Entscheidungsdatum: 23.11.2015
I
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der S. Malereibetrieb GmbH (Schuldnerin). Er begehrt Zugang zu der die Schuldnerin betreffenden finanzbehördlichen Vollstreckungsakte, hilfsweise die Erteilung eines Auszugs aus dem Steuerkonto der Schuldnerin.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberverwaltungsgericht die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen: Ein Anspruch auf Einsicht in die Vollstreckungsakte ergebe sich weder aus dem Hamburgischen Transparenzgesetz (HmbTG) noch wegen möglicher Anfechtungsansprüche aus Treu und Glauben (§ 242 BGB i.V.m. § 142 InsO), im Wege einer pflichtgemäßen Ermessensentscheidung aus dem Rechtsstaatsprinzip i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG oder aus § 18 HmbDSG. Gleiches gelte für die Erteilung eines Kontoauszugs.
Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.
II
Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
1. Die Rechtssache hat nicht die vom Kläger geltend gemachte rechtsgrundsätzliche Bedeutung.
a) Die in der Beschwerde aufgeworfenen Fragen zur Auslegung von § 5 Nr. 4 des Hamburgischen Transparenzgesetzes (HmbTG) vom 19. Juni 2012 (HmbGVBl. Nr. 29 S. 271) in Verbindung mit dem Willkürverbot (A.I.1.a) und b), B.I.1.a) und b) der Beschwerdebegründung) können eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht begründen. Das Hamburgische Transparenzgesetz gehört als Landesrecht nicht zu den gemäß § 137 Abs. 1 VwGO revisiblen Rechtsvorschriften. Das verkennt der Kläger nicht. Er wirft zu verschiedenen Begründungselementen des angefochtenen Urteils jeweils die Frage auf, ob die Argumentation des Oberverwaltungsgerichts willkürlich sei und seine Auslegung des Hamburgischen Transparenzgesetzes damit gegen Bundesverfassungsrecht verstoße. Auch dadurch werden die aufgeworfenen Fragen nicht zu solchen des revisiblen Rechts. Das wäre nur dann der Fall, wenn der bundesrechtliche Maßstab - hier das bundesverfassungsrechtliche Willkürverbot - selbst einen die Zulassung der Revision rechtfertigenden Klärungsbedarf aufwiese (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 21. Dezember 1994 - 4 B 266.94 - NVwZ 1995, 601 <602> und vom 16. Juni 2011 - 9 BN 4.10 - Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 58 Rn. 7). Einen solchen Klärungsbedarf legt der Kläger nicht dar.
Unabhängig hiervon ist nicht ersichtlich, inwiefern die dem Urteil zugrunde liegende Auslegung des Hamburgischen Transparenzgesetzes willkürlich sein sollte. Nach § 5 Nr. 4 HmbTG besteht für "Vorgänge der Steuerfestsetzung und Steuererhebung" keine Informationspflicht. Das Oberverwaltungsgericht hat diese Vorschrift dahin ausgelegt, dass alle Vorgänge erfasst seien, die unmittelbar die Bestimmung und Durchsetzung der Steuerforderung im konkreten Einzelfall betreffen, mithin auch Informationen in einer Vollstreckungsakte oder einem Auszug aus einem Steuerkonto. Der Gesetzgeber habe die Arbeitsfähigkeit der Steuerverwaltung schützen wollen; die Gewährung von Informationszugang wäre regelmäßig mit erheblichem Aufwand verbunden, weil es sich ganz überwiegend um personenbezogene Daten handele (UA S. 9). Dass § 5 Nr. 4 HmbTG nur für die Informationspflicht, nicht aber für Auskunftsansprüche gelten soll, liegt im Hinblick auf § 2 Abs. 9 HmbTG - nach dieser Vorschrift umfasst die Informationspflicht die Auskunfts- und die Veröffentlichungspflicht - und den dargelegten Zweck der Vorschrift fern. Jedenfalls ist die gegenteilige Auffassung des Oberverwaltungsgerichts nicht willkürlich. Ob und inwieweit die hier in Streit stehende Vollstreckungsakte und der begehrte Kontoauszug schutzbedürftige personenbezogene Daten enthalten, ist für die generalisierende Betrachtung, die das Oberverwaltungsgericht der Auslegung des § 5 Nr. 4 HmbTG zugrunde gelegt hat, ohne Bedeutung. Soweit der Kläger meint, der Schutz der Arbeitsfähigkeit der Verwaltung könne für die Auslegung des Hamburgischen Transparenzgesetzes kein maßgebender Belang sein, jedenfalls müsse er konkreter und präziser gefasst sein, geht die Beschwerdebegründung über im Landesrecht wurzelnde Überlegungen nicht hinaus. Woraus der Kläger entnimmt, dass das Oberverwaltungsgericht bei der Auslegung von § 5 Nr. 4 HmbTG von einem bundesrechtlich vorgegebenen Begriff der "Steuerfestsetzung und Steuererhebung" oder einem bestimmten Verständnis von § 80 InsO ausgegangen sein könnte, und warum es willkürlich sein sollte, auch Auszüge aus Steuerkonten als erfasst anzusehen, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Dass es einen Ermessensanspruch auf Informationszugang nach dem Hamburgischen Transparenzgesetz bei Vorliegen eines Ausschlusstatbestandes verneint hat, ist nicht willkürlich.
b) Soweit das Oberverwaltungsgericht einen Anspruch des Klägers auf pflichtgemäße Ermessensentscheidung über seine Begehren aus dem Rechtsstaatsprinzip i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG verneint hat (UA S. 10 f., 14), möchte der Kläger in einem Revisionsverfahren geklärt wissen, ob es für diesen Anspruch darauf ankommen kann, dass die begehrte Auskunft der Wahrnehmung von Rechten im bestehenden Steuerverhältnis dient bzw. die Einsicht während eines Verwaltungsverfahrens genommen werden soll (A.I.1.c) und B.I.1.c) der Beschwerdebegründung). Diese Frage bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren. In der Abgabenordnung ist ein allgemeiner Auskunftsanspruch nicht vorgesehen. In der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und des Bundesgerichtshofs ist geklärt, dass ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ein Auskunftsbegehren nur besteht, wenn ein Steuerpflichtiger während eines Verwaltungsverfahrens um Akteneinsicht nachsucht (BFH, Beschluss vom 4. Juni 2003 - VII B 138/01 - BFHE 202, 231 = juris Rn. 6) oder die Auskunft der Wahrnehmung von Rechten in einem bestehenden Steuerrechtsverhältnis dienen kann (BFH, Beschluss vom 14. April 2011 - VII B 201/10 - BFH/NV 2011, 1296 = juris Rn. 14; BGH, Urteil vom 13. August 2009 - IX ZR 58/06 - ZIP 2009, 1823 = juris Rn. 9). Inwiefern ein Auskunftsanspruch gegenüber den Steuerbehörden außerhalb eines Steuerrechtsverhältnisses für die Ausübung von Grundrechten von Bedeutung sein könnte und die dargelegte Rechtsprechung deshalb der Überprüfung bedürfen sollte, zeigt der Kläger nicht auf.
Soweit es um den Kontoauszug geht, wirft der Kläger zusätzlich die Frage auf, warum er - wie vom Oberverwaltungsgericht verlangt (UA S. 14) - ein konkretes Interesse oder einen Grund für sein Begehren vortragen müsse; die Beklagte werbe damit, dass jeder voraussetzungslos einen Kontoauszug erlangen könne (B.I.1.c) der Beschwerdebegründung). Die Darlegung eines konkreten Interesses hat das Oberverwaltungsgericht nicht verlangt, soweit sich der Kläger auf den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz in Verbindung mit der Verwaltungspraxis der Beklagten beruft, sondern soweit er einen Anspruch aus dem Rechtsstaatsprinzip i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG geltend macht. Dass insoweit für die erforderliche Prüfung des Einzelfalls die Darlegung des konkreten Interesses an der begehrten Information erforderlich ist, bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren.
Die Frage, ob die Einsetzung einer Partei kraft Amtes eine Schlechterstellung gegenüber der juristischen Person, für die die Partei kraft Amtes eingesetzt wurde, rechtfertigen kann (B.I.1.c) der Beschwerdebegründung), würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Das Oberverwaltungsgericht hat eine solche Ungleichbehandlung nicht festgestellt; die Beklagte nehme im Falle der Insolvenz eine Einzelfallprüfung auch bei Anträgen von Steuerpflichtigen und Steuerberatern vor (UA S. 14). Soweit der Kläger meint, dass der Steuerpflichtige nach Insolvenzeröffnung nicht mehr verfügungsbefugt sei, legt er einen rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf nicht dar.
c) Ansprüche des Klägers aus § 18 des Hamburgischen Datenschutzgesetzes (HmbDSG) vom 5. Juli 1990 (HmbGVBl. 1990 S. 133) hat das Oberverwaltungsgericht verneint, weil weder er selbst noch die Schuldnerin als juristische Person betroffen im Sinne dieser Vorschrift sei. Für eine erweiternde Auslegung bestehe kein Anlass; ein verfassungsrechtliches Gebot, einer insolventen Gesellschaft (bzw. dem Insolvenzverwalter) unabhängig von der Darlegung eines Interesses einen datenschutzrechtlichen Anspruch auf Auskunft über die in finanzbehördlichen Vollstreckungsakten enthaltenen Daten zu verleihen, bestehe nicht (UA S. 11, 14). In Bezug auf diese Begründung zeigt der Kläger einen rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf nicht auf.
Er wirft die Frage auf, ob ein datenschutzrechtlicher Auskunftsanspruch seine Rechtfertigung in Art. 2 Abs. 1 GG finde; Insolvenzverwaltern juristischer Personen könne das Recht auf informationelle Selbstbestimmung als Basis selbstbestimmter Entscheidungen nicht abgesprochen werden (A.I.1.d) aa) und B.I.1.d) aa) der Beschwerdebegründung). Bereits das Oberverwaltungsgericht hat dargelegt, dass der Kläger nicht Auskunft über seine eigenen persönlichen Daten begehre, und dass das durch Art. 2 Abs. 1 GG garantierte Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts juristischen Personen - wie hier der Schuldnerin - nicht in gleichem Umfang wie natürlichen Personen zustehe (UA S. 11). Der Kläger legt nicht dar, inwiefern es erforderlich sein sollte, diese Begründung in einem Revisionsverfahren zu überprüfen.
Ausgehend von den Unterschieden zwischen natürlichen und juristischen Personen im Hinblick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist auch nicht ersichtlich, warum es willkürlich sein sollte, natürlichen betroffenen Personen den datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch voraussetzungslos, dem Insolvenzverwalter einer juristischen Person hingegen nur bei Darlegung eines Interesses zu gewähren (A.I.1.d) bb) der Beschwerdebegründung).
Soweit der Kläger meint, es sei widersprüchlich und damit willkürlich, wenn das Oberverwaltungsgericht einerseits schützenswerte Daten der Schuldnerin in den Akten der Beklagten vermute, ihr aber andererseits den Status als Betroffene abspreche (A.I.1.d) cc) und B.I.1.d) bb) der Beschwerdebegründung), entbehrt diese Annahme einer tatsächlichen Grundlage. Vermutungen zur Schutzbedürftigkeit personenbezogener Daten im vorliegenden Fall hat das Oberverwaltungsgericht nicht angestellt.
2. Die Verfahrensrügen greifen nicht durch.
a) Der Kläger rügt Verstöße gegen den Amtsermittlungsgrundsatz. Das Oberverwaltungsgericht habe weder den Haupt- noch den Hilfsantrag abweisen dürfen, ohne zu klären, ob und gegebenenfalls wessen personenbezogene Daten in der Vollstreckungsakte bzw. im Kontoauszug enthalten seien und ob und gegebenenfalls inwieweit diese Daten nach § 4 HmbTG zu schützen seien (A.II und B.II der Beschwerdebegründung).
Maßgebend für den Umfang der Aufklärungspflicht ist die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des Gerichts (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. November 2013 - 7 B 16.13 - juris Rn. 9). Nach der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts sind finanzbehördliche Vollstreckungsakten und Auszüge aus Steuerkonten generell, d.h. unabhängig von den Umständen des konkreten Einzelfalls, von Ansprüchen nach dem Hamburgischen Transparenzgesetz ausgenommen. Ausgehend hiervon waren die aufgeworfenen Fragen nicht entscheidungserheblich.
b) Der Kläger rügt ferner, das Berufungsurteil sei im Sinne von § 138 Nr. 6 VwGO nicht mit Gründen versehen, soweit es auf Seite 13 des Urteilsabdrucks anstatt einer eigenen Begründung bloß auf die Begründung in dem - im Parallelverfahren eines anderen, wenn auch von denselben Prozessbevollmächtigten vertretenen Klägers ergangenen - Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 23. Juni 2015 - 3 Bf 274/13 - Bezug nehme. Diese Rüge greift nicht durch, weil das Berufungsgericht zu dem betreffenden Verteidigungsmittel - dem Ausschlussgrund des § 5 Nr. 4 HmbTG - im angefochtenen Urteil eine eingehende Begründung geliefert und sich hierbei mit Einwänden des Klägers auseinandergesetzt hat (UA S. 13 i.V.m. S. 9 f.). Die Bezugnahme auf das Urteil im Parallelverfahren erfolgte also nur ergänzend und ist deshalb unter dem Blickwinkel des § 138 Nr. 6 VwGO unbeachtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 39 Abs. 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.