Entscheidungsdatum: 06.10.2010
§ 74 Abs. 1 Satz 1 BlnPersVG (juris: PersVG BE 2004) lässt Dienstvereinbarungen auch in innerdienstlichen Angelegenheiten zu, die nicht durch Mitbestimmungsrechte erfasst sind.
Die Beschwerde des Beteiligten gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch das Oberverwaltungsgericht gemäß § 91 Abs. 2 BlnPersVG i.V.m. § 92a Satz 1 ArbGG hat keinen Erfolg. Die allein erhobene Grundsatzrüge gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG greift nicht durch. Die in der Beschwerdebegründung aufgeworfenen Rechtsfragen haben keine grundsätzliche Bedeutung oder sind nicht entscheidungserheblich.
1. Der Beteiligte will geklärt wissen, ob der Katalog in Nr. 1.1.1 und 1.1.2.1 der Anlage 2 der Rahmendienstvereinbarung über Einsatz und Betrieb von Telekommunikationsanlagen (RDV-TK) vom 29. Dezember 2005 die einsetzbaren Teilnehmerleistungsmerkmale abschließend aufzählt und ob der Rechtsbegriff "weitere Leistungsmerkmale" in § 4 Abs. 3 RDV-TK sich auf alle in Anlage 2 RDV-TK nicht katalogmäßig aufgezählten Leistungsmerkmale bezieht. Die beiden miteinander zusammenhängenden Fragen sind eindeutig im Sinne des Oberverwaltungsgerichts zu beantworten, so dass es ihrer Klärung im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht bedarf.
a) Nach der Definition in § 3 Abs. 2 Nr. 2 RDV-TK sind Leistungsmerkmale alle verfügbaren Funktionen der Telekommunikationsanlagen und Endgeräte. Darüber, welche Leistungsmerkmale einsetzbar sind, enthält § 4 Abs. 1 RDV-TK die grundlegende Aussage. Danach können die Dienststellen Telekommunikationsanlagen nach Maßgabe der Rahmendienstvereinbarung einsetzen. Damit verweist § 4 Abs. 1 RDV-TK auf die Anlage 2 RDV-TK, deren Überschrift lautet: "Katalog der grundsätzlich eingesetzten Leistungsmerkmale der Telekommunikationsanlagen". Die Verwendung des Wortes "grundsätzlich" findet ihre einleuchtende rechtssystematische Erklärung in den Sonderbestimmungen des § 4 Abs. 2 und 3 RDV-TK, welche die Einschränkung oder Sperrung einzelner Leistungsmerkmale "aus einem wichtigen Grund" bzw. den Einsatz weiterer Leistungsmerkmale "im Zuge technischer Neuerungen" vorsehen. Die Regelungen in § 4 Abs. 2 und 3 RDV-TK stellen daher Abweichungen vom Grundsatz in § 4 Abs. 1 und Anlage 2 RDV-TK dar, indem sie unter speziellen formellen und materiellen Voraussetzungen die einsetzbaren Leistungsmerkmale reduzieren oder erweitern. Die Regelung in § 6 RDV-TK, nach welcher die Personalräte über die Telekommunikationsanlage mit ihren Systembestandteilen und die zum Einsatz kommende Software effektiv zu unterrichten sind, enthält keine Aussage zum Konzept der einsetzbaren Leistungsmerkmale nach § 4 Abs. 1 bis 3, Anlage 2 RDV-TK.
b) Ein Verständnis der Anlage 2 RDV-TK als Mindestkatalog im Sinne der Ausführungen in der Beschwerdebegründung des Beteiligten steht mit dem Sinn und Zweck der Rahmendienstvereinbarung nicht im Einklang. Deren Präambel zitiert mit § 85 Abs. 1 Nr. 13 und Abs. 2 Nr. 8 bis 10 BlnPersVG jene Mitbestimmungstatbestände, welche die Persönlichkeitsrechte der Beteiligten beim Einsatz von Informations- und Kommunikationstechniken schützen sollen. Diesem Anliegen entspricht es, die Zahl der einsetzbaren Leistungsmerkmale in einem Katalog aufzuzählen und damit zugleich zu begrenzen sowie eine Erweiterung nur unter bestimmten Voraussetzungen zuzulassen. Angesichts dessen kommen als "weitere Leistungsmerkmale" im Sinne von § 4 Abs. 3 RDV-TK alle im Katalog nicht enthaltenen Merkmale in Betracht, deren Einsatz zusätzlich aber mindestens verlangt, dass er durch technische Neuerungen veranlasst ist. Liegt die letztgenannte Voraussetzung nicht vor, ist der Einsatz des weiteren Leistungsmerkmals untersagt.
Dazu nicht im Widerspruch steht, dass die Regelung zur Katalogunterschreitung in § 4 Abs. 2 RDV-TK ersichtlich das Ziel verfolgt, die Einheitlichkeit der Funktionsausstattung der Telekommunikationsanlagen in den Dienststellen des Landes zu gewährleisten.
2. Der Beteiligte will ferner geklärt wissen, ob die Regelung in § 4 Abs. 2 und 3 RDV-TK zur Beteiligung des Personalrats beim Einsatz weiterer Leistungsmerkmale im Lichte der Novellierung des Mitbestimmungstatbestandes gemäß § 85 Abs. 2 Nr. 10 BlnPersVG die unzulässige Einführung eines neuen Mitbestimmungstatbestandes darstellt. Die Frage ist nicht entscheidungserheblich. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts hängt nicht von ihr ab.
Der Senat unterstellt zugunsten des Beteiligten, dass der Einsatz weiterer Leistungsmerkmale im Sinne von § 4 Abs. 3 RDV-TK aufgrund der Neufassung der Mitbestimmungstatbestände in § 85 Abs. 2 Nr. 8 bis 10 BlnPersVG durch das Siebte Gesetz zur Änderung des Personalvertretungsgesetzes vom 17. Juli 2008, GVBl S. 206, mitbestimmungsfrei und § 4 Abs. 3 RDV-TK rechtsunwirksam ist, soweit dort die Beteiligung der zuständigen Personalvertretung vorgesehen ist. Auch in diesem Fall verstößt der Einsatz des Leistungsmerkmals "Name und Vorname des kommenden Teilnehmers" gegen die Rahmendienstvereinbarung.
Nach § 74 Abs. 1 Satz 1 BlnPersVG sind Dienstvereinbarungen zulässig, soweit Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen. Die Vorschrift erlaubt den Abschluss von Dienstvereinbarungen in größerem Umfang als das Bundespersonalvertretungsgesetz, nach welchem die Reichweite von Dienstvereinbarungen durch den Inhalt der einschlägigen Mitbestimmungstatbestände begrenzt ist (§ 73 Abs. 1 Satz 1, § 75 Abs. 3, § 76 Abs. 2 Satz 1 BPersVG). Sie lässt Dienstvereinbarungen auch in innerdienstlichen Angelegenheiten zu, die nicht durch Mitbestimmungsrechte erfasst sind. Derartige "freiwillige" Dienstvereinbarungen, die dem entsprechenden Institut des Betriebsverfassungsrechts nachgebildet sind, stellen keine unzulässige Erweiterung der Mitbestimmung dar. Denn ihr Abschluss kann durch die Personalräte nicht erzwungen werden (vgl. OVG Berlin, Beschluss vom 13. Februar 1998 - 60 PV 11.96 - PersR 1998, 476 <477 f.>; Germelmann/Binkert/Germelmann, Personalvertretungsgesetz Berlin, 3. Aufl. 2010, § 74 Rn. 1 und 29).
Die Rahmendienstvereinbarung vom 29. Dezember 2005 verweist in ihrer Präambel auf § 74 Abs. 1 BlnPersVG. Es sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Partner der Rahmendienstvereinbarung die Reichweite ihrer Regelungen exakt auf den Inhalt der dort ebenfalls zitierten Mitbestimmungstatbestände begrenzen wollten. Die Bindungen der Dienststellen durch die Rahmendienstvereinbarung bleiben daher auch bestehen, soweit sie nicht erzwingbaren Beteiligungsrechten geschuldet sind. Ebenso wenig kommt in Betracht, die Rahmendienstvereinbarung in ihrer Gesamtheit für unwirksam zu halten, wenn das in § 4 Abs. 3 RDV-TK vorgesehene Beteiligungsrecht der zuständigen Personalvertretung entfällt. Denn auch ohne dieses Beteiligungsrecht behält die Rahmendienstvereinbarung den Charakter einer Gesamtregelung, welche die Interessen von Dienststellen und Beschäftigten ausgewogen berücksichtigt. Die durch die Gesetzesnovellierung etwa ausgelöste, in ihrem Ausmaß begrenzte Verschiebung der Interessengewichte kann entweder durch die jederzeit mögliche einvernehmliche Änderung der Anlagen nach § 9 Abs. 2 RDV-TK oder durch Kündigung mit einer Frist von drei Monaten zum Ende des Quartals nach § 9 Abs. 3 RDV-TK aufgefangen werden. Im letztgenannten Fall lebt die Mitbestimmung der Personalräte wieder auf; zugleich werden die Dienststellen von den Bindungen frei, die über den Inhalt der einschlägigen Mitbestimmungsrechte hinausgehen.
Auch wenn die Beteiligung der zuständigen Personalvertretung entfällt, so bleibt es doch mindestens dabei, dass der Einsatz weiterer Leistungsmerkmale nach § 4 Abs. 3 RDV-TK durch technische Neuerungen veranlasst sein muss. Dies ist nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts beim Leistungsmerkmal "Übermittlung und Anzeige von Namen des Inhabers des anrufenden Dienstapparates" nicht der Fall (Beschlussabdruck S. 9). In dieser Hinsicht erhebt auch der Beteiligte keine Einwendungen. Damit verstößt der Einsatz des in Rede stehenden Leistungsmerkmals auch nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung gegen die Rahmendienstvereinbarung.