Entscheidungsdatum: 10.09.2015
Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht wird ausgesetzt.
Der Gerichtshof der Europäischen Union wird um Klärung folgender Frage im Wege der Vorabentscheidung gemäß Art. 267 AEUV gebeten:
Ist Artikel 5 REACH-Verordnung dahingehend auszulegen, dass vorbehaltlich der Artikel 6, 7, 21, 23 REACH-Verordnung Stoffe nur dann aus dem Unionsgebiet exportiert werden dürfen, wenn sie nach den einschlägigen Bestimmungen des Titels II der REACH-Verordnung, soweit vorgeschrieben, registriert wurden?
I
Der Kläger begehrt die Genehmigung des Exports von Nikotinsulfat nach Russland und die Aufhebung der Untersagung dieses Exports.
Der Kläger handelt mit Chemikalien. Nach dem 1. Dezember 2008 importierte er mindestens 19,4 Tonnen Nikotinsulfat aus China ohne eine Vorregistrierung gemäß Art. 28 REACH-Verordnung. Es erfolgte bisher auch keine Registrierung nach Art. 6 REACH-Verordnung. Die Beklagte ordnete daraufhin an, der Kläger dürfe den Stoff bis auf Widerruf nur verwenden oder in Verkehr bringen, wenn sie den beabsichtigten Zweck zuvor schriftlich genehmigt habe.
Den Antrag des Klägers, den Export des Nikotinsulfats nach Russland zu genehmigen, wo es als Desinfektionsmittel in Stallungen und in der Industrie eingesetzt werden solle, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 29. Juni 2009 ab und untersagte ihm diesen Export. Das Nikotinsulfat befinde sich illegal in Hamburg; die Ausfuhr in ein Drittland diene nicht der Legalisierung dieses Zustandes, sondern stelle selbst eine Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dar. Den Widerspruch des Klägers gegen diesen Bescheid wies die Beklagte zurück.
Die dagegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht ab. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 25. Februar 2014 das Urteil des Verwaltungsgerichts aufgehoben und die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Bescheids in der Fassung des Widerspruchsbescheids verpflichtet, dem Kläger den beantragten Export des Nikotinsulfats zu genehmigen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der beabsichtigte Export eines unter Verstoß gegen Art. 5 REACH-Verordnung importierten Stoffes sei jedenfalls dann kein neuer Verstoß gegen Art. 5 i.V.m. Art. 3 Nr. 12 REACH-Verordnung, wenn der Stoff - wie hier - dem europäischen Markt wegen eines Verwertungsverbots nicht zur Verfügung stehe.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten, die beantragt, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zurückzuweisen. Die Beklagte ist mit dem Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht der Auffassung, dass Art. 5 REACH-Verordnung den Export von in der Europäischen Union befindlichen Stoffen in Drittländer verbiete, solange und soweit diese Stoffe nicht gemäß der REACH-Verordnung registriert worden seien.
II
Die maßgeblichen Vorschriften des Unionsrechts finden sich in der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), zur Schaffung einer Europäischen Chemikalienagentur, zur Änderung der Richtlinie 1999/45/EG und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 793/93 des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 1488/94 der Kommission, der Richtlinie 76/769/EWG des Rates sowie der Richtlinien 91/155/EWG, 93/67/EWG, 93/105/EG und 2000/21/EG der Kommission (ABl. L 396 S. 1, 2007 L 136 S. 3) - REACH-Verordnung - zuletzt geändert durch Verordnung (EU) Nr. 2015/830 der Kommission vom 28. Mai 2015 ABl. L 132 S. 8). Einschlägig sind neben Art. 5 vor allem Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Nr. 12 und Art. 6 Abs. 1 REACH-Verordnung.
Diese Vorschriften lauten wie folgt:
"Art. 1
Ziel und Geltungsbereich
(1) Zweck dieser Verordnung ist es, ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und für die Umwelt sicherzustellen, einschließlich der Förderung alternativer Beurteilungsmethoden für von Stoffen ausgehende Gefahren, sowie den freien Verkehr von Stoffen im Binnenmarkt zu gewährleisten und gleichzeitig Wettbewerbsfähigkeit und Innovation zu verbessern.
..."
"Art. 3
Begriffsbestimmungen
Für die Zwecke dieser Verordnung gelten folgende Begriffsbestimmungen:
...
12. Inverkehrbringen: entgeltliche oder unentgeltliche Abgabe an Dritte oder Bereitstellung für Dritte. Die Einfuhr gilt als Inverkehrbringen;
..."
"Art. 5
Ohne Daten keinen Markt
Vorbehaltlich der Art. 6, 7,21 und 23 dürfen Stoffe als solche, in Gemischen oder in Erzeugnissen nur dann in der Gemeinschaft hergestellt oder in Verkehr gebracht werden, wenn sie nach den einschlägigen Bestimmungen dieses Titels, soweit vorgeschrieben, registriert wurden."
"Art. 6
Allgemeine Registrierungspflicht für Stoffe als solche oder in Gemischen
(1) Soweit in dieser Verordnung nicht anderweitig bestimmt, reicht ein Hersteller oder Importeur, der einen Stoff als solchen oder in einem oder mehreren Gemisch(en) in einer Menge von mindestens 1 Tonne pro Jahr herstellt oder einführt, bei der Agentur ein Registrierungsdossier ein.
..."
Die maßgeblichen Vorschriften des nationalen Rechts sind im Gesetz zum Schutz vor gefährlichen Stoffen (Chemikaliengesetz - ChemG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. August 2013 (BGBl I S. 3498, 3991) und im Hamburgischen Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (SOG) vom 14. März 1966 (HmbGVBl S. 77) enthalten.
"§ 21 Überwachung
(1) Die zuständigen Landesbehörden haben die Durchführung dieses Gesetzes und der auf dieses Gesetz gestützten Rechtsverordnungen zu überwachen, soweit dieses Gesetz keine andere Regelung trifft.
(2)1 Absatz 1 gilt auch für EG- oder EU-Verordnungen, die Sachbereiche dieses Gesetzes betreffen, soweit die Überwachung ihrer Durchführung den Mitgliedstaaten obliegt. ...
..."
"§ 23 Behördliche Anordnungen
(1) Die zuständige Landesbehörde kann im Einzelfall die Anordnungen treffen, die zur Beseitigung festgestellter oder zur Verhütung künftiger Verstöße gegen dieses Gesetz oder gegen die nach diesem Gesetz erlassenen Rechtsverordnungen oder gegen eine in § 21 Abs. 2 Satz 1 genannte EG- oder EU-Verordnung notwendig sind.
..."
"§ 27b Zuwiderhandlungen gegen die Verordnung (EG) Nr. 1907/2006
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer gegen die Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), zur Schaffung einer Europäischen Chemikalienagentur, zur Änderung der Richtlinie 1999/45/EG und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 793/93 des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 1488/94 der Kommission, der Richtlinie 76/769/EWG des Rates sowie der Richtlinien 91/155/EWG, 93/67/EWG, 93/105/EG und 2000/21/EG der Kommission (ABl. EU Nr. L 396 S. 1, 2007 Nr. L 136 S. 3) verstößt, indem er
1.
entgegen Artikel 5 einen Stoff als solchen, in einem Gemisch oder in einem Erzeugnis herstellt oder in Verkehr bringt,
..."
§ 3 Abs. 1 SOG in der maßgeblichen Fassung vom 16. Juni 2005 (HmbGVBl S. 233) lautet:
"§ 3 Aufgaben
(1) Die Verwaltungsbehörden treffen im Rahmen ihres Geschäftsbereichs nach pflichtgemäßem Ermessen die im Einzelfall zum Schutz der Allgemeinheit oder des Einzelnen erforderlichen Maßnahmen, um bevorstehende Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren oder Störungen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu beseitigen (Maßnahmen zur Gefahrenabwehr).
..."
III
1. Die Vorlagefrage ist entscheidungserheblich.
a) Verneint der Gerichtshof die Frage, ist die Revision der Beklagten zurückzuweisen. Die Exportuntersagung könnte keinen Bestand haben; dem Kläger wäre die kraft behördlicher Anordnung erforderliche Exportgenehmigung zu erteilen. Der beabsichtigte Export verstieße nicht gegen Art. 5 REACH-Verordnung, so dass insoweit die Voraussetzungen für ein behördliches Einschreiten auf der Grundlage der in Betracht kommenden gesetzlichen Ermächtigungen - § 23 Abs. 1 i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 ChemG und § 3 Abs. 1 SOG - nicht erfüllt wären. Ein Verstoß gegen eine andere unionsrechtliche Verordnungsnorm ist nicht ersichtlich. Auch eine sonstige den Tatbestand der landesrechtlichen Vorschrift des § 3 Abs. 1 SOG erfüllende Gefahr für die öffentliche Sicherheit scheidet nach den insoweit gemäß § 137 Abs. 1 und 2 VwGO revisionsgerichtlich nicht nachprüfbaren Ausführungen des Berufungsgerichts aus. Danach gefährden insbesondere der Transport des Nikotinsulfats nach Russland und dessen dortige Verwendung nicht erkennbar Menschen oder die Umwelt.
b) Bejaht der Gerichtshof die Vorlagefrage, ist das Urteil des Oberverwaltungsgerichts aufzuheben und die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zurückzuweisen. Das Ausfuhrverbot wäre rechtmäßig, weil der ohne vorherige Registrierung nach Art. 6 REACH-Verordnung vorgesehene Export gegen Art. 5 REACH-Verordnung verstieße, dessen Anwendungsbereich sowohl in sachlicher Hinsicht (Art. 1 Abs. 2 i.V.m. Art. 3 Nr. 1 REACH-Verordnung) als auch - mangels Vorregistrierung des als Phase-in-Stoff (Art. 3 Nr. 20 Buchst. a REACH-Verordnung) zu qualifizierenden Nikotinsulfats - in zeitlicher Hinsicht (Art. 28 i.V.m. Art. 23 REACH-Verordnung) eröffnet ist.
2. Die Vorlagefrage bedarf der Beantwortung durch den Gerichtshof, denn die richtige Auslegung des Art. 5 REACH-Verordnung ist weder durch seine Rechtsprechung geklärt noch offenkundig.
a) Der Wortlaut der Vorschrift gibt keinen sicheren Aufschluss darüber, ob der Export eines unter die Verordnung fallenden Stoffes der Registrierungspflicht unterliegt. Nach Art. 5 REACH-Verordnung dürfen Stoffe "nur dann in der Gemeinschaft hergestellt oder in Verkehr gebracht werden, wenn sie ... registriert wurden". Die Tätigkeit des Inverkehrbringens ist in Art. 3 Nr. 12 Satz 1 REACH-Verordnung zwar als "entgeltliche oder unentgeltliche Abgabe an Dritte oder Bereitstellung für Dritte" und somit ohne territorialen Bezug definiert worden; es liegt aber nahe, den in der deutschen Fassung des Art. 5 REACH-Verordnung enthaltenen, einen solchen Bezug herstellenden Zusatz "in der Gemeinschaft" nicht nur auf das Herstellen, sondern auch auf das Inverkehrbringen zu beziehen. Exportvorgänge, bei denen ein Stoff außerhalb des Unionsgebiets an den Empfänger ausgeliefert wird, wären danach nicht erfasst. Sprachlich möglich ist aber auch eine Deutung, die den erwähnten Zusatz nur auf das Herstellen bezieht.
Ist demnach schon der deutsche Verordnungstext nicht eindeutig, so trifft Entsprechendes erst recht für die englische Fassung zu, auf deren Grundlage nach den Darlegungen des Vertreters des Bundesinteresses im Revisionsverfahren die Verhandlungen zur REACH-Verordnung vornehmlich geführt worden sind. Der Zusatz "in the community" ist hier nur dem Herstellungsvorgang ("be manufactured"), nicht hingegen dem Vermarktungsvorgang ("placed on the market") zugeordnet; Entsprechendes gilt für die französische Version ("fabriquées dans la Communauté ou mises sur le marché"). Auch diese Fassungen lassen indes Auslegungsspielräume, da die Wendung "placed on the market"/"mises sur le marché" nicht nur gebietsneutral als Vermarkten, sondern auch bezogen auf die Gemeinschaft/Union als Platzieren auf dem Binnenmarkt verstanden werden kann.
b) Die Entstehungsgeschichte der REACH-Verordnung ergibt gleichfalls kein klares Bild. Sie zeigt vielmehr, dass die im Verordnungstext angelegten unterschiedlichen Deutungsmöglichkeiten bereits im Normsetzungsverfahren Ausdruck gefunden haben, ohne jedoch den Normgeber zu einer eindeutigen Klarstellung zu veranlassen.
In den Verhandlungen zur REACH-Verordnung vertrat Deutschland die Auffassung, dass die Legaldefinition des Inverkehrbringens die Ausfuhr (Abgabe eines Stoffes an einen Dritten in einem anderen Land) umfasse (Arbeitsdokument 168/05 der ad-hoc-Arbeitsgruppe Chemikalien vom 30. Mai 2005). Die Vertreter Deutschlands sprachen diesen Punkt im Zusammenhang mit den Beschränkungen des Inverkehrbringens im Verbotsanhang (nach damaligem Stand Anhang XVI, letztlich Anhang XVII) mit dem Anliegen an, die Einträge des Anhangs auf die Erforderlichkeit von Exportausnahmen hin zu überprüfen, die sich bei einem Verständnis des Exports als Inverkehrbringen ergeben könne. Wie in der Stellungnahme des Vertreters des Bundesinteresses näher ausgeführt worden ist, vertrat die Kommission demgegenüber die Position, dass der Begriff des Inverkehrbringens den Export nicht umfasse. Nach Diskussion im REACH-Regelungsausschuss wurde schließlich - wohl als Kompromiss - in der Vorbemerkung zum Verbotsanhang eine Formulierung gewählt, die eine allgemeine Ausnahme von den Beschränkungen des Anhangs zwar nicht für den Export als solchen, wohl aber für bestimmte zum Zwecke des Exports erforderliche Tätigkeiten enthält. Eine eindeutige Positionierung zur streitigen Frage der Behandlung des Exports als Inverkehrbringen sollte auf diese Weise offenbar vermieden werden.
Die Auslegungsfrage ist auch in der Folgezeit zwischen der Europäischen Kommission und Deutschland umstritten geblieben, wie das von der Kommission im Rahmen der regelmäßigen Treffen der u.a. für die REACH-Verordnung zuständigen Behörden (CARACAL) vorgelegte Arbeitsdokument CA/20/2012 vom 9. März 2012 einerseits und die Stellungnahme der deutschen zuständigen Behörde zu diesem Dokument andererseits belegen. Trotz dieses offenen Dissenses ist davon abgesehen worden, anlässlich einer der zahlreichen Änderungen der REACH-Verordnung die Streitfrage ausdrücklich zu klären.
c) Auch systematische Erwägungen führen auf kein eindeutiges Ergebnis.
Art. 2 Abs. 1 Buchst. b REACH-Verordnung, der Stoffe, die zollamtlicher Überwachung unterliegen, unter bestimmten Voraussetzungen vom Anwendungsbereich der Verordnung ausnimmt, könnte den Schluss erlauben, dass die REACH-Verordnung nur für innerhalb der Europäischen Union hergestellte bzw. in Verkehr gebrachte Stoffe gelten soll. Denkbar ist aber auch, der Vorschrift keine über die in der Verordnung (EG) Nr. 450/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 (ABl. L 145 S. 1) unionseinheitlich normierte zollamtliche Überwachung hinausgehende Bedeutung beizumessen. Auch der Umstand, dass Art. 3 Nr. 12 Satz 2 REACH-Verordnung die Einfuhr, nicht aber die Ausfuhr dem Inverkehrbringen gleichstellt, ist ambivalent. Dieser Fiktion bedurfte es, weil nicht jede Einfuhr die Voraussetzungen eines Inverkehrbringens nach Art. 3 Nr. 12 Satz 1 REACH-Verordnung erfüllt. Dagegen sind Stoffe, die ausgeführt werden sollen, in der Regel bereits aufgrund der Herstellung in der Europäischen Union bzw. des Imports in sie registriert, so dass der Verordnungsgeber möglicherweise keine Notwendigkeit für eine entsprechende Regelung gesehen hat. Aber auch bei rechtskonformem Verhalten aller Beteiligten gibt es Fallkonstellationen, in denen die Frage nach der Registrierung sich erstmals beim Export stellt. Dies gilt etwa dann, wenn ein Exporteur von einem Stoff mehr als eine Tonne im Jahr exportiert, den er in geringeren Mengen von mehreren Personen erworben hat, die davon jeweils weniger als eine Tonne pro Jahr herstellen bzw. importieren, oder wenn ein gemäß Art. 23, 28 REACH-Verordnung vorregistrierter Phase-in-Stoff nach dem 1. Dezember 2010 exportiert wird.
Der Blick auf andere stoffrechtliche Bestimmungen des Unionsrechts erweist sich letztlich ebenfalls als unergiebig. Darin ist der Ort des Inverkehrbringens meist entweder ausdrücklich auf das Unionsgebiet beschränkt oder der Export ausdrücklich ausgenommen (u.a. Art. 2 Abs. 1 Buchst. h der Richtlinie 98/8/EG; Art. 2 Nr. 10 der Richtlinie 91/414/EWG; Art. 3 Nr. 9 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009; Art. 1 Abs. 4 Spiegelstrich 7 der Richtlinie 93/15/EWG). Ob dem ein allgemeiner Grundsatz des Inhalts zu entnehmen ist, dass stets nur ein Inverkehrbringen innerhalb des Unionsgebiets gemeint sei, erscheint fraglich. Denn eine vergleichende Betrachtung könnte den Schluss nahelegen, dass das Stoffrecht eine räumliche Begrenzung ausdrücklich normiert, wenn es eine solche beabsichtigt.
d) Teleologische Argumente sprechen nicht zwingend für eine Verneinung der Vorlagefrage.
Die in Art. 1 Abs. 1 REACH-Verordnung sowie in mehreren Erwägungsgründen genannten Verordnungszwecke geben eine Antwort nicht sicher vor. Soweit darin auf die Funktionsfähigkeit des gemeinschaftlichen Binnenmarkts abgestellt wird (siehe Erwägungsgründe 2 und 7), dürfte auch die Harmonisierung der Regelung des Exports durch die in Rede stehende Registrierungspflicht diesen Bezug wahren; denn sie trägt ebenfalls dazu bei, spürbare Wettbewerbsverzerrungen abzubauen. Die Erreichung eines hohen Schutzniveaus für die menschliche Gesundheit und die Umwelt, das bereits Art. 114 Abs. 3 AEUV fordert, hat nicht allein auf dem Territorium der Europäischen Union seine Berechtigung. Auch die Erwägungsgründe 3 Satz 2 und 7 a.E. bringen keine Klarheit.
Schließlich ist die Frage nicht etwa zu bejahen, um - bezogen auf Importvorgänge - zur praktischen Wirksamkeit des Art. 5 REACH-Verordnung beizutragen. Denn die aus einem Import folgende Registrierungspflicht kann aufgrund der Vorschriften des nationalen Verwaltungsrechts - gegebenenfalls auch zwangsweise - durchgesetzt werden. Daneben stehen die nach Art. 126 REACH-Verordnung durch die Mitgliedstaaten vorzusehenden wirksamen, angemessenen und abschreckenden Sanktionen für Verstöße, die in Deutschland mit § 27b ChemG umgesetzt worden sind.