des deutschen Luftverkehrsrechts mit dem Unionsrecht. Der Kläger, eine anerkannte Umweltvereinigung, begehrt im Hinblick auf die von mehreren seiner Mitglieder erhobenen Klagen gegen die Festlegung von Flugverfahren für An- und Abflüge zum und vom (zukünftigen) Flughafen Berlin-Brandenburg Einsicht in das Aufforderungsschreiben.
Den hierauf gerichteten Antrag des Klägers lehnte die Beklagte ab, nachdem die Europäische Kommission im Rahmen eines Konsultationsverfahrens nach Art. 5 der Verordnung (EG) 1049/2001 der Herausgabe des Dokuments nicht zugestimmt hatte. Der Widerspruch des Klägers blieb ebenso erfolglos wie seine Klage vor dem Verwaltungsgericht. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Dem vom Kläger begehrten Informationszugang stehe § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG entgegen. Der dort verwendete Begriff der internationalen Beziehungen umfasse auch die Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu zwischen- oder überstaatlichen Organisationen wie der Europäischen Union. Die Herausgabe des Aufforderungsschreibens hätte nachteilige Auswirkungen im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG. Insoweit komme der Beklagten ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu, dessen rechtliche Grenzen gewahrt seien. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass die Europäische Kommission den an sie gerichteten Antrag auf Einsicht in das Aufforderungsschreiben ebenfalls abgelehnt habe und diese Entscheidung vom Europäischen Gericht bestätigt worden sei. Ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Bekanntgabe des Schreibens sei nicht gegeben. Der Kläger könne sein Begehren auch nicht auf Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EMRK stützen.
Zur Begründung seiner vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision trägt der Kläger im Wesentlichen vor: Die Beziehungen zur Europäischen Union seien keine außenpolitischen Beziehungen. Die Mitgliedstaaten stünden innerhalb der Europäischen Union, deren integrierter Teil sie seien. Bei der Interpretation des Begriffs der "internationalen Beziehungen" dürfe nicht auf die Sichtweise der informationspflichtigen Stellen der Bundesrepublik Deutschland abgestellt werden. Soweit das Berufungsgericht der Beklagten hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals "nachteilige Auswirkungen" einen gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum zubillige, verstoße dies gegen Verfassungs- und Unionsrecht. Das Berufungsurteil verletze ferner Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EMRK i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG und leide unter mehreren Verfahrensfehlern.
Der Kläger beantragt,
1. das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 10. September 2015, das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 20. März 2014 und den Bescheid der Beklagten vom 27. Juni 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. September 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger Akteneinsicht in das Aufforderungsschreiben der Europäischen Kommission an die Bundesrepublik Deutschland zur Einleitung des Vertragsverletzungsverfahrens Nr. 2013/4000 vom 30. Mai 2013 zu gewähren und eine Kopie davon zur Verfügung zu stellen,
2. die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
Die zulässige Revision ist nicht begründet. Das Berufungsurteil verstößt nicht gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Klägers zu Recht zurückgewiesen; die Verfahrensrügen des Klägers greifen nicht durch.
1. Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, dem auf § 3 Abs. 1 Satz 1 des Umweltinformationsgesetzes (UIG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 27. Oktober 2014 (BGBl. I S. 1643) gestützten Anspruch des Klägers auf Informationszugang stehe der Ausschlussgrund des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG entgegen, verletzt kein Bundesrecht. Nach dieser Vorschrift ist ein Antrag auf Zugang zu Umweltinformationen unter anderem abzulehnen, soweit deren Bekanntwerden nachteilige Auswirkungen auf die internationalen Beziehungen hätte, es sei denn, das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegt.
a) Zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union bestehen internationale Beziehungen im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG.
aa) Der Wortlaut der Vorschrift ist für dieses Verständnis offen. Der Begriff der internationalen Beziehungen umfasst nicht nur das Verhältnis zu fremden Staaten, sondern auch sonstige Beziehungen, die über das rein Innerstaatliche hinausgehen und als über- oder zwischenstaatlich anzusehen sind. Dabei kommt es nicht im Einzelnen darauf an, ob diese Beziehungen mit den Begriffen "innenpolitisch" oder "außenpolitisch" zutreffend beschrieben werden könnten, denn sie überschreiten jedenfalls die Grenzen des rein Nationalen. Letzteres gilt auch, soweit die Europäische Union als supranationale Organisation bezeichnet wird.
bb) Systematische Erwägungen und die Gesetzgebungsgeschichte weisen in dieselbe Richtung.
aaa) Die unions- und völkervertragsrechtlichen Grundlagen des Umweltinformationsgesetzes führen zu einem an völkerrechtliche Rechtsbeziehungen anknüpfenden Verständnis der "internationalen Beziehungen". Sie bestehen danach zwischen Völkerrechtssubjekten, zu denen die Europäische Union ebenso wie ihre Mitgliedstaaten gehören (vgl. Karg, in: Gersdorf/Paal, Beck OK Informations- und Medienrecht, § 8 UIG Rn. 25; Reidt/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Februar 2016, § 8 UIG Rn. 10; Schomerus, Informationsansprüche im Atom- und Strahlenschutzrecht, 2010, S. 204).
Das Umweltinformationsgesetz setzt die Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates (ABl. L 41 S. 26) um. Nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2003/4/EG können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass ein Antrag auf Zugang zu Umweltinformationen abgelehnt wird, wenn die Bekanntgabe negative Auswirkungen auf die internationalen Beziehungen hätte. Die Richtlinie 2003/4/EG stützt sich ihrerseits, wie sich aus ihrem fünften Erwägungsgrund ergibt, auf die Aarhus-Konvention, nach deren Art. 4 Abs. 4 Satz 1 Buchst. b der Informationszugang ebenfalls abgelehnt werden kann, wenn die Bekanntgabe negative Auswirkungen auf die "internationalen Beziehungen" ("international relations"/"les relations internationales") hätte. Bei der Auslegung der Richtlinie 2003/4/EG sind der Wortlaut und das Ziel der Aarhus-Konvention zu berücksichtigen (EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2013 - C-279/12 [ECLI:EU:C:2013:853], Fish Legal - Rn. 37).
Der Begriff der "internationalen Beziehungen" ist zwar in der Aarhus-Konvention nicht definiert, soll aber von den Vertragsparteien im Einklang mit dem Völkerrecht ausgelegt werden (vgl. UNECE, The Aarhus Convention - An Implementation Guide, 2. Aufl. 2014, S. 86; dieser Leitfaden kann zur Auslegung der Aarhus-Konvention herangezogen werden, vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2013 - C-279/12 - Rn. 38). Unter "Völkerrecht" ist die Gesamtheit der in den Beziehungen zwischen Völkerrechtssubjekten anwendbaren Grundsätze und Regeln zu verstehen; es betrifft mithin nicht nur Staaten und "historische" Völkerrechtssubjekte, sondern auch internationale Organisationen (vgl. Heintschel von Heinegg, in: Epping/Hillgruber/Beck, OK GG, Stand 1. Juni 2016, Art. 25 Rn. 1; Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Stand Dezember 2015, Art. 25 Rn. 14).
bbb) Die Entstehungsgeschichte des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Zwar ist in den Materialien zur ersten Fassung des Umweltinformationsgesetzes davon die Rede, dass die internationalen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland durch den Zugang zu Informationen "über die Umwelt in fremden Staaten", die bei inländischen Behörden vorhanden seien, berührt werden könnten und der Informationsanspruch insoweit ausgeschlossen werde, um die Beziehungen zu "fremden Staaten" nicht zu belasten (BR-Drs. 797/93 S. 32). Dem lässt sich jedoch nicht die Aussage entnehmen, dass die Vorschrift ausschließlich Beziehungen zu fremden Staaten, nicht aber - trotz entsprechender Schutzbedürftigkeit und identischer Interessenlage auf Seiten der Beteiligten - Beziehungen zu anderen Völkerrechtssubjekten, die keine "Staaten" sind, erfassen sollte.
ccc) § 3 Nr. 1 Buchst. a des Gesetzes zur Regelung des Zugangs zu Informationen (Informationsfreiheitsgesetz -IFG) vom 5. September 2005 (BGBl. I S. 2722), zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 6 des Gesetzes vom 7. August 2013 (BGBl. I S. 3154) schließt im Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes den Informationszugang ebenfalls aus, wenn das Bekanntwerden der Information nachteilige Auswirkungen auf internationale Beziehungen haben kann. Der Gesetzgeber des Informationsfreiheitsgesetzes hat den internationalen Beziehungen im Sinne des § 3 Nr. 1 Buchst. a IFG die Beziehungen zu "zwischen- sowie überstaatlichen Organisationen, etwa der Europäischen Union oder den Vereinten Nationen" ausdrücklich zugeordnet (BT-Drs. 15/4493 S. 9). In den Materialien des Gesetzes zur Neugestaltung des Umweltinformationsgesetzes, das in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Informationsfreiheitsgesetz erlassen wurde, findet sich hingegen zu dem Begriff keine Aussage (BT-Drs. 15/3406 S. 18). Dieses Schweigen des Gesetzgebers steht einem gleichgerichteten Verständnis des Begriffs in beiden Normen nicht entgegen, sondern spricht im Gegenteil dafür. Andernfalls hätte es nahegelegen, unterschiedliche Formulierungen in den beiden Gesetzen vorzunehmen, um ein differenzierendes Verständnis der Ausschlussgründe zum Ausdruck zu bringen. Auch der unionsrechtliche Hintergrund des Umweltinformationsgesetzes, den das Informationsfreiheitsgesetz nicht aufweist, erfordert - wie bereits dargelegt - keine abweichende Auslegung.
cc) Anderes folgt auch nicht aus dem abweichenden Verständnis des Begriffs der "internationalen Beziehungen" in der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. L 145 S. 43). Nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Spiegelstrich 3 dieser Verordnung verweigern die Organe den Zugang zu einem Dokument, durch dessen Verbreitung die internationalen Beziehungen beeinträchtigt würden. Dieser Begriff der internationalen Beziehungen umfasst nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichts nicht die Kommunikation zwischen einem Mitgliedstaat und der Kommission im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens, weil andernfalls entgegen dem Zweck der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 ein Großteil der in den Tätigkeitsbereichen der Union verwendeten Dokumente dem Informationszugang der Öffentlichkeit entzogen würde (EuG, Urteil vom 14. Februar 2012 - T-59/09 [ECLI:EU:T:2012:75], Deutschland/Kommission - Rn. 64 f.).
Dies nötigt aber nicht dazu, § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG entsprechend auszulegen und die Beziehungen zur Europäischen Union im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens vom Anwendungsbereich der Norm auszuschließen. Der Begriff der internationalen Beziehungen ist, soweit er sich in Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Spiegelstrich 3 der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 findet, ein Begriff des Unionsrechts, der unter Berücksichtigung des Regelungszusammenhangs, in dem er steht, ausgelegt werden muss; seine Bedeutung kann folglich nicht davon abhängen, welchen Inhalt er nach mitgliedstaatlichen Bestimmungen und den ihnen zugrunde liegenden Regelungen hat (EuG, Urteil vom 14. Februar 2012 - T-59/09 - Rn. 62). Die Begriffe des nationalen Rechts und die des Unionsrechts können nämlich miteinander übereinstimmen, einander ergänzen oder auch der gegenseitigen Bezugnahme dienen (EuG, Urteil vom 14. Februar 2012 - T-59/09 - Rn. 67).
Davon ausgehend ist es vorliegend geboten, den Begriff der internationalen Beziehungen in § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG im Sinne einer solchen Ergänzung weiter zu verstehen als in Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Spiegelstrich 3 der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001. Anders könnte dem Regelungsanliegen der Ausnahmevorschrift des Art. 4 Abs. 2 Spiegelstrich 3 der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 im nationalen Recht nicht Rechnung getragen werden.
Nach dieser Vorschrift ist der Zugang zu einem Dokument zu verweigern, durch dessen Verbreitung der Schutz von Untersuchungstätigkeiten beeinträchtigt würde, es sei denn, es besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung. Die in Art. 4 Abs. 2 Spiegelstrich 3 der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 vorgesehene Ausnahme greift zwar nicht schon dann ein, wenn das angeforderte Dokument eine "Untersuchungstätigkeit" betrifft, sondern erst, wenn der Zweck der Untersuchungstätigkeiten tatsächlich beeinträchtigt wird, der darin besteht, einen Mitgliedstaat zur Einhaltung des Unionsrechts anzuhalten. Eine solche Beeinträchtigung und damit eine Ausnahme vom Informationszugang kann bei bestimmten Dokumenten auch ohne Prüfung der Umstände des Einzelfalls angenommen werden. Dies ist bei Dokumenten aus einem Vertragsverletzungsverfahren der Fall, bei denen zu vermuten ist, dass ihre Verbreitung während des vorgerichtlichen Verfahrens dessen Charakter verändern und seinen Ablauf beeinträchtigen könnte und somit der Schutz des Zwecks der Untersuchungstätigkeit ebenfalls beeinträchtigt würde (vgl. EuGH, Urteile vom 14. November 2013 - C-514/11 P und C-605/11 P [ECLI:EU:C:2013:738], LPN und Finnland/Kommission - Rn. 65, und vom 16. Juli 2015 - C-612/13 P [ECLI:EU:C:2015:486], ClientEarth/Kommission - Rn. 72 ff.). Auf dieser unionsrechtlichen Grundlage hat das Europäische Gericht die Klage des Klägers auf Einsicht in das Aufforderungsschreiben gegen die Kommission abgewiesen (EuG, Beschluss vom 2. September 2014 - T-538/13 [ECLI:EU:T:2014:738], Verein Natura Havel e.V. und Hans-Peter Vierhaus/Kommission).
Gebietet das Unionsrecht, den Zugang zu einem Aufforderungsschreiben während eines laufendenden Vertragsverletzungsverfahrens im Regelfall zu verweigern, um den Zweck dieses Verfahrens nicht zu beeinträchtigen, muss sich die Interpretation des nationalen Rechts an diesen Vorgaben orientieren. Dies gilt umso mehr, als auch Art. 5 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 das nationale Recht und das Unionsrecht miteinander verknüpft. Geht einem Mitgliedstaat ein Antrag auf ein in seinem Besitz befindliches Dokument zu, das von einem Organ der Union stammt, so ist grundsätzlich das in der Vorschrift vorgesehene Konsultationsverfahren zwischen dem Mitgliedstaat und der Union durchzuführen, um eine Entscheidung zu ermöglichen, die die Verwirklichung der Ziele der Verordnung nicht beeinträchtigt. Im Bereich des Umweltinformationsgesetzes kann eine derartige Beeinträchtigung nur durch eine mit dem Unionsrecht harmonisierte Auslegung des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG vermieden werden, da das Umweltinformationsgesetz, die Richtlinie 2003/4/EG und die Aarhus-Konvention den in Art. 4 Abs. 2 Spiegelstrich 3 der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 vorgesehenen Ausschlussgrund des Schutzes von Untersuchungstätigkeiten nicht kennen. Dieses Verständnis steht angesichts der unionsrechtlichen Prägung des Begriffs der internationalen Beziehungen mit dem Gebot der engen Auslegung der Ausnahmegründe (Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 und 16. Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/4/EG) im Einklang, welches eine an der Systematik des Unionsrechts orientierte Auslegung nicht hindert.
dd) Das dargestellte Verständnis des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG entspricht schließlich auch dem Sinn der Vorschrift, deren Schutzziele die Belange der Bundesrepublik Deutschland sowie das Vertrauensverhältnis zu anderen Völkerrechtssubjekten sind (Reidt/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 8 UIG Rn. 10). Dieses Vertrauensverhältnis würde gestört, wenn Informationen entgegen dem ausdrücklichen Willen der Europäischen Kommission oder eines anderen Organs der Union weiterzugeben wären. Die Berücksichtigung der Haltung des betroffenen Organs der Union führt auch nicht zu dem von der Revision befürchteten faktischen "Vetorecht", da die von § 8 Abs. 1 Satz 1 a.E. UIG vorgeschriebene Abwägung mit dem Bekanntmachungsinteresse Raum für die Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls lässt.
ee) Vor diesem Hintergrund ist ein Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV im Hinblick auf die Auslegung der Richtlinie 2003/4/EG nicht erforderlich. Eine Vorlage ist entbehrlich, wenn die aufgeworfene Frage nicht relevant ist, wenn die betreffende unionsrechtliche Bestimmung bereits vom Europäischen Gerichtshof ausgelegt wurde oder wenn die richtige Anwendung des Unionsrechts derart offenkundig ist, dass für vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt. Ob ein solcher Fall gegeben ist, muss unter Berücksichtigung der Eigenheiten des Unionsrechts, der besonderen Schwierigkeiten seiner Auslegung und der Gefahr voneinander abweichender Gerichtsentscheidungen innerhalb der Union beurteilt werden (EuGH, Urteil vom 9. September 2015 - C-160/14 [ECLI:EU:C:2015:565], Ferreira da Silva e Brito - Rn. 38 f. m.w.N.).
aaa) Soweit der Kläger geklärt wissen will, ob Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2003/4/EG es untersage, bei der Auslegung des Begriffs der "internationalen Beziehungen" auf den Standpunkt der informationspflichtigen Stellen der Bundesrepublik Deutschland abzustellen, knüpft dies an die Erwägung der Vorinstanzen an, dass sich § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG wie das Umweltinformationsgesetz insgesamt an informationspflichtige Stellen der Bundesrepublik Deutschland wende. Es komme daher nicht darauf an, ob die innergemeinschaftlichen Beziehungen nach dem Unionsrecht oder vom Blickwinkel der Organe der Union aus Außenpolitik seien; abzustellen sei auf die Sichtweise der nationalen Stellen.
Diese Frage ist überwiegend schon nicht entscheidungserheblich. Auf das Begriffspaar "Innenpolitik - Außenpolitik" kommt es bei der Auslegung des Begriffs "internationale Beziehungen" nicht an; maßgeblich ist vielmehr, ob die fragliche Beziehung die Grenzen des rein Nationalen und Innerstaatlichen überschreitet.
Im Übrigen kann hier an der Auslegung des Unionsrechts kein Zweifel bestehen, weil - wie bereits dargelegt - der Begriff der internationalen Beziehungen im nationalen Recht unabhängig von dem gleichlautenden Begriff in der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 zu verstehen ist (vgl. dazu auch tho Pesch, EuZW 2012, 51 <53 ff.>) und Raum für gegenseitige Ergänzung zum Schutz eines öffentlichen Interesses lässt (EuG, Urteil vom 14. Februar 2012 - T-59/09 - Rn. 62 und 67). Das öffentliche Interesse liegt hier in der Vertraulichkeit der vorgerichtlichen Phase eines Vertragsverletzungsverfahrens, die durch nationale Rechtsvorschriften zu gewährleisten ist, und kann nur im Rahmen des Ausschlussgrundes der Beeinträchtigung internationaler Beziehungen zur Geltung gebracht werden.
bbb) Es besteht auch kein vernünftiger Zweifel hinsichtlich der Beantwortung der weiteren von der Revision aufgeworfenen Frage, ob diejenige Auslegungsvariante des Begriffs der internationalen Beziehungen zu wählen sei, welche die Beziehungen zur Europäischen Union nicht umfasst. Sie ist im Hinblick auf den gebotenen Vertraulichkeitsschutz eindeutig zu verneinen.
b) Ohne Verstoß gegen Bundesrecht hat das Oberverwaltungsgericht ferner angenommen, dass eine Bekanntgabe des Aufforderungsschreibens nachteilige Auswirkungen auf die internationalen Beziehungen im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG hätte.
aa) Ebenso wie § 3 Nr. 1 Buchst. a IFG (BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2009 - 7 C 22.08 - Buchholz 400 IFG Nr. 1 Rn. 13 ff.) eröffnet § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG den informationspflichtigen Stellen einen Beurteilungsspielraum bei der Beantwortung der Frage, was nachteilige Auswirkungen auf die internationalen Beziehungen sind. Dieser Beurteilungsspielraum ist verfassungsrechtlich zulässig; er lässt sich - wie es Art. 19 Abs. 4 GG gebietet (vgl. BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 2011 - 1 BvR 857/07 - BVerfGE 129, 1 <22>) - aus der gesetzlichen Vorschrift hinreichend deutlich ermitteln und beruht auf einem hinreichend gewichtigen Sachgrund.
aaa) Das Grundgesetz räumt der Bundesregierung einen grundsätzlich weit bemessenen Spielraum eigener Gestaltung im Bereich des Auswärtigen ein, innerhalb dessen die Bundesregierung die Ziele und die zu ihrer Erreichung verfolgte Strategie bestimmt. Welche Ziele mit welcher Strategie verfolgt werden, entzieht sich mangels hierfür bestehender rechtlicher Kriterien weithin einer gerichtlichen Kontrolle. Gleiches gilt für die Frage, wann und unter welchen Umständen ein Nachteil für diese Ziele und Strategien eintritt (BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2009 - 7 C 22.08 - Buchholz 400 IFG Nr. 1 Rn. 13 ff.).
Diese Grundsätze beanspruchen nicht nur im Verhältnis zu ausländischen Staaten, sondern auch im Hinblick auf die Beziehungen zur Europäischen Union Geltung. Denn für die Beziehungen zur Europäischen Union besteht eine entsprechende Interessenlage seitens der Bundesregierung wie im zwischenstaatlichen Verhältnis.
bbb) Art. 23 GG führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Zwar folgt aus dieser Norm, dass die Prärogative, welche die Verfassung der Bundesregierung in auswärtigen Angelegenheiten zubilligt, nicht uneingeschränkt auf das Verhältnis zur Europäischen Union übertragen werden kann (vgl. Streinz, in: Sachs, GG, 7. Aufl. 2014, Art. 23 Rn. 104). Doch steht die Bestimmung von Zielen und Strategien der Politik auch in Angelegenheiten der Europäischen Union nach wie vor in erster Linie der Bundesregierung zu, so dass die Gründe, die für einen Beurteilungsspielraum der Regierung sprechen, insoweit ebenfalls Geltung beanspruchen. Die in Art. 23 GG vorgesehene Mitwirkung weiterer Verfassungsorgane ändert hieran nichts, weil die den jeweiligen Mitwirkungsakten zugrunde liegenden Motive und Zielsetzungen ebenfalls nicht an rechtliche Kriterien gebunden und einer gerichtlichen Kontrolle überwiegend nicht zugänglich sind.
ccc) Die Bejahung eines Beurteilungsspielraums verstößt auch nicht - wie die Revision meint - gegen Unionsrecht. Es besteht daher keine Veranlassung, dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorzulegen, ob die Annahme eines Beurteilungsspielraums hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals "nachteilige Auswirkungen" mit Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2003/4/EG vereinbar ist.
Behördliche Beurteilungsspielräume sind in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs etwa für Situationen komplexer Bewertungen, die mit prognostischen Elementen verbunden sind, anerkannt (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2013 - C-84/12 [ECLI:EU:C:2013:862], Koushkaki - Rn. 56 ff.). Die Frage, ob nachteilige Auswirkungen auf die Beziehungen zur Europäischen Union zu befürchten sind, ist ebenfalls von Komplexität und prognostischen Elementen geprägt und entzieht sich weithin einer Steuerung nach Maßgabe rechtlicher Kriterien.
Im Übrigen hat der Europäische Gerichtshof die Frage des erforderlichen Umfangs der gerichtlichen Überprüfung anknüpfend an Art. 6 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2003/4/EG bereits geklärt (EuGH, Urteil vom 6. Oktober 2015 - C-71/14 [ECLI:EU:C:2015:656], East Sussex County Council - Rn. 51 ff.). Nach der genannten Vorschrift stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass der Antragsteller Zugang zu einem Überprüfungsverfahren hat, in dessen Rahmen die Handlungen oder Unterlassungen der Behörde überprüft werden können. Die Festlegung des Umfangs der gerichtlichen Überprüfung bleibt den Mitgliedstaaten überlassen. Dabei dürfen die Verfahrensmodalitäten des einschlägigen Rechtsbehelfs nicht weniger günstig ausgestaltet sein als die entsprechender innerstaatlicher Rechtsbehelfe (Äquivalenzgrundsatz) und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz). Im Hinblick auf den Effektivitätsgrundsatz ist dabei zu berücksichtigen, dass der Unionsgesetzgeber mit der Richtlinie gewährleisten wollte, dass jede natürliche oder juristische Person ein Recht auf Zugang zu Umweltinformationen hat, ohne hierfür ein Interesse geltend machen zu müssen. Die Ausübung der von der Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte wird indessen nicht allein dadurch, dass das gerichtliche Überprüfungsverfahren keine umfassende Nachprüfung ermöglicht, praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert. Jedoch muss es dem nationalen Gericht möglich sein, die maßgebenden Grundsätze und Vorschriften des Unionsrechts tatsächlich anzuwenden. Ist Letzteres zu bejahen, so steht eine beschränkte gerichtliche Kontrolle der Beurteilung tatsächlicher Fragen im Einklang mit dem Unionsrecht.
Gemessen an diesen Maßstäben besteht kein vernünftiger Zweifel an der Vereinbarkeit der eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung des Tatbestandsmerkmals "nachteilige Auswirkungen" mit dem Unionsrecht. Es handelt sich dabei um eine bestimmte tatsächliche Frage, deren Prüfung sich aus sachlichen, auf dem spezifischen Charakter internationaler Beziehungen beruhenden Gründen auf die Einhaltung bestimmter Grenzen beschränkt. Auch bei Anerkennung des Beurteilungsspielraums, der sich nur auf eine von mehreren Voraussetzungen des Ausschlussgrundes bezieht, kann die uneingeschränkte Wahrung der Rechte aus der Richtlinie sichergestellt und berücksichtigt werden, ob den unionsrechtlichen Anliegen hinreichend Rechnung getragen wurde.
bb) Die gerichtliche Prüfung des Vorliegens nachteiliger Auswirkungen hat sich daher darauf zu beschränken, ob die Beklagte von einem zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist, ihre Prognose einleuchtend begründet und keine offensichtlich fehlerhafte, insbesondere in sich widersprüchliche Einschätzung getroffen hat (BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2009 - 7 C 22.08 - Buchholz 400 IFG Nr. 1 Rn. 20). Diese Fragen hat das Berufungsgericht bejaht und sich in diesem Zusammenhang unter anderem maßgeblich daran orientiert, dass das Unionsrecht einer Weitergabe der Informationen entgegensteht. Das ist aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.
c) Das Berufungsurteil verstößt ferner nicht gegen Bundesrecht, soweit das Oberverwaltungsgericht ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Bekanntgabe des Aufforderungsschreibens verneint und dies maßgeblich darauf gestützt hat, dass weder die konkreten Umstände des Vertragsverletzungsverfahrens noch die Stellung des Klägers als anerkannte Umweltvereinigung zu einem Überwiegen öffentlicher Interessen zu seinen Gunsten führen.
2. Das Berufungsurteil verletzt nicht Art. 10 Abs. 1 Satz 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) vom 4. November 1950 (BGBl. 1952 II S. 686). Danach hat jede Person unter anderem das Recht, Informationen ohne behördliche Eingriffe zu empfangen.
a) Die Vorschrift kann nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte grundsätzlich nicht so verstanden werden, dass sie dem Staat die Pflicht auferlegt, Informationen zu geben. Nur ausnahmsweise kann etwas anderes gelten, wenn der Staat in Angelegenheiten von öffentlichem Interesse über ein Informationsmonopol verfügt oder eine Informationsquelle aus anderen rechtlichen Gründen zur öffentlichen Zugänglichkeit bestimmt ist. Selbst dann verbietet Art. 10 EMRK lediglich eine willkürliche, zensurähnliche Verhinderung des Informationszugangs, die insbesondere eine angemessene Presseberichterstattung unmöglich macht (BVerwG, Urteil vom 27. November 2014 - 7 C 20.12 - BVerwGE 151, 1 Rn. 34). Werden Informationen von einer Nichtregierungsorganisation begehrt, die die Rolle eines "social" oder "public watchdog" innehat, sind gleichwohl Einschränkungen des Zugangsanspruchs auf gesetzlicher Grundlage konventionsrechtlich zulässig (vgl. EGMR, Urteil vom 25. Juni 2013 - 48135/06, Youth Initiative for Human Rights/Serbien - EuGRZ 2014, 520 Rn. 20, 25; Wirtz/Brink, NVwZ 2015, 1166 <1171 f.>)
b) Das Berufungsurteil hält einer Überprüfung an diesen Maßstäben stand.
aa) Die Versagung des Informationszugangs stellt keine willkürliche oder zensurähnliche Maßnahme dar. Auf diese Ausnahme kann sich der Kläger schon deswegen nicht ohne Weiteres berufen, weil er in seiner Rolle als Jedermann, nicht aber im Rahmen einer Presseberichterstattung den Auskunftsanspruch geltend macht. Ihre Voraussetzungen liegen aber auch in der Sache nicht vor. Eine willkürliche Handhabung des Ausschlussgrundes leitet die Revision daraus ab, dass die Beklagte die Geheimhaltungserfordernisse in einer Vielzahl von Fällen selbst missachte. Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt (UA S. 14), dass dieser Vorwurf nicht zutreffe. Zwar sei gelegentlich das Bekanntwerden von Unterlagen aus noch anhängigen Vertragsverletzungsverfahren zu beklagen, doch fördere die Beklagte dies nicht, sondern trete derartigem Fehlverhalten einzelner Mitarbeiter mit disziplinarischen Mitteln entgegen. Diese Feststellung, an die der Senat mangels durchgreifender Verfahrensrügen gebunden ist (§ 137 Abs. 2 VwGO), steht der Annahme einer willkürlichen, nicht an sachgerechten Kriterien orientierten oder gar zensurähnlichen Handhabung des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG durch die Beklagte entgegen.
bb) Auch im Übrigen liegt kein Verstoß gegen Art. 10 Abs. 1 EMRK vor. Eine Einschränkung des Informationszugangs auf der Grundlage von § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG ist, wie von Art. 10 Abs. 2 EMRK verlangt, gesetzlich vorgesehen und auch in einer demokratischen Gesellschaft zur Verhinderung der Verbreitung vertraulicher Informationen notwendig, da Vertraulichkeit für reibungslos funktionierende internationale Beziehungen von entscheidender Bedeutung ist (vgl. EGMR, Urteil vom 10. Dezember 2007 - 69698/01, Stoll/Schweiz - NJW-RR 2008, 1141 Rn. 126).
3. Die Verfahrensrügen des Klägers greifen nicht durch. Von einer Begründung sieht der Senat ab (§ 144 Abs. 7 Satz 1 VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.