Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 15.03.2011


BVerwG 15.03.2011 - 7 B 51/10

Anspruch auf Auszahlung von Fördermitteln für naturschutzgerechte Bewirtschaftung eines Großteichs; öffentlich-rechtlicher Vertrag; Verfahrensmängel


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
7. Senat
Entscheidungsdatum:
15.03.2011
Aktenzeichen:
7 B 51/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend Sächsisches Oberverwaltungsgericht, 27. April 2010, Az: 3 A 52/08, Urteil
Zitierte Gesetze

Gründe

I.

1

Der Kläger begehrt die Auszahlung einer Geldleistung aus einem öffentlich-rechtlichen Vertrag für die naturschutzgerechte Bewirtschaftung eines Großteichs im Jahr 1997.

2

Im September 1996 wurde ein Vertrag über die naturschutzgerechte Bewirtschaftung des Großteichs und anderer fischereilich genutzter Gewässer (Bewirtschaftungsvertrag) mit dem Beklagten abgeschlossen. Im Rubrum des Vertrags wird allein der Vater des Klägers als Vertragspartei genannt. Unterzeichnet ist der Vertrag sowohl von dem Vater des Klägers als auch von dem Kläger persönlich.

3

Aufgrund des Vertrags zahlte der Beklagte an den Kläger die für das Jahr 1997 vereinbarten Fördermittel für die übrigen fischereilich genutzten Gewässer aus. Die Zahlung der Fördermittel für den im Eigentum eines Dritten stehenden Großteich lehnte er mit der Begründung ab, es habe im Jahr 1997 kein Pachtverhältnis für den Großteich bestanden, weil der Eigentümer den mit dem Vater des Klägers bestehenden Pachtvertrag gekündigt habe.

4

Im Jahr 1998 wies das Landgericht Bautzen die 1997 erhobene Herausgabeklage des Eigentümers des Großteichs gegen den Vater des Klägers mangels Kündigungsgrundes ab. Dieses Urteil ist rechtskräftig. Gleichwohl zahlte der Beklagte die für den Großteich vereinbarten Fördermittel für das Jahr 1997 weder an den Vater des Klägers noch an den Kläger. Fördermittel für den Großteich hatte er für das Jahr 1997 an einen Dritten gezahlt, der nach Ausspruch der - unwirksamen - Kündigung des Pachtvertrags mit dem Vater des Klägers einen Pachtvertrag mit dem Grundstückseigentümer abgeschlossen und eine Bewirtschaftungsvereinbarung mit dem Beklagten geschlossen hatte. Für das Jahr 1998 zahlte der Beklagte an den Kläger auch Fördermittel für den Großteich.

5

Der Vater des Klägers ist zwischenzeitlich verstorben und von dem Kläger beerbt worden.

6

Die Klage auf Zahlung der Fördermittel für den Großteich hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die dagegen eingelegte Berufung zurückgewiesen und zur Begründung insbesondere ausgeführt:

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Der Kläger habe kein originäres Recht auf Auszahlung. Partei des Bewirtschaftungsvertrags sei allein der Vater des Klägers. Es bestehe kein Raum für die Annahme, dass der Beklagte in Übereinstimmung mit dem Kläger bei Vertragsschluss davon ausgegangen sei, dass dieser ebenfalls Vertragspartner werde.

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Der Kläger könne die Auszahlung auch nicht aus abgeleitetem Recht beanspruchen. Ein solches ergebe sich weder aus Abtretung oder Vertragsübernahme noch im Wege der Rechtsnachfolge als Alleinerbe seines Vaters. Denn bereits dem Vater des Klägers habe der Auszahlungsanspruch nicht zugestanden. Nach dem Bewirtschaftungsvertrag erhalte der Teichwirt die jährliche Auszahlung nach Durchführung der vereinbarten Bewirtschaftungsauflagen, mithin als Gegenleistung für die naturschutzgerechte Bewirtschaftung. Nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (§ 326 Abs. 1 Satz 1, § 275 Abs. 1 BGB), die auf den vorliegenden öffentlich-rechtlichen Vertrag gemäß § 62 Satz 2 VwVfG i.V.m. § 1 SächsVwVfG entsprechend anzuwenden seien, entfalle der Anspruch auf die Gegenleistung, wenn die Leistung für den Schuldner unmöglich sei. Hier liege eine anfängliche subjektive Unmöglichkeit vor. Denn der Vater des Klägers habe die vereinbarte Leistung von Anfang an nicht mehr selbst erbringen können, weil er die Teichwirtschaft bereits 1996 auf den Kläger durch Vertrag übertragen habe. Nach dem in einer Vereinbarung des Klägers mit seinem Vater vom Juni 1996 zum Ausdruck gebrachten Willen beider sollte der Kläger die Auflagen aus dem Bewirtschaftungsvertrag, d.h. die naturschutzgerechte Bewirtschaftung, übernehmen. Auch wenn die Vertragsübernahme mangels Zustimmung des Beklagten unwirksam gewesen, der Vater also rechtlich dem Beklagten gegenüber zur naturschutzgerechten Bewirtschaftung selbst verpflichtet geblieben sei, so sei doch die Vereinbarung vom Juni 1996 zwischen dem Vater des Klägers und dem Kläger wirksam. Der Kläger müsse sich daran festhalten lassen, dass sein Vater die Bewirtschaftung in Erfüllung der Vereinbarung vom Juni 1996 tatsächlich an ihn abgegeben habe und deshalb die Verpflichtung dem Beklagten gegenüber nicht mehr habe erfüllen können.

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Anders verhielte es sich nur, wenn der Kläger die tatsächliche Bewirtschaftung im Auftrag seines Vaters für diesen durchgeführt hätte. Dies sei aufgrund des Inhalts der Vereinbarung vom Juni 1996 ausgeschlossen. Danach habe es gerade umgekehrt sein sollen. Der Vater habe sich darin verpflichtet, für fünf Jahre unentgeltlich weiterhin für die von seinem Sohn übernommene Teichwirtschaft tätig zu sein.

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Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil richtet sich die Beschwerde des Klägers.

II.

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Die Beschwerde hat mit dem Ergebnis der Zurückverweisung Erfolg. Es liegen geltend gemachte Verfahrensmängel vor, auf denen die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

12

Das Oberverwaltungsgericht hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (§ 108 Abs. 2 VwGO) verletzt. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und ernsthaft in seine Erwägungen einzubeziehen (BVerfG, Beschluss vom 28. März 1985 - 1 BvR 1245/84 u.a. - BVerfGE 69, 233 <246>). Es ist zwar nicht gehalten, sich mit jedem Vorbringen in den Gründen seiner Entscheidung ausdrücklich zu befassen. Grundsätzlich ist vielmehr davon auszugehen, dass das Gericht insbesondere schriftsätzlichen Vortrag der Beteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat, soweit nicht gegenteilige Anhaltspunkte vorhanden sind (BVerfG, Beschluss vom 3. April 1979 - 1 BvR 733/78 - BVerfGE 51, 126 <129>). Solche Anhaltspunkte liegen hier aber vor.

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Auch der Überzeugungsgrundsatz ist verletzt. Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Das Gebot der freien Beweiswürdigung verpflichtet dazu, bei Bildung der Überzeugung von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt auszugehen (Urteil vom 18. Mai 1990 - BVerwG 7 C 3.90 - BVerwGE 85, 155 <158> = Buchholz 445.4 § 31 WHG Nr. 14). Das Gericht darf nicht so verfahren, dass es einzelne erhebliche Tatsachen oder Beweisergebnisse bei der Bewertung der für die Feststellung des Sachverhalts maßgebenden Umstände nicht zur Kenntnis nimmt oder nicht in Erwägung zieht. In einem solchen Fall fehlt es an einer tragfähigen Grundlage für die innere Überzeugungsbildung des Gerichts und zugleich für die Überprüfung seiner Entscheidung darauf, ob die Grenze einer objektiv willkürfreien, die Natur- und Denkgesetze sowie allgemeine Erfahrungssätze beachtenden Würdigung überschritten ist (stRspr; vgl. Urteil vom 13. Dezember 2000 - BVerwG 8 C 30.99 - Buchholz 428 § 1 Abs. 3 VermG Nr. 21; Beschlüsse vom 27. April 2007 - BVerwG 7 B 2.07 - juris Rn. 5 und vom 12. Februar 2008 - BVerwG 9 B 70.07 - juris Rn. 2).

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1. Der Beklagte hatte zunächst die Auszahlung der streitgegenständlichen Fördermittel mit der Begründung verneint, es habe im Jahr 1997 kein Pachtverhältnis für den Großteich bestanden. Diese Begründung war unzutreffend. Für das Jahr 1998 hat der Beklagte bei gleicher Sach- und Rechtslage die Fördermittel für den Großteich ausbezahlt. Darauf hat der Kläger immer wieder hingewiesen. Mit diesem Umstand befasst sich das Oberverwaltungsgericht in den Gründen seiner Entscheidung nicht. Bei der von ihm vorgenommenen Auslegung der Verträge und Willenserklärungen hätte es dies aber in Erwägung ziehen müssen. Dass der Beklagte den Umständen, aufgrund derer das Oberverwaltungsgericht die Klage abgewiesen hat, für den klägerischen Anspruch für 1997 zunächst keine Bedeutung beimaß und für das Jahr 1998 bis heute keine Bedeutung beimisst, ist für die Auslegung des Willens der Beteiligten nicht unbeachtlich. Dies gilt insbesondere für die Frage, ob auch der Kläger Partei des Bewirtschaftungsvertrags ist, und die Frage, ob der Beklagte dem Vertrag des Klägers mit seinem Vater konkludent zugestimmt hat.

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2. Das Berufungsgericht ist zu dem Ergebnis gelangt, Partei des Bewirtschaftungsvertrags sei allein der Vater des Klägers und nicht auch der Kläger. Es bestehe kein Raum für die Annahme, dass die Behörde in Übereinstimmung mit dem Kläger bei Vertragsschluss davon ausgegangen sei, dass dieser ebenfalls Vertragspartner geworden sei. Zur Begründung seiner Auffassung stellt das Oberverwaltungsgericht ab auf das Rubrum des Vertrags sowie dem Vertragsschluss vorausgehende und nachfolgende Umstände. Dabei hat es das Berufungsgericht unterlassen, Ausführungen des Klägers, mit denen dieser Tatsachen vorgetragen hat, die für das gegenteilige Ergebnis sprechen, zur Kenntnis zu nehmen und ernsthaft in Erwägung zu ziehen:

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Das Oberverwaltungsgericht erwähnt zwar, der Kläger habe vorgetragen, auf Empfehlung des Beklagten hätten (zur Sicherheit wegen der Unsicherheiten über das Pachtverhältnis für den Großteich) sowohl er als auch sein Vater den Bewirtschaftungsvertrag unterzeichnet. Sollte dieser Vortrag des Klägers zutreffen, spräche dies dafür, dass der Beklagte bei Vertragsschluss in Übereinstimmung mit dem Kläger davon ausgegangen ist, dass dieser ebenfalls Vertragspartei geworden ist und lediglich die Ergänzung des bereits vorher formulierten Rubrums unterblieben war. Angesichts dessen hätte das Oberverwaltungsgericht darlegen müssen, warum es diesem Umstand keine Bedeutung beimisst. Mit der floskelhaften Begründung, etwas anderes als das gefundene Ergebnis folge daraus nicht, genügt es seiner Verpflichtung, den Vortrag der Beteiligten ernsthaft in Erwägung zu ziehen, nicht.

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Weiter hat der Kläger vorgetragen, die Kündigung des Bewirtschaftungsvertrags hinsichtlich des Großteichs sei vom Beklagten ihm gegenüber (und nicht seinem Vater gegenüber) ausgesprochen worden. Dies spricht ebenfalls dafür, dass der Beklagte (auch) den Kläger als Vertragspartei ansah. Deshalb hätte das Berufungsgericht auch diesen Vortrag zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen müssen. Dass es allein auf die Existenz eines Kündigungsschreibens hinweist, ohne auch nur zu erwähnen, wem gegenüber die Kündigung ausgesprochen wurde, genügt dem nicht.

18

3. Auch soweit das Oberverwaltungsgericht zu dem Ergebnis gelangt ist, der Kläger habe keinen Anspruch aus abgeleitetem Recht, verletzt es den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör und den Überzeugungsgrundsatz.

19

a) Das Oberverwaltungsgericht ist in verfahrensfehlerhafter Weise zu dem Ergebnis gelangt, dem Vater des Klägers sei aufgrund der Vereinbarung mit seinem Sohn die Erfüllung seiner Verpflichtungen aus dem Bewirtschaftungsvertrag unmöglich geworden:

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Im Berufungsurteil wird ausgeführt, die Vertragsübernahme sei mangels Zustimmung des Beklagten unwirksam gewesen, aber dennoch zwischen dem Vater und seinem Sohn wirksam. Mit dem wiederholten Vortrag des Klägers, wenn die Vertragsübernahme unwirksam sei, sei sie dies auch im Verhältnis zwischen dem Vater des Klägers und ihm, setzt sich das Urteil nicht auseinander.

21

Obwohl der Vater des Klägers unstreitig nicht höchstpersönlich verpflichtet war, den Großteich naturschutzgerecht zu bewirtschaften, meint das Berufungsgericht, dem Vater sei aufgrund des Vertrags mit seinem Sohn die naturschutzgerechte Bewirtschaftung, die tatsächlich erfolgte, unmöglich geworden. Nach dem Vertrag bestanden zwei Möglichkeiten, mit denen sich das Berufungsgericht aufgrund des Überzeugungsgrundsatzes und des Vortrags des Klägers im Einzelnen hätte auseinandersetzen müssen:

22

Der Kläger hat - wie in dem Urteil ausgeführt wird - durch Vertrag mit seinem Vater dessen Pflicht zur naturschutzgerechten Bewirtschaftung übernommen. Wenn dem so ist, hat der Vater möglicherweise seine Verpflichtungen durch den Kläger erfüllen lassen. Dies kann nicht allein mit der Begründung, bei dem Vertrag handle es sich um keinen Auftrag im Sinne des BGB, verneint werden.

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Der Vater blieb möglicherweise aufgrund des Vertrags mit seinem Sohn weiterhin verpflichtet, den Bewirtschaftungsvertrag selbst zu erfüllen. Wie in dem Urteil ausgeführt wird, hatte er sich in dem Vertrag mit seinem Sohn diesem gegenüber verpflichtet, weiterhin für die Teichwirtschaft tätig zu sein. Umfasste diese Pflicht auch die naturschutzgerechte Bewirtschaftung des Großteichs, war der Vater hierzu nicht nur verpflichtet, sondern auch berechtigt. Es war ihm dann weiterhin möglich, den Teich naturschutzgerecht zu bewirtschaften.

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In beiden Varianten war dem Vater die Erfüllung seiner Verpflichtungen aus dem Bewirtschaftungsvertrag nicht unmöglich geworden. Soweit das Oberverwaltungsgericht ausführt, aufgrund der Vereinbarung zwischen Vater und Sohn sei der Sohn nicht beauftragt gewesen, den Teich naturschutzgerecht zu bewirtschaften, weil der Vater selbst weiterhin in der Teichwirtschaft tätig sein sollte, und damit im Ergebnis meint, dem Vater sei gerade durch die Verpflichtung zur Tätigkeit in der Teichwirtschaft eine solche Tätigkeit im Rahmen des Bewirtschaftungsvertrags unmöglich geworden, ist das Urteil denkgesetzwidrig.

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b) Das Berufungsgericht setzt sich auch nicht mit dem Vortrag des Klägers, der Beklagte habe der Vertragsübernahme zwischen Vater und Sohn konkludent zugestimmt, auseinander. Auch insoweit wird der Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt.

26

Das Bundesverwaltungsgericht macht von der Möglichkeit Gebrauch, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 133 Abs. 6 VwGO).