Entscheidungsdatum: 22.07.2010
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 26. November 2008 - 1 Sa 1120/08 - aufgehoben.
2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 18. Juni 2008 - 6 Ca 3942/07 - wird zurückgewiesen.
3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Die Parteien streiten noch über die Höhe des dem Kläger für die Jahre 2004 bis 2006 für sein drittes Kind zustehenden Familienzuschlags.
Der Kläger ist verheiratet und hat drei unterhaltsberechtigte Kinder. Er war aufgrund eines Dienstvertrags vom 17. Mai 1990 ab Juli 1990 Dienstordnungsangestellter der Allgemeinen Ortskrankenkasse E (AOK-E). Mit Wirkung ab Juli 1993 wurde ihm die Planstelle eines Verwaltungsamtsrates übertragen. Seitdem erfolgt die Besoldung des Klägers nach Besoldungsgruppe A 12 BBesO. Die AOK-E fusionierte zum 1. April 1994 mit anderen Ortskrankenkassen zur AOK R - Die Gesundheitskasse (AOK-R). Diese trat in die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis ein. Der Kläger wurde der Dienstordnung für die Angestellten der AOK-R vom 28. Februar 1994 (DO AOK-R) unterstellt. Nach dem Zusammenschluss der AOK-R mit der AOK H zur Beklagten wurde bisher keine neue Dienstordnung beschlossen. In der DO AOK-R idF des am 1. Januar 1999 in Kraft getretenen 3. Nachtrags vom 7. September/7. Dezember 1998 heißt es ua.:
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„§ 7 Besoldung |
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(1) |
Die Besoldung richtet sich nach der Besoldungsgruppe, die der Dienstvertrag festlegt; im übrigen nach den für die Landesbeamten geltenden Vorschriften. |
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… |
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§ 20 Anpassung an beamtenrechtliche Vorschriften |
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(1) |
Soweit nicht durch besondere gesetzliche Vorschriften oder in dieser Dienstordnung etwas anderes bestimmt ist, gelten für die Angestellten und die Versorgungsempfänger entsprechend oder sinngemäß die jeweiligen Vorschriften für Landesbeamte über: |
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… |
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h) |
die Verjährung von Besoldungs- und Versorgungsansprüchen |
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...“ |
Art. 5 des Gesetzes zur Anpassung der Besoldungs- und Versorgungsbezüge sowie zur Änderung besoldungs-, versorgungs- und dienstrechtlicher Vorschriften im Land Nordrhein-Westfalen vom 20. Dezember 2007 (GV NRW 2007, 750) regelt:
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„Artikel 5 |
Gesetz zur Anpassung des Familienzuschlags für dritte und weitere Kinder |
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§ 1 |
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Erhöhung des Familienzuschlags |
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Für die Beamtinnen und Beamten, Richterinnen und Richter im Geltungsbereich des Landesbesoldungsgesetzes sowie für die Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger des Landes, der Gemeinden, der Gemeindeverbände und der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts tritt an die Stelle der Zahl ‚230,58’ im ersten Satz nach der Tabelle für den Familienzuschlag in Anlage V des Bundesbesoldungsgesetzes in der am 31. August 2006 geltenden Fassung (Fassung der Bekanntmachung vom 6. August 2002 - BGBl. I S. 3020 -, zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 12. Juli 2006 - BGBl. I S. 1466 -), die Zahl ‚280,58’. |
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§ 2 |
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Inkrafttreten, Außerkrafttreten |
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Das Gesetz tritt mit Wirkung vom 1. Januar 2007 in Kraft. Es tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2011 außer Kraft.“ |
Mit Schreiben vom 8. Mai 2007 beantragte der Kläger für die Jahre 1999 bis 2006 die Zahlung eines erhöhten Familienzuschlags für sein drittes Kind und berief sich auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24. November 1998(- 2 BvL 26/91 ua. -) zur amtsangemessenen Alimentation von Beamten mit mehr als zwei unterhaltsberechtigten Kindern. Nach der Ablehnung seines Antrags durch die Beklagte verfolgte der Kläger seinen Anspruch mit seiner am 30. November 2007 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage weiter.
Der Kläger hat gemeint, da sich seine Besoldung gemäß § 7 Abs. 1 DO AOK-R nach der im Dienstvertrag festgelegten Besoldungsgruppe und im Übrigen nach den für die Landesbeamten geltenden Vorschriften richte, gelte die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24. November 1998 zur amtsangemessenen Alimentation von Beamten mit mehr als zwei unterhaltsberechtigten Kindern auch für ihn. Die Beklagte habe an ihn für die Jahre 1999 bis 2006 als Familienzuschlag für sein drittes Kind einen Betrag in Höhe von insgesamt 2.967,72 Euro brutto nachzuzahlen.
Der Kläger hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.967,72 Euro brutto zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit zu zahlen. |
Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, zwar hätten Beamte mit drei oder mehr unterhaltsberechtigten Kindern aufgrund der Gesetzeskraft des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 24. November 1998 Anspruch auf erhöhte kinderbezogene Besoldungsbestandteile. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gelte jedoch nicht für DO-Angestellte. Diese befänden sich in einem anderen Rechtssystem. Sie dürften im Gegensatz zu Beamten zB streiken. An Stelle des bei Beamten die amtsangemessene Besoldung sichernden Alimentationsprinzips gelte für DO-Angestellte grundsätzlich das „Do-ut-des-Prinzip“. Das Bundesverfassungsgericht habe im Beschluss vom 24. November 1998 auch ausdrücklich auf die Besonderheiten des Beamtenverhältnisses abgestellt. DO-Angestellte würden zudem Tarifbeschäftigten immer mehr gleichgestellt, zB bei leistungs- und erfolgsorientierten Zulagen. Etwaige Ansprüche des Klägers für die Zeit vor dem 1. November 2004 seien verjährt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und hat der Klage stattgegeben, soweit der Kläger für die Jahre 2004 bis 2006 einen weiteren Familienzuschlag für sein drittes Kind in Höhe von 815,88 Euro brutto beansprucht hat. Im Übrigen hat es die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte die vollständige Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Der Kläger beantragt, die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat dem Kläger zu Unrecht den von ihm für die Jahre 2004 bis 2006 beanspruchten weiteren Familienzuschlag für sein drittes Kind zugesprochen. Der Kläger hat seine Ansprüche für die Jahre 2004 bis 2006 erstmals im Jahr 2007 und damit nicht zeitnah geltend gemacht. Das Landesarbeitsgericht durfte der Klage deshalb nicht in Höhe eines Betrags von 815,88 Euro brutto stattgeben.
I. Der Anspruch des Klägers auf Zahlung eines weiteren Familienzuschlags für sein drittes Kind für die Jahre 2004 bis 2006 folgt an sich aus § 7 Abs. 1 DO AOK-R und dem verfassungsrechtlichen Gebot amtsangemessener Alimentation der Beamten. Da der Gesetzgeber trotz der ihm in den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 30. März 1977(- 2 BvR 1039/75 - und - 2 BvR 1045/75 - BVerfGE 44, 249) und vom 22. März 1990 (- 2 BvL 1/86 - BVerfGE 81, 363) gegebenen Handlungsaufträge die kinderbezogenen Besoldungsbestandteile von Beamten mit mehr als zwei unterhaltsberechtigten Kindern nicht bis zum 31. Dezember 1999 in einer mit dem Grundsatz der Alimentation vereinbaren Höhe festgesetzt hat, waren nach der vom Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 24. November 1998 (- 2 BvL 26/91 ua. - Rn. 72, BVerfGE 99, 300) gemäß § 35 BVerfGG getroffenen Vollstreckungsanordnung die Dienstherrn der Landesbeamten in Nordrhein-Westfalen verpflichtet, für das dritte und jedes weitere unterhaltsberechtigte Kind familienbezogene Besoldungsbestandteile in Höhe von 115 vH des durchschnittlichen sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs eines Kindes zu gewähren, und die Fachgerichte befugt, familienbezogene Gehaltsbestandteile nach diesem Maßstab zuzusprechen.
1. Allerdings war der Kläger kein Beamter, sondern DO-Angestellter und in den Jahren 2004 bis 2006 der DO AOK-R unterworfen. Dienstordnungen von Sozialversicherungsträgern sind dem öffentlichen Recht angehöriges, gesetzesvollziehendes autonomes Satzungsrecht, das kraft seiner Normenwirkung zwingend die Arbeitsverhältnisse der von der Dienstordnung erfassten Angestellten gestaltet, ohne dass es dazu übereinstimmender Willenserklärungen der Arbeitsvertragsparteien bedarf. Der Anstellungsvertrag hat nur die Wirkung, den Angestellten der Dienstordnung zu unterstellen. Ist die Unterstellung erfolgt, wirkt die Dienstordnung in ihrer jeweiligen Fassung gesetzesgleich auf das Dienstverhältnis ein(BAG 29. September 2004 - 10 AZR 88/04 - zu II 2 c aa der Gründe, ZTR 2005, 216).
2. Nach § 7 Abs. 1 DO AOK-R richtet sich die Besoldung der DO-Angestellten der Beklagten nach der Besoldungsgruppe, die der Dienstvertrag festlegt, und im Übrigen nach den für die Landesbeamten in Nordrhein-Westfalen geltenden Vorschriften.
a) Die Besoldung verheirateter Landesbeamter mit mehr als zwei unterhaltsberechtigten Kindern hat in Nordrhein-Westfalen vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Anpassung des Familienzuschlags für dritte und weitere Kinder am 1. Januar 2007(Art. 5 des Gesetzes zur Anpassung der Besoldungs- und Versorgungsbezüge sowie zur Änderung besoldungs-, versorgungs- und dienstrechtlicher Vorschriften im Land Nordrhein-Westfalen vom 20. Dezember 2007 - GV NRW 2007, 750) trotz mehrmaliger Anhebung der Familienzuschläge für dritte und weitere Kinder im Anschluss an den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24. November 1998 (- 2 BvL 26/91 ua. - BVerfGE 99, 300) in den Jahren 2004 bis 2006 nicht den Anforderungen des Alimentationsprinzips entsprochen (vgl. für das Jahr 1999 BVerwG 17. Dezember 2008 - 2 C 40.07 - NVwZ-RR 2009, 389 und für die Jahre 2000 bis 2004 BVerwG 17. Dezember 2008 - 2 C 42.08 - Rn. 11 mwN; Repkewitz RiA 2005, 273; aA Schaller RiA 2005, 112).
b) Der unmittelbar anspruchsbegründende Teil der Entscheidungsformel zu 2. des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 24. November 1998(- 2 BvL 26/91 ua. - BVerfGE 99, 300) steht nicht unter dem Vorbehalt, dass der Gesetzgeber „irgendwelche“ besoldungs-, sozial- und steuerpolitischen Maßnahmen getroffen hat, die (auch) der Förderung von Beamten mit mehr als zwei Kindern dienen (BVerwG 17. Juni 2004 - 2 C 34.02 - Rn. 25, BVerwGE 121, 91). Die Beklagte hat auch nicht behauptet, dass sich die Vollstreckungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts im Beschluss vom 24. November 1998 (- 2 BvL 26/91 ua. - aaO) dadurch erledigt hat, dass im Anschluss an den Beschluss der Familienzuschlag nach Anlage V des Bundesbesoldungsgesetzes für das dritte und jedes weitere zu berücksichtigende Kind durch Art. 9 § 2 des Gesetzes über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 1999 (Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 1999 - BBVAnpG 99) vom 19. November 1999 (BGBl. I S. 2198) um je 200 DM und durch Art. 5 des Gesetzes zur Neuordnung der Versorgungsabschläge vom 19. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1786) für das Jahr 2001 um je 203,60 DM erhöht worden ist (vgl. BVerwG 17. Juni 2004 - 2 C 34.02 - Rn. 24, aaO). Sie hat die Feststellung des Landesarbeitsgerichts, dass die Besoldung verheirateter Landesbeamter mit mehr als zwei unterhaltsberechtigten Kindern in den Jahren 2004 bis 2006 in Nordrhein-Westfalen nicht den Anforderungen des Alimentationsprinzips entsprochen hat, auch nicht mit Rügen angegriffen. Streit besteht nur darüber, ob der Umstand, dass der Gesetzgeber die kinderbezogenen Besoldungsbestandteile von Beamten mit mehr als zwei unterhaltsberechtigten Kindern trotz des Handlungsauftrags des Bundesverfassungsgerichts vom 24. November 1998 (- 2 BvL 26/91 ua. - BVerfGE 99, 300) nicht bis zum 31. Dezember 1999 in einer mit dem Grundsatz der Alimentation vereinbaren Höhe festgesetzt hat, bewirkt, dass nicht nur die Dienstherrn von Beamten, sondern auch die Arbeitgeber von DO-Angestellten, deren Besoldung sich nach den für die Landesbeamten geltenden Vorschriften richtet, nach der Vollstreckungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts verpflichtet waren, für das dritte und jedes weitere unterhaltsberechtigte Kind familienbezogene Besoldungsbestandteile nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts festzusetzen.
3. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Bezugnahme in § 7 Abs. 1 DO AOK-R auf die für die Landesbeamten geltenden Vorschriften entgegen der Auffassung der Beklagten nicht nur die vom Gesetzgeber selbst in einem formellen Gesetz festgelegten Besoldungsbestandteile erfasst, sondern auch eine die Besoldung von Beamten betreffende Vollstreckungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts.
a) Die Bestimmung spricht davon, dass sich die Besoldung im Übrigen nach den für die Landesbeamten geltenden Vorschriften richtet. Ihrem Wortlaut nach verweist sie damit für die Besoldung der DO-Angestellten nicht nur auf die für die Landesbeamten geltenden formellen Gesetze. Eine Vorschrift ist eine Anweisung, deren Befolgung erwartet wird(Duden Deutsches Universalwörterbuch 5. Aufl. Stichwort: „Vorschrift“). Nach diesem Verständnis ist auch eine normersetzende Interimsregelung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. zu diesem Begriff BVerwG 17. Juni 2004 - 2 C 34.02 - Rn. 18, BVerwGE 121, 91) jedenfalls dann eine Vorschrift iSv. § 7 Abs. 1 DO AOK-R, wenn sie konkret und verbindlich festlegt, in welcher Höhe den Beamten Besoldungsbestandteile zustehen, die Dienstherren zur Zahlung dieser Besoldungsbestandteile verpflichtet und die Fachgerichte ermächtigt, diese Besoldungsbestandteile zuzusprechen.
b) Diese Voraussetzungen erfüllt der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24. November 1998 (- 2 BvL 26/91 ua. - BVerfGE 99, 300), soweit er in der Entscheidungsformel zu 2. anordnet:
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„… |
Kommt der Gesetzgeber dem nicht nach, so gilt mit Wirkung vom 1. Januar 2000: |
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Besoldungsempfänger haben für das dritte und jedes weitere unterhaltsberechtigte Kind Anspruch auf familienbezogene Gehaltsbestandteile in Höhe von 115 v.H. des durchschnittlichen sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs eines Kindes, der sich nach Maßgabe der Gründe zu C. III. 3. errechnet.“ |
Insoweit hat der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts unter der genannten Voraussetzung gemäß § 31 Abs. 2 Satz 1 iVm. § 13 Nr. 11 BVerfGG Gesetzeskraft(BVerwG 17. Juni 2004 - 2 C 34.02 - Rn. 20, BVerwGE 121, 91). Er bringt gleichsam anstelle eines förmlichen Gesetzes die Rechtslage in Übereinstimmung mit den Anforderungen des Grundgesetzes.
4. Der Einwand der Beklagten, der Kläger befinde sich als DO-Angestellter in einem anderen Rechtssystem als ein Landesbeamter, hilft ihr nicht weiter. Das gilt auch für das Argument der Beklagten, DO-Angestellte würden in vielen Bereichen Tarifbeschäftigten immer mehr gleichgestellt. Es trifft zwar zu, dass DO-Angestellte der Sozialversicherungsträger trotz der weitgehend öffentlich-rechtlichen Ausgestaltung ihrer Anstellungsverhältnisse weder Beamte sind noch einen öffentlich-rechtlichen Status haben(BAG 20. Februar 2008 - 10 AZR 440/07 - Rn. 14 mwN, ZTR 2008, 323). Maßgebend ist jedoch, dass der Kläger nicht nach Tarifvertrag, sondern gemäß Dienstordnung angestellt wurde (BAG 29. September 2004 - 10 AZR 88/04 - zu II 2 a aa der Gründe, ZTR 2005, 216). In § 1 des Dienstvertrags vom 17. Mai 1990 haben die AOK-E und der Kläger vereinbart, dass dieser der Dienstordnung unterstellt wird. Daran hat sich seit der Anstellung des Klägers nichts geändert, wenn davon abgesehen wird, dass für ihn nunmehr die Dienstordnung der AOK-R gilt. Diese regelt das Arbeitsverhältnis normativ, verweist in § 7 Abs. 1 bezüglich der Besoldung auf die für die Landesbeamten geltenden Vorschriften und damit auch auf das Alimentationsprinzip. Das Alimentationsprinzip beruht auf den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG), die für DO-Angestellte nicht unmittelbar gelten, weil diese trotz der weitgehenden Annäherung ihrer Rechtsverhältnisse an das Beamtenrecht keine Beamte sind. Für die Beurteilung der Angemessenheit ihrer Bezüge gilt das Alimentationsprinzip jedoch entsprechend (st. Rspr., vgl. BAG 30. August 2005 - 3 AZR 391/04 - Rn. 24, AP BGB § 611 Dienstordnungs-Angestellte Nr. 77; Senat 15. November 2001 - 6 AZR 382/00 - zu II 1 der Gründe, BAGE 99, 348; BAG 25. April 1979 - 4 AZR 791/77 - BAGE 31, 381; 1. Juni 1983 - 5 AZR 82/81 - zu III 3 der Gründe). Dies ergibt sich aus den Bestimmungen der RVO. Nach § 351 Abs. 1 RVO wird für die von den Krankenkassen besoldeten Angestellten, die nicht nach Landesrecht staatliche oder gemeindliche Beamte sind, eine Dienstordnung aufgestellt. Diese enthält nach § 353 Abs. 1 Satz 1 RVO einen Besoldungsplan. Daraus wird ersichtlich, dass DO-Angestellte wie Beamte vergütet werden (BAG 30. August 2005 - 3 AZR 391/04 - Rn. 24, aaO). Auch die Bestimmungen in Art. VIII des Zweiten Gesetzes zur Vereinheitlichung und Neuregelung des Besoldungsrechts in Bund und Ländern (2. BesVNG) setzen die Geltung des Alimentationsprinzips für Dienstordnungsangestellte voraus (Senat 15. November 2001 - 6 AZR 382/00 - zu II 1 der Gründe, aaO). Nach Art. VIII § 1 Abs. 1 2. BesVNG haben bundesunmittelbare Körperschaften des öffentlichen Rechts im Bereich der Sozialversicherung bei der Aufstellung ihrer Dienstordnungen den Rahmen des Bundesbesoldungsgesetzes, insbesondere das für die Bundesbeamten geltende Besoldungs- und Stellengefüge einzuhalten und alle weiteren geld- und geldwerten Leistungen sowie die Versorgung im Rahmen und nach den Grundsätzen der für die Bundesbeamten geltenden Bestimmungen zu regeln. Für landesunmittelbare Körperschaften des öffentlichen Rechts im Bereich der Sozialversicherung gilt dies gemäß Art. VIII § 2 Abs. 1 Nr. 1 2. BesVNG mit der Maßgabe, dass an die Stelle des für Bundesbeamte geltenden Rechts das für Landesbeamte geltende Recht tritt (Senat 15. November 2001 - 6 AZR 382/00 - zu II 1 der Gründe, aaO).
5. Über die Höhe der vom Kläger für die Jahre 2004 bis 2006 beanspruchten weiteren Familienzuschläge für sein drittes Kind besteht kein Streit. Die Beklagte hat demzufolge auch die Feststellung des Landesarbeitsgerichts insoweit nicht angegriffen, als dem Kläger für diese Jahre weitere Familienzuschläge in Höhe von insgesamt 815,88 Euro brutto zustehen.
6. Das Landesarbeitsgericht hat auch zutreffend angenommen, dass die auf die Jahre 2004 bis 2006 bezogenen Ansprüche auf weitere Familienzuschläge, die der Kläger mit seiner am 30. November 2007 beim Arbeitsgericht eingegangen Klage geltend gemacht hat, gemäß § 20 Abs. 1 Buchst. h DO AOK-R iVm. §§ 195, 199 Abs. 1, 204 Abs. 1 BGB nicht verjährt sind.
7. Allerdings folgt aus der Regelung in § 7 Abs. 1 DO AOK-R nicht nur, dass DO-Angestellten der Beklagten ebenso wie Landesbeamten kraft der Vollstreckungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts im Beschluss vom 24. November 1998(- 2 BvL 26/91 ua. - Rn. 72, BVerfGE 99, 300) für das dritte und jedes weitere unterhaltsberechtigte Kind höhere als die gesetzlich geregelten familienbezogenen Besoldungsbestandteile zustehen. Die entsprechende Anwendung des Alimentationsprinzips auf die Rechtsverhältnisse von DO-Angestellten führt auch dazu, dass DO-Angestellte ebenso wie Beamte Ansprüche, die über die gesetzlich festgelegte Besoldung hinausgehen, zeitnah geltend machen müssen.
a) Das Bundesverfassungsgericht hat im Beschluss vom 24. November 1998(- 2 BvL 26/91 ua. - Rn. 71, BVerfGE 99, 300) eine allgemeine rückwirkende Behebung des Verfassungsverstoßes mit Blick auf die Besonderheiten des Beamtenverhältnisses nicht für geboten gehalten. Es hat angenommen, eine rückwirkende Behebung sei nur unter der Voraussetzung einer zeitnah erfolgten Geltendmachung des Anspruchs auf amtsangemessene Alimentation erforderlich.
b) Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteilen vom 13. November 2008(- 2 C 16.07 - NVwZ-RR 2009, 249), vom 17. Dezember 2008 (- 2 C 42.08 -) und vom 27. Mai 2010 (- 2 C 33.09 -) entschieden, dass das Erfordernis einer zeitnahen Geltendmachung von Ansprüchen, die über die gesetzlich vorgesehene Besoldung hinausgehen, auch für Ansprüche auf der Grundlage der Vollstreckungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts in dem Beschluss vom 24. November 1998 (- 2 BvL 26/91 ua. - Rn. 72, BVerfGE 99, 300) gilt. Es hat angenommen, die Fachgerichte dürften auf dieser Grundlage erhöhte Besoldung rückwirkend nur ab dem Jahr zusprechen, in dem der Beamte das Alimentationsdefizit erstmals gerichtlich oder durch Widerspruch geltend gemacht habe. Der Gesetzgeber dürfe - auch für die Vergangenheit - eine mit der Verfassung unvereinbare Rechtslage zwar nicht fortbestehen lassen. Dies schließe jedoch nicht aus, dass die mit einer solchen Heilung verbundenen Folgen für in der Vergangenheit entstandene Rechtsverhältnisse begrenzt werden könnten. Wenn das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 24. November 1998 (- 2 BvL 26/91 ua. - aaO) den Gesetzgeber von einer allgemeinen Korrektur für in der Vergangenheit liegende Zeiträume wegen der Besonderheiten des Beamtenverhältnisses enthoben habe, zeige sich daran das Gewicht, das das Bundesverfassungsgericht den Besonderheiten des Beamtentums beimesse. Die Gründe, die das Bundesverfassungsgericht veranlasst hätten, für jeweils in der Vergangenheit liegende Zeiträume eine Verpflichtung zur Korrektur des Verfassungsverstoßes für alle Beamten zu verneinen, gölten entsprechend für fachgerichtliche Entscheidungen auf der Grundlage der Vollstreckungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts. Das Erfordernis der rechtzeitigen Geltendmachung werde durch den Zweck der Alimentation nahe gelegt, die der Deckung eines gegenwärtigen Bedarfs diene. Bei Abwägung der gegenläufigen Interessen von Beamten und Dienstherrn sei es gerechtfertigt, Ansprüche auf Nachzahlung der Differenz zwischen gesetzlich vorgesehener und verfassungsrechtlich gebotener Besoldung erst ab dem Jahr zuzusprechen, in dem das Alimentationsdefizit erstmals geltend gemacht worden sei.
c) Diese in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts(vgl. zuletzt 27. Mai 2010 - 2 C 33.09 -) anerkannte zeitliche Begrenzung für Ansprüche auf der Grundlage der Vollstreckungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts in dem Beschluss vom 24. November 1998 (- 2 BvL 26/91 ua. - Rn. 72, BVerfGE 99, 300) gilt entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts auch für die Geltendmachung weiterer familienbezogener Besoldungsbestandteile durch DO-Angestellte, wenn sich ihre Besoldung nach den für die Beamten geltenden Vorschriften richtet.
aa) Dies ergibt sich schon daraus, dass es nach der Rechtsprechung des Senats(15. November 2001 - 6 AZR 382/00 - zu II 1 der Gründe, BAGE 99, 348) nicht zulässig ist, DO-Angestellten Leistungen zu gewähren, die nach beamtenrechtlichen Bestimmungen für Beamte nicht vorgesehen sind. Würden DO-Angestellte Beamten nur hinsichtlich des Inhalts ihrer Besoldungsansprüche, nicht aber auch in Bezug auf die Geltendmachung und zeitliche Begrenzung dieser Ansprüche gleichgestellt, wären sie gegenüber den Beamten bessergestellt. Ihnen könnte im Gegensatz zu den Beamten auch dann für vergangene Jahre die Differenz zwischen gesetzlich vorgesehener und verfassungsrechtlich gebotener Besoldung zugesprochen werden, wenn sie diese Ansprüche nicht zeitnah geltend gemacht haben.
bb) Dass eine solche Besserstellung nicht mit der entsprechenden Anwendung des Alimentationsprinzips vereinbar ist, wird auch aus § 20 Abs. 1 Buchst. h DO AOK-R deutlich. Diese Vorschrift ordnet an, dass für die Verjährung von Besoldungs- und Versorgungsansprüchen sinngemäß die Vorschriften für die Landesbeamten gelten. Zwar handelt es sich bei dem Erfordernis der zeitnahen Geltendmachung nicht um eine Verjährungsvorschrift. Dieses Erfordernis knüpft an die nicht rechtzeitige Geltendmachung aber ähnliche Rechtsfolgen. Nach § 214 Abs. 1 BGB ist der Schuldner berechtigt, die Leistung zu verweigern. Insoweit begrenzen Verjährungsvorschriften Ansprüche ähnlich wie das Erfordernis einer zeitnahen Geltendmachung.
cc) Die Unterschiede zwischen einem Beamtenverhältnis und dem Arbeitsverhältnis eines nach den Vorschriften für die Beamten besoldeten DO-Angestellten sind nicht von solcher Art und solchem Gewicht, dass sie bezüglich des Erfordernisses einer zeitnahen Geltendmachung gesetzlich nicht vorgesehener Besoldungsbestandteile eine Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten. Der Pflicht des Beamten, auf die Belastbarkeit des Dienstherrn und dessen Gemeinwohlverantwortung Rücksicht zu nehmen(BVerwG 13. November 2008 - 2 C 16.07 - NVwZ-RR 2009, 249; 27. Mai 2010 - 2 C 33.09 - Rn. 9, 14), entspricht die Verpflichtung des DO-Angestellten zur Rücksichtnahme auf die Interessen seines Arbeitgebers (§ 241 Abs. 2 BGB). Die Alimentation des DO-Angestellten ist ebenso wie die Alimentation eines Beamten der Sache nach die Befriedigung eines gegenwärtigen Bedarfs. Der DO-Angestellte kann deshalb ebenso wenig wie ein Beamter erwarten, dass er aus Anlass einer verfassungsrechtlich gebotenen Besoldungskorrektur gewissermaßen ohne eigenes Zutun nachträglich in den Genuss der Befriedigung eines womöglich jahrelang zurückliegenden Unterhaltsbedarfs kommt, den er selbst gegenüber seinem Arbeitgeber nicht zeitnah geltend gemacht hat.
8. Der Kläger hat nach den von ihm nicht mit Gegenrügen angegriffenen und damit bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts die gesetzlich nicht vorgesehenen, weiteren Familienzuschläge für sein drittes unterhaltsberechtigtes Kind erstmals mit Schreiben vom 8. Mai 2007 von der Beklagten verlangt. Er hat damit das Alimentationsdefizit für die Jahre 2004 bis 2006 erst nach Ablauf dieser Jahre und damit nicht zeitnah geltend gemacht mit der Folge, dass ihm die beanspruchten weiteren Familienzuschläge nicht zustehen.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
Fischermeier |
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