Entscheidungsdatum: 14.12.2016
Ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO ist auch unter Berücksichtigung der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG nicht gegeben, wenn ein etwaiger Eingriff in das Grundrecht aus Art. 10 GG im Rahmen der strategischen Fernmeldeüberwachung unverzüglich und folgenlos beseitigt worden ist und deshalb nicht mehr festgestellt werden kann (im Anschluss an das Urteil vom 28. Mai 2014 - 6 A 1.13 - BVerwGE 149, 359).
Der Kläger ist Rechtsanwalt. Er begehrt die Feststellung, dass der Bundesnachrichtendienst durch die im Jahr 2012 durchgeführte Überwachung des E-Mail-Verkehrs im Rahmen der strategischen Fernmeldeüberwachung nach § 5 G10 sein Fernmeldegeheimnis aus Art. 10 GG verletzt hat.
Der Kläger bezieht sich auf den Bericht des Parlamentarischen Kontrollgremiums vom 19. Dezember 2013, durch den dieses den Deutschen Bundestag gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 G10 über Beschränkungsmaßnahmen unter anderem nach § 5 G10 in dem Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2012 unterrichtete (BT-Drs. 18/218 S. 7 f.). Danach ordnete das Bundesministerium des Innern mit Zustimmung der G10-Kommission im Jahr 2012 zu drei der in § 5 Abs. 1 Satz 3 G10 bezeichneten Gefahrenbereiche Beschränkungsmaßnahmen an. Es handelte sich um die Gefahrenbereiche internationaler Terrorismus (§ 5 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 G10), Proliferation und konventionelle Rüstung (§ 5 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 G10) sowie illegale Schleusung (§ 5 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 G10). Für den Gefahrenbereich internationaler Terrorismus führte die Anordnung von 1 164 Suchbegriffen (76 inhaltliche und 1 088 formale) im ersten Halbjahr und 1 065 Suchbegriffen (88 inhaltliche und 977 formale) im zweiten Halbjahr dazu, dass sich 1 804 Telekommunikationsverkehre qualifizierten. Davon stammten 595 aus der E-Mail-Erfassung, 290 aus der Telefax-Erfassung, neun aus der Telex-Erfassung und 58 aus der Spracherfassung. Daneben wurden 816 Verkehrsdatensätze und 36 SMS-Nachrichten erfasst. Im Ergebnis wurden 137 der ausgesonderten Verkehre als nachrichtendienstlich relevant eingestuft. Im Gefahrenbereich Proliferation und konventionelle Rüstung hatte die Anordnung von 13 023 Suchbegriffen (1 432 inhaltliche und 11 591 formale) im ersten Halbjahr und 11 752 Suchbegriffen (1 432 inhaltliche und 10 320 formale) im zweiten Halbjahr die Qualifikation von 849 497 Telekommunikationsverkehren zur Folge, von denen 107 nachrichtendienstliche Relevanz aufwiesen. Im Gefahrenbereich illegale Schleusung wurden im ersten Halbjahr 282 und im zweiten Halbjahr 150 formale Suchbegriffe angeordnet, anhand derer sich 390 Telekommunikationsverkehre qualifizierten, wobei wiederum 44 Verkehren nachrichtendienstliche Relevanz zukam. Eine Aufgliederung nach der Betroffenheit der verschiedenen Arten der Telekommunikationsverkehre, wie sie der Bericht für den Gefahrenbereich des internationalen Terrorismus enthält, wird für die beiden anderen hier in Rede stehenden Gefahrenbereiche nicht ausgewiesen.
Der Kläger macht im Hinblick auf die Zulässigkeit der Feststellungsklage geltend, er habe 2012 über seinen der Überwachung unterliegenden Provider weit mehr als 1 000 E-Mails in das Ausland verschickt oder von dort erhalten. Er habe auf diese Weise Kontakt zu zahlreichen ausländischen Mandanten und Kollegen in dem von dem Bundesnachrichtendienst überwachten Gebiet gehabt. Bei dem Inhalt dieser E-Mails habe es sich vielfach um Angelegenheiten gehandelt, die der rechtsanwaltlichen Schweigepflicht unterlegen und sich auf technische Sachverhalte bezogen hätten. Angesichts der Vielzahl der bei der Überwachung verwandten Suchbegriffe, der hohen Zahl erzielter Treffer, die sich aus der Überprüfung einer weitaus höheren Anzahl von E-Mails ergeben hätten, und der weiten Ausdehnung des überwachten Gebiets sei es wahrscheinlich, dass seine (anwaltliche) E-Mail-Korrespondenz erfasst und auf nachrichtendienstliche Relevanz überprüft worden sei. Dies reiche vor dem Hintergrund der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG für die Annahme eines feststellungsfähigen konkreten Rechtsverhältnisses im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO aus. Die absolute Sicherheit einer persönlichen Betroffenheit dürfe wegen der Heimlichkeit und Anlasslosigkeit der mit der strategischen Fernmeldeüberwachung in großer Zahl einhergehenden Grundrechtseingriffe nicht gefordert werden. Der Kläger ist der Ansicht, seine Klage müsse in der Sache schon deshalb Erfolg haben, weil die Rechtsgrundlagen der strategischen Fernmeldeüberwachung verfassungswidrig seien. Jedenfalls habe die Überwachung in ihrer im Jahr 2012 angeordneten Gestalt auf der Anwendungsebene gegen das Übermaßverbot verstoßen.
Der Kläger beantragt,
festzustellen, dass der Bundesnachrichtendienst im Jahre 2012 sein Fernmeldegeheimnis verletzt hat, indem der Bundesnachrichtendienst im Zuge der strategischen Fernmeldeüberwachung nach § 5 Abs. 1 G10 für E-Mails Suchbegriffe in Art und Zahl so beantragt und E-Mails mit den angeordneten Suchbegriffen so durchsucht hat, dass mehr als 850 000 E-Mails mit Treffern ermittelt und der weiteren Bearbeitung zugeleitet wurden, ohne geeignete Vorkehrungen zu treffen, um zu vermeiden, dass E-Mails gelesen werden, die dem Anwaltsgeheimnis unterliegen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die Klage für unzulässig, jedenfalls aber für unbegründet.
Der Senat hat eine abgesonderte Verhandlung über die Zulässigkeit der Klage angeordnet und durchgeführt.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des von der Beklagten teilgeschwärzt vorgelegten Jahreshauptantrags gemäß § 5 G10 zum Gefahrenbereich des internationalen Terrorismus für das Jahr 2012 verwiesen.
Die Feststellungsklage ist unzulässig.
Zwar ist der Rechtsweg für das Begehren des Klägers, das sich auf die Rechtmäßigkeit der im Jahr 2012 durchgeführten strategischen Überwachung des E-Mail-Verkehrs nach § 5 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2, 3 und 7 des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10-Gesetz - G10) vom 26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1254, 2298), hier anwendbar in seiner zuletzt durch das Gesetz vom 7. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2576) geänderten Fassung, bezieht, nicht ausgeschlossen. Ferner ist die sachliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts nach § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO gegeben. In beiderlei Hinsicht kann uneingeschränkt auf die Ausführungen in dem Urteil vom 28. Mai 2014 - 6 A 1.13 - (BVerwGE 149, 359 Rn. 15 ff.) verwiesen werden, durch das der Senat eine die strategische Überwachung des E-Mail-Verkehrs nach § 5 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2, 3 und 7 G10 im Jahr 2010 betreffende Feststellungsklage des Klägers abgewiesen hat. Jedoch ist die Sachurteilsvoraussetzung eines feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO nicht erfüllt. Auch insoweit hält der Senat im Ergebnis an seiner Entscheidung in dem genannten Vorgängerverfahren fest.
Nach § 43 Abs. 1 VwGO feststellungsfähig ist ein Rechtsverhältnis, das sich auf einen konkreten, gerade den jeweiligen Kläger betreffenden Sachverhalt bezieht (1.). Ein Rechtsverhältnis in diesem Sinne wäre im vorliegenden Fall zu bejahen, wenn es im Zuge der in Rede stehenden Beschränkungsmaßnahmen nach § 5 G10 im Jahr 2012 zu einem Eingriff in das durch Art. 10 GG geschützte Fernmeldegeheimnis des Klägers gekommen wäre (2.). Indes ist ein solcher Eingriff nicht mehr feststellbar und damit ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis nicht gegeben, weil sich unter den E-Mails, die der Bundesnachrichtendienst im Jahr 2012 erfasst sowie als nachrichtendienstlich relevant eingestuft und gespeichert hat, kein E-Mail-Verkehr des Klägers befindet, und der Bundesnachrichtendienst ansonsten erfasste, aber nachrichtendienstlich belanglose E-Mails in rechtmäßiger Weise unverzüglich und vollständig gelöscht hat (3.). Der Beurteilung, dass aus diesem Grund eine zulässige Feststellungsklage nicht erhoben werden kann, steht die Garantie effektiven Rechtsschutzes in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG nicht entgegen. Diese Gewährleistung wird durch das auch grundrechtlich verankerte Gebot zur Löschung erfasster, aber für die Aufgabenerfüllung des Bundesnachrichtendienstes nicht erforderlicher E-Mails und die Bestimmungen des Artikel 10-Gesetzes zur erforderlichen Unterrichtung der von Beschränkungsmaßnahmen nach § 5 G10 Betroffenen in zulässiger Weise begrenzt (4.). Die damit verbundene Erschwerung des gerichtlichen Individualrechtsschutzes ist auch deshalb hinnehmbar, weil die G10-Kommission die Rechtmäßigkeit von Beschränkungsmaßnahmen nach § 5 G10 laufend und umfassend kontrolliert und dadurch einen kompensatorischen Grundrechtsschutz gewährleistet (5.).
1. Nach § 43 Abs. 1 VwGO kann durch eine auf Grund eines berechtigten Interesses legitimierte Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses - auch eines in der Vergangenheit liegenden - begehrt werden. Unter einem Rechtsverhältnis sind die rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt auf Grund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von natürlichen oder juristischen Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 23. August 2007 - 7 C 2.07 - BVerwGE 129, 199 Rn. 21). Die Beteiligten müssen über die Anwendung einer Rechtsnorm auf einen bestimmten, überschaubaren, gerade auch den jeweiligen Kläger betreffenden Sachverhalt streiten und dürfen den Verwaltungsgerichten nicht lediglich ab-strakte Rechtsfragen, die sich auf der Grundlage eines nur erdachten oder als möglich vorgestellten Sachverhalts stellen, zur Klärung vorlegen (vgl. zu dieser ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts seit dem Urteil vom 8. Juni 1962 - 7 C 78.61 - BVerwGE 14, 235 <236> die Nachweise in: BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2014 - 6 A 1.13 - BVerwGE 149, 359 Rn. 20 f.; aus dem Schrifttum ebenso: Sodan, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 43 Rn. 43 f.; Pietzcker, in: Schoch/Schneider/Bier
2. Greift der Bundesnachrichtendienst feststellbar auf einen Telekommunikationsverkehr in einer Weise zu, die als Eingriff in das durch Art. 10 GG geschützte Fernmeldegeheimnis zu qualifizieren ist, ist dies geeignet, rechtliche Beziehungen zwischen der Behörde und dem betroffenen Telekommunikationsteilnehmer im Sinne eines nach § 43 Abs. 1 VwGO feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses zu begründen (BVerwG, Urteile vom 23. Januar 2008 - 6 A 1.07 - BVerwGE 130, 180 Rn. 26 und vom 28. Mai 2014 - 6 A 1.13 - BVerwGE 149, 359 Rn. 23). Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem grundlegenden Urteil zur strategischen Fernmeldeüberwachung vom 14. Juli 1999 - 1 BvR 2226/94 u.a. - (BVerfGE 100, 313 <366 f.>) die Grenzen für den Tatbestand des Eingriffs in Art. 10 GG, der die Vertraulichkeit der Kommunikation schützen will, weit gezogen. Danach liegt in jeder Kenntnisnahme, Aufzeichnung und Verwertung von Kommunikationsdaten durch den Staat ein Grundrechtseingriff. Ein Eingriff ist danach schon die Erfassung selbst, insofern sie die Kommunikation für den Bundesnachrichtendienst verfügbar macht und die Basis des nachfolgenden Abgleichs mit den nach § 5 Abs. 1 und 2 G10 angeordneten Suchbegriffen bildet. An einem Eingriff fehlt es nur, soweit Fernmeldevorgänge zwischen deutschen Anschlüssen ungezielt und allein technikbedingt zunächst miterfasst, aber unmittelbar nach der Signalaufbereitung technisch wieder spurenlos ausgesondert werden. Die sich an die Erfassung anschließenden Informations- und Datenverarbeitungsprozesse - insbesondere der Abgleich mit den Suchbegriffen, die weitere Überprüfung durch Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes sowie die Aufbewahrung und Verwendung der als nachrichtendienstlich relevant eingestuften Daten - stellen weitere eigene Eingriffe in das Grundrecht aus Art. 10 GG dar. An diese von dem Bundesverfassungsgericht bei der Beurteilung der strategischen Fernmeldeüberwachung zu Grunde gelegte Definition des Eingriffs in Art. 10 GG ist der Senat gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG gebunden, zumal sie das Bundesverfassungsgericht später in anderem Zusammenhang wiederholt hat (BVerfG, Urteil vom 2. März 2010 - 1 BvR 256/08 u.a. - BVerfGE 125, 260 <309 f.>). Der Senat ist dementsprechend gehindert, an restriktivere Tendenzen anzuknüpfen, die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Hinblick auf die Umschreibung von Eingriffen in das in Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verankerte Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung bei der Erhebung und Filterung von Daten zur Gewinnung von Informationen erkennbar geworden sind (etwa: BVerfG, Beschluss vom 4. April 2006 - 1 BvR 518/02 - BVerfGE 115, 320 <343 f.>, Urteil vom 11. März 2008 - 1 BvR 2074/05 u.a. - BVerfGE 120, 378 <398 f.> vgl. dazu: BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 2014 - 6 C 7.13 - Buchholz 402.41 Allgemeines Polizeirecht Nr. 104 Rn. 26 ff.).
3. Zwischen den Beteiligten steht außer Streit, dass sich unter den insgesamt 288 Telekommunikationsverkehren, die der Bundesnachrichtendienst im Rahmen der im Jahr 2012 durchgeführten Beschränkungen nach § 5 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2, 3 und 7 G10 erfasst, als nachrichtendienstlich relevant eingestuft und weiterhin nachweisbar gespeichert hat, kein E-Mail-Verkehr des Klägers befindet. Der Bundesnachrichtendienst hat insoweit nicht in das Grundrecht des Klägers aus Art. 10 GG eingegriffen, so dass in dieser Hinsicht ein Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO nicht entstanden ist.
Zu einem derartigen Eingriff mit einer ein Rechtsverhältnis begründenden Wirkung wäre es ferner dann - noch - nicht gekommen, wenn sich ein E-Mail-Verkehr des Klägers unter den rein innerdeutschen Telekommunikationsverkehren befunden haben sollte, die ganz am Anfang des von dem Bundesnachrichtendienst bei der strategischen Fernmeldeüberwachung ins Werk gesetzten Erfassungsvorgangs, das heißt unmittelbar nach der Zuleitung des kopierten Rohdatenstroms aus dem von der Anordnung einer Beschränkungsmaßnahme erfassten Übertragungsweg automatisch spurenlos ausgesondert und sofort gelöscht worden sind. Allein technisch bedingte und umgehend neutralisierte Erfassungen dieser Art haben nach ausdrücklicher Maßgabe des Bundesverfassungsgerichts nicht den Charakter von Eingriffen in das Fernmeldegeheimnis.
Nicht ausgeschlossen werden kann demgegenüber zum einen, dass sich ein E-Mail-Verkehr des Klägers in dem von dem Bundesnachrichtendienst erfassten, von rein innerdeutschen Telekommunikationsverkehren bereinigten Strom von Daten befunden hat, der anhand der angeordneten Suchbegriffe automatisch durchsucht worden ist, ohne sich bei dieser Durchsuchung als sogenannter Treffer zu qualifizieren. Nicht auszuschließen ist zum anderen, dass sich ein E-Mail-Verkehr des Klägers bei dem automatischen Durchlauf der Suchbegriffe als Treffer qualifiziert hat, sich dann jedoch bei der unverzüglichen Prüfung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 G10 durch Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes als nachrichtendienstlich irrelevant erwiesen hat. In dem einen wie dem anderen Fall wäre der durch einen Eingriff in das Grundrecht des Klägers aus Art. 10 GG erfasste E-Mail-Verkehr von dem Bundesnachrichtendienst sofort ausgesondert sowie unverzüglich und vollständig gelöscht worden, wie dies mit allen nachrichtendienstlich irrelevanten E-Mails geschehen ist.
Diese Löschung wäre in rechtmäßiger Weise vorgenommen worden. Schon unmittelbar aus dem Grundrecht des Art. 10 GG und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergibt sich das auch in der speziellen Regelung des § 6 Abs. 1 Satz 2 G10 normierte Erfordernis, dass Daten, die aus Eingriffen in das Fernmeldegeheimnis stammen, sogleich gelöscht werden, sobald sie für die den Eingriff rechtfertigenden Zwecke nicht mehr erforderlich sind (BVerfG, Urteil vom 14. Juli 1999 - 1 BvR 2226/94 u.a. - BVerfGE 100, 313 <400>; ebenso mit Bezug auf Art. 13 Abs. 1 GG: BVerfG, Urteil vom 3. März 2004 - 1 BvR 2378/98 u.a. - BVerfGE 109, 279 <380>; vgl. zu Art. 8 EMRK: EGMR, Entscheidung vom 29. Juni 2006 - Nr. 54934/00, Weber und Saravia/Deutschland - Rn. 132; EGMR
Weil der Bundesnachrichtendienst seiner Verpflichtung zur Löschung der im Rahmen der strategischen Fernmeldeüberwachung erfassten, aber für seine Aufgabenerfüllung nicht erforderlichen E-Mail-Verkehre nachgekommen ist, hätte er auch einen etwaigen Eingriff in das Grundrecht des Klägers aus Art. 10 GG unverzüglich und folgenlos beseitigt. Ein derartiger Eingriff ist, sofern er stattgefunden hat, nicht mehr feststellbar. Dementsprechend ist ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO nicht gegeben.
4. Die Garantie effektiven Rechtsschutzes in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gebietet keine andere Beurteilung. Zwar fordert diese grundsätzlich die Möglichkeit Grundrechtseingriffe gerichtlich nachprüfen zu lassen. Die verfassungsrechtliche Rechtsschutzgarantie erfährt durch die dargestellte Verpflichtung des Bundesnachrichtendienstes zur Datenlöschung in ihrem durch § 6 Abs. 1 Satz 6 G10 geregelten Zusammenspiel mit den in § 12 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 G10 geregelten Maßgaben für die behördliche Pflicht zur Unterrichtung der von Beschränkungsmaßnahmen nach § 5 G10 Betroffenen jedoch eine verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Begrenzung. Denn diese gesetzliche Regelung verhindert im Ergebnis eine Perpetuierung von Grundrechtseingriffen.
Das - auch grundrechtlich verankerte - Gebot zur Löschung von für die behördliche Aufgabenerfüllung nicht (mehr) erforderlichen Daten muss im Hinblick auf eine in Frage kommende gerichtliche Kontrolle staatlicher Informations- und Datenverarbeitungsmaßnahmen mit der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG so abgestimmt werden, dass der Rechtsschutz nicht unterlaufen oder vereitelt wird (BVerfG, Urteile vom 14. Juli 1999 - 1 BvR 2226/94 u.a. - BVerfGE 100, 313 <364 f., 400> und vom 3. März 2004 - 1 BvR 2378/98 u.a. - BVerfGE 109, 279 <380>). Diese Abstimmung wird für den Bereich der strategischen Fernmeldeüberwachung durch die genannten Vorschriften des Artikel 10-Gesetzes in nicht zu beanstandender Weise sichergestellt.
Gemäß § 12 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 G10 sind Beschränkungsmaßnahmen nach § 5 G10 grundsätzlich nach ihrer Einstellung dem Betroffenen mitzuteilen. Nach § 12 Abs. 2 Satz 1 G10 gilt dies jedoch dann nicht, wenn die personenbezogenen Daten unverzüglich gelöscht wurden. Durch diese Regelung wird eine Mitteilungspflicht für alle diejenigen Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis ausgeschlossen, die von der Erfassung des von rein innerdeutschen Telekommunikationsverkehren bereinigten Rohdatenstroms bis einschließlich der Prüfung der durch die angeordneten Suchbegriffe generierten Treffer auf nachrichtendienstliche Relevanz stattfinden. Mit dem derart umschriebenen Regelungsgehalt trägt die Vorschrift den Vorgaben Rechnung, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zur strategischen Fernmeldeüberwachung aus dem Jahr 1999 zu der Mitteilungsregelung in § 3 Abs. 8 G10 a.F. aufgestellt hat.
Nach diesen Vorgaben entspricht es im Grundsatz sowohl dem Erfordernis eines effektiven Schutzes des Grundrechts aus Art. 10 GG als auch einem aus der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG ableitbaren Gebot, dass die von heimlichen Maßnahmen der strategischen Fernmeldeüberwachung Betroffenen nachträglich hierüber informiert werden, weil sie ohne eine solche Mitteilung, sofern sie nicht auf andere Weise von der Erfassung ihres Telekommunikationsverkehrs erfahren haben, weder die Unrechtmäßigkeit der Eingriffe in ihr Fernmeldegeheimnis noch etwaige Rechte auf Löschung oder Berichtigung geltend machen können. Gesetzliche Einschränkungen der Mitteilungspflicht sind jedoch nach Art. 10 Abs. 2 Satz 1 GG und in Ausgestaltung des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG nicht ausgeschlossen. Angesichts der großen Zahl von Erfassungen und des Umstandes, dass das gewonnene Material sich in weitem Umfang als irrelevant erweist und alsbald vernichtet wird, kann ein Verzicht auf die Mitteilung gerechtfertigt sein, wenn die erfassten Daten ohne weitere Schritte sogleich als irrelevant vernichtet worden sind (BVerfG, Urteil vom 14. Juli 1999 - 1 BvR 2226/94 u.a. - BVerfGE 100, 313 <361, 364, 397 ff.>; der Einschätzung nach dem Maßstab des Art. 8 EMRK im Ergebnis zustimmend: EGMR, Entscheidung vom 29. Juni 2006 - Nr. 54934/00, Weber und Saravia/Deutschland - Rn. 135 ff.). Auch wenn das Bundesverfassungsgericht hiernach eine Datenvernichtung ohne weitere Schritte verlangt, bezieht es sich doch auf eine Vernichtung der Daten als irrelevant und setzt damit eine vorherige Relevanzprüfung voraus. Erst bei einer weiteren und die Betroffenen stärker belastenden Verwendung der erhobenen Daten sieht es die Grenze für einen gesetzlich angeordneten Verzicht auf eine Mitteilung erreicht.
Diese Maßgaben für die Zulässigkeit einer Einschränkung der Mitteilungspflicht hat das Bundesverfassungsgericht in seiner späteren Rechtsprechung zur unbemerkten Erhebung und Verarbeitung von Telekommunikationsdaten bekräftigt. In diesem Zusammenhang könne es in großem Umfang Personen geben, deren Daten nur zufällig miterfasst worden seien und die selbst nicht im Fokus behördlichen Handelns gestanden hätten. In Bezug auf diese Personen müsse das kurzfristige Bekanntwerden von Daten nicht mit der Hinterlassung von Spuren oder mit Folgen für die Betroffenen verbunden gewesen sein. Deshalb könne im Hinblick auf die von einer Benachrichtigung im Einzelfall ausgehenden Vertiefung des Grundrechtseingriffs eine Benachrichtigung auch ohne eine richterliche Bestätigung grundsätzlich schon dann unterbleiben, wenn die Betroffenen von der Maßnahme nur unerheblich berührt worden seien und anzunehmen sei, dass sie kein Interesse an der Benachrichtigung hätten (BVerfG, Urteil vom 2. März 2010 - 1 BvR 256/08 u.a. - BVerfGE 125, 260 <337>, Beschluss vom 12. Oktober 2011 - 2 BvR 236/08 u.a. - BVerfGE 129, 208 <251>).
Diese Voraussetzungen durfte der Gesetzgeber nach der von ihm zu Grunde zu legenden generalisierenden Sichtweise für die hier in Rede stehenden Fallgestaltungen als erfüllt ansehen. Bei der strategischen Fernmeldeüberwachung nach § 5 G10 werden zwar die Telekommunikationsverkehre nicht in einem strengen Sinne nur zufällig miterfasst, denn die Beschränkungsmaßnahmen haben gerade zum Ziel, aus sehr vielen erfassten Verkehren wenige Informationen herauszufiltern. Die Beschränkungen richten sich jedoch - abgesehen von der hier nicht entscheidungserheblichen Überwachung eines Auslandsanschlusses nach § 5 Abs. 2 Satz 3 G10 - nicht gezielt gegen einzelne Personen. Ihr Charakter ist nicht primär personenbezogen, sondern sachbezogen (BVerwG, Urteil vom 23. Januar 2008 - 6 A 1.07 - BVerwGE 130, 180 Rn. 27). Bei den unverzüglich durchgeführten Prüfungen der erfassten Telekommunikationsverkehre auf nachrichtendienstliche Relevanz in Gestalt des automatischen Abgleichs mit den angeordneten Suchbegriffen und der anschließenden Kontrolle durch Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes verbleiben die betroffenen Personen gewissermaßen verborgen im Hintergrund. Sie müssten, damit ihnen die durchgeführten Beschränkungen mitgeteilt werden könnten, durch nicht auf Einzelfälle begrenzbare Maßnahmen erst in den Lichtkegel einer näheren Untersuchung gezogen werden, die durch den Zweck der strategischen Fernmeldeüberwachung in keiner Weise veranlasst wäre. Hierzu müssten sehr große Mengen von Daten, die ansonsten sofort gelöscht werden könnten, über beachtliche Zeiträume gespeichert werden. Alles dies würde für eine unüberschaubare Zahl von Personen Grundrechtseingriffe, die in dem betroffenen Stadium der Relevanzprüfung eine nur geringe Intensität aufweisen, erheblich vertiefen.
Nach § 6 Abs. 1 Satz 6 G10 unterbleibt die Löschung von Daten außer in den Fällen der erstmaligen Relevanzprüfung im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 G10, soweit die Daten für eine Mitteilung nach § 12 Abs. 2 G10 oder für eine gerichtliche Nachprüfung der Rechtmäßigkeit der Beschränkungsmaßnahmen von Bedeutung sein können. Die in dieser Vorschrift normierte, mit Blick auf die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gebotene gesetzliche Ausnahme von der ansonsten bestehenden Pflicht zur Löschung nicht mehr benötigter Daten beginnt dort, wo die den Rechtsschutz regelmäßig erst ermöglichende Mitteilungspflicht nach § 12 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 G10 einsetzt, nämlich bei einer Aufbewahrung erhobener Daten über den Zeitpunkt der unverzüglichen Prüfung ihrer Relevanz hinaus. Ebenso wenig wie es vor dem Hintergrund des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG zu beanstanden ist, dass die vor dem besagten Zeitpunkt liegenden Stadien eines Eingriffs in Art. 10 GG nicht der Mitteilungspflicht unterliegen, bestehen aus Gründen der verfassungsrechtlichen Rechtsschutzgarantie Bedenken dagegen, dass die entsprechenden Daten unverzüglich gelöscht werden. Während nämlich die Mitteilung dem Betroffenen die für die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes notwendige Kenntnis von den Beschränkungsmaßnahmen verschafft, sichert die Aufbewahrung der Daten das Beweismaterial für eine gerichtliche Prüfung. Demgegenüber ist der Gesetzgeber, soweit er ein Absehen von der rechtsschutzermöglichenden Mitteilung vorsehen darf, auch nicht gehalten, Beweissicherung für ein etwaiges Gerichtsverfahren zu betreiben.
Aus dem beschriebenen Zusammenhang der Pflicht zur nachträglichen Mitteilung von Beschränkungsmaßnahmen und dem Unterbleiben einer Löschung von Daten ergibt sich ferner, dass auch die Regelungen in § 5 Abs. 2 Satz 6 und § 6 Abs. 1 Satz 5 G10 über die Löschung von Protokolldaten am Ende des auf die Protokollierung folgenden Kalenderjahres - im vorliegenden Fall des Jahres 2013 - mit der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG vereinbar sind. Sofern das Bundesverfassungsgericht vergleichbare Löschungsregelungen wegen der Kürze der Protokollaufbewahrungsfrist beanstandet hat, betraf dies nur Konstellationen, in denen - anders als hier - eine uneingeschränkte Mitteilungspflicht bestand (BVerfG, Urteil vom 20. April 2016 - 1 BvR 966/09 u.a. - NJW 2016, 1781 Rn. 205, 246, 269 i.V.m. Rn. 138 und 272).
5. Die Erschwerung des Individualrechtsschutzes, die sich aus den beschriebenen Bestimmungen des Artikel 10-Gesetzes ergibt und schon wegen der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelungen keinen Bedenken unterliegt, wird überdies durch den Grundrechtsschutz kompensiert, der aus der Kontrolltätigkeit der G10-Kommission erwächst.
Die G10-Kommission entscheidet nach § 15 Abs. 5 G10 i.V.m. § 1 Abs. 2 G10 von Amts wegen oder auf Grund von Beschwerden über die Zulässigkeit und Notwendigkeit von Beschränkungsmaßnahmen. Ihre Kontrollbefugnis erstreckt sich auf die gesamte Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der nach dem Artikel 10-Gesetz erlangten personenbezogenen Daten durch Nachrichtendienste des Bundes einschließlich der Entscheidung über die Mitteilung an Betroffene.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil aus dem Jahr 1999 betont, dass wegen der Rechtsschutzerschwerung, die sich - auch außerhalb des durch den Rechtswegausschluss nach Art. 10 Abs. 2 Satz 2 GG und § 13 G10 erfassten Bereichs - aus der Unbemerkbarkeit der Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis, der Undurchsichtigkeit des anschließenden Datenverarbeitungsvorgangs und der Möglichkeit von Mitteilungsbeschränkungen ergebe, eine Kontrolle durch unabhängige und an keine Weisung gebundene staatliche Organe und Hilfsorgane grundrechtlich geboten sei (BVerfG, Urteil vom 14. Juli 1999 - 1 BvR 2226/94 u.a. - BVerfGE 100, 313 <361>; zum Erfordernis verfahrensmäßiger Kompensation für Einschränkungen individuellen Rechtsschutzes in vergleichbaren Zusammenhängen: BVerfG, Urteile vom 24. April 2013 - 1 BvR 1215/07 - BVerfGE 133, 277 Rn. 213 ff. und vom 20. April 2016 - 1 BvR 966/09 u.a. - NJW 2016, 1781 Rn. 135, 140 f.; vor dem Hintergrund von Art. 8 EMRK: EGMR, Entscheidung vom 29. Juni 2006 - Nr. 54934/00, Weber und Saravia/Deutschland - Rn. 115 ff.; Urteil vom 12. Januar 2016 - Nr. 37138/14 - Szabó und Vissy/Ungarn - Rn. 75 ff.). In einer neuen Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht dargelegt, dass die G10-Kommission als neutrale Instanz zum einen der Einbindung der Exekutive und zum anderen der kompensatorischen Repräsentation der Interessen der Betroffenen durch eine laufende und umfassende Rechtskontrolle diene. Durch ihre Kontrolltätigkeit werde die Rechtmäßigkeit heimlicher staatlicher Überwachungsmaßnahmen prozedural abgesichert (BVerfG, Beschluss vom 20. September 2016 - 2 BvE 5/15 - NVwZ 2016, 1701 Rn. 54, 57).
Es steht in Übereinstimmung mit diesen Maßgaben, dass der Senat in seiner Vorgängerentscheidung aus dem Jahr 2014 unter Verweis auf die Befugnisse und den spezialisierten Sachverstand der G10-Kommission einen effektiven kompensatorischen Grundrechtsschutz als gewährleistet erachtet hat (BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2014 - 6 A 1.13 - BVerwGE 149, 359 Rn. 40 f.; in diesem Sinne bereits zuvor: BVerwG, Urteil vom 23. Januar 2008 - 6 A 1.07 - BVerwGE 130, 180 Rn. 44 f.).
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.