Entscheidungsdatum: 26.01.2017
I
Die Klägerin wendet sich gegen eine wasserrechtliche Anordnung, mit der der Beklagte unter anderem eine Mindestwasserführung in der Ausleitungsstrecke eines Wasserkraftwerks festgesetzt hat.
Die Klägerin ist Eigentümerin einer am Fluss A. im ... belegenen Anlage, für die dem damaligen Betreiber im Jahr 1934 die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb eines Wasserbetriebswerks mit Sägewerk erteilt worden war. Die Anlage befindet sich in einer durch den gemäß § 83 WHG aufgestellten Bewirtschaftungsplan festgelegten "Programmstrecke Durchgängigkeit, Mindestwasser und Fischabstieg"; die A. ist darin als Programmgewässer für die Wiederansiedlung des Atlantischen Lachses ausgewiesen.
Die Klägerin erwarb die Anlage im Jahr 2009 mit der Absicht, den zwischenzeitlich stillgelegten Betrieb des Wasserkraftwerks zur Gewinnung von Energie und Einspeisung in das öffentliche Stromnetz gegen Vergütung wieder aufzunehmen.
Mit Verfügung vom 26. Juli 2010 gab die Wasserbehörde der Klägerin unter anderem auf, in der Auslaufstrecke einen Mindestabfluss von 700 l/s ganzjährig zu belassen. Durch Widerspruchsbescheid vom 14. Dezember 2011 setzte die Widerspruchsbehörde abweichend den Mindestabfluss in der Laichzeit der Salmoniden vom 15. November bis 30. April auf 980 l/s fest.
Klage und Berufung hatten keinen Erfolg. Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Begründung ausgeführt, durch die Anordnung werde das alte Wasserrecht aus dem Jahr 1934 nicht beeinträchtigt. Die Anordnungen zur Mindestwasserführung seien zur Erreichung der festgelegten Bewirtschaftungsziele dem Grunde nach erforderlich und in der konkreten Ausgestaltung nicht zu beanstanden. Sie begründeten keinen Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 GG und der Beklagte habe sein Bewirtschaftungsermessen fehlerfrei ausgeübt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin.
II
Die auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.
Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. Die Rechtsfrage und der Klärungsbedarf müssen in der Beschwerdebegründung dargelegt werden (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
1. Dies gilt zum einen hinsichtlich den von der Klägerin im Zusammenhang mit der Festsetzung der erforderlichen Mindestwasserführung nach § 33 WHG aufgeworfenen Fragen.
a) Die Frage,
nach welchen Kriterien die erforderliche Mindestwasserführung im Sinne von § 33 WHG zu bestimmen ist,
lässt sich, soweit sie in verallgemeinerungsfähiger Weise klärungsfähig ist, mithilfe der Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne Weiteres beantworten (BVerwG, Beschluss vom 24. August 1999 - 4 B 72.99 - BVerwGE 109, 268 <270>) und rechtfertigt deshalb nicht die Zulassung der Revision.
Nach § 33 des Gesetzes zur Ordnung des Wasserhaushalts (Wasserhaushaltsgesetz - WHG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 31. Juli 2009 (BGBl. I S. 2585), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 4. August 2016 (BGBl. I S. 1972) muss bei der Nutzung eines oberirdischen Gewässers die Abflussmenge erhalten bleiben, die für das Gewässer und andere hiermit verbundene Gewässer erforderlich ist, um den Zielen des § 6 Abs. 1 und der §§ 27 bis 31 WHG zu entsprechen. Danach hängt die Mindestwasserführung maßgeblich von den in Bezug genommenen gesetzlichen Bewirtschaftungsgrundsätzen und Bewirtschaftungszielen für das betroffene Gewässer ab. Die Anforderungen des § 33 WHG sind durch das Merkmal der "Erforderlichkeit" eingegrenzt.
Die Mindestwasserführung ist vor allem nach den hydrologischen Gegebenheiten vor Ort und den ökologischen Erfordernissen im Einzelfall zu bestimmen (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs zur Neuregelung des Wasserrechts BT-Drs. 16/12275 S. 60). Dies wird durch die Änderung des Normtextes im Gesetzgebungsverfahren nicht in Frage gestellt. Denn die Regelung zielt weiterhin in erster Linie auf die Erhaltung der ökologischen Funktionsfähigkeit eines oberirdischen Gewässers (siehe BT-Drs. 16/13426 S. 14
b) Der Frage,
ob es sich bei der erforderlichen Mindestwasserführung im Sinne von § 33 WHG um einen vom rechtsstaatlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz geprägten unbestimmten Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum der zuständigen Behörde mit der Folge der vollen gerichtlichen Überprüfbarkeit der nach § 33 WHG im Einzelfall konkret festgesetzten erforderlichen Mindestwasserführung handelt,
kommt rechtsgrundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht zu; denn sie ist nicht entscheidungserheblich. Es ist nämlich weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass der Verwaltungsgerichtshof aus der von ihm im Grundsatz angenommenen Beschränkung der gerichtlichen Kontrolldichte hinsichtlich der Wahl des Verfahrens zur Ermittlung der Mindestwasserführung bei der weiteren Prüfung Konsequenzen gezogen hat. Nach seinen Feststellungen beruhen die festgelegten Mindestwasserführungswerte auf fachbehördlichen Gutachten und ergänzenden Stellungnahmen, die sich wiederum auf eine Verwaltungsvorschrift stützen, deren fachliches Fundament ein weiterer behördlicher Leitfaden bildet. Diese Regelwerke basieren nach Überzeugung des Verwaltungsgerichtshofs auf wissenschaftlich anerkannten Methoden, so dass sie als Grundlage einer fachbehördlichen Gesamtbeurteilung herangezogen werden können. Diese tatrichterliche Würdigung bestätigt die Eignung des in der Verwaltungsvorschrift niedergelegten Verfahrens für die Ermittlung der Mindestwasserführung nach Maßgabe des § 33 WHG. Der Verwaltungsgerichtshof hat demgegenüber nicht festgestellt, dass der Wasserbehörde auch andere, in der Fachwissenschaft in gleicher Weise als tauglich anerkannte Verfahren zu Gebote gestanden hätten; auch die Klägerin hat nach seinen Feststellungen gegen die verwendete Methodik keine Einwände erhoben. Der Verwaltungsgerichtshof hat folglich nicht, wie für die oben erwähnte Fallgruppe eines Beurteilungsspielraums kennzeichnend, der Behörde die "freie" Auswahl zwischen mehreren gleichwertigen methodischen Ansätzen überlassen.
c) Die Frage,
ob bei der gerichtlichen Kontrolle der im Einzelfall nach § 33 WHG konkret festgesetzten Mindestwasserführung die Überprüfung der Erforderlichkeit des nach § 82 WHG für die Flussgebietseinheit aufgestellten Maßnahmenprogramms und des nach § 83 WHG für die Flussgebietseinheit aufgestellten Bewirtschaftungsplans zur Erreichung der Bewirtschaftungsziele nach §§ 27, 28 WHG stattzufinden hat,
rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision, weil sie sich in einem Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich stellen würde.
Die von der Beschwerde in diesem Zusammenhang geforderte Inzidentkontrolle des Maßnahmenprogramms und des Bewirtschaftungsplans im Rahmen der Prüfung der Erforderlichkeit der Mindestwasserführung hat der Verwaltungsgerichtshof mit dem Ergebnis durchgeführt, dass die Flussgebietsbehörde ihre wasserwirtschaftliche Planungskompetenz und ihr Bewirtschaftungsermessen bei der Bestimmung der Bewirtschaftungsziele und der dafür vorgesehenen Umsetzungsmaßnahmen fehlerfrei ausgeübt habe (UA S. 33 ff.). Hiergegen bringt die Klägerin nichts vor.
d) Die Zulassung der Revision ist nicht zur Klärung der Frage geboten,
ob die Gemeinsame Verwaltungsvorschrift des Umweltministeriums, des Ministeriums für Ernährung und Ländlichen Raum und des Wirtschaftsministeriums zur gesamtökologischen Beurteilung der Wasserkraftnutzung - Kriterien für die Zulassung von Wasserkraftanlagen bis 1 000 kW vom 30. Dezember 2006 - Wasserkrafterlass - (GABl. 2007, 105) und der Leitfaden "Mindestabflüsse in Ausleitungsstrecken" (Gewässerökologie 1997, 2005) der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg im Rahmen einer fachbehördlichen Gesamtbeurteilung als administrative Regelwerke zur Bestimmung der Mindestwasserführung herangezogen werden können.
Zur Erläuterung dieser Frage führt die Klägerin aus, dass die oberste Wasserbehörde als (Landes-)Verordnungsgeber von der ihr in § 23 Abs. 1 i.V.m. § 19 Abs. 1 des Wassergesetzes für Baden-Württemberg (GBl. 2013, 389) eingeräumten Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung, mit der Kriterien für die Bemessung der Mindestwasserführung festgelegt werden, nicht Gebrauch gemacht habe. Hierin liege zugleich die bewusste Entscheidung gegen die Heranziehung der genannten Regelwerke, die nicht auf ihre Unabhängigkeit und Eignung untersucht worden seien. Eine Frage des revisiblen Rechts ist damit schon deswegen nicht aufgeworfen, weil die Klägerin die "Sperrwirkung" einer landesrechtlichen Verordnungsermächtigung geklärt wissen will. Aber auch wenn die Frage auf die unmittelbar geltende subsidiäre Verordnungsermächtigung für die Landesregierungen in § 23 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1, § 3 Nr. 7 WHG bezogen wird, ist ein Klärungsbedarf nicht dargetan. Denn die Befugnis zum Erlass von Verwaltungsvorschriften ist ein originäres Recht der Exekutive, das einer besonderen Ermächtigung nicht bedarf (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Juli 1969 - 2 BvF 1/64 - BVerfGE 26, 338 <396>; BVerwG, Urteil vom 9. Juni 1983 - 2 C 34.80 - BVerwGE 67, 222 <229>) und folglich von der Existenz einer Verordnungsermächtigung unberührt bleibt. Rechtsgrund der Verwaltungsvorschriften ist die der vollziehenden Gewalt kraft Gewaltenteilungsprinzips inhärente Vollmacht, den Gesetzesvollzug im Rahmen des Gesetzes in inhaltlicher, verfahrensmäßiger und organisatorischer Weise intern selbst zu ordnen (vgl. Möstl, in: Ehlers/Pünder, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2016, § 20 Rn. 18).
e) Die Frage,
ob es zulässig ist, bei der Bestimmung der erforderlichen Mindestwasserführung auf eine wünschenswerte Fischpopulation (Lachs) als Indikatorfisch abzustellen oder der Indikatorfisch der vorhandenen Fischpopulation zu entnehmen ist,
stellt sich ebenfalls nicht als grundsätzlich klärungsbedürftig dar.
Die für die Festlegung der Mindestwassermenge bedeutsamen Bewirtschaftungsziele erschöpfen sich nicht in der in § 27 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 WHG normierten Vermeidung einer Verschlechterung des ökologischen Zustandes bzw. ökologischen Potenzials eines Gewässers und somit in der Bewahrung eines Status quo, der auch von der vorhandenen Fischpopulation geprägt wird. Sie umfassen darüber hinaus nach § 27 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 2 WHG das Verbesserungsgebot, in dessen Rahmen auch die Wiederansiedlung einer bestimmten Fischart angestrebt werden kann.
Der Verwaltungsgerichtshof hat für den Senat bindend (§ 137 Abs. 2 VwGO) festgestellt, dass die Wiederansiedlung des Atlantischen Lachses in der A. in dem die Bewirtschaftungsziele nach § 27 WHG konkretisierenden Bewirtschaftungsplan "Bearbeitungsgebiet Oberrhein (Baden-Württemberg)" festgelegt ist (UA S. 33 ff.). Ungeachtet der Frage der Rechtsnatur von Bewirtschaftungsplänen sind die Festsetzungen zu den Bewirtschaftungszielen im Maßnahmenprogramm und im Bewirtschaftungsplan jedenfalls für die Behörden verbindlich (vgl. Durner, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Mai 2016, WHG § 83 Rn. 19; Cychowski/Reinhardt, WHG, 11. Aufl. 2014, § 83 Rn. 9). Der Beklagte hatte demnach auf den Lachs als Indikatorfisch bei der Bestimmung der Mindestwasserführung abzustellen.
Aus § 35 Abs. 1 WHG folgt nichts anderes. § 33 WHG wird durch diese Bestimmung weder modifiziert noch verdrängt, auch soweit die Nutzung der Wasserkraft in Rede steht.
2. Die im Zusammenhang mit der Verneinung eines Verstoßes gegen Art. 14 Abs. 1 GG durch die festgesetzte Mindestwasserführung als rechtsgrundsätzlich bedeutsam aufgeworfenen Fragen rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision.
a) Die Frage,
ob die Fortsetzung der Nutzung der Wasserkraft mit Turbine zur Energiegewinnung einen neuen Erlaubnistatbestand begründet, wenn die vorhandene Anlage weitergenutzt wird und die aus der Wasserkraft gewonnene Energie nur einer anderen Verwendung (Einspeisung statt Sägewerkbetrieb) zugeführt wird,
rechtfertigt ebenso wenig die Zulassung der Revision.
In Gestalt einer Grundsatzrüge wendet sich die Klägerin gegen die allein für den Einzelfall bedeutsame Auslegung der dem Rechtsvorgänger der Klägerin im Jahr 1934 erteilten Genehmigung. Hieran ist der Senat gebunden. Geht es um einen Verwaltungsakt, der nicht unmittelbar Klagegegenstand ist, gehört dessen Auslegung, d.h. die Ermittlung seines Regelungsinhalts unter Würdigung der seinem Erlass zugrunde liegenden Umstände, revisionsrechtlich zur Tatsachenfeststellung (vgl. Kraft, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 137 Rn. 51 m.w.N.), an die das Revisionsgericht mangels hiergegen erhobener Verfahrensrügen gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden ist.
b) Die Frage,
ob die zuständige Behörde im Rahmen der Ermittlung ihrer Entscheidungsgrundlagen festzustellen hat, ob die im Einzelfall für erforderlich erachtete Mindestwasserführung das Altrecht derart reduziert, dass dieses inhaltlich völlig ausgefüllt (gemeint wohl ausgehöhlt) wird, so dass die als erforderlich erachtete Mindestwasserführung nicht entschädigungslos durch den Inhaber des Altrechts hinzunehmen ist,
ist nicht entscheidungserheblich und deswegen nicht rechtsgrundsätzlich bedeutsam. Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs stellt sich die Frage nicht. Schon der Verwaltungsgerichtshof hat sie im Anschluss an seine Auslegung der wasserrechtlichen Verleihung ausdrücklich offengelassen (UA S. 49).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG