Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 09.08.2018


BVerwG 09.08.2018 - 6 C 11/17

Änderung der Vornamensreihenfolge; Änderung der Rechtslage in der Revisionsinstanz


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
6. Senat
Entscheidungsdatum:
09.08.2018
Aktenzeichen:
6 C 11/17
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2018:090818B6C11.17.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend Sächsisches Oberverwaltungsgericht, 4. Mai 2017, Az: 3 A 122/16, Urteilvorgehend VG Dresden, 5. Februar 2014, Az: 6 K 1115/12, Urteil
Zitierte Gesetze

Gründe

1

Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit im Revisionsverfahren übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Klageverfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen; die vorinstanzlichen Urteile sind nach § 173 Satz 1 VwGO, § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO für unwirksam zu erklären. Nach § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist über die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes durch Beschluss zu entscheiden. Billigem Ermessen entspricht es hier, die Kosten des Verfahrens in den drei Instanzen der Beklagten aufzugeben. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen, auf die die Beteiligten weitgehend bereits hingewiesen worden sind:

2

1. Der Kläger macht mit dem Hauptantrag den Anspruch geltend, dass die Beklagte die Reihenfolge seiner Vornamen in ihrem Geburtenregister von "Hans Frank" in "Frank Hans" ändert, d.h. seinen Rufnamen an die erste Stelle setzt. In Bezug auf diesen Anspruch tritt am 1. November 2018 eine grundlegende Rechtsänderung ein. Ab diesem Tag gilt für Änderungen der Vornamensreihenfolge § 45a des Personenstandsgesetzes - PStG - in der Fassung von Art. 1 Nr. 16 des 2. Personenstandsrechts-Änderungsgesetzes vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2522). Nach Art. 4 Abs. 2 dieses Gesetzes tritt die Neuregelung am 1. November 2018 in Kraft. Nach § 45a Abs. 1 Satz 1 PStG n.F. kann die Reihenfolge mehrerer Vornamen durch Erklärung des Namensträgers gegenüber dem Standesamt neu bestimmt werden (Vornamensortierung). Danach können Personen mit mehreren Vornamen die Änderung der im Geburtenregister eingetragenen Reihenfolge der Vornamen verlangen, ohne dass hierfür materielle Voraussetzungen vorliegen müssen. Erforderlich ist lediglich eine darauf gerichtete Erklärung gegenüber demjenigen Standesamt, das das Geburtenregister führt (§ 45a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 PStG n.F.). Damit soll Personen mit mehreren Vornamen die Möglichkeit eröffnet werden, anstelle eines im täglichen Leben ungebräuchlichen Vornamens ihren Rufnamen ohne weiteres an die erste Stelle der amtlichen Vornamensreihenfolge setzen zu lassen. Damit hat der Gesetzgeber darauf reagiert, dass der Rufname seit 2010 in Ausweisdokumenten nicht mehr durch Unterstreichen gekennzeichnet werden kann (BT-Drs. 18/11612 S. 27). Dagegen ist eine Änderung der Schreibweise sowie das Hinzufügen oder das Weglassen von Vornamen aus Anlass der Vornamensortierung nicht zulässig (§ 45a Abs. 1 Satz 2 PStG n.F.).

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2. Diese Rechtsänderung wäre im vorliegenden Revisionsverfahren ab dem 1. November 2018 zu berücksichtigen gewesen, weil das Oberverwaltungsgericht das neue Recht hätte anwenden müssen, wenn es nach dessen Inkrafttreten entschieden hätte (vgl. BVerwG, Urteile vom 18. Dezember 1996 - 6 C 6.95 - BVerwGE 104, 1 <5>; vom 26. November 2003 - 9 C 6.02 - BVerwGE 119, 245 <248> und vom 24. Juni 2004 - 2 C 45.03 - BVerwGE 121, 140 <144>). Dies gilt auch für Begehren auf Namensänderung und damit auf Änderung der Vornamensreihenfolge; das Namensänderungsgesetz enthält keine davon abweichenden Bestimmungen.

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3. Danach hätte die Revision des Klägers mit dem Hauptantrag Erfolg gehabt, wenn der Senat darüber nach dem 1. November 2018 entschieden hätte. Denn ab diesem Tag ist die Beklagte nach § 45a Abs. 1 Satz 1 PStG verpflichtet, die Reihenfolge der Vornamen des Klägers im Geburtenregister von "Hans Frank" in "Frank Hans" zu ändern. Über den Hilfsantrag wäre nicht mehr zu entscheiden gewesen, weil seine Rechtshängigkeit in der Revisionsinstanz aufgrund des Erfolgs des Hauptantrags entfallen wäre (BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1979 - 7 C 43.78 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 124; BGH, Urteil vom 14. Dezember 1988 - IVa ZR 209/87 - BGHZ 106, 219; Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 144 Rn. 19). Die Beklagte hätte die Kosten des Rechtsstreits nach § 154 Abs. 1 VwGO tragen müssen.

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4. Der Senat ist zu der Auffassung gelangt, dass die Revision des Klägers auch Erfolg gehabt hätte, wenn er darüber bis zum 1. November 2018 entschieden hätte:

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a) Bei der Änderung der Reihenfolge der Vornamen dürfte es sich nach bisherigem Recht um eine Namensänderung im Sinne von § 11 i.V.m. § 3 Abs. 1 des Namensänderungsgesetzes - NamÄndG - handeln. Dies dürfte sich jedenfalls daraus ergeben, dass im Jahr 2010 die Möglichkeit weggefallen ist, einen von mehreren Vornamen auch in Ausweisdokumenten durch Unterstreichen als Rufnamen kennzeichnen zu lassen. Jedenfalls aus diesem Grund dürfte dem im Geburtenregister an erster Stelle eingetragenen Vornamen nach bisherigem Recht eine soziale Ordnungsfunktion zukommen, die ein Interesse an der Namenskontinuität rechtfertigen kann (vgl. BT-Drs. 18/11612 S. 27).

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Nach § 11 i.V.m. § 3 Abs. 1 NamÄndG darf ein Vorname geändert werden, wenn ein wichtiger Grund die Änderung rechtfertigt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts räumen diese Bestimmungen dem Namensträger einen Anspruch auf Namensänderung ein, wenn sein schutzwürdiges Interesse an der Änderung das öffentliche Interesse an der Beibehaltung des bisherigen Namens überwiegt. Das Interesse an der Namenskontinuität ergibt sich aus der Ordnungsfunktion des Namens. Dieser kennzeichnet den Namensträger und ermöglicht es, ihm sein Verhalten insbesondere im Rechtsverkehr auch in Zukunft ohne Schwierigkeiten zuzurechnen. Das Gewicht der Namenskontinuität ist für Vornamen geringer zu bewerten als für Nachnamen, weil diesen eine erheblich größere Bedeutung als Unterscheidungs- und Zuordnungsmerkmal zukommt (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. März 2003 - 6 C 26.02 - Buchholz 402.10 § 11 NÄG Nr. 5 S. 1 ff.; Beschlüsse vom 13. September 2016 - 6 B 12.16 [ECLI:DE:BVerwG:2016:130916B6B12.16.0] - Buchholz 402.10 § 3 NÄG Nr. 83 Rn. 12 ff. und vom 19. April 2018 - 6 B 62.17 [ECLI:DE:BVerwG:2018:190418B6B62.17.0] - juris Rn. 6).

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Nach diesen Maßstäben ist der Ausgang des Revisionsverfahrens als zunächst ungewiss erschienen. Hier besteht jedoch die Besonderheit, dass der Gesetzgeber durch die Einführung des § 45a PStG n.F. deutlich gemacht hat, dass er ein Interesse an der Kontinuität der Vornamensreihenfolge, wie sie im Geburtenregister und in anderen amtlichen Dokumenten festgehalten ist, nicht mehr als schutzwürdig ansieht. Diese gesetzliche Wertung ist bereits in der Übergangszeit zwischen der Verkündung des neuen § 45a PStG im Bundesgesetzblatt am 24. Juli 2017 und seinem Inkrafttreten am 1. November 2018 zu berücksichtigen, wenn es um die Abwägung von privatem und öffentlichem Interesse nach § 11 i.V.m. § 3 Abs. 1 NamÄndG geht. Sie führt dazu, dass dem privaten Änderungsinteresse bereits vor dem 1. November 2018 regelmäßig Vorrang vor dem Interesse an der Kontinuität der Vornamensreihenfolge zukommt, wenn es dem Namensträger wie im vorliegenden Fall darum geht, seinen gebräuchlichen Rufnamen an die erste Stelle seiner Vornamen setzen zu lassen.

9

b) Sieht man die Änderung der Vornamensreihenfolge trotz der Ordnungsfunktion des ersten Vornamens mit dem Oberverwaltungsgericht nicht als Namensänderung im Sinne von § 11 i.V.m. § 3 Abs. 1 NamÄndG an, wären diese Bestimmungen auf derartige Änderungsbegehren nicht anwendbar. Dies würde bedeuten, dass sie dem durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Interesse des Namensträgers an der Änderung der Reihenfolge seiner Vornamen auch nach bisherigem, bis zum 31. Oktober 2018 geltenden Recht nicht entgegengehalten werden könnten. Es fehlte dann an der erforderlichen gesetzlichen Grundlage, um dem Namensträger die grundrechtlich geschützte Änderung der Reihenfolge seiner Vornamen versagen zu können.

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Nach alledem wäre auch bei einer Revisionsentscheidung bis zum 31. Oktober 2018 wegen des Erfolgs des Hauptantrags über den Hilfsantrag nicht zu entscheiden gewesen. Auch in diesem Falle hätte die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits nach § 154 Abs. 1 VwGO tragen müssen.

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Die Festsetzung des Streitwerts für das Revisionsverfahren beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2 GKG.