Entscheidungsdatum: 24.05.2018
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 4. August 2017 dahin geändert, dass gegen den Angeklagten G. als Gesamtschuldner mit dem Angeklagten A. L. die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 19.270,63 € angeordnet wird; weiterhin wird das vorgenannte Urteil, auch soweit es die Mitangeklagten Gö. , Göt. und E. L. betrifft, dahin geändert, dass diese Mitangeklagten in Höhe der gegen sie angeordneten Einziehungen mit den Angeklagten G. und A. L. sowie untereinander gesamtschuldnerisch haften.
2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 18. August 2017 dahin geändert, dass gegen den Angeklagten A. L. die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 19.270,63 € angeordnet wird und er – insoweit auch auf seine Revision – mit dem Angeklagten G. sowie im Umfang der gegen die Mitangeklagten Gö. , Göt. und E. L. angeordneten Einziehungen als Gesamtschuldner haftet.
3. Die weitergehende Revision des Angeklagten A. L. wird verworfen.
4. Es wird davon abgesehen, den Angeklagten G. und A. L. die durch die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft im Revisionsverfahren entstandenen Kosten aufzuerlegen. Auch wird davon abgesehen, dem Angeklagten A. L. die Kosten seines Rechtsmittels aufzuerlegen; er hat jedoch die der Nebenklägerin hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
- Von Rechts wegen -
Das Landgericht hat den Angeklagten G. mit Urteil vom 4. August 2017 des schweren Raubes sowie des besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit Freiheitsberaubung und (im abgetrennten Verfahren) den Angeklagten A. L. mit Urteil vom 18. August 2017 des besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit Freiheitsberaubung schuldig gesprochen. Es hat den Angeklagten G. zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist, und den Angeklagten A. L. unter Einbeziehung von zwei früheren Urteilen zu einer Jugendstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Außerdem hat es gegen den Angeklagten G. die Einziehung eines Geldbetrages von 3.800 € sowie gegen den Angeklagten A. L. die Einziehung eines Geldbetrages von 8.000 € angeordnet.
Der Angeklagte A. L. wendet sich gegen seine Verurteilung mit seiner auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Die ebenfalls jeweils auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Staatsanwaltschaft richten sich gegen die Einziehungsentscheidungen des Landgerichts und sind jeweils auf die zur Tat vom 30. November 2016 auszusprechende Höhe der Einziehung des Wertes der Taterträge beschränkt. Während die vom Generalbundesanwalt vertretenen Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft zu der von ihr angestrebten Änderung der Einziehungsentscheidungen führen, bleibt das Rechtsmittel des Angeklagten A. L. überwiegend erfolglos.
I.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts überfielen die Angeklagten A. L. und G. am Abend des 30. November 2016 ein Möbelgeschäft, in dem der Mitangeklagte Göt. angestellt war und ihnen den Zugang zum Kassenbüro verschaffte. Die Tatbeute sollte nach dem gemeinsamen Tatplan unter Göt. , A. L. und G. zu gleichen Anteilen aufgeteilt werden, wobei auch dem als Fahrer an der Tat mitwirkenden Mitangeklagten Gö. eine Entlohnung in Aussicht gestellt wurde. G. war für die Tat von dem weiteren Mitangeklagten E. L. , der die Angeklagten auf der Fahrt zum Tatort begleitete, mit zwei Messern und einer Rolle Klebeband ausgerüstet worden. Nachdem A. L. und G. mit Hilfe des Mitangeklagten Göt. in das Kassenbüro eingedrungen waren, zeigten sie den beiden dort tätigen Kassiererinnen drohend ihre Messer und forderten sie auf, sich auf den Boden zu legen. Mit einem im Kassenbüro vorgefundenen Schlüsselbund und einem von G. mitgebrachten Rucksack ging A. L. in einen angrenzenden Tresorraum. Er öffnete einen der Tresore und entnahm diesem 11.835 €, die er in den Rucksack steckte. Die Öffnung eines weiteren Tresors gelang ihm nicht. Währenddessen forderte G. die Kassiererinnen auf, ihren Schmuck abzunehmen. Danach fesselte er sie mit dem Klebeband. Nachdem A. L. in das Kassenbüro zurückgekehrt war und beide Angeklagte die Festnetztelefone unbenutzbar gemacht hatten, nahmen sie von einem Schreibtisch ein „Safebag“, in dem sich Tageseinnahmen in Höhe von 7.415,53 € befanden, und aus einer Wechselgeldkasse 220,10 € an sich. Sie steckten dieses Geld ebenfalls in den Rucksack des Angeklagten G. . Beim anschließenden Verlassen des Tatorts trug A. L. den Rucksack mit der Gesamtbeute von 19.470,63 € und hielt ihn auch im Fluchtfahrzeug bis zum Erreichen einer Tiefgarage als Fahrtziel. Dort schütteten beide Angeklagte sowie die Mitangeklagten Gö. und E. L. das Geld aus dem Rucksack in den Kofferraum des Fahrzeuges und sortierten und stapelten es gemeinsam. Die Mitangeklagten Gö. und E. L. erhielten jeweils mindestens 1.300 €, der Angeklagte G. mindestens 4.000 € aus der Tatbeute. A. L. nahm für sich einen Anteil von mindestens 4.000 € sowie weitere 4.000 €, die er später dem Mitangeklagten Göt. als dessen Anteil übergab. Der Verbleib des restlichen Geldes konnte nicht festgestellt werden.
2. Das Landgericht ist bei seinen jeweils auf § 73 Abs. 1 StGB nF gestützten Einziehungsentscheidungen hinsichtlich des Angeklagten G. nur von einer eigenen Verfügungsgewalt bezüglich seines Anteils an der Tatbeute in Höhe von 4.000 € ausgegangen. Über die restliche Tatbeute habe er nicht verfügen können, da sie sich nach dem Verstauen des Geldes im Rucksack bei A. L. befunden habe. In der Tiefgarage habe zwar jeder der Angeklagten einen Teil der Beute sortiert. Eine direkte Verfügungsgewalt über die gesamte Beute habe sich hieraus aber nicht abgeleitet, weil das Sortieren nur dazu gedient habe, den Beuteanteil der Beteiligten zu ermitteln und die Tatbeute umgehend aufzuteilen.
Hinsichtlich des Angeklagten A. L. hat das Landgericht eine faktische Verfügungsgewalt nur hinsichtlich seines eigenen Beuteanteils in Höhe von 4.000 € sowie hinsichtlich des von ihm für mehrere Stunden in Verwahrung genommenen Anteils des ehemaligen Mitangeklagten Göt. in gleicher Höhe angenommen. Das Mitsichführen der weiteren Gelder sei über einen kurzfristigen Beutetransport nicht hinausgegangen. Es habe zudem von vornherein zwischen den Beteiligten Einigkeit bestanden, dass die Tatbeute unmittelbar nach der Tat habe aufgeteilt werden sollen.
II.
Die wirksam (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juni 2010 – 4 StR 126/10, BGHSt 55, 174, 175 f.) auf die Höhe der Einziehung des Wertes der Taterträge beschränkten Revisionen der Staatsanwaltschaft sind begründet.
1. Das Landgericht ist bei den beiden unmittelbar die Tat ausführenden Angeklagten G. und A. L. zu Unrecht davon ausgegangen, dass diese nur ihre eigenen Beuteanteile (sowie bei L. den des Mitangeklagten Göt. ) als Taterträge erlangt haben.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Vermögenswert im Rechtssinne aus der Tat erlangt, wenn er dem Täter oder Teilnehmer unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestands in irgendeiner Phase des Tatablaufs so zugeflossen ist, dass er hierüber tatsächliche Verfügungsgewalt ausüben kann (vgl. zu § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB aF BGH, Urteile vom 30. Mai 2008 – 1 StR 166/07, BGHSt 52, 227, 246, und vom 28. Oktober 2010 – 4 StR 215/10, BGHSt 56, 39, 45 f. mwN; siehe zur insoweit unveränderten Rechtslage nach § 73 StGB nF Köhler, NStZ 2017, 497, 498 f. mit Fn. 27). Bei mehreren Beteiligten genügt insofern, dass sie zumindest eine faktische bzw. wirtschaftliche Mitverfügungsmacht über den Vermögensgegenstand erlangt haben. Dies ist der Fall, wenn sie im Sinne eines rein tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses ungehinderten Zugriff auf den betreffenden Vermögensgegenstand nehmen können. Unerheblich ist bei der gebotenen gegenständlichen (tatsächlichen) Betrachtungsweise dagegen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Täter oder Teilnehmer eine unmittelbar aus der Tat gewonnene (Mit-)Verfügungsmacht später aufgegeben hat und der zunächst erzielte Vermögenszuwachs durch Mittelabflüsse bei Beuteteilung gemindert wurde (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 – 4 StR 215/10, aaO S. 46 mwN; Beschlüsse vom 7. Januar 2003 – 3 StR 421/02, und vom 10. Januar 2008 – 5 StR 365/07, NStZ 2008, 565).
b) Nach diesem Maßstab hatten beide Angeklagte tatsächliche Verfügungsgewalt über die Gesamtbeute bereits am Tatort erlangt. Sie gingen dort arbeitsteilig vor, entwendeten die im Kassenbüro aufgefundenen Gelder im Zusammenwirken und nutzten den von G. zur Verfügung gestellten Rucksack zur Verwahrung und zum Abtransport der Beute. G. begleitete den Angeklagten A. L. bis zum Ort der planmäßigen Beuteteilung. Der zufällige Umstand, dass er dabei seinen Rucksack nicht selbst trug, schloss ihn vom Mitgewahrsam an den gesamten erst noch aufzuteilenden Geldern und der diesbezüglichen Mitverfügungsgewalt nicht aus.
Die vom Landgericht für seine Auffassung herangezogene Rechtsprechung gebietet keine andere Beurteilung. In den beiden angeführten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 27. April 2010 (3 StR 112/10, NStZ 2010, 568 f.) und vom 8. August 2013 (3 StR 179/13, NStZ-RR 2014, 44) hatten die dortigen Revisionsführer jeweils nur eine kurze Transportfahrt durchgeführt, während die unmittelbare Tatausführung mit der Inbesitznahme der Beute von anderen Tätern vorgenommen worden war (vgl. zu Kurierfällen aber auch BGH, Urteile vom 14. September 1989 – 4 StR 306/89, BGHSt 36, 251, 253, und vom 16. Mai 2006 – 1 StR 46/06, BGHSt 51, 65, 68).
c) Die Angeklagten G. und A. L. haben danach ursprünglich die Gesamtbeute von 19.470,63 € aus der Raubtat vom 30. November 2016 erlangt. Da die gegenständliche Einziehung dieses Geldes nach § 73 Abs. 1 StGB nicht mehr möglich ist, unterliegt der dem Wert dieses Tatertrags entsprechende Geldbetrag gemäß § 73c Abs. 1 StGB der Einziehung. Hiervon ist nach Maßgabe des § 73e Abs. 1 StGB der vom Angeklagten G. auf den Schadenersatzanspruch des geschädigten Möbelhauses geleistete Betrag von 200 € abzuziehen.
Der Senat bestimmt auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Urteilsfeststellungen den Wert des von den Angeklagten G. und A. L. aus der Raubtat vom 30. November 2016 Erlangten selbst (§ 354 Abs. 1 StPO analog).
2. Bei der Anordnung einer Einziehung von Taterträgen oder einer Einziehung von Taterträgen nach §§ 73, 73c StGB bei mehreren Beteiligten, die an demselben Vermögenswert unmittelbar aus der Tat (Mit-)Verfügungsmacht gewonnen haben, ist von einer gesamtschuldnerischen Haftung auszugehen. Damit wird ermöglicht, dass den Beteiligten das aus der Tat Erlangte entzogen wird, aber zugleich verhindert, dass dies mehrfach erfolgt (vgl. zur früheren Verfallsregelung der §§ 73, 73a StGB BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 – 4 StR 215/10, aaO S. 46 ff. mwN; Beschlüsse vom 10. September 2002 – 1 StR 281/02, NStZ 2003, 198, 199, und vom 5. Juli 2011 – 3 StR 129/11, StraFo 2011, 413, 414; siehe zur insoweit unveränderten Rechtslage nach §§ 73, 73c StGB nF Köhler, aaO).
Auch insoweit ordnet der Senat selbst die gesamtschuldnerische Haftung der beiden Angeklagten untereinander an (§ 354 Abs. 1 StPO analog).
Nach § 357 Satz 1 StPO ist die Abänderung des Rechtsfolgenausspruchs des Urteils vom 4. August 2016 im Hinblick auf die Anordnung gesamtschuldnerischer Haftung auf die Mitangeklagten Gö. , Göt. und E. L. zu erstrecken, da die Einziehungsentscheidungen auch bei ihnen auf dem aufgezeigten sachlich-rechtlichen Mangel beruhen (vgl. BGH, Beschluss vom 23. November 2011 – 4 StR 516/11, NStZ 2012, 382, 383 mwN).
III.
Die Revision des Angeklagten A. L. erzielt lediglich den sich aus der Anordnung der gesamtschuldnerischen Haftung ergebenden Teilerfolg. Das Rechtsmittel ist im Übrigen aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet.
Der Senat schließt aus, dass die Jugendkammer bei einer rechtsfehlerfreien Bestimmung der Höhe des Tatertrages die gegen den Angeklagten A. L. zu erkennende Jugendstrafe niedriger festgesetzt hätte. Für die frühere Regelung des Verfalls entsprach es der ständigen Rechtsprechung, dass diese Maßnahme trotz bisweilen erheblicher Belastungen für den Verurteilten keinen Strafcharakter hat und keinen Genugtuungs-, sondern einen Präventionszweck verfolgt (vgl. BGH, Urteile vom 21. August 2002 – 1 StR 115/02, BGHSt 47, 369, 371 ff.; vom 30. Mai 2008 – 1 StR 166/07, BGHSt 52, 227, 248, und vom 17. Juni 2010 – 4 StR 126/10, aaO S. 176). Die umfassende Neuregelung der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung hat ihren Rechtscharakter unberührt gelassen, so dass auch die mit einer Anordnung der Einziehung nach §§ 73, 73c StGB nF verbundene Vermögenseinbuße keinen Strafmilderungsgrund darstellt (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Februar 2018 – 5 StR 600/17 mwN).
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