Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 15.05.2015


BVerwG 15.05.2015 - 6 B 53/14

Amateurfunk - Störung durch Powerlinenetz


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
6. Senat
Entscheidungsdatum:
15.05.2015
Aktenzeichen:
6 B 53/14
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, 3. Juli 2014, Az: 1 S 234/11, Urteil
Zitierte Gesetze

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 3. Juli 2014 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens, einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1

Der Kläger betreibt in seiner Mannheimer Wohnung Funk-, Sende- und Empfangssysteme für Amateurfunk und Kurzwellenrundfunk. Die Beigeladene unterhält in Mannheim ein Netz nach der Powerline-Communications-Technologie (PLC), das den angeschlossenen Nutzern den Internetzugang über die Stromleitungen ermöglicht. Der Kläger macht geltend, von der Inanspruchnahme der Stromleitungen durch die Beigeladene gingen elektromagnetische Störungen aus, die die Nutzung von Kurzwellenrundfunk- und Amateurfunkdiensten in seiner Wohnung beeinträchtigten. Er fordert von der Beklagten, zur Sicherung einer ungestörten Nutzung dieser Dienste geeignete Maßnahmen gegenüber der Beigeladenen anzuordnen.

2

Die Beklagte führte Messungen durch und lehnte im Ergebnis ein Einschreiten nach den Bestimmungen des Gesetzes über die elektromagnetische Verträglichkeit von Betriebsmitteln (EMVG) vom 26. Februar 2008 (BGBl. I S. 220) ab. Die von dem Kläger erhobene Klage auf Verpflichtung der Beklagten zum Einschreiten gegenüber der Beigeladenen hat das Verwaltungsgericht mit der Begründung abgewiesen, die Beklagte habe durch ihr Nichteinschreiten unabhängig von einer etwaigen, durch den Betrieb des PLC-Netzes der Beigeladenen verursachten Beeinträchtigung des Klägers das Ermessen nicht verletzt, das ihr von sämtlichen für ein Einschreiten in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen eingeräumt werde. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Der Kläger könne insbesondere ein Vorgehen der Beklagten auf der Grundlage von § 14 Abs. 6 Satz 2 Nr. 4 EMVG nicht verlangen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme - das Berufungsgericht hat sich vor allem auf ein eingeholtes Sachverständigengutachten gestützt - stehe mit hinreichender Sicherheit fest, dass von der PLC-Anlage der Beigeladenen keine erheblichen elektromagnetischen Störungen ausgingen, die die in Rede stehenden Nutzungen des Klägers mehr als nur unerheblich beeinträchtigten. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.

II

3

Die auf die Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (1.) und des Verfahrensmangels im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (2.) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

4

1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Eine grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang höchstrichterlich ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist. Aus den Darlegungen der Beschwerde ergibt sich nicht, dass diese Voraussetzungen hier erfüllt sind.

5

a) Der Kläger möchte grundsätzlich geklärt wissen,

"ob die Anordnung von Maßnahmen für das Betreiben von Betriebsmitteln nach § 14 Abs. 6 Satz 2 Nr. 4 EMVG zum Schutz des bestimmungsgemäßen Betriebs des Amateurfunkdienstes nur zulässig ist, wenn die von den Betriebsmitteln ausgehenden elektromagnetischen Störungen die Grenzwerte der Störfeldstärke nach Anlage 2 zu § 3 Abs. 1 SchuTSEV überschreiten, sowie

ob ein Anspruch eines Funkamateurs auf Einschreiten der Bundesnetzagentur nur dann bestehen kann, wenn die festzustellenden elektromagnetischen Störungen die Grenzwerte der Störfeldstärke nach Anlage 2 zu § 3 Abs. 1 SchuTSEV überschreiten."

6

Diesen Fragen kommt die grundsätzliche Bedeutung, die ihnen der Kläger beimisst, nicht zu. Zwar hat der von dem Verwaltungsgerichtshof beauftragte Sachverständige - auf der Grundlage einer entsprechenden Verständigung der Beteiligten (UA S. 14) - die Beweiserhebung durch Messungen der Störfeldstärke nach den Anlagen 2 und 3 der Verordnung zum Schutz von öffentlichen Telekommunikationsnetzen und Sende- und Empfangsfunkanlagen, die in definierten Frequenzbereichen zu Sicherheitszwecken betrieben werden (Sicherheitsfunk-Schutzverordnung - SchuTSEV) vom 13. Mai 2009 (BGBl. I S. 1060), durchgeführt. Auch hat sich der Verwaltungsgerichtshof in seinen Erwägungen zu § 14 Abs. 6 Satz 2 Nr. 4 EMVG auf die in der Sicherheitsfunk- Schutzverordnung definierten Grenzwerte bezogen und dargelegt, dass den von dem Sachverständigen festgestellten Überschreitungen dieser Grenzwerte bei zwölf Frequenzen keine Relevanz zukomme (UA S. 30 f., 32). Hierauf hat der Verwaltungsgerichtshof indes seine Entscheidung nicht allein gestützt. Er hat vielmehr selbständig tragend darauf abgestellt, dass auch für die unterhalb der Erheblichkeitsschwelle nach der Sicherheitsfunk-Schutzverordnung liegenden Störungen eine Ursächlichkeit des PLC-Systems der Beigeladenen mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden könne, weil der Sachverständige PLC- typische Störmuster, die er zuvor labormäßig untersucht habe und die in der Vergangenheit auch von der PLC-Anlage der Beigeladenen ausgegangen seien, nun nicht mehr habe feststellen können (UA S. 29 f., 31 f.). Gegen diese tatsächliche Feststellung des Berufungsgerichts bringt der Kläger durchgreifende Verfahrensrügen nicht vor (vgl. dazu unter 2.) und verhält sich zu ihr auch in dem hier in Rede stehenden Zusammenhang nicht. Dies schließt eine Zulassung der Grundsatzrevision aus. Ist nämlich eine angegriffene Entscheidung auf mehrere selbstständig tragende Begründungen gestützt, kann die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Revisionszulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt. Wenn nur für eine Begründung ein Zulassungsgrund eingreift, kann diese Begründung hinweggedacht werden, ohne dass sich der Ausgang des Verfahrens ändert. Weder beruht dann das vorinstanzliche Urteil auf der hinwegdenkbaren Begründung, noch ist die Klärung mit ihr etwa zusammenhängender Grundsatzfragen in einem Revisionsverfahren zu erwarten (BVerwG, Beschlüsse vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 15, vom 6. Mai 2010 - 6 B 84.09 - juris Rn. 6 und vom 4. Oktober 2013 - 6 B 13.13 - Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 181 Rn. 20).

7

b) Hieraus folgt zugleich, dass auch die von dem Kläger weiter als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage,

"ob die Grenzwerte nach Anlage 2 zu § 3 Abs. 1 SchuTSEV im Rahmen der Prüfung der Befugnisse der Bundesnetzagentur zum Einschreiten nach Art. 15.12 § 8 der Vollzugsordnung Funk anzuwenden sind",

die Zulassung der Grundsatzrevision nicht rechtfertigen kann. Der Verwaltungsgerichtshof hat - unabhängig von der Frage, ob sich der Kläger überhaupt auf die genannte Norm berufen kann - eine Verursachung etwaiger Störungen durch das PLC-System der Beigeladenen mit hinreichender Sicherheit für ausgeschlossen erachtet und für diesen Schluss auf seine die Entscheidung jeweils selbstständig tragenden Erwägungen zu § 14 Abs. 6 Satz 2 Nr. 4 EMVG verwiesen (UA S. 37). Dem trägt der Kläger mit seiner Beschwerdebegründung hier ebenso wenig wie dort Rechnung.

8

c) Nichts anderes gilt, soweit der Kläger eine grundsätzliche Bedeutung mit der Frage verbindet,

"ob eine lediglich punktuelle elektromagnetische Störung ein Einschreiten der Bundesnetzagentur rechtfertigen kann, wenn neben der gestörten Frequenz weitere Frequenzen zur Nutzung für den Amateurfunkdienst zur Verfügung stehen."

9

Auch soweit der Verwaltungsgerichtshof die von dem Kläger mit dieser Frage in Bezug genommene, als nur punktuell bewertete Störung bei einer Frequenz festgestellt hat, hat er - von dem Kläger wiederum unbeachtet - durch eine für sich allein entscheidungstragende weitere Erwägung die Verursachung dieser Störung durch das PLC-System der Beigeladenen mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen (UA S. 32).

10

d) Schließlich fehlt es auch den von dem Kläger formulierten Fragen,

"ob es an der für die Zulässigkeit der Klage nach § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO analog erforderlichen Kontinuität der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse fehlen kann, wenn der begehrte Verwaltungsakt wegen einer fehlenden Grenzwertüberschreitung abgelehnt und auch im Rahmen der gerichtlichen Beweiswürdigung keine Grenzwertüberschreitung festgestellt wurde sowie

ob die Erklärung einer Behörde, künftig auf der Grundlage der geltenden gesetzlichen Bestimmungen tätig zu werden, zu einem Wegfall des Weiterverfolgungsinteresses (§ 113 Abs. 1 S. 4 VwGO analog) führen kann",

an einer grundsätzlichen Bedeutung. Die Fragen sind einerseits ersichtlich auf die Umstände des von dem Verwaltungsgerichtshof entschiedenen Einzelfalls bezogen, andererseits durch eine nicht eingrenzbare Pauschalität gekennzeichnet und damit einer Klärung in einem Revisionsverfahren insgesamt nicht fähig.

11

2. Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichtshofs leidet nicht an dem von dem Kläger geltend gemachten Verfahrensfehler in Gestalt einer Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO.

12

Der Kläger sieht einen Aufklärungsmangel darin begründet, dass der Verwaltungsgerichtshof in der mündlichen Verhandlung vom 3. Juli 2014 die Ziffern 2 und 3 seines Beweisbeschlusses vom 18. September 2012 aufgehoben habe, dass das Berufungsgericht den von ihm, dem Kläger, gestellten Antrag abgelehnt habe, gegenüber der Beigeladenen die erforderlichen Anordnungen nach § 15 EMVG zu treffen, um den erforderlichen Ein-Aus-Vergleich (nach Deaktivierung des PLC-Systems der Beigeladenen) durchführen zu können und dass dem eingeholten Sachverständigengutachten Verstöße gegen wesentliche Vorgaben der Messvorschriften nach Anlage 3 zu § 3 Abs. 1 SchuTSEV zu Grunde lägen. Der Verwaltungsgerichtshof habe dadurch, dass er von dem in dem Beweisbeschluss vom 18. September 2012 vorgesehenen schrittweisen Vorgehen - Feststellung von Störungen in den für die Rundfunk- und Amateurfunknutzung relevanten Frequenzbereichen, Feststellung elektromagnetischer Ausstrahlungen der PLC-Technik der Beigeladenen und Prüfung der Störungskausalität dieser Ausstrahlungen - abgerückt sei und auf die von dem Sachverständigen im Wege des Laborversuchs gewonnenen Ergebnisse abgestellt habe, in unzulässiger, die genannten Messvorschriften nicht beachtender Weise die Beweiswürdigung vorweggenommen.

13

Der Kläger trägt hierzu umfänglich vor. Er bewertet dabei jedoch im Ergebnis nur den Inhalt der Beweiswürdigung des Berufungsgerichts und verfehlt die Anforderungen, denen eine Verfahrensrüge gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO in formeller Hinsicht genügen muss.

14

Die Rüge einer Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht erfordert die substantiierte Darlegung, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiellrechtlichen Auffassung des Berufungsgerichts aufklärungsbedürftig waren, welche für erforderlich und geeignet gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht kamen, welche tatsächlichen Feststellungen dabei voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern diese unter Zugrundelegung der materiellrechtlichen Auffassung des Tatsachengerichts zu einer für den Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätten führen können. Weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen (stRspr, vgl. zuletzt: BVerwG, Beschluss vom 4. März 2015 - 6 B 39.14 - juris Rn. 23).

15

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Gründe benannt, die ihn in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen von der Durchführung eines zunächst für erforderlich gehaltenen Ein-Aus-Vergleichs absehen ließen. Es war zum einen der Umstand, dass der Sachverständige im Labor die jedenfalls außerhalb sog. Notches auftretenden PLC-typischen Störgeräusche identifiziert hatte, die nach der auf die Angaben des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung gestützten Einschätzung des Berufungsgerichts auf Grund des akustischen Eindrucks auch ohne einen Ein-Aus-Vergleich eine PLC-Zuordnung erlaubten. Es war zum anderen die Feststellung, dass in der Vergangenheit derartige Störgeräusche von der PLC-Anlage der Beigeladenen ausgegangen waren, aber nunmehr von dem Sachverständigen nicht mehr erkannt werden konnten (UA S. 29 f., 31 f.). Weshalb vor diesem Hintergrund eine weitere Beweiserhebung hätte geboten sein sollen und auf welche Weise diese zu einer für den Kläger günstigeren Entscheidung hätte führen können, ergibt sich aus der Beschwerdebegründung des Klägers nicht.

16

3. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstands beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG.