Entscheidungsdatum: 17.11.2016
I
Die Klägerin ist Herausgeberin des Nachrichtenmagazins "DER SPIEGEL".
Mit Schreiben vom 4. Juni 2013 beantragte sie beim Bundesnachrichtendienst die Nutzung von Unterlagen zu "sämtlichen konspirativen Linien vor, während und nach der Spiegel-Affäre".
Der Bundesnachrichtendienst lehnte den Antrag mit Bescheid vom 15. Juli 2014 ab. Bei "konspirativen Linien" handele es sich um Personen, die für den Bundesnachrichtendienst als nachrichtendienstliche Verbindungen tätig gewesen seien und zugleich in einer Vertragsbeziehung zur SPIEGEL-Redaktion gestanden hätten. Zudem müssten Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese Personen entweder dem Bundesnachrichtendienst Informationen über den SPIEGEL übermittelt hätten oder der Bundesnachrichtendienst diese Personen genutzt habe, um auf die Medienberichterstattung des SPIEGEL im nachrichtendienstlichen Sinne Einfluss zu nehmen, ohne dass der SPIEGEL dies gebilligt habe. Auf der Grundlage dieser Definition seien Unterlagen zu zwei Personen festgestellt worden. Während eine Person bereits verstorben sei, seien in Bezug auf die zweite Person beim Bundesnachrichtendienst keine Sterbedaten bekannt, weshalb davon ausgegangen werden müsse, dass diese noch lebe. Eine Akteneinsicht sei jedoch bei beiden Personen unzulässig.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein, den der Bundesnachrichtendienst mit Widerspruchsbescheid vom 8. Mai 2015 zurückwies: Die Einsicht in die Unterlagen sei gemäß § 5 Abs. 6 Nr. 1 und 2 BArchG unzulässig. Durch die Offenlegung der betroffenen Inhalte werde die auf dem Grundsatz des Quellenschutzes beruhende Aufgabenerfüllung des Bundesnachrichtendienstes und damit das Staatswohl gefährdet (§ 5 Abs. 6 Nr. 1 BArchG). Zudem stehe der Schutz personenbezogener Daten gemäß Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG einer Einsichtnahme entgegen (§ 5 Abs. 6 Nr. 2 BArchG).
Die Klägerin hat am 8. Juni 2015 Klage erhoben, mit der sie das Aktennutzungsbegehren weiter verfolgt. Im Verfahren hat sie ihren Klageantrag dahingehend konkretisiert, dass sie die Nutzung der ungeschwärzten Unterlagen der Signaturen 1107, 1598, 2768, 22630, 22631, 23476, 23477, 100156, 150059, 150090, 151200 und 151888 begehrt.
Die Beklagte tritt der Klage entgegen. Sie macht geltend, bei einem Teil der Unterlagen müsse noch die Anfragegegenständlichkeit geprüft werden. Bei den anfragegegenständlichen Dokumenten seien entweder die 30-Jahresfrist gemäß § 5 Abs. 8 i.V.m. Abs. 1 BArchG oder die Benutzungsfrist für personenbezogenes Archivgut nach § 5 Abs. 2 BArchG noch nicht abgelaufen oder es lägen Benutzungsausschlussgründe nach § 5 Abs. 6 Nr. 1 und 2 BArchG vor.
Mit Bescheid vom 20. Oktober 2016 hat der Bundesnachrichtendienst der Klägerin die Nutzung der geschwärzten Unterlagen der Signatur 100156 angeboten. Mit Bescheid vom 15. November 2016 hat er der Klägerin ferner ein Dokument der Signatur 1598_OT sowie fünf Dokumente der Signatur 150059_OT zur Einsichtnahme angeboten. Die Einsichtnahme in die Dokumente der Signaturen 2768 und 150090 sei hingegen aus Gründen des Staatswohls gemäß § 5 Abs. 6 Nr. 1 BArchG sowie aus Gründen des Schutzes personenbezogener Daten gemäß § 5 Abs. 6 Nr. 2 BArchG zu versagen. Die Signatur 151200 unterliege noch der allgemeinen archivischen Schutzfrist gemäß § 5 Abs. 8 i.V.m. Abs. 1 BArchG.
II
Der Beklagten ist die Vorlage der Unterlagen, die bei dem Bundesnachrichtendienst unter den im Tenor des Beschlusses bezeichneten Signaturen erfasst sind, gemäß § 86 Abs. 1 und § 99 Abs. 1 VwGO aufzugeben. Der Senat muss diese Unterlagen unter unterschiedlichen rechtlichen Gesichtspunkten prüfen, um über das Aktennutzungsbegehren der Klägerin entscheiden zu können. Da die Klage zulässig ist (1.), ist zum einen entscheidungserheblich, ob die Unterlagen anfragegegenständlich sind (2.), ferner ob insoweit die dreißigjährige archivrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist (3.) und schließlich ob bzw. in welchem Umfang der Offenlegung der Unterlagen fachgesetzliche Geheimhaltungsgründe entgegenstehen (4.).
1. Die Zulässigkeit der auf Nutzung von Unterlagen nach § 5 Abs. 8 i.V.m. Abs. 1 BArchG gerichteten Klage wird weder durch die Einbeziehung der Pressesonderverbindungen (a) noch durch das in Bezug auf den Bescheid vom 20. Oktober 2016 fehlende Vorverfahren (b) teilweise in Frage gestellt.
a) Bei der Einbeziehung der Pressesonderverbindungen in das Klagebegehren handelt es sich nicht um eine nach § 91 VwGO zu beurteilende Klageerweiterung. Soweit die Beklagte geltend macht, die Klägerin habe zu der Thematik "Pressesonderverbindungen" unter dem 14. April 2015 bzw. 4. Mai 2015 einen weiteren Antrag auf Akteneinsicht nach § 5 Abs. 8 i.V.m. Abs. 1 BArchG beim Bundesnachrichtendienst gestellt, der als gesonderter Antrag nach § 5 BArchG bearbeitet werde, ändert dies nichts daran, dass bereits der ursprüngliche Antrag der Klägerin mit der weiten Formulierung "sämtliche sog. konspirativen Linien" erkennbar darauf abzielte, auch die Möglichkeit der Nutzung von Unterlagen zu dem Komplex der Pressesonderverbindungen zu erreichen.
Diese Einschätzung steht im Einklang mit den Erkenntnissen des Senats aus früheren Verfahren. In seinem - den Beteiligten bekannten - Beweisbeschluss in dem Verfahren BVerwG 6 A 8.14 (Rn. 18) ist der Senat davon ausgegangen, dass eine kategoriale Unterscheidung zwischen den nachrichtendienstlichen Verbindungen und den Pressesonderverbindungen nicht möglich ist; vielmehr sei anhand der Unterlagen jeweils im Einzelfall zu klären, ob und in welchem Umfang die betroffenen Personen für den Bundesnachrichtendienst tätig geworden sind. Auf den Quellenschutz könne sich die Beklagte nur berufen, wenn eine Person zur Aufgabenerledigung im Bereich der Informationsgewinnung eingesetzt worden sei. Grundlage für diese Einschätzung waren die Angaben der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung in den Verfahren BVerwG 6 A 8.14 und 6 A 10.14, wonach der Bundesnachrichtendienst die Qualifizierung der Verbindungen als nachrichtendienstliche oder als Pressesonderverbindung danach vorgenommen habe, ob sie für die Informationsgewinnung gezielt oder nicht gezielt eingesetzt worden sei. Dabei seien die Grenzen in diesem Bereich fließend gewesen mit der Folge, dass zunächst als Pressesonderverbindungen eingesetzte Personen zu nachrichtendienstlichen Verbindungen werden konnten. Eine klare Abgrenzung dieser Gruppen habe es aber nicht gegeben, sodass es an einer einheitlichen Handhabung gefehlt habe. Damals seien jedenfalls beide Gruppen wie Quellen behandelt worden. Angesichts dieser Angaben der Beklagten in den Verfahren BVerwG 6 A 8.14 und 6 A 10.14 erscheint es nicht plausibel, wenn sie im vorliegenden Verfahren die Auffassung vertritt, die Thematik der "Pressesonderverbindungen" sei von dem Begriff der "konspirativen Linien", mit dem die Klägerin ihr Akteneinsichtsbegehren umschrieben hat, nicht erfasst. Vielmehr hat die Klägerin mit der Verwendung dieses eher weit gefassten Begriffs berechtigterweise den Versuch unternommen, den unterschiedlichen und ihr naturgemäß nicht im Einzelnen bekannten Ausgestaltungen der Kontakte zwischen dem Bundesnachrichtendienst und Mitarbeitern des SPIEGEL Rechnung zu tragen und diese möglichst umfassend in ihr Akteneinsichtsbegehren einzubeziehen. Durch die ausdrückliche Einbeziehung der Pressesonderverbindungen im Rahmen eines Hilfsantrags wird der Klagegegenstand daher nicht erweitert.
b) Das nach § 68 VwGO erforderliche Vorverfahren ist durchgeführt worden. Soweit der Bundesnachrichtendienst der Klägerin mit den Bescheiden vom 20. Oktober 2016 und 15. November 2016 die Nutzung einiger teilweise geschwärzter Unterlagen angeboten und hinsichtlich anderer Dokumente versagt hat, bedarf es nicht der Durchführung eines weiteren Vorverfahrens. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist über die gesetzlich ausdrücklich geregelten Fälle hinaus ein Vorverfahren ausnahmsweise dann entbehrlich, wenn dem Zweck des Vorverfahrens bereits Rechnung getragen ist oder der Zweck des Vorverfahrens ohnehin nicht mehr erreicht werden kann (BVerwG, Urteil vom 15. September 2010 - 8 C 21.09 - BVerwGE 138, 1 Rn. 24 m.w.N.). Dies ist hier der Fall, da der Bundesnachrichtendienst die vorgenommenen Schwärzungen bzw. die Versagung der Einsichtnahme im Wesentlichen mit den gleichen Erwägungen begründet, die bereits im Widerspruchsbescheid vom 8. Mai 2015 genannt werden. Der für die Klägerin negative Ausgang des Widerspruchverfahrens steht damit bereits fest. Die Durchführung dieses Verfahrens würde daher nur zu weiteren Verzögerungen zu ihren Lasten führen.
2. Ob die Klage begründet ist und der Klägerin der auf der Grundlage des § 5 Abs. 8 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 BArchG geltend gemachte Anspruch zusteht, hängt zunächst davon ab, ob die im Klageantrag genannten Unterlagen "anfragegegenständlich" sind. Dies folgt daraus, dass das Recht, Archivgut des Bundes zu nutzen, zwar jedermann zusteht, dies jedoch gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 BArchG nur "auf Antrag". Dieses Antragserfordernis betrifft nicht nur die Einleitung des Verfahrens, sondern fordert zugleich eine inhaltliche Begrenzung des zu nutzenden Archivgutes. Das Nutzungsrecht erstreckt sich daher nur auf solche Unterlagen, die von dem gestellten Antrag erfasst werden. Ein Recht auf Einsichtnahme in Archivgut „ins Blaue hinein“ widerspräche der Konzeption des Bundesarchivgesetzes.
Nach den Angaben der Beklagten sind von den im Klageantrag genannten Unterlagen jedenfalls diejenigen der Signaturen 23476, 23477 und 100156 anfragegegenständlich. Ferner hat die Beklagte in Bezug auf die Signaturen 1598, 2768, 150059, 151200 und 150090 mitgeteilt, dass diese im Rahmen des Antrags auf Akteneinsicht zu "Pressesonderverbindungen" anfragegegenständlich seien. Wie ausgeführt, waren auch diese Unterlagen bereits Gegenstand des ursprünglichen Antrags der Klägerin.
Bislang nicht geklärt ist hingegen, ob auch die Unterlagen der Signaturen 1107, 22630, 22631 und 151888 anfragegegenständlich sind. Hinsichtlich der zuletzt genannten Signatur hat die Klägerin geltend gemacht, dass diese - wie sich aus dem geschwärzten Prüfbericht vom 10. Februar 2014 ergebe - Kontakte des Bundesnachrichtendienstes zu (ehemaligen) SPIEGEL-Journalisten belege und daher zum Themenkomplex Pressesonderverbindungen anfragegegenständlich sei. Dies erscheint plausibel, da es in dem Prüfbericht ausdrücklich heißt: "In der Sachakte, die zu Pressekontakten der Pressestelle zu Journalisten, hier [geschwärzt] angelegt wurde, wird der Kontakt zu [geschwärzt] erwähnt". Andererseits hat die Beklagte diese Signatur im Schriftsatz vom 18. Oktober 2016 weder im Zusammenhang mit der Thematik "konspirative Linien im BND" noch mit der Thematik „Pressesonderverbindungen“ als anfragegegenständlich benannt. Letztlich kann die Anfragegegenständlichkeit dieser Signatur daher nur durch Einsichtnahme in die Unterlagen geklärt werden.
Auch die Anfragegegenständlichkeit der Signaturen 1107, 22630 und 22631 hat die Beklagte bislang nicht bestätigt. Die Klägerin hat diese Signaturen dem Werk "Geheimdienstkrieg in Deutschland - Die Konfrontation von DDR-Staatssicherheit und Organisation Gehlen 1953" der Autoren Heidenreich, Münkel und Stadelmann-Wenz entnommen, das Anfang Oktober 2016 als Ergebnis der Tätigkeit der vom Bundesnachrichtendienst eingesetzten Unabhängigen Historikerkommission erschienen ist. Es erscheint zumindest möglich, dass auch unter den genannten Signaturen anfragegegenständliche Unterlagen erfasst sind. Auf Seite 346 des genannten Werks wird unter Bezugnahme auf die Signatur 1107 über den Inhalt einer Besprechung zwischen dem späteren BND-Präsidenten Worgitzky und dem Chefredakteur des SPIEGEL, Augstein, im November 1953 im Zusammenhang mit einer geplanten kritischen Veröffentlichung berichtet. Darüber hinaus wird dort unter Bezugnahme auf "BND-Archiv, 22631" ausgeführt, dass der Autor des kritischen Artikels, Hans Lindemann, "über Informationen aus erster Hand verfügte, die er dem Berliner SPIEGEL-Büro anbot". Dasselbe Dokument wird auf Seite 347 als Beleg dafür zitiert, dass ein "vorgesehener Artikel über Gehlen und Fall Geyer durch Übereinkunft zwischen der Org. und Augstein nicht veröffentlicht" worden sei, dass man in Pullach hierüber "sichtlich erleichtert" gewesen sei, dass die abgewendete öffentliche Blamage "auch dem parallelen Einsatz des V-Mannes Hans Georg Schulz in der Westberliner SPIEGEL-Dependance zu verdanken" gewesen sei, dass Kurt Blauhorn, ein Berliner Vertreters des Blattes, als "der Org. gegenüber freundlich und bejahend eingestellt" gewesen sei, was als möglicher Verdienst "unseres V-5477" gewertet worden sei, und dass ein "in besonders gehässiger Weise gegen die Arbeitsweise der Org." gerichteter Artikel "von Quelle", d.h. durch Hans Georg Schulz, habe "gestoppt" werden können. Es drängt sich auf, dass die beschriebenen Vorgänge und insbesondere der erwähnte V-Mann Hans Georg Schulz auf "konspirative Linien" zwischen der Organisation Gehlen und dem SPIEGEL hindeuten und damit zumindest die Möglichkeit besteht, dass die zitierten Unterlagen ebenfalls anfragegegenständlich sind. Zur abschließenden Klärung der Anfragegegenständlichkeit ist daher die Einsichtnahme in die Unterlagen erforderlich.
3. Das auf § 5 Abs. 8 BArchG gestützte Aktennutzungsbegehren der Klägerin kann ferner nur in Bezug auf solche Unterlagen Erfolg haben, die älter als 30 Jahre sind. Da diese Frist nicht verkürzt werden kann (BVerwG, Urteil vom 27. November 2013 - 6 A 5.13 - Buchholz 402.71 BNDG Nr. 3 Rn. 17), hat die Klägerin ihren Antrag von vornherein entsprechend beschränkt. Nicht abschließend geklärt ist jedoch in tatsächlicher Hinsicht, bei welchen Unterlagen die 30-Jahres-Frist abgelaufen ist.
Von den im Klageantrag genannten Signaturen steht aufgrund der Angaben der Beklagten bislang lediglich in Bezug auf die Signaturen 1598, 2768, 23476, 23477, 100156, 150059 und 150090 fest, dass diese zumindest teilweise Unterlagen enthalten, die älter als 30 Jahre sind. Im Bescheid vom 15. November 2016 hat die Beklagte ferner ausgeführt, dass die Frist bei der Signatur 151200 noch nicht abgelaufen ist.
Zum Alter der möglicherweise anfragegegenständlichen Signaturen 1107, 22630 und 22631, die in dem Werk "Geheimdienstkrieg in Deutschland - Die Konfrontation von DDR-Staatssicherheit und Organisation Gehlen 1953" der Autoren Heidenreich, Münkel und Stadelmann-Wenz zitiert werden, hat sich die Beklagte bislang nicht geäußert. Dies bedarf daher der Klärung durch Einsichtnahme in die Unterlagen. Gleiches gilt in Bezug auf die möglicherweise ebenfalls anfragegegenständlichen Unterlagen der Signatur 151888. Ob sich die Angabe im Prüfbericht, dass "die Signatur" aus den Jahren 1993 bis 2000 stamme und damit die 30-Jahresfrist nach § 5 Abs. 1 BArchG noch nicht abgelaufen sei, auf diese - und nicht eine andere - Signatur bezieht und zutrifft, kann daher ebenfalls nur durch Einsichtnahme in die Unterlagen geklärt werden.
4. Soweit die im Tenor genannten Unterlagen anfragegegenständlich und älter als 30 Jahre sind, muss schließlich durch Einsichtnahme in die Unterlagen geklärt werden, ob die Benutzung ganz oder teilweise ausgeschlossen ist, weil Grund zu der Annahme besteht, dass das Wohl der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährdet würde (§ 5 Abs. 6 Nr. 1 BArchG) oder dass schutzwürdige Belange Dritter verletzt würden (§ 5 Abs. 6 Nr. 2 BArchG). Auf der Grundlage der Angaben der Beklagten im Klageverfahren kann der Senat weder zu dem Ergebnis gelangen, dass hinsichtlich bestimmter Unterlagen ein Benutzungsausschlussgrund vorliegt, noch dass das Gegenteil der Fall ist.
a) Im Zusammenhang mit dem Benutzungsausschlussgrund nach § 5 Abs. 6 Nr. 1 BArchG beruft sich die Beklagte hinsichtlich der Unterlagen der Signaturen 2768, 23476, 23477, 100156 und 150090, die sowohl anfragegegenständlich als auch zumindest teilweise älter als 30 Jahre sind, vor allem auf den Quellenschutz.
Dass sich die Beklagte unter dem Gesichtspunkt des Quellenschutzes auf die Sicherstellung der Aufgabenerfüllung zum Wohl des Staates als Verweigerungsgrund sowohl für die nachrichtendienstlichen Verbindungen als auch die Pressesonderverbindungen berufen kann, steht grundsätzlich außer Zweifel. Behörden wie der Bundesnachrichtendienst sind bei der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben auf Angaben Dritter angewiesen und dürfen zum Schutz des Informanten grundsätzlich dessen Identität geheim halten. Dem Wohl des Bundes würden Nachteile bereitet, wenn diese Daten unter Missachtung einer zugesagten oder vorausgesetzten Vertraulichkeit an Dritte bekanntgegeben würden. In Bezug auf noch lebende Informanten gilt dies ohne zeitliche Einschränkungen. Denn der Bruch einer zugesagten lebenslangen Vertraulichkeit gegenüber Informanten wäre generell geeignet, die Aufgabenwahrnehmung des Bundesnachrichtendienstes zu beeinträchtigen, indem die künftige Anwerbung von Informanten erschwert würde (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. April 2010 - 20 F 13.09 - BVerwGE, 136, 345 Rn. 17). Aber auch in Bezug auf bereits verstorbene Informanten kann grundsätzlich ein Geheimhaltungsbedürfnis bestehen, das einen Ausschluss der Aktennutzung nach § 5 Abs. 6 Nr. 1 BArchG rechtfertigen kann.
Eine Einschränkung des Quellenschutzes folgt im konkreten Fall auch noch nicht ohne weiteres daraus, dass in der bereits erwähnten Publikation der Unabhängigen Historikerkommission ("Geheimdienstkrieg in Deutschland" der Autoren Heidenreich, Münkel und Stadelmann-Wenz) wörtlich aus Unterlagen des BND-Archivs zitiert wird. Dies hat nur zur Folge, dass die in der Publikation konkret offengelegten Daten - wie z.B. der Klarname des in Verbindung zum SPIEGEL stehenden V-Mannes Hans Georg Schulz - nicht mehr geheimhaltungsbedürftig sind. Die Nutzung der Unterlagen durch die Unabhängige Historikerkommission lässt hingegen nicht die Schutzbedürftigkeit anderer darin möglicherweise enthaltener Informationen entfallen. Der Bundesnachrichtendienst hat die Kommission zur Erforschung seiner eigenen Geschichte eingesetzt, ihre Mitglieder einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen und sie zur Verschwiegenheit verpflichtet. Die Kommissionsmitglieder hatten sich ihrerseits verpflichtet, ihre Manuskripte durch den Bundesnachrichtendienst mit Blick auf heute noch relevante Sicherheitsbelange überprüfen und freigeben zu lassen. Soweit die Klägerin geltend macht, der Bundesnachrichtendienst habe den Kreis der Kenntnishabenden unumkehrbar auf Dritte erstreckt und den absoluten Quellenschutz damit durchbrochen, verkennt sie diese besondere Stellung der Kommissionsmitglieder.
Allerdings reicht die bloße Geltendmachung des Quellenschutzes auch nach Auffassung des Senats nicht aus. Um einen Benutzungsausschluss nach § 5 Abs. 6 Nr. 1 BArchG zu rechtfertigen, muss die betreffende Person tatsächlich zur Aufgabenerledigung im Bereich der Informationsgewinnung eingesetzt worden sein. Anhand der Unterlagen muss daher geklärt werden, ob und in welchem Umfang die nachrichtendienstlichen Verbindungen und die Pressesonderverbindungen für den Bundesnachrichtendienst tätig geworden sind. Handelt es sich bei den Verbindungen um bereits verstorbene Informanten, die bei lange zurückliegenden, abgeschlossenen Vorgängen - wie hier der sog. "Spiegel-Affäre" - eingesetzt worden sind, muss ferner eine Prognose getroffen werden, ob die Offenlegung zu einer aktuellen Beeinträchtigung der Aufgabenerfüllung der Beklagten führt. Denn ob die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe durch die Preisgabe der Identität des Dritten ernstlich gefährdet oder erheblich erschwert würde, lässt sich bei lange zurückliegenden Vorgängen nicht losgelöst von den Umständen des Einzelfalles beantworten. Vielmehr bedarf es hierzu der Feststellung, dass auch in Ansehung der verstrichenen Zeit nach Abschluss des operativen Vorgangs eine Nennung des Informanten die öffentliche Aufgabe noch ernstlich gefährden oder erheblich erschweren würde. Auch dies lässt sich nur durch Einsichtnahme in die fraglichen Unterlagen klären.
Auf dieser Grundlage bedarf es der Einsichtnahme in die Unterlagen der Signaturen 2768, 23476, 23477, 100156 und 150090. Die Signaturen 23476 und 23477 sind nach den Angaben der Beklagten als operative Begleitakten zu einer natürlichen Person angelegt worden. Da die Person verstorben sei, bemesse sich die nach § 5 Abs. 2 BArchG zu beachtende Ablauffrist nach dem Sterbedatum. Eine Schutzfristverkürzung gemäß § 5 Abs. 5 BArchG komme nicht in Betracht, da die Person weiterhin gemäß § 5 Abs. 6 Nr. 1 BArchG aus Staatswohlgründen (Quellenschutz über den Tod hinaus) schutzwürdig sei. Die Vorlage der Unterlagen ist daher erforderlich, um umfassend prüfen zu können, ob auch in Ansehung der verstrichenen Zeit nach Abschluss des operativen Vorgangs eine Nennung des Informanten die öffentliche Aufgabe noch ernstlich gefährden oder erheblich erschweren würde.
Bei der in geschwärzter Fassung vorgelegten Signatur 100156 handelt es sich nach den Angaben der Beklagten um eine Sachakte, welche insgesamt 32 Dokumente enthält, die sich ausschließlich auf eine ehemalige nachrichtendienstliche Verbindung des Bundesnachrichtendienstes beziehen. Da deren Sterbedatum nicht bekannt sei, müsse davon ausgegangen werden, dass die Person noch lebe. Zum Schutz dieser Quelle seien umfangreiche Schwärzungen erforderlich, da diese Dokumente enttarnende Angaben enthielten und auf andere Weise der Schutz der Identität der Quelle nicht gewährleistet werden könne. Bei sämtlichen Dokumenten dieser Signatur werden von der Beklagten Gründe des Quellenschutzes (§ 5 Abs. 6 Nr. 1 BArchG) geltend gemacht. Auch die Signatur 2768 soll sich auf eine natürliche, nach dem Kenntnisstand der Beklagten noch lebende Person beziehen und daher der personenbezogenen Schutzfrist gemäß § 5 Abs. 2 BArchG unterliegen; darüber hinaus liege u.a. der Versagungsgrund gemäß § 5 Abs. 6 Nr. 1 BArchG vor. Hinsichtlich der Signatur 150090, die ebenfalls personenbezogene Angaben zu natürlichen Personen enthalten soll und in Bezug auf welche die Beklagte ebenfalls - unter anderem - Gründe des "unmittelbaren und mittelbaren Informantenschutzes" geltend macht, fehlt es an Angaben dazu, ob die betreffenden Informanten noch leben. In Bezug auf die Signaturen 2768, 100156 und 150090 kommt nach alledem zwar der grundsätzlich ohne zeitliche Einschränkungen geltende Quellenschutz bei noch lebenden Informanten in Betracht. Allerdings steht bisher nicht fest, ob die betreffenden Quellen noch leben. Die Beklagte hat sich bislang lediglich auf die fehlende Kenntnis der Sterbedaten berufen. Der Senat muss daher aufgrund seiner Ermittlungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO auch in diesen Fällen die Unterlagen jedenfalls deshalb heranziehen, um anhand der Klarnamen - etwa mittels einer Melderegisterabfrage - klären zu können, ob die betroffenen Personen nicht bereits verstorben sind.
b) Bei einem Teil der Unterlagen macht die Beklagte zusätzlich zum Quellenschutz geltend, die Einsichtnahme wäre geeignet, nach wie vor schützenswerte nachrichtendienstliche Arbeitsweisen zu offenbaren, so dass auch insoweit der Benutzungsausschlussgrund nach § 5 Abs. 6 Nr. 1 BArchG vorliege.
Abgesehen von dem Schutz noch lebender Quellen (vgl. oben zu a) führt jedoch auch die drohende Offenlegung operativer Vorgänge im Bereich des Bundesnachrichtendienstes nicht ohne weiteres zu einem Ausschluss des Aktennutzungsanspruchs nach § 5 Abs. 6 Nr. 1 BArchG, sondern nur dann, wenn sich hieraus Rückschlüsse auf die gegenwärtige Organisation der Sicherheitsbehörden, die Art und Weise ihrer Informationsbeschaffung, aktuelle Ermittlungsmethoden oder die praktizierten Methoden ihrer Zusammenarbeit mit anderen Stellen ableiten lassen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. November 2015 - 20 F 7.15 [ECLI:DE:BVerwG:2015:301115B20F7.15.0] - juris Rn. 20 m.w.N.). Bei abgeschlossenen Vorgängen, die - wie hier - bereits mehrere Jahrzehnte zurückliegen, dürfte diese Voraussetzung regelmäßig nicht erfüllt sein. Ob die streitgegenständlichen Unterlagen operative Vorgänge betreffen, bei denen noch die Möglichkeit von Rückschlüssen auf die heutige nachrichtendienstliche Arbeitsweise und Aufklärungsarbeit besteht, muss durch Einsichtnahme in die vollständigen und ungeschwärzten Unterlagen geklärt werden. Nichts anderes gilt für das Vorbringen der Beklagten, dass eine Offenlegung von nachrichtendienstlichen Kooperationen die vertrauensvolle Zusammenarbeit des Bundesnachrichtendienstes mit anderen Nachrichtendiensten beeinträchtigen könnte. Jedenfalls bei - wie hier - lange zurückliegenden Vorgängen kann nicht ohne weiteres angenommen werden, dass ein hinreichender Bezug zu einer aktuell noch bestehenden Kooperation mit anderen Nachrichtendiensten besteht. Auch dies lässt sich ohne Einsichtnahme in die anfragegegenständlichen Unterlagen nicht abschließend klären.
c) Soweit die Beklagte den Ausschluss der Benutzung des Archivguts zum Teil zusätzlich gemäß § 5 Abs. 6 Nr. 2 BArchG mit schutzwürdigen Belangen Dritter begründet, muss zunächst ebenfalls geklärt werden, ob die fraglichen Personen noch leben. Denn der postmortale Persönlichkeitsschutz bereits verstorbener Betroffener kann nicht als Benutzungsausschlussgrund anerkannt werden. Die Schutzwirkungen des verfassungsrechtlichen postmortalen Persönlichkeitsrechts sind nicht identisch mit denen, die sich aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG für den Schutz lebender Personen ergeben. Der postmortale Persönlichkeitsschutz erfasst daher zum einen postmortal den allgemeinen Achtungsanspruch, der dem Menschen kraft seines Personseins zusteht und den Verstorbenen insbesondere davor bewahrt, herabgewürdigt oder erniedrigt zu werden. Zum anderen erstreckt sich der postmortale Persönlichkeitsschutz auf den sittlichen, personalen und sozialen Geltungswert, den die Person durch ihre eigene Lebensleistung erworben hat, und schützt vor einer "Verfälschung" des Lebensbildes. Beide Ausprägungen des postmortalen Persönlichkeitsschutzes werden nicht durch die Offenlegung wahrer Tatsachen berührt, da hiermit weder eine herabwürdigende oder erniedrigende oder vergleichbare Behandlung noch eine Verfälschung des Lebensbildes verbunden ist.
Auch soweit dem archivrechtlichen Aktennutzungsanspruch nach § 5 Abs. 8 i.V.m. Abs. 1 BArchG grundsätzlich das Recht auf informationelle Selbstbestimmung noch lebender Personen aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG entgegengehalten werden kann, reicht die bloße Geltendmachung durch die Beklagte nicht aus. Denn der Schutz persönlicher Daten greift nicht unterschiedslos, sondern nur soweit, als diese Daten tatsächlich (noch) schutzwürdig sind (BVerwG, Beschluss vom 19. April 2010 - 20 F 13.09 - BVerwGE 136, 345 Rn. 22). Daran fehlt es namentlich dann, wenn es sich um Personen der Zeitgeschichte handelt, die in den Unterlagen nur in ohnehin bereits bekannten Zusammenhängen angeführt werden, oder wenn es sich um persönliche Daten handelt, die in allgemein zugänglichen Quellen erwähnt worden sind, und diese Quellen, etwa Zeitungsberichte oder sonstige Publikationen, in den Unterlagen lediglich wiedergeben sind, ohne dass dadurch weiterführende Rückschlüsse ermöglicht werden. Einem überwiegenden Interesse Dritter am Schutz dieser Daten ist durch ihre Schwärzung hinreichend Rechnung getragen. Ob dem archivrechtlichen Aktennutzungsanspruch im vorliegenden Einzelfall das Recht auf informationelle Selbstbestimmung noch lebender Personen entgegengehalten werden kann, lässt sich folglich ebenfalls nicht ohne Einsichtnahme in die vollständigen und ungeschwärzten Unterlagen, soweit diese anfragegegenständlich sind, klären.
5. Hinsichtlich der Signaturen 1598 und 150059 hat die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 15. November 2016 zwar einzelne Dokumente zur Einsichtnahme angeboten. Allerdings lässt die Begründung des dem Senat erst nach der mündlichen Verhandlung übermittelten Bescheids offen, ob diesen Signaturen möglicherweise noch weitere anfragegegenständliche Unterlagen zugeordnet sind. Um dies durch Einsichtnahme in die Unterlagen klären zu können, ist die Vorlage auch dieser Signaturen weiterhin erforderlich.