Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 21.10.2015


BPatG 21.10.2015 - 5 ZA (pat) 26/15 zu 5 Ni 137/09 (EU)

Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
5. Senat
Entscheidungsdatum:
21.10.2015
Aktenzeichen:
5 ZA (pat) 26/15 zu 5 Ni 137/09 (EU)
Dokumenttyp:
Beschluss

Leitsätze

Streitwert bei mehreren Klägern mit unterschiedlichen Gegenstandswerten

Werden im Falle der Parteihäufung (hier: Klägermehrheit nach Verbindung dreier Nichtigkeitsklagen) ein einheitlicher Streitwert, aber für die einzelnen auf Kläger- oder Beklagtenseite beteiligten Parteien unterschiedliche Gegenstandswerte festgesetzt, ist für eine „Auslegung“ der für die Gerichtsgebühren maßgebenden Streitwertfestsetzung derart, dass die auf Kläger- oder Beklagtenseite beteiligten Personen jeweils Gerichtsgebühren nur auf der Grundlage des für sie festgesetzten Gegenstandswertes schulden, kein Raum.

Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das europäische Patent …

(DE …)

hier: Erinnerung gegen den Kostenansatz

hat der 5. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts am 21. Oktober 2015 durch die Vorsitzende Klante sowie die Richter Schwarz und Dipl.-Ing. Univ. Albertshofer

beschlossen:

Die Erinnerungen der Klägerin zu 2) sowie der Beklagten gegen die Kostenrechnung vom 27. November 2014 werden zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Der Senat hat mit Urteil vom 17. November 2010 die Klagen der Klägerinnen auf Nichtigerklärung des Streitpatents abgewiesen und ihnen die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Den Streitwert hat er gleichzeitig durch Beschluss vom 17. November 2010 im Verhältnis der Beklagten zu den Klägerinnen zu 1) und 3) auf 5 Millionen Euro und im Verhältnis zur Klägerin zu 2) auf 4 Millionen Euro festgesetzt.

2

Gegen dieses Urteil haben alle drei Klägerinnen mit Schriftsätzen vom 24. Januar 2011 und 27. Januar 2011 Berufung eingelegt. Mit Urteil vom 26. Juni 2014 hat der Bundesgerichtshof auf diese Berufungen das Urteil des Senats abgeändert, unter Zurückweisung der Berufungen im Übrigen das Streitpatent teilweise für nichtig erklärt und die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander mit der Maßgabe aufgehoben, dass die drei Klägerinnen jeweils 1/6 und die Beklagte die Hälfte der Gerichtskosten zu tragen haben. Mit Beschluss vom 20. Mai 2014 hat der Bundesgerichtshof den Streitwert des Patentnichtigkeitsverfahrens wie folgt festgesetzt:

3

„Der Streitwert für das Patentnichtigkeitsverfahren wird auf 15 Millionen Euro festgesetzt. Dies ist auch jeweils der Gegenstandswert der Klagen der Klägerinnen zu 1) und zu 3); der Gegenstandswert der Klage der Klägerin zu 2) beträgt 12 Millionen Euro.“

4

Mit der Kostenrechnung vom 27. November 2014 (Bl. IV d. A. 5 Ni 137/09 (EP)) hat die Kostenrechnungsstelle des Bundespatentgerichts die Gerichtsgebühren auf insgesamt 627.156,00 Euro festgesetzt. Dabei ist sie von einem Streitwert von 15 Millionen Euro für jede der drei Klagen und dem Gebührensatz von 4,5 ausgegangen. Dementsprechend entfalle nach der Kostengrundentscheidung auf die Beklagte ein zu zahlender Betrag von 313.578,00 Euro und auf die Klägerin zu 2) eine Gebührenlast von 104.526,00 Euro, von der unter Abzug der bereits gezahlten Klagegebühr bei Klageerhebung in Höhe von 60.552,00 Euro noch ein Betrag von 43.974,00 Euro zu zahlen sei.

5

Mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2014 hat die Beklagte und mit Schriftsatz vom 31. März 2015 auch die Klägerin zu 2) gegen diese Kostenrechnung Erinnerung eingelegt. Beide Parteien begründen dies jeweils damit, dass ihrer Auffassung nach bei der Berechnung der Gerichtskosten hinsichtlich der Klage der Klägerin zu 2) nur ein Streitwert von 12 Millionen Euro anzusetzen sei; dies meinen sie aus den unterschiedlichen Festsetzungen der Gegenstandswerte im Streitwertbeschluss des Bundesgerichtshofs herleiten zu können. Aufgrund dessen ergebe sich für die Gerichtskosten insgesamt nur ein Betrag von 586.656,00 Euro und nicht wie von der Kostenstelle in Ansatz gebracht in Höhe von 627.156,00 Euro. Von dem Betrag in Höhe von 586.656,00 Euro habe nach der Kostenentscheidung des Bundesgerichtshofs die Klägerin zu 2) insgesamt 1/6 - mithin 97.776,00 €, von denen nach Abzug der bereits geleisteten Klagegebühr noch 37.224,00 € zu zahlen sind - und die Beklagte die Hälfte (298.328,00 €) zu tragen habe.

6

Die Kostenbeamtin hat der Erinnerung nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

7

Die Erinnerungen der Klägerin zu 2) und der Beklagten sind zwar nach § 11 Abs. 1 PatKostG zulässig, in der Sache aber unbegründet.

8

Zutreffend hat die Kostenrechnungsstelle beim Kostenansatz allen drei Klagen einheitlich einen Streitwert von 15 Millionen Euro zugrunde gelegt. Dies entspricht der ausdrücklichen Festsetzung des Streitwerts im Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 20. Mai 2014. Soweit die Klägerin zu 2) und die Beklagte demgegenüber die Auffassung vertreten, der für die Bestimmung der Gerichtskosten maßgebliche Streitwert (§ 2 Abs. 2 PatKostG i. V. m. § 34 GKG) belaufe sich vorliegend entsprechend der weiteren Festsetzungen der Gegenstandswerte im vorgenannten Beschluss hinsichtlich der Klage der Klägerin zu 2) nicht auf 15 Millionen Euro, sondern entsprechend dem Gegenstandswert dieser Klage nur auf 12 Millionen Euro, was sich zumindest aus einer Auslegung des Streitwertbeschlusses ergeben solle, unterliegen sie einem Rechtsirrtum. Sie verwechseln dabei die vom Bundesgerichtshof bewusst gewählten Begriffe des Streitwerts und des Gegenstandswerts. Der Streitwert ist nach der Legaldefinition des § 3 Abs. 1 GKG, welcher die Regelung des § 2 Abs. 2 Satz 1 PatKostG zugrunde liegt, der Wert des Streitgegenstandes, dessen Höhe sich nach § 34 GKG bestimmt (§ 2 Abs. 2 Satz 2 PatKostG). Hiervon zu trennen ist der Gegenstandswert, der nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 RVG den Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit bezeichnet; nach dem Gegenstandswert richtet sich allein die Höhe der (gesetzlichen) Anwaltsgebühren. Nach § 32 Abs. 1 RVG ist der für die Gerichtsgebühren maßgebliche Streitwert zugleich auch der Gegenstandswert für die Anwaltsgebühren. Wie sich aus § 33 Abs. 1 RVG ergibt, kann das Gericht allerdings den für die Anwaltsgebühren maßgeblichen Gegenstandswert auch selbstständig festsetzen. Von dieser Möglichkeit hat der Bundesgerichtshof vorliegend in seinem Beschluss vom 20. Mai 2014 hinsichtlich der Klage der Klägerin zu 2) Gebrauch gemacht.

9

Die abweichende Bestimmung des Gegenstandswertes bedeutet entgegen der Ansicht der Klägerin zu 2) und der Beklagten nicht zugleich auch eine abweichende Festlegung des für die Gerichtsgebühren maßgeblichen Streitwerts. Hierzu bedarf es einer ausdrücklichen Festsetzung im Streitwertbeschluss. Eine solche ausdrückliche Festsetzung unterschiedlicher Streitwerte für die einzelnen Verfahren hat der Bundesgerichtshof aber gerade nicht getroffen.

10

Eine solche Bestimmung lässt sich entgegen der Ansicht der Klägerin zu 2) und der Beklagten auch nicht durch „Auslegung“ des Streitwertbeschlusses daraus herleiten, dass für die Gegenstandswerte, welche allein für die außergerichtlichen (in der Regel also die Anwalts-) Kosten relevant sind, eine solche abweichende Festsetzung erfolgt ist. Daraus ergibt sich jedoch keine Veranlassung, den Streitwertbeschluss entgegen seinem ausdrücklichen Wortlaut als „auslegungsbedürftig“ anzusehen, wie die Klägerin zu 2) und die Beklagte meinen, und diesen infolgedessen auch gegen seinen ausdrücklichen Wortlaut „auszulegen“. Für eine Auslegungsbedürftigkeit sind nämlich Anhaltspunkte nicht erkennbar. Dem Bundesgerichtshof sind die Bedeutung der unterschiedlichen kostenrechtlichen Begriffe „Streitwert“ und „Gegenstandswert“ geläufig und bewusst. Wenn der Bundesgerichtshof aber einerseits für die Gerichtsgebühren einen einheitlichen Streitwert und für die Anwaltsvergütung andererseits hiervon abweichende Gegenstandswerte festsetzt, ist im Umkehrschluss sogar zu folgern, dass er für die Gerichtsgebühren gerade keine unterschiedlichen Werte der Streitwertfestsetzung zugrunde legen wollte. Angesichts der zwingenden Rechtslage und der Eindeutigkeit des Streitwertbeschlusses des Bundesgerichtshofs, an den der Senat gebunden ist, verbleibt für eine „Auslegung“ des Streitwertbeschlusses entgegen der Ansicht der Klägerin zu 2) und der Beklagten somit kein Raum.

11

Etwas Anderes ergibt sich entgegen der Ansicht der Klägerin zu 2) auch nicht daraus, dass der Bundesgerichtshof den Streitwert nur für „das“ Patentnichtigkeitsverfahren festgesetzt hat, obwohl dem verbundenen Verfahren drei ursprünglich selbständige Klagen zugrunde lagen. Mit dieser Formulierung hat der Bundesgerichtshof nämlich nur sprachlich dem Umstand Rechnung getragen, dass nach der Verbindung der drei Ursprungsklagen nur noch ein einheitliches Verfahren mit drei streitgenössischen Klägern vorliegt. Kostenrechtlich führt die Verbindung von Nichtigkeitsklagen aber abweichend von Zivilverfahren - mit denen die Nichtigkeitsklage als Verwaltungsprozess ohnehin nicht vergleichbar ist - nicht zu einer bloßen Addition der aufgrund der Erhebung der jeweiligen Klagen sich ergebenden Einzelstreitwerte. Vielmehr wirkt jede endgültige Streitwertfestsetzung, soweit sie von der ursprünglichen vorläufigen Streitwertangabe des jeweiligen Klägers durch das Bundespatentgericht abweicht, auf den Zeitpunkt der Klageerhebung zurück, indem sie die an sich bereits zu diesem Zeitpunkt fällige Klagegebühr (§ 3 Abs. 1 Satz 1 GKG) nachträglich der Höhe nach korrigiert. Etwas Anderes gilt auch nicht im hier vorliegenden Fall der Verbindung mehrerer Nichtigkeitsverfahren. Zwar treten die Folgen der Verbindung nur für die Zeit nach dem Wirksamwerden des Verbindungsbeschlusses ein. Dies bedeutet aber nicht, dass die nach Verbindung ausgesprochene endgültige Streitwertfestsetzung, die, da zu diesem Zeitpunkt infolge der Verbindung nur noch ein einheitliches Verfahren vorliegt, sprachlich nur für „das“ Nichtigkeitsverfahren ausgesprochen werden kann, sich nur für die nach der Verbindung entstehenden Gerichtsgebühren auswirken würde. Hiergegen spricht bereits, dass weder nach dem PatKostG noch nach dem GKG solche (späteren) streitwertabhängigen Gerichtsgebühren mehr anfallen. Vielmehr verbleibt es auch bei einer Verbindung dabei, dass der nunmehr für „das“ einheitliche Verfahren endgültig festgesetzte Streitwert die bereits bei Erhebung jeder einzelnen Ausgangsklage fällig gewordenen Klagegebühren nachträglich der Höhe nach korrigiert. Daher hat die Kostenbeamtin vorliegend zutreffend für jede einzelne Ausgangsklage den 4,5-fachen Gebührensatz aus einem Streitwert von jeweils 15 Millionen Euro angesetzt.

12

Da es damit dabei zu verbleiben hat, dass aufgrund des eindeutigen Streitwertbeschlusses des Bundesgerichtshofs der für die Gerichtsgebühren maßgebliche Streitwert für alle drei verbundenen Klagen 15 Millionen Euro beträgt, erweisen sich die Erinnerungen der Klägerin zu 2) und der Beklagten gegen die auf dieser zwingenden Grundlage ergangene Kostenrechnung als unbegründet, so dass sie zurückzuweisen waren.

13

Die vorliegende Entscheidung ist unanfechtbar (§ 11 Abs. 3 PatKostG).