Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 06.04.2011


BVerwG 06.04.2011 - 6 PB 20/10

Unterbliebene Beteiligung in den Tatsacheninstanzen; absoluter Revisionsgrund; Rechtsmitteleinlegung


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
6. Senat
Entscheidungsdatum:
06.04.2011
Aktenzeichen:
6 PB 20/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 10. November 2010, Az: 5 L 2/10, Beschlussvorgehend VG Halle (Saale), 18. Mai 2010, Az: 11 A 25/08 HAL
Zitierte Gesetze
§ 78 Abs 2 PersVG ST 2004

Leitsätze

1. Auf § 547 Nr. 4 ZPO kann sich nur derjenige berufen, dessen ordnungsgemäße Vertretung im Prozess unterblieben ist.

2. Im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren kann ein Rechtsmittel auch derjenige einlegen, der von Amts wegen zu beteiligen war, jedoch zu Unrecht nicht am Verfahren der Vorinstanz beteiligt worden ist.

Gründe

1

Die Beschwerde des Beteiligten zu 2 gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch das Oberverwaltungsgericht gemäß § 78 Abs. 2 SAPersVG i.V.m. § 92a Satz 1 ArbGG hat keinen Erfolg. Die allein erhobenen Verfahrensrügen gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 3, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG greifen nicht durch.

2

1. Dies gilt zunächst, soweit der Beteiligte zu 2 den absoluten Revisionsgrund gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 ArbGG i.V.m. § 547 Nr. 4 ZPO geltend macht. Nach der letztgenannten Bestimmung ist eine Entscheidung stets als auf einer Rechtsverletzung beruhend anzusehen, wenn ein Beteiligter am Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern er nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat.

3

Auf diese Vorschrift kann sich der Beteiligte zu 2 nicht berufen, weil er nicht geltend macht, er sei am Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze beteiligt worden, sondern diese Rüge auf die Beteiligte zu 3 bezieht. Denn dieser Zulassungsgrund kann nur von demjenigen Beteiligten geltend gemacht werden, dessen Anhörung in den Vorinstanzen unterblieben ist.

4

Die gesetzlichen Vorschriften über die Vertretung einer Partei im Prozess dienen dem Schutz der vertretenen Partei. Allein sie soll davor geschützt werden, dass sie ihre prozessualen Rechte nicht wahrnehmen konnte, weil sie nicht gesetzlich vertreten war. Das Fehlen der Vertretungsmacht eines Vertreters berührt und beschwert nur den Vertretenen, falls dieser die Erklärung und Handlungen seines Vertreters nicht gegen sich gelten lassen will. Ein solcher Mangel kann daher nur von der Partei geltend gemacht werden, die in der Vorinstanz nicht ordnungsgemäß vertreten war (vgl. BAG, Beschluss vom 9. September 2010 - 4 AZN 354/10 - juris Rn. 11; Mikosch, in: GK-ArbGG § 73 Rn.60). Entsprechendes muss gelten, wenn man den Schutzbereich von § 547 Nr. 4 ZPO auf die unterbliebene Beteiligung ausdehnt. Unter dieser Prämisse kann sich auf § 547 Nr. 4 ZPO nur derjenige berufen, dessen Beteiligung in den Vorinstanzen verfahrensfehlerhaft unterblieben ist. Der Beteiligte zu 2 (Jugendvertreter) kann daher nicht zulässigerweise geltend machen, die Anhörung der Beteiligten zu 3 (Gesamt-Jugend- und Auszubildendenvertretung) sei vor dem Oberverwaltungsgericht unterblieben.

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2. Mit der Verfahrensrüge nach § 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 ArbGG kommt der Beteiligte zu 2 gleichfalls nicht zum Zuge. Er kann nicht geltend machen, der Anspruch der Beteiligten zu 3 auf rechtliches Gehör sei durch das Oberverwaltungsgericht verletzt worden.

6

Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist durch Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistet. Ein Verstoß gegen dieses prozessuale Grundrecht kann nur von demjenigen geltend gemacht werden, bei dem die Gehörsverletzung nach seiner Rechtsbehauptung eingetreten ist. Im Verfahren wegen Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde kann der Beschwerdeführer daher nur geltend machen, dass sein eigener Anspruch auf rechtliches Gehör in der Vorinstanz verletzt worden sei. Davon geht die Gesetzesformulierung in § 72a Abs. 6 ArbGG als selbstverständlich aus. Liegt die behauptete Gehörsverletzung in einer unterbliebenen Beteiligung, so kann sich darauf nur derjenige berufen, dessen Anhörung vor dem Oberverwaltungsgericht unterblieben ist (vgl. Beschluss vom 15. Mai 1991 - BVerwG 6 P 15.89 - BVerwGE 88, 183 <185> = Buchholz 250 § 32 BPersVG Nr. 5 S. 2).

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Dagegen kann der Beteiligte zu 2 nicht einwenden, die Beteiligte zu 3 könne mangels ihrer Zuziehung vor dem Oberverwaltungsgericht den Gehörsverstoß nicht selbst rügen. Dieser Einwand trifft nicht zu. Ein Rechtsmittel kann auch derjenige einlegen, der nach § 83 Abs. 3 ArbGG von Amts wegen zu beteiligen war, jedoch zu Unrecht nicht am Verfahren der Vorinstanz beteiligt worden ist (vgl. Beschluss vom 8. Juli 1977 - BVerwG 7 P 28.75 - BVerwGE 54, 172 <173> = Buchholz 238.32 § 91 BlnPersVG Nr. 1 S. 3; BAG, Beschlüsse vom 19. Mai 1978 - 6 ABR 41/75 - AP Nr. 3 zu § 43 BetrVG 1972 Bl. 355, vom 10. September 1985 - 1 ABR 15/83 - AP Nr. 2 zu § 117 BetrVG 1972 Bl. 526R und vom 18. Oktober 1988 - 1 ABR 31/87 - BAGE 60, 48 <54>). Nichts anderes gilt für die Jugendvertretung, wenn diese im Verfahren wegen Weiterbeschäftigung eines ihrer Mitglieder entgegen § 9 Abs. 4 Satz 2 BPersVG in der Vorinstanz nicht beteiligt worden ist. Sie kann daher z.B. Nichtzulassungsbeschwerde einlegen und dabei den Gehörsverstoß rügen, der in ihrer Nichtbeteiligung vor dem Oberverwaltungsgericht liegt.

8

3. Unabhängig von allen vorstehenden Ausführungen hat die Rüge des Beteiligten zu 2, das Oberverwaltungsgericht habe die Beteiligte zu 3 nicht beteiligt, in der Sache keinen Erfolg. Zwar trifft die vom Oberverwaltungsgericht verwandte Bezeichnung für die Beteiligte zu 3, nämlich "Jugend- und Auszubildendenvertretung beim Landeszentrum Wald Sachsen-Anhalt" nicht vollständig zu; die richtige Bezeichnung lautet: "Gesamt-Jugend- und Auszubildendenvertretung bei dem Landeszentrum Wald Sachsen-Anhalt". Dieser Bezeichnungsfehler ist jedoch nach Lage der Dinge unschädlich.

9

Bei Abschluss seiner Ausbildung zum Forstwirt am 31. Juli 2008 war der Beteiligte zu 2 Mitglied sowohl der Jugend- und Auszubildendenvertretung beim Betreuungsforstamt Harz in Sangerhausen, Ortsteil Wippra, einer nach § 6 Abs. 3 SAPersVG verselbstständigten Dienststelle, als auch der Gesamt-Jugend- und Auszubildendenvertretung des Landesbetriebes für Privatwaldbetreuung und Forstservice in Bernburg. Dessen Rechtsnachfolger ist seit 1. Januar 2010 das Landeszentrum Wald (§ 26a WaldG LSA i.d.F. von Art. 18 des Zweiten Funktionalreformgesetzes vom 5. November 2009, GVBl LSA S. 514, 523; Nr. 1 und 2 des Runderlasses des Ministeriums für Landwirtschaft und Umwelt vom 29. Dezember 2009, MBl LSA 2010, S. 38). Da für die Frage nach der Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts auf die Verhältnisse in der Gesamtdienststelle abzustellen war (Beschlussabdruck S. 8 oben), hat es die Beteiligung der Gesamt-Jugend- und Auszubildendenvertretung für erforderlich, aber auch ausreichend gehalten. Demgemäß hat es die Hinzuziehung der Beteiligten zu 3 bewirkt, indem es ihr unter dem 8. Juli 2010 alle wesentlichen Schriftstücke aus der Akte zugeleitet, sie zum Anhörungstermin geladen und ihr seinen Beschluss übersandt hat. Dass trotz des genannten Bezeichnungsfehlers die Beteiligte zu 3 gemeint war, konnte bei dieser aus drei Gründen keinen Zweifeln begegnen: Erstens hat das Oberverwaltungsgericht die Dienststelle, bei welcher die Beteiligte zu 3 gebildet ist, sowie die dazugehörige Anschrift in Bernburg richtig angegeben; schon deswegen lag die Annahme fern, die örtliche Jugendvertretung beim Betreuungsforstamt Harz in Sangerhausen, Ortsteil Wippra könne gemeint gewesen sein. Zweitens hat das Oberverwaltungsgericht als Beteiligten zu 1 den Gesamtpersonalrat beim Landeszentrum Wald hinzugezogen, also diejenige Personalvertretung, welcher die Beteiligte zu 3 zugeordnet ist (§ 72 SAPersVG). Drittens gibt es beim Landeszentrum Wald außer der Beteiligten zu 3 keine weitere - örtliche - Jugendvertretung, so dass auch insofern eine Verwechslung ausgeschlossen war.