Entscheidungsdatum: 10.03.2010
Ein gerichtlicher Vergleich kann nicht wegen eines Inhaltsirrtums angefochten werden, wenn ein Beteiligter bei seinem Abschluss eine Fehlvorstellung über den Umfang der zuvor bewilligten Prozesskostenhilfe hatte.
Die Klägerin wurde mit ihrem Einverständnis für die Zeit vom 26. August bis 30. Dezember 2004 mit dem Dienstgrad eines Hauptfeldwebels der Reserve zu einer Wehrübung mit besonderer Auslandsverwendung im Kosovo herangezogen. Mit Bescheid des Kreiswehrersatzamtes Darmstadt vom 26. November 2004 wurde festgestellt, dass sie nicht wehrdienstfähig sei.
Die von der Klägerin nach erfolgloser Durchführung des Widerspruchsverfahrens erhobene Klage hat vor dem Verwaltungsgericht zur Bescheidaufhebung sowie zur Kostenbelastung der Beklagten geführt. Die Beklagte hat das verwaltungsgerichtliche Urteil mit der von dem Senat zugelassenen Revision angegriffen. Mit Beschluss vom 22. April 2008 hat der Senat der Klägerin für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten bewilligt.
In der mündlichen Verhandlung vom 26. November 2008 haben die Beteiligten - jeweils unter Vorbehalt des Widerrufs bis zum 10. Dezember 2008 - folgenden Vergleich geschlossen:
1. Die Beklagte hebt den angefochtenen Bescheid vom 26. November 2004 und den Widerspruchsbescheid vom 7. Januar 2005 auf.
2. Die Klägerin erklärt, dass sie künftig keine Auslandsverwendung mehr anstrebt und hierzu ihr Einverständnis nicht erteilen wird.
3. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Die Beteiligten haben den Vergleich nicht widerrufen. Mit Beschluss vom 17. Dezember 2008 hat der Senat das durch den gerichtlichen Vergleich erledigte Verfahren eingestellt.
Mit an das Bundesverwaltungsgericht gerichtetem, am 24. Juni 2009 eingegangenem und den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 3. Juli 2009 zugestelltem anwaltlichen Schriftsatz vom 23. Juni 2009 hat die Klägerin erklärt, sie fechte den geschlossenen Vergleich wegen Irrtums an. Sie trägt vor, die für das Verwaltungsgericht zuständige Gerichtskasse habe sie zur Zahlung rückständiger Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens in Höhe von 1 192,55 € gemahnt. Dass der Vergleich eine derartige Zahlungsverpflichtung nach sich ziehen würde, habe sie weder bei dessen Abschluss geahnt, noch sei ihr dies innerhalb der Widerspruchsfrist bewusst geworden. Sie habe angenommen, dass die ihr gewährte Prozesskostenhilfe sämtliche Kosten des Rechtsstreits umfasse. Nur unter dieser Prämisse habe sie den Vergleich geschlossen.
Aus dem Vortrag der Klägerin ergibt sich der Antrag,
das Revisionsverfahren fortzusetzen und nach ihrem in der mündlichen Verhandlung vom 26. November 2008 vor Abschluss des Vergleichs gestellten Antrag zu erkennen.
Die Beklagte hält die Anfechtung des Vergleichs für unwirksam.
Sie beantragt sinngemäß,
festzustellen, dass das Verfahren durch den gerichtlichen Vergleich vom 26. November 2008 erledigt ist,
hilfsweise,
nach ihrem in der mündlichen Verhandlung vom 26. November 2008 vor Abschluss des Vergleichs gestellten Antrag zu erkennen.
Das Fortsetzungsbegehren der Klägerin, über das der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten gemäß § 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1 und § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheidet, hat keinen Erfolg.
Die von der Klägerin erklärte Anfechtung des in der mündlichen Verhandlung vom 26. November 2008 geschlossenen Prozessvergleichs ist unwirksam und hat deshalb nicht gemäß § 59 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 142 Abs. 1 BGB zur rückwirkenden Nichtigkeit des Vergleichs geführt. Dementsprechend ist der sinngemäß gestellte Antrag auf Fortsetzung des Revisionsverfahrens abzulehnen und festzustellen, dass das Verfahren durch den gerichtlichen Vergleich beendet ist.
1. Beruft sich ein Beteiligter mit einem Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens auf die von Anfang an bestehende oder im Wege der Anfechtung rückwirkend herbeigeführte Nichtigkeit eines Prozessvergleichs, hat das bisher mit der Sache befasste Gericht hierüber und, wenn es die Nichtigkeit als gegeben ansieht, in dem dann anhängig gebliebenen Rechtsstreit auch über die Berechtigung der von dem Kläger ursprünglich geltend gemachten Ansprüche zu entscheiden (Urteil vom 27. September 1961 - BVerwG 1 C 93.58 - Buchholz 310 § 106 VwGO Nr. 2 S. 2; Beschlüsse vom 14. Dezember 1967 - BVerwG 8 B 146.67 - BVerwGE 28, 332 <334> = Buchholz 310 § 106 VwGO Nr. 4 S. 9 und vom 27. Oktober 1993 - BVerwG 4 B 175.93 - Buchholz 310 § 106 VwGO Nr. 17 S. 12).
Der Prozessvergleich nach § 106 VwGO hat eine Doppelnatur. Er ist sowohl Prozesshandlung, deren Wirksamkeit sich nach den Grundsätzen des Prozessrechts richtet, als auch öffentlich-rechtlicher Vertrag, für den die materiellrechtlichen Vorschriften der §§ 54 ff. VwVfG gelten. Als Prozesshandlung führt er zur Prozessbeendigung, als materiellrechtlicher Vertrag zur Streitbeendigung (vgl. Urteile vom 15. Januar 1960 - BVerwG 7 C 91.58 - BVerwGE 10, 110 und vom 28. März 1962 - BVerwG 5 C 100.61 - BVerwGE 14, 103 <104 > = Buchholz 310 § 106 VwGO Nr. 3 S. 6, Beschluss vom 4. November 1987 - BVerwG 1 B 112.87 - Buchholz 130 § 9 RuStAG Nr. 8 S. 29, Urteil vom 1. Dezember 1989 - BVerwG 8 C 17.87 - BVerwGE 84, 157 <165> = Buchholz 316 § 55 VwVfG Nr. 2 S. 7, Beschluss vom 27. Oktober 1993 a.a.O. S. 9). Der prozessuale und der materiellrechtliche Vertrag beeinflussen sich in ihrer Wirksamkeit wechselseitig, wenn auch in unterschiedlicher Weise. Ist die Vergleichsvereinbarung materiell unwirksam, verliert auch die Prozesshandlung ihre Wirksamkeit, da sie nur die Begleitform für den materiellrechtlichen Vergleich ist. Entbehrt der Vergleich der sachlich-rechtlichen Grundlage, geht ihm auch die verfahrensrechtliche Wirkung der Prozessbeendigung ab. Im umgekehrten Fall gilt dies nicht in gleicher Weise. Auch ein prozessual unwirksamer Vergleich kann als materiellrechtliche Vereinbarung eine von der Rechtsordnung anerkannte Funktion erfüllen. Ob er als außergerichtliches Rechtsgeschäft Bestand haben kann, richtet sich nach dem hypothetischen Willen der Beteiligten (Beschluss vom 27. Oktober 1993 a.a.O. S. 9 f.).
2. Der Prozessvergleich vom 26. November 2008 ist entgegen der Ansicht der Klägerin nicht infolge der erklärten Anfechtung aus materiellrechtlichen Gründen unwirksam.
a) Der Klägerin ist es verwehrt, die Nichtigkeit des Vergleichs unter Berufung auf eigene Willensmängel herzuleiten. Sie kann sich nur auf einen Irrtum ihres Prozessbevollmächtigten berufen.
Bei Abschluss des Vergleichs war die vor dem Bundesverwaltungsgericht nach § 67 Abs. 4 VwGO nicht postulationsfähige Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten vertreten. Nach § 62 Satz 2 VwVfG i.V.m. § 166 Abs. 1 BGB kommt, soweit die rechtlichen Folgen einer Willenserklärung durch Willensmängel oder durch die Kenntnis oder das Kennenmüssen gewisser Umstände beeinflusst werden, nicht die Person des Vertretenen, sondern die des Vertreters in Betracht. Der Vertretene ist zur Irrtumsanfechtung einer von dem Vertreter abgegebenen Willenserklärung nur berechtigt, wenn sich der Vertreter geirrt hat (vgl. BGH, Urteil vom 24. Oktober 1968 - II ZR 214/66 - BGHZ 51, 141 <145>; BAG, Urteil vom 14. Oktober 1980 - 1 AZR 177/80 - juris Rn. 29; Schilken, in: Staudinger, BGB, 2004, § 166 Rn. 13; Schramm, in: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl. 2006, § 166 Rn. 6). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist unter Anwendung des Rechtsgedankens des § 166 Abs. 2 BGB nur für die hier nicht gegebene Konstellation zu erwägen, dass sich eine im Verhandlungstermin anwesende Partei an den gerichtlichen Vergleichsverhandlungen beteiligt und nicht ihr Prozessbevollmächtigter, sondern sie selbst die eigentliche Entscheidung trifft, ob der Vergleich mit dem ausgehandelten Inhalt angenommen werden soll (vgl. BGH, Urteil vom 24. Oktober 1968 a.a.O. S. 145 ff.; BAG, Urteil vom 14. Oktober 1980 a.a.O. Rn. 30; Schramm, a.a.O. § 166 Rn. 59; a.A.: Schilken, a.a.O. § 166 Rn. 17).
Die Klägerin kann den Vergleich auch nicht unter Verweis auf einen nach Vergleichsschluss in ihrer Person entstandenen Irrtum und die dadurch bedingte Versäumung der Widerrufsfrist anfechten. Dies folgt bereits daraus, dass die Nichtabgabe einer Widerrufserklärung keine Willenserklärung ist und deshalb der Anfechtung nicht unterliegt (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 16. September 1969 - 12 W 69/69 - NJW 1970, 48; Ellenberger, in: Palandt, BGB, 69. Aufl. 2010, § 119 Rn. 4; Singer, in: Staudinger, BGB, 2004, § 119 Rn. 103).
b) Aus dem Vortrag der Klägerin ergibt sich nicht, dass sich ihr Prozessbevollmächtigter bei Abschluss des Vergleichs in einem nach § 62 Satz 2 VwVfG i.V.m. § 119 BGB beachtlichen Irrtum befunden hat.
Gemäß § 119 Abs. 1 BGB kann derjenige, der bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war (Inhaltsirrtum) oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte (Erklärungsirrtum), die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde. Im vorliegenden Fall kommt allein ein Irrtum über den Inhalt der Erklärung in Betracht. Bei einem Inhaltsirrtum entspricht zwar der äußere Tatbestand dem Willen des Erklärenden, dieser irrt sich jedoch über die Bedeutung oder die Tragweite seiner Erklärung (BGH, Urteil vom 26. Mai 1999 - VIII ZR 141/98 - NJW 1999, 2664 <2665> und Beschluss vom 5. Juni 2008 - V ZB 150/07 - BGHZ 177, 62 <65 f.>). Nicht als Inhaltsirrtum anfechtbar sind Erklärungen, die auf einem im Stadium der Willensbildung unterlaufenden Irrtum im Beweggrund (Motivirrtum; vgl. BGH, Urteil vom 7. Juli 1998 - X ZR 17/97 - BGHZ 139, 177 <180>, Beschluss vom 5. Juni 2008 a.a.O. S. 66) beruhen. Ebenso wenig lässt sich im Grundsatz ein Anfechtungsrecht aus einer Fehlvorstellung über die Rechtsfolgen herleiten, die sich nicht aus dem Inhalt der Erklärung ergeben, sondern kraft Gesetzes eintreten (Rechtsfolgenirrtum; BGH, Urteile vom 15. Dezember 1994 - IX ZR 252/93 - NJW 1995, 1484 <1485> und vom 10. Juli 2002 - VIII ZR 199/01 - NJW 2002, 3100 <3103>, Beschluss vom 5. Juni 2008 a.a.O. S. 66). Ein Rechtsfolgenirrtum berechtigt als Inhaltsirrtum nur dann zur Anfechtung, wenn das vorgenommene Rechtsgeschäft wesentlich andere als die beabsichtigten Rechtswirkungen erzeugt. Der nicht erkannte Eintritt zusätzlicher und mittelbarer Rechtswirkungen oder Nebenfolgen, die zu den gewollten und eingetretenen Rechtsfolgen hinzutreten, ist demgegenüber als bloßer Motivirrtum unbeachtlich (BGH, Beschlüsse vom 29. November 1996 - BLw 16/96 - BGHZ 134, 152 <156>, vom 5. Juli 2006 - IV ZB 39/95 - NJW 2006, 3353 <3355> und vom 5. Juni 2008 a.a.O. S. 67).
Nach dem Vortrag der Klägerin unterlag ihr Prozessbevollmächtigter bei Abschluss des Vergleichsvertrages der Fehlvorstellung, die von dem Senat bewilligte Prozesskostenhilfe schließe - auch - aus, dass der Klägerin gegenüber Gerichtskosten des erstinstanzlichen Verfahrens geltend gemacht werden könnten. Tatsächlich bezog sich der Bewilligungsbeschluss des Senats vom 22. April 2008 gemäß § 166 VwGO i.V.m. § 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO nur auf das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht. Für den erstinstanzlichen Rechtszug hatte die Klägerin keinen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe gestellt, eine Bewilligung war nicht ergangen. Dementsprechend ist die Klägerin nach der im Wege des Vergleichs getroffenen Kostenregelung auf Zahlung der Hälfte der Gerichtskosten des erstinstanzlichen Verfahrens in Anspruch genommen worden. Ein als Inhaltsirrtum unter § 119 Abs. 1 BGB zu subsumierender Rechtsfolgenirrtum ist bei dieser Sachlage nicht zu erkennen. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin unterlag keiner Fehlinterpretation des in § 155 Abs. 1 Satz 2 VwGO enthaltenen Rechtsbegriffs der Aufhebung der Kosten gegeneinander; insbesondere irrte er nicht darüber, dass diese Kostenregelung nach der genannten Vorschrift bedeutet, dass die Gerichtskosten beiden Parteien jeweils zur Hälfte zur Last fallen. Vielmehr ging der Prozessbevollmächtigte der Klägerin irrtümlich davon aus, diese werde unbeschadet der sich aus § 155 Abs. 1 Satz 2 VwGO ergebenden Beteiligung an den Gerichtskosten - auch - des erstinstanzlichen Verfahrens aufgrund eines zusätzlichen Umstands, nämlich der Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch den Senat, von einer Kostenerhebung seitens der Staatskasse vollständig verschont bleiben. Irrtumsbefangen war deshalb nicht unmittelbar die Kostenregelung des geschlossenen Vergleichs, sondern die Reichweite der vorangegangenen Prozesskostenhilfegewährung als eines außerhalb der Vergleichserklärung liegenden Umstands (vgl. auch OLG Braunschweig, Beschluss vom 7. Oktober 1999 - 8 U 109/99 - juris Rn. 13, 16) und damit lediglich ein Beweggrund, der dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Stadium der Willensbildung den Abschluss des Prozessvergleichs als kostenmäßig vorteilhaft erscheinen ließ. Ein solcher Motivirrtum berechtigt nicht zur Anfechtung.
c) Unabhängig von den bisherigen Darlegungen hat die Klägerin den geschlossenen Vergleichsvertrag auch deshalb nicht wirksam angefochten, weil sie die Anfechtung nicht innerhalb der gesetzlichen Anfechtungsfrist nach § 62 Satz 2 VwVfG i.V.m. § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB erklärt hat.
Nach diesen Vorschriften muss die Anfechtung unverzüglich - das heißt ohne schuldhaftes Zögern - vorgenommen werden, nachdem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat. Sie ist innerhalb einer den Umständen des Einzelfalls angepassten Prüfungs- und Überlegungsfrist zu erklären (vgl. BGH, Beschluss vom 15. März 2005 - VI ZB 74/04 - NJW 2005, 1869). Für die Kenntnis kommt es auf die Person des Vertretenen an. Dieser muss sich allerdings nach § 166 Abs. 1 BGB die Kenntnis des Vertreters zurechnen lassen, wenn der Vertreter - wie hier - auch zur Anfechtung ermächtigt ist (vgl. BGH, Urteil vom 17. Februar 1965 - IV ZR 74/64 - MDR 1965, 646; Ellenberger, a.a.O. § 121 Rn. 2; Schramm, a.a.O. § 166 Rn. 7). Nach § 62 Satz 2 VwVfG i.V.m. § 143 Abs. 1 BGB muss die Anfechtung dem Anfechtungsgegner gegenüber erklärt werden. Bei einem Vertrag ist Anfechtungsgegner nach § 62 Satz 2 VwVfG i.V.m. § 143 Abs. 2 BGB der andere Teil. Wirksam wird die Anfechtung nach § 62 Satz 2 VwVfG i.V.m. § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB mit dem Zugang der Anfechtungserklärung (Ellenberger, a.a.O. § 121 Rn. 4; vgl. für den Widerruf eines Prozessvergleichs: Urteil vom 15. Januar 1960 a.a.O. S. 110 f.).
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hatte - was dieser zuzurechnen ist - spätestens am 4. Juni 2009 zuverlässige Kenntnis von der Pflicht der Klägerin zur Zahlung der Hälfte der Gerichtskosten des erstinstanzlichen Verfahrens. Denn unter diesem Datum hat er, wie sich aus einem an ihn gerichteten Schreiben der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts vom 16. Juni 2009 ergibt, um nähere Erläuterungen zu der von der Gerichtskasse erhobenen Zahlungsforderung gebeten. Die an das Bundesverwaltungsgericht gesandte Erklärung vom 23. Juni 2009 über die Anfechtung des geschlossenen Prozessvergleichs ist gemäß § 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 86 Abs. 4 Satz 3 VwGO an die Prozessbevollmächtigten der Beklagten weitergeleitet worden und diesen am 3. Juli 2009 - also fast einen Monat nach Beginn der Anfechtungsfrist - zugegangen. Die Anfechtung ist damit nach den Umständen des Falles nicht unverzüglich vorgenommen worden. Denn es ist nicht ersichtlich, weshalb der anwaltlich vertretenen Klägerin nicht eine frühere Anfechtung - bereits innerhalb weniger Tage nach Bekanntwerden des Irrtums - möglich und zumutbar gewesen sein sollte.
Eine andere Beurteilung ergibt sich nicht daraus, dass gemäß § 62 Satz 2 VwVfG i.V.m. § 121 Abs. 1 Satz 2 BGB die einem Abwesenden gegenüber erklärte Anfechtung als rechtzeitig erfolgt gilt, wenn die Anfechtungserklärung unverzüglich abgesendet worden ist. Denn auch die Absendung der Anfechtungserklärung durch den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 23. Juni 2009 kann nicht mehr als unverzüglich angesehen werden. Zudem sind die Voraussetzungen des § 121 Abs. 1 Satz 2 BGB nur erfüllt, wenn die Anfechtungserklärung zum Zweck und mit der Bestimmung des unverzüglichen Transports an den Anfechtungsgegner weggegeben wird, nicht dagegen, wenn die Anfechtung in einer Klageschrift erklärt wird, die erst durch das Gericht dem Anfechtungsgegner zugestellt werden muss (BGH, Urteil vom 11. Oktober 1974 - V ZR 25/73 - NJW 1975, 39; Singer, a.a.O. § 121 Rn. 11; vgl. auch: BGH, Urteil vom 21. Oktober 1981 - VIII ZR 212/80 - WM 1981, 1302 f.). Für die Erklärung der Anfechtung in einem bei Gericht eingereichten Schriftsatz mit dem Antrag auf Verfahrensfortsetzung kann nichts anderes gelten.