Entscheidungsdatum: 28.07.2010
1. Das für die Verfüllung eines Tagebaus nach den bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts im Wege der dynamischen Verweisung durch einen bestandskräftigen Betriebsplan anwendbare Bundes-Bodenschutzgesetz beschränkt seine Geltung nicht auf den Bereich des durchwurzelbaren Bodens und nicht auf die Verfüllung mit Boden i.S.v. § 2 Abs. 2 BBodSchG.
2. Die im Wege der dynamischen Verweisung durch bestandskräftigen Betriebsplan anwendbaren bodenschutzrechtlichen Vorsorgewerte gelten auch für die restliche Verfüllung bisher legal ohne ihre Beachtung teilverfüllter Tagebaue; § 9 Abs. 2 und 3 BBodSchV rechtfertigt insoweit weder in unmittelbarer noch in analoger Anwendung eine Abweichung.
I.
Die Beteiligten streiten über die Bedingungen, unter denen die Klägerin Bodenaushub aus Straßenbauprojekten in eine ihrer Lavagruben einbringen darf.
Mit Bescheid vom 18. Dezember 1998 ließ der Beklagte einen Sonderbetriebsplan der Klägerin für die Verwertung von Fremdmassen zur Wiedernutzbarmachung der Oberfläche für drei näher bezeichnete Lavasandtagebaue zu. In den Nebenbestimmungen ("0. Allgemeines") dieses bestandskräftig gewordenen Zulassungsbescheides wird u.a. "für die Wiedernutzbarmachung der Oberfläche ..., was das Einbringen von Fremdmassen angeht, die Verwaltungsvorschrift über die Vermeidung und Entsorgung von Bauabfällen vom 20. Januar 1993 (MinBl. S. 227), die dieser Zulassung als Anlage beigefügt ist, für verbindlich erklärt". Nachdem in der Folgezeit Streit über die ergänzende Geltung der Verpflichtungen des Bodenschutzrechts entstanden waren, erhob die Klägerin Klage mit dem Ziel u.a. festzustellen, dass für die mit Bescheid vom 18. Dezember 1998 zugelassene Verfüllung ihres Tagebaus die in der dort genannten Verwaltungsvorschrift "Vermeidung und Entsorgung von Bauabfällen" angegebenen Grenzwerte und nicht die Vorsorgewerte der Bodenschutzverordnung maßgeblich sind. Das Verwaltungsgericht hat dem Feststellungsantrag insoweit stattgegeben. Das Oberverwaltungsgericht hingegen hat die Klage in vollem Umfang abgewiesen und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin.
II.
Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Der aufgeworfenen Frage,
ob den Vorsorgewerten der Bundes-Bodenschutzverordnung unmittelbare Geltung auch für bereits vor ihrem Inkrafttreten zugelassene Verfüllungen von Tagebauen zukommt, ohne dass entsprechende Sonderbetriebsplanzulassungen aufgehoben oder geändert werden müssten,
kommt keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu, weil sie zwar klärungsbedürftig sein mag (vgl. mit beachtlichen Gründen Dazert, AbfR 2010, 102 <103 f.>), ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren aber nicht zu erwarten ist. Die Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Frage scheitert nämlich daran, dass das Urteil des Oberverwaltungsgerichts auf eine weitere selbstständig tragende Begründung gestützt ist und die Beschwerde diese weitere tragende Urteilsbegründung nicht mit zulässigen und begründeten Rügen angegriffen hat. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann die Revision, wenn ein Urteil auf mehrere selbstständig tragende Gründe gestützt ist, nur unter der Voraussetzung zugelassen werden, dass im Hinblick auf jede dieser Begründungen ein Revisionszulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt (vgl. Beschluss vom 9. Dezember 1994 - BVerwG 11 PKH 28.94 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 4). Wenn nur bezüglich einer tragenden Begründung ein Zulassungsgrund gegeben ist, kann diese Begründung nämlich hinweggedacht werden, ohne dass sich der Ausgang des Verfahrens ändert.
2. Das Oberverwaltungsgericht hat die Abweisung der Klage in erster Linie darauf gestützt (vgl. UA S. 14), bereits eine Auslegung des bestandskräftigen Sonderbetriebsplans ergebe, dass der Feststellungsanspruch nicht bestehe, weil die für verbindlich erklärten Grenzwerte der Bauabfallrichtlinie nur als nicht abschließend geregelter Mindeststandard gemeint seien; der Sonderbetriebsplan sei im Sinne einer dynamischen Verweisung auf das Bodenschutzrecht offen, einer ausdrücklichen Anpassung an gesetzliche Bestimmungen durch Änderung des Bescheides bedürfe es nicht. Unabhängig davon seien aber im Übrigen die Vorsorgewerte der Bundes-Bodenschutzverordnung auch gegenüber dem Bergrecht ohne Weiteres unmittelbar gültig.
3. Angesichts dessen stellt sich die aufgeworfene und streitige Frage der Direktwirkung der bodenschutzrechtlichen Vorsorgewerte für Altgenehmigungen ohne deren vorherige Änderung - wie dargelegt - in dem beabsichtigten Revisionsverfahren nur dann, wenn die Beschwerde auch die erste tragende Urteilsbegründung - die dynamische Verweisung auf das Bodenschutzrecht durch den Sonderbetriebsplan - mit Erfolg angegriffen hätte. Das ist nicht der Fall.
a) Soweit die Klägerin mit Blick auf die vom Oberverwaltungsgericht für richtig gehaltene Auslegung des Sonderbetriebsplans die "fehlerhafte Anwendung der richtigen Auslegungsmethoden" rügt, ist schon keine grundsätzlich bedeutsame Fragestellung formuliert. Die Frage,
ob die die Anwendung der Vorsorgewerte bejahende Auslegung des Oberverwaltungsgerichts den Anforderungen an eine historische und teleologische Auslegung gerecht wird,
zielt nicht auf eine fallübergreifende Klärung bislang offener Fragen zur Auslegungsmethodik, sondern zieht allein die richtige Anwendung der als solche unstreitigen Auslegungsgrundsätze im konkret vorliegenden Einzelfall - das gilt auch für die von der Beschwerde angegriffene "historische Auslegung des Regelungsgehalts" des Sonderbetriebsplans - in Zweifel. Das genügt für die Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung auch dann nicht, wenn identische Formulierungen in weiteren Sonderbetriebsplänen vorhanden sein sollten. Im Übrigen kann keine Rede davon sein, dass die Auslegung des Sonderbetriebsplans durch das Oberverwaltungsgericht - die grundsätzlich dem Tatsachengericht obliegt - gegen gesetzliche Auslegungsregeln, allgemein anerkannte Auslegungsgrundsätze oder gegen die Denkgesetze verstoßen würde. Was die Beschwerde hierzu vorbringt, belegt allenfalls, dass auch ein anderes Auslegungsergebnis begründbar gewesen wäre.
b) Die Zulassung der Revision mit Blick auf den ersten tragenden Grund des Berufungsurteils ist auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil sich insoweit die Vorfrage stellte,
ob die bodenschutzrechtlichen Vorsorgewerte auch im Verfüllbereich selbst, also unterhalb der durchwurzelbaren Bodenschicht einzuhalten sind.
Diese Vorfrage ist zwar bei der vom Oberverwaltungsgericht angenommenen dynamischen Verweisung auf das Bodenschutzrecht durch den Sonderbetriebsplan erheblich, sie lässt sich aber im Sinne des Berufungsurteils beantworten, ohne dass es hierzu eines Revisionsverfahrens bedürfte.
Der beschließende Senat hat mit Urteil vom 14. April 2005 - BVerwG 7 C 26.03 - (BVerwGE 123, 247 = Buchholz 406.27 § 48 BBergG Nr. 6) grundsätzlich die Geltung des Bundes-Bodenschutzgesetzes für bergrechtliche Zulassungen bejaht (vgl. § 3 Nr. 10 BBodSchG), soweit Vorschriften des Bundesberggesetzes und der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen über die Errichtung, Führung oder Einstellung eines Betriebs Einwirkungen auf den Boden nicht regeln (Urteil vom 14. April 2005 a.a.O. Rn. 20, 24). In Ermangelung bergrechtlicher Vorschriften zur Regelung der Einwirkungen auf den Boden ist daher das Bundes-Bodenschutzgesetz anwendbar (Urteil vom 14. April 2005 a.a.O. Rn. 25). Ferner wird dort ausgeführt, dass die Bergbehörde zu beurteilen hat, ob die Verwertung der zu verfüllenden Abfälle im Rahmen eines Abschlussbetriebsplans Vorschriften des Bodenschutzrechts verletzt (Urteil vom 14. April 2005 a.a.O. Rn. 21). Diese Ausführungen beziehen sich ersichtlich nicht nur auf den Bereich des durchwurzelten oder durchwurzelbaren Bodens (vgl. § 2 Abs. 2 und § 7 BBodSchG) und beschränken sich offenkundig auch nicht auf die Verfüllung mit "Boden" im Sinne des § 2 Abs. 2 BBodSchG. Das liegt angesichts des Schutzzwecks des Bundes-Bodenschutzgesetzes auf der Hand (vgl. § 2 Abs. 7 und 8, § 7 BBodSchG), denn auch die unterhalb des durchwurzelbaren Bodens liegende Schicht erfüllt natürliche Bodenfunktionen (vgl. § 2 Abs. 2 BBodSchG), insbesondere auch zum Schutz des Grundwassers.
c) Keines Revisionsverfahrens bedarf auch die Klärung der weiteren (Vor-)Frage,
ob bei legal teilverfüllten Tagebauen - wie hier - für die restliche Verfüllung die Einhaltung der bodenschutzrechtlichen Vorsorgewerte überhaupt verlangt werden kann oder ob nicht gemäß § 9 Abs. 2 und 3 BBodSchV eine Abweichung hiervon zulässig ist.
Die Geltung der - wie unter 3. b) dargelegt grundsätzlich anwendbaren - bodenschutzrechtlichen Vorsorgewerte auch auf die restliche Verfüllung von Tagebauen ergibt sich ohne Weiteres daraus, dass Sonderregelungen für diesen Sachverhalt nicht ersichtlich sind. Die unmittelbare Anwendung des § 9 Abs. 2 und 3 BBodSchV scheidet aus, weil es - wie der Beklagte überzeugend dargelegt hat - weder um Böden mit naturbedingt erhöhten Schadstoffgehalten (§ 9 Abs. 2 BBodSchV) noch um Böden mit großflächig siedlungsbedingt erhöhten Schadstoffgehalten (§ 9 Abs. 3 BBodSchV) geht. Für die von der Beschwerde befürwortete analoge Anwendung ist weder eine unbeabsichtigte planwidrige Regelungslücke noch die Vergleichbarkeit der Sachverhalte dargetan oder ersichtlich, zumal hierfür Tatsachenfeststellungen erforderlich wären, die das Oberverwaltungsgericht nicht getroffen hat. Damit bleibt es dabei, dass die Pflichten des verfüllenden Unternehmers aus §§ 7 und 4 BBodSchG (vgl. § 7 Satz 7 BBodSchG) keiner über § 7 Satz 3 BBodSchG hinausgehenden Differenzierung unterliegen.