Entscheidungsdatum: 28.09.2016
Die nachträgliche Hinzufügung einer weiteren Nebenbestimmung zu einer Genehmigung nach § 4 BImSchG ist keine Entscheidung im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG i.V.m. § 2 Abs. 3 UVPG, die nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz im Wege einer Verbandsklage anfechtbar ist.
Der Kläger, eine anerkannte Vereinigung im Sinne von § 3 Abs. 1 UmwRG, wendet sich gegen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 10. August 2009 zur Errichtung und zum Betrieb einer Schweinemastanlage, gegen eine mit Bescheid vom 30. Mai 2012 ergänzend angeordnete Auflage sowie gegen drei Bescheide vom 20. Oktober 2011, 5. September 2013 und 8. Juni 2015, mit denen die Frist zur Inbetriebnahme des Vorhabens jeweils verlängert wurde, zuletzt bis zum 31. Dezember 2016.
Der Standort des genehmigten Vorhabens befindet sich in der Nähe eines Ortsteils der Stadt J., benachbart zu einem FFH-Gebiet. Gegenstand der Öffentlichkeitsbeteiligung, die im Rahmen des Genehmigungsverfahrens erfolgte, waren unter anderem eine Umweltverträglichkeitsuntersuchung und eine Immissionsprognose. Einwendungen des Klägers gingen erst nach Ablauf der Einwendungsfrist bei dem Beklagten ein. Nach Durchführung des Erörterungstermins forderte der Beklagte von der Vorhabenträgerin eine FFH-Verträglichkeitsstudie, einen artenschutzrechtlichen Fachbeitrag und eine Beeinträchtigungsprognose nach. Zu diesen Unterlagen erhielt der Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme.
Das Verwaltungsgericht wies die Klage gegen die Bescheide vom 10. August 2009, vom 20. Oktober 2011 und vom 30. Mai 2012 als unzulässig ab. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Klägers gegen dieses Urteil zurückgewiesen. Weder § 42 Abs. 2 VwGO noch die Vorschriften über die Zulässigkeit von Verbandsklagen vermittelten dem Kläger ein Klagerecht. Im Hinblick auf die angefochtene Genehmigung sei der Kläger mit allen Einwendungen ausgeschlossen, da er sie nicht innerhalb der Frist des § 10 Abs. 3 Satz 4 BImSchG erhoben habe. Die in § 2 Abs. 3 UmwRG geregelte Präklusion, deren tatbestandliche Voraussetzungen erfüllt seien, stehe mit Unionsrecht im Einklang. Die Bescheide vom 20. Oktober 2011 und vom 30. Mai 2012 gehörten nicht zu den Entscheidungen, die nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz im Wege einer Verbandsklage anfechtbar seien.
Zur Begründung seiner vom Senat zugelassenen Revision, zu deren Gegenstand er auch die Bescheide vom 5. September 2013 und vom 8. Juni 2015 gemacht hat, trägt der Kläger im Wesentlichen vor: § 2 Abs. 3 UmwRG sei mit Unionsrecht nicht zu vereinbaren und daher nicht anwendbar. Die Genehmigung sei verfahrensfehlerhaft zustande gekommen und auch materiell rechtswidrig, namentlich wegen einer Verletzung von § 34 Abs. 2 BNatSchG. Hinsichtlich der weiteren angefochtenen Bescheide stehe ihm ein Klagerecht nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz zu. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts leide zudem unter mehreren Verfahrensfehlern.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 28. November 2013, das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom 28. August 2012, den Genehmigungsbescheid des Beklagten vom 10. August 2009, den Ergänzungsbescheid vom 30. Mai 2012 und den Verlängerungsbescheid vom 8. Juni 2015 aufzuheben sowie festzustellen, dass die Verlängerungsbescheide vom 20. Oktober 2011 und 5. September 2013 rechtswidrig gewesen sind.
Der Beklagte und die Beigeladene beantragen jeweils,
die Revision zurückzuweisen.
Sie verteidigen das angefochtene Urteil. Die Beigeladene ist der Auffassung, die Vorschriften über die Präklusion von Einwendungen im gerichtlichen Verfahren seien aus verfassungsrechtlichen Gründen unbeschadet der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs anwendbar.
Die Revision ist zulässig und hat teilweise Erfolg. Soweit das angefochtene Urteil die Berufung gegen das die Klage gegen den Bescheid vom 10. August 2009 abweisende erstinstanzliche Urteil zurückgewiesen hat, beruht es auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) und erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Die Sache ist an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO), denn für eine abschließende Entscheidung bedarf es weiterer tatsächlicher Feststellungen (1.). Die weitergehende Revision ist unbegründet (2.).
1. a) Die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger unterliege bei der Anfechtung des Genehmigungsbescheids vom 10. August 2009 einem Einwendungsausschluss nach § 2 Abs. 3 Gesetz über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen in Umweltangelegenheiten nach der EG-Richtlinie 2003/35/EG (Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz - UmwRG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 8. April 2013 (BGBl. I S. 753), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 20. November 2015 (BGBl. I S. 2069), weil er es unterlassen habe, innerhalb der Frist des § 10 Abs. 3 Satz 4 Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (Bundes-Immissionsschutzgesetz - BImSchG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 17. Mai 2013 (BGBl. I S. 1274), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 26. Juli 2016 (BGBl. I S. 1839) schriftlich Einwendungen zu erheben, steht mit revisiblem Recht nicht im Einklang. Der Ausschluss von Einwendungen, die nicht innerhalb der dafür bestimmten Frist geltend gemacht worden sind, und die daran anknüpfende Einschränkung der gerichtlichen Kontrolle durch § 2 Abs. 3 UmwRG und § 73 Abs. 4 Satz 3 VwVfG sind mit Art. 11 der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten - UVP-Richtlinie (ABl. L 26 S. 1) und Art. 25 der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (ABl. L 334 S. 17) nicht vereinbar (vgl. EuGH, Urteil vom 15. Oktober 2015 - C-137/14 [ECLI:EU:C:2015:683] - NJW 2015, 3495 Rn. 78 ff.). Art. 11 der Richtlinie 2011/92/EU ist zwar erst nach Erlass des Bescheids vom 10. August 2009 in Kraft getreten. Zu diesem Zeitpunkt galt mit Art. 10a der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. L 175 S. 40) in der durch die Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Änderung der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61/EG des Rates in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten geänderten Fassung eine Vorschrift, die Art. 11 der Richtlinie 2011/92/EU entspricht; die Neukodifikation durch die Richtlinie 2011/92/EU hat am Regelungsgehalt der zuvor geltenden Norm nichts geändert. Die Ausführungen des Gerichtshofs zum Anwendungsvorrang des Art. 11 der Richtlinie 2011/92/EU sind somit auf Art. 10a der Richtlinie 85/337/EWG übertragbar.
Eine Präklusion des Klägers ergibt sich auch nicht aus § 10 Abs. 3 Satz 5 BImSchG. Abgesehen davon, dass im vorliegenden Fall der Einwendungsausschluss allein auf die speziellere Norm des § 2 Abs. 3 UmwRG zu stützen wäre, ist auch § 10 Abs. 3 Satz 5 BImSchG wegen seiner Unvereinbarkeit mit den genannten unionsrechtlichen Vorschriften nicht anwendbar, da sich sein Regelungsgehalt mit demjenigen des § 73 Abs. 4 Satz 3 VwVfG deckt.
b) Der Anwendungsvorrang des Unionsrechts gegenüber § 2 Abs. 3 UmwRG und § 10 Abs. 3 Satz 5 BImSchG ist nicht von Verfassungs wegen ausgeschlossen. Zwar reicht der Anwendungsvorrang nur so weit, wie das Grundgesetz und das Zustimmungsgesetz die Übertragung von Hoheitsrechten erlauben oder vorsehen; er wird demnach durch die in Art. 79 Abs. 3 GG niedergelegte Verfassungsidentität des Grundgesetzes begrenzt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Dezember 2015 - 2 BvR 2735/14 - BVerfGE 140, 317 Rn. 40). Die Verfassungsidentität, namentlich im Hinblick auf das von Art. 79 Abs. 3 GG für unantastbar erklärte Prinzip der Gewaltenteilung (vgl. BVerfG, Urteil vom 15. Dezember 2015 - 2 BvF 1/69 u.a. - BVerfGE 30, 1 <27>), ist durch die Unanwendbarkeit der Präklusionsvorschriften jedoch nicht berührt. Denn dies führt lediglich dazu, dass der Regelfall wirkungsvollen Rechtsschutzes, wie er in Art. 19 Abs. 4 GG vorgesehen ist, eintritt. Danach ist - unbeschadet normativ eröffneter Gestaltungs-, Ermessens- und Beurteilungsspielräume sowie der Tatbestandswirkung von Hoheitsakten - eine Bindung der rechtsprechenden Gewalt an tatsächliche oder rechtliche Feststellungen seitens anderer Gewalten hinsichtlich dessen, was im Einzelfall rechtens ist, grundsätzlich ausgeschlossen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Juli 1982 - 2 BvR 1187/80 - BVerfGE 61, 82 <111>). Mit der Präklusion fällt eine - ihrerseits rechtfertigungsbedürftige - Ausnahme von dieser Regel weg, ohne dass dies die von Art. 79 Abs. 3 GG garantierten Grundsätze berührte.
c) Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts erweist sich nicht als anderweitig richtig (vgl. § 144 Abs. 4 VwGO). Entgegen der Auffassung des Klägers scheidet eine abschließende Sachentscheidung jedoch aus. Ohne weitere Tatsachenaufklärung lässt sich nicht beurteilen, ob der Genehmigungsbescheid rechtmäßig ist.
aa) Dies gilt zunächst für die von der Revision geltend gemachten Fehler des Verwaltungsverfahrens.
aaa) Das Vorhaben der Beigeladenen bedarf einer Genehmigung nach § 4 Abs. 1 Satz 1 BImSchG. Die hierfür geltenden Verfahrensvorschriften finden sich in § 10 BImSchG und der 9. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes - Verordnung über das Genehmigungsverfahren (BImSchV) i.d.F. der Bekanntmachung vom 29. Mai 1992 (BGBl. I S. 1001), zuletzt geändert durch Art. 5 der Verordnung vom 28. April 2015 (BGBl. I S. 670), nicht aber in den von der Revision herangezogenen Normen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung und des Unionsrechts. Insbesondere enthält die 9. BImSchV abschließende Regelungen über die in einem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren durchzuführende Umweltverträglichkeitsprüfung, wie sich aus § 1 Abs. 2 Satz 2 der 9. BImSchV ergibt. Ein ergänzender Rückgriff auf die Verfahrensvorschriften des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung kommt daher nicht in Betracht (vgl. Dietlein, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Mai 2016, § 1 der 9. BImSchV Rn. 9; Czajka, in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, § 1 der 9. BImSchV Rn. 17; Gallas, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Mai 2016, § 4 UVPG Rn. 24 f.).
Anderes folgt entgegen der Auffassung der Revision auch nicht aus § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG. Diese Vorschrift legt Rechtsfolgen bestimmter Verstöße gegen § 9 UVPG oder § 10 BImSchG fest, ordnet aber nicht an, dass diese beiden Vorschriften in einem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren nebeneinander anzuwenden sind. Schließlich sind auch keinerlei Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die UVP-Richtlinie hinsichtlich des hier in Rede stehenden Verfahrensrechts im deutschen Recht unzureichend umgesetzt ist, so dass sich schon aus diesem Grund eine unmittelbare Anwendung der Richtlinie verbietet.
bbb) Die Beurteilung der Frage, ob die Genehmigungsbehörde ihrer Pflicht genügt hat, gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 der 9. BImSchV nach Antragseingang die Vollständigkeit der - auch als Grundlage der Öffentlichkeitsbeteiligung dienenden - Antragsunterlagen zu prüfen, setzt weitere tatsächliche Feststellungen voraus.
Das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren wird nach § 10 Abs. 1 Satz 1 BImSchG durch einen schriftlichen Antrag eingeleitet. Ihm sind gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 BImSchG die zur Prüfung nach § 6 BImSchG erforderlichen Zeichnungen, Erläuterungen und sonstigen Unterlagen beizufügen, welche gegebenenfalls zu ergänzen sind (§ 10 Abs. 1 Satz 3 BImSchG). Weitere Bestimmungen über den Umfang der vorzulegenden Unterlagen enthalten §§ 4 ff. der 9. BImSchV; in § 4e der 9. BImSchV finden sich Regelungen über zusätzliche Angaben, die der Antragsteller bei einem UVP-pflichtigen Vorhaben zu machen hat. Ob die vorgelegten Unterlagen diesen Anforderungen entsprechen, ist nicht rückblickend auf der Grundlage der bis zur Entscheidung über die Genehmigung gewonnenen Erkenntnisse, sondern aus der Perspektive der Genehmigungsbehörde vor Durchführung der Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung zu beurteilen. Von den Vorinstanzen sind keine ausreichenden tatsächlichen Feststellungen getroffen worden, die dem Senat diese Beurteilung erlauben würden.
ccc) Die Revision hält außerdem die durchgeführte Öffentlichkeitsbeteiligung für fehlerhaft. Auch insoweit ist dem Senat eine abschließende Sachentscheidung verwehrt.
Im Hinblick auf die Öffentlichkeitsbeteiligung bestimmen § 10 Abs. 3 Satz 2 BImSchG und § 10 Abs. 1 der 9. BImSchV den Umfang der auszulegenden Unterlagen. Nach § 10 Abs. 3 Satz 2 BImSchG sind der Antrag und die vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen, mit Ausnahme der Unterlagen nach Absatz 2 Satz 1, die Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten, sowie die entscheidungserheblichen Berichte und Empfehlungen, die der Behörde im Zeitpunkt der Bekanntmachung vorliegen, zur Einsicht auszulegen. § 10 Abs. 1 Satz 1 der 9. BImSchV konkretisiert den Umfang dieser Unterlagen. Auszulegen sind die dem Antrag beigefügten Unterlagen, die die Angaben über die Auswirkungen der Anlage auf die Nachbarschaft und die Allgemeinheit enthalten. Ferner sind die vom Antragsteller zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung zusätzlich beigefügten Unterlagen auszulegen, wenn das Vorhaben - wie hier - eine UVP-pflichtige Anlage betrifft (§ 10 Abs. 1 Satz 4 Halbs. 1 der 9. BImSchV). Diese Vorschrift knüpft an § 4e der 9. BImSchV an, wonach bei UVP-pflichtigen Vorhaben zusätzliche Angaben zur Prüfung der Umweltverträglichkeit zu machen sind. Die erwähnten Regelungen beziehen sich ihrem Wortlaut nach auf die tatsächlich vorgelegten Unterlagen. Im systematischen Zusammenhang mit dem Erfordernis des § 7 Abs. 1 der 9. BImSchV, die Unterlagen vor Durchführung des weiteren Verfahrens auf Vollständigkeit zu prüfen und gegebenenfalls auf ihre Vervollständigung hinzuwirken, ist aber davon auszugehen, dass Fehler auf dieser vorgängigen Verfahrensstufe auf die nachfolgende Auslegung der Planunterlagen durchschlagen können mit der Folge, dass ein solcher Mangel der Auslegung sich nur durch Einholung ergänzender Unterlagen und erneute Beteiligung der Öffentlichkeit ausräumen ließe. Auch insoweit fehlt es bisher an ausreichenden Feststellungen für die gebotene Überprüfung.
Soweit der Kläger eine unzureichende Öffentlichkeitsbeteiligung daraus ableitet, dass der betroffenen Öffentlichkeit nach Art. 6 Abs. 3 Buchst. a der UVP-Richtlinie alle im Laufe des Verfahrens gemäß Art. 5 der Richtlinie eingeholten Informationen zugänglich zu machen seien, ist ihm nicht zu folgen. Hierfür findet sich in der Richtlinie kein Anhalt. Vielmehr stellen die Mitgliedstaaten nach Art. 6 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie sicher, dass nachträglich zugänglich gewordene Unterlagen der betroffenen Öffentlichkeit in Übereinstimmung mit den Bestimmungen der Umweltinformations-Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates (ABI. L 41 S. 26) zugänglich gemacht werden. Diese Verpflichtung hat der nationale Gesetzgeber in § 10 Abs. 3 Satz 3 BImSchG und § 10 Abs. 1 Satz 3 der 9. BImSchV umgesetzt. Danach sind der zuständigen Behörde erst nach Beginn der Auslegung vorliegende Unterlagen der Öffentlichkeit nach den Bestimmungen über den Zugang zu Umweltinformationen zugänglich zu machen. Daraus folgt zugleich, dass nachgereichte Unterlagen die Genehmigungsbehörde nicht ohne Weiteres verpflichten, einen weiteren Erörterungstermin durchzuführen, zumal Art. 6 Abs. 5 der Richtlinie 2011/92/EU die Festlegung der genauen Vorkehrungen für die Unterrichtung der Öffentlichkeit und die Anhörung der betroffenen Öffentlichkeit den Mitgliedstaaten überlässt. Entsprechendes gilt für die von der Revision ebenfalls in Bezug genommene Richtlinie 2010/75/EU. Nach deren Anhang IV Nr. 2 Buchst. b stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass der betroffenen Öffentlichkeit nachgereichte Unterlagen in Übereinstimmung mit den Bestimmungen der Umweltinformations-Richtlinie zugänglich gemacht werden.
ddd) Ein Verfahrensfehler könnte zudem nur dann zum Erfolg der Klage führen, wenn die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 oder 1a UmwRG vorliegen, zu denen es gegebenenfalls weiterer tatsächlicher Feststellungen bedarf.
bb) Ohne zusätzliche tatrichterliche Feststellungen kann auch kein Verstoß des Genehmigungsbescheids gegen materielles Recht, insbesondere § 34 Abs. 2 BNatSchG, bejaht werden.
aaa) Entgegen der Auffassung der Revision ist ein Verstoß gegen § 34 Abs. 2 BNatSchG nicht schon dem angefochtenen Bescheid selbst zu entnehmen. Der Senat kann den Genehmigungsbescheid mangels tatrichterlicher Feststellungen zu seinem Erklärungsinhalt selbst auslegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 2015 - 7 C 15.13 - NVwZ 2016, 308 Rn. 33). Dabei ist entsprechend §§ 133, 157 BGB der erklärte Wille maßgebend, wie ihn der Empfänger verstehen konnte. Eine daran orientierte Auslegung des Genehmigungsbescheids ergibt, dass sich der Beklagte der Naturschutzbehörde angeschlossen hat, die unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers zu der Einschätzung gelangt ist, an dem bisherigen Ergebnis der FFH-Verträglichkeitsprüfung sei festzuhalten. Dies kann nur so interpretiert werden, dass erhebliche Beeinträchtigungen im Sinne des § 34 Abs. 2 BNatSchG verneint werden. Ein gegenteiliges Verständnis erscheint fernliegend, denn es unterstellte dem Beklagten, er habe die Genehmigung erteilt, obwohl er selbst davon ausgegangen sei, dass eine Voraussetzung hierfür nicht vorliege.
bbb) Letzteres folgt auch nicht daraus, dass der Beklagte der Genehmigung die Nebenbestimmung 10.1 beigefügt hat. Die Anordnung eines Monitorings beruht nicht darauf, dass der Beklagte von der praktischen Möglichkeit bestimmter erheblicher Beeinträchtigungen im Sinne des § 34 Abs. 2 BNatSchG ausgegangen wäre. Vielmehr wollte er lediglich ergänzend für den Fall vorsorgen, dass sich später prognostisch nicht absehbare Beeinträchtigungen der näher bezeichneten Lebensraumtypen einstellen sollten.
ccc) Die Revision meint außerdem, der angefochtene Bescheid lege einen unzutreffenden rechtlichen Maßstab zugrunde, weil er verkenne, dass auch eine "noch tolerierbare Beeinträchtigung" eines Erhaltungsziels als Beeinträchtigung im Rechtssinne zu werten sei. Der Bescheid geht indes aufgrund des angewendeten Prüfungsschemas auch bei einer als noch tolerierbare Beeinträchtigung bezeichneten Einwirkung davon aus, dass die betroffenen Lebensräume ihre Funktion in vollem Umfang erfüllen können. Es handelt sich - wie in der von der Revision zitierten Entscheidung (BVerwG, Urteil vom 14. Juli 2011 - 9 A 12.10 - Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 13 Rn. 85) - um eine nicht präzise Wortwahl. Der Beklagte hat aber nicht verkannt, dass es darauf ankommt, ob die Einwirkungen den Erhaltungszielen zuwiderlaufen.
ddd) Soweit die Revision sich darauf beruft, der Genehmigungsbescheid habe eine Beeinträchtigung des LRT 3150 durch anlagebedingte Stickstoffeinträge nicht ausgeschlossen, die vorhabenbedingten Einwirkungen könnten zu einer Erheblichkeit hinsichtlich des Erhaltungsziels und damit zu einem Verstoß gegen § 34 Abs. 2 BNatSchG führen, hängt die Beurteilung von tatsächlichen Fragen ab, die sich einer Würdigung im Revisionsverfahren entziehen.
eee) Schließlich vermag der Senat die Rechtmäßigkeit der Nebenbestimmungen 10.1.3 und 10.1.4 nicht abschließend zu beurteilen. Eine Rechtsgrundlage für einen Vorbehalt nachträglicher Auflagen, wie er in Nr. 10.1.3 sinngemäß, in Nr. 10.1.4 ausdrücklich enthalten ist, bietet § 12 Abs. 2a Satz 1 BImSchG. Danach kann die Genehmigung mit Einverständnis des Antragstellers unter dem Vorbehalt nachträglicher Auflagen erteilt werden, soweit hierdurch hinreichend bestimmte, in der Genehmigung bereits allgemein festgelegte Anforderungen an die Errichtung oder den Betrieb der Anlage in einem Zeitpunkt nach Erteilung der Genehmigung näher festgelegt werden sollen. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann ohne darauf bezogene Feststellungen jedoch nicht beurteilt werden.
2. Die weitergehende Revision des Klägers ist unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende erstinstanzliche Urteil in Bezug auf die Anfechtung des Ergänzungsbescheids vom 30. Mai 2012 zu Recht zurückgewiesen (a). Die Fortsetzungsfeststellungsklage gegen den Verlängerungsbescheid vom 20. Oktober 2011 ist unzulässig (b). Soweit der Kläger die Verlängerungsbescheide vom 5. September 2013 und vom 8. Juni 2015 zum Gegenstand eines Fortsetzungsfeststellungsbegehrens gemacht bzw. angefochten hat, liegt eine gemäß § 142 Abs. 1 Satz 1 VwGO im Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung vor (c). Die Verfahrensrügen greifen nicht durch (d).
a) Die Klage gegen den Bescheid vom 30. Mai 2012, mit dem der Beklagte eine Nebenbestimmung zur Ablufthöhe (3.1.2.3 a) nachträglich in den Genehmigungsbescheid aufgenommen hat, ist mangels Klagebefugnis unzulässig. Ein Klagerecht nach § 2 UmwRG steht dem Kläger nicht zu. Die nachträgliche Hinzufügung einer weiteren (belastenden) Nebenbestimmung zu einer Genehmigung nach § 4 BImSchG ist keine Entscheidung gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG i.V.m. § 2 Abs. 3 UVPG, die im Wege einer Verbandsklage anfechtbar ist. Nach dem hier allein in Frage kommenden § 2 Abs. 3 Nr. 1 UVPG zählen zu den Entscheidungen die Bewilligung, Erlaubnis, Genehmigung, der Planfeststellungsbeschluss und sonstige behördliche Entscheidungen über die Zulässigkeit von Vorhaben, die in einem Verwaltungsverfahren getroffen werden. Damit kommen im immissionsschutzrechtlichen Verfahren als Gegenstand der Umweltverbandsklage nach § 2 Abs. 1 UmwRG die Zulassungsentscheidung nach § 4 BImSchG, die Teilgenehmigung nach § 8 BImSchG und der Vorbescheid nach § 9 BImSchG in Betracht (vgl. Fellenberg/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Mai 2016, § 1 UmwRG Rn. 8), nicht jedoch eine nachträgliche Nebenbestimmung zu einer Genehmigung; denn diese entfaltet weder eine Zulassungswirkung noch enthält sie wenigstens Elemente einer Zulassungsentscheidung. Dieses Normverständnis steht mit Unionsrecht im Einklang. Art. 11 Abs. 1 der UVP-Richtlinie stellt zwar auf "Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen" ab, worunter grundsätzlich auch nachträgliche Maßnahmen in Bezug auf ein genehmigtes Vorhaben fallen. Allerdings muss für diese Maßnahmen in der UVP-Richtlinie eine Öffentlichkeitsbeteiligung vorgesehen sein. Aus Art. 2 Abs. 2 der UVP-Richtlinie 2011/92/EU folgt, dass die Umweltverträglichkeitsprüfung und damit auch die Öffentlichkeitsbeteiligung im Rahmen des Genehmigungsverfahrens durchzuführen ist (vgl. Fellenberg/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Mai 2016, § 1 UmwRG Rn. 15). Einer erneuten Öffentlichkeitsbeteiligung bedarf es vor Erlass nachträglicher Nebenbestimmungen danach nicht.
b) Soweit die Revision das Fortsetzungsfeststellungsbegehren hinsichtlich des Verlängerungsbescheids vom 20. Oktober 2011 betrifft, bleibt sie ohne Erfolg.
Nachdem dieser Bescheid sich durch Zeitablauf erledigt hat, durfte der Kläger sein Klagebegehren auf einen Fortsetzungsfeststellungsantrag (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO) umstellen. Das Verbot der Klageänderung im Revisionsverfahren (§ 142 Abs. 1 Satz 1 VwGO) steht dem nicht entgegen. Der Übergang von der Anfechtungs- zur Fortsetzungsfeststellungsklage ist keine Klageänderung im Sinne des § 91 VwGO (§ 173 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 3 ZPO) und deshalb auch in der Revisionsinstanz noch zulässig (stRspr, z.B. BVerwG, Urteile vom 26. August 2010 - 3 C 35.09 - NVwZ 2011, 368 Rn. 10 und vom 20. November 2014 - 3 C 25.13 - NVwZ 2015, 749 Rn. 11).
Der Kläger hat aber - ungeachtet der Frage seines Klagerechts - nicht das nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erforderliche berechtigte Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsakts. Ein solches Interesse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Natur sein. Es kommt darauf an, dass die gerichtliche Entscheidung geeignet ist, die Position des Klägers in den genannten Bereichen zu verbessern (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013 - 8 C 14.12 - BVerwGE 146, 303 Rn. 20 m.w.N.). Das ist im hier maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Revisionsinstanz nicht der Fall. Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse lässt sich nicht unter dem hier allein in Betracht kommenden Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr begründen. Daran fehlt es, weil der Beklagte in dem Verlängerungsbescheid vom 8. Juni 2015 die Frist letztmalig bis zum 31. Dezember 2016 verlängert hat. Der Erlass eines vergleichbaren Bescheids erscheint daher ausgeschlossen.
c) Soweit der Kläger die Verlängerungsbescheide vom 5. September 2013 und vom 8. Juni 2015 zum Gegenstand des Revisionsverfahrens gemacht hat, liegt eine nach § 142 Abs. 1 Satz 1 VwGO unzulässige Klageänderung vor. Insoweit hat der Kläger den bisherigen Klageanträgen weitere Klageanträge hinzugefügt, und damit den Streitgegenstand des Verfahrens geändert. Das führt auf eine Klageänderung im Sinne von § 91 Abs. 1 VwGO; denn ein Fall des § 264 ZPO i.V.m. § 173 VwGO ist nicht gegeben. Eine nach § 264 Nr. 2 ZPO statthafte Klageerweiterung setzt voraus, dass der Klagegrund unverändert bleibt. Dies trifft hier nicht zu. Denn die Verlängerungsbescheide vom 5. September 2013 und vom 8. Juni 2015 betreffen andere Zeiträume als der Verlängerungsbescheid vom 20. Oktober 2011.
d) Die Verfahrensrügen des Klägers greifen nicht durch. Von einer Begründung sieht der Senat ab (§ 144 Abs. 7 Satz 1 VwGO).
Die Sache ist auf Anregung aller Beteiligten an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen. Eine Erörterung in der Sache hat bislang nicht stattgefunden; sowohl das Verwaltungsgericht als auch das Oberverwaltungsgericht haben die Klage als unzulässig abgewiesen (vgl. zu diesem Maßstab BVerwG, Urteile vom 13. Dezember 1967 - 4 C 147.65 - BVerwGE 28, 317 und vom 18. November 1982 - 1 C 62.81 - Buchholz 310 § 82 VwGO Nr. 11).