Entscheidungsdatum: 17.03.2011
1. Auf die Revision der Angeklagten T. wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 19. März 2010 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben, soweit die Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt wurde, sowie im Gesamtstrafen- und Adhäsionsausspruch.
2. Die weitergehende Revision dieser Angeklagten sowie die Revision des Angeklagten D. werden als unbegründet gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen. Der Beschwerdeführer D. hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
3. Hinsichtlich des Adhäsionsausspruchs beim Angeklagten D. wird klargestellt, dass bei sämtlichen Ersatzansprüchen ein Mitverschuldensanteil von 50 % in Ansatz zu bringen ist.
4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels der Angeklagten T. , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten D. wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Ausüben der tatsächlichen Gewalt über eine Kriegswaffe und mit vorsätzlichem unerlaubten Besitz von Munition zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Angeklagte T. hat es wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen gefährlicher Körperverletzung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Daneben wurden die Angeklagten verurteilt, an den Adhäsionskläger ein Schmerzensgeld zu zahlen, sowie – unter Berücksichtigung einer Mitverschuldensquote von 50 % – zum Ersatz aller, auch künftiger materieller und immaterieller Schäden verpflichtet, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind. Die Angeklagten wenden sich gegen die Verurteilung und machen die Verletzung formellen und materiellen Rechts geltend. Die Revision der Angeklagten T. erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg, während die vom Angeklagten D. geführte Revision unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO ist.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts erlangte der Angeklagte D. spätestens Ende Mai/Anfang Juni 2009 – ohne entsprechende Erlaubnis – die tatsächliche Gewalt über eine Maschinenpistole des tschechischen Herstellers Ceska Z., Modell 61 (Skorpion), Kaliber 65 mm Browning. Diese lagerte er zusammen mit mindestens 22 Patronen passenden Kalibers in der Wohnung der Angeklagten T. , die davon wusste. Eine Billigung oder gar Förderung dieses Tatgeschehens durch die Angeklagte vermochte die Strafkammer indes nicht festzustellen.
Bereits seit längerem betrieben die beiden als Paar zusammenlebenden Angeklagten einen in Ausmaß und Umfang nicht genauer feststellbaren Kokainhandel zur Aufbesserung ihrer finanziellen Situation. Zu diesem Zweck, vorwiegend jedoch zum Eigenverbrauch hielten sie am 28. Juni 2009 unter anderem in ihrer Wohnung 47,74 Gramm Kokaingemisch mit einem Mindestwirkstoffgehalt von 11,12 Gramm Kokainhydrochlorid vorrätig.
In der Nacht vom 27. auf den 28. Juni 2009 besuchte die Angeklagte T. , nachdem sie sich mittels Kokain und Alkohol in einen Rauschzustand versetzt hatte, die Bar „S. “ in Berlin-Neukölln. Dort wollte der Nebenkläger Kokain von ihr erwerben, was sie jedoch verweigerte. Hierüber entspann sich ein Streit, der sich zunächst auf einer „rein verbalen, teils lautstarken Ebene“ vollzog. Die Angeklagte T. begab sich in den Bereich der Toiletten, wohin der Nebenkläger ihr folgte; er bedrängte sie dort. Es kam zu einem erneuten Streit, „in dessen Folge der Nebenkläger die Angeklagte T. ins Gesicht schlug“ (UA S. 13). Daraufhin bedrohte die Angeklagte ihn mit einem kleinen roten Klappmesser, welches ihr sodann vom Türsteher der Bar abgenommen wurde. Er wies die beiden Kontrahenten aus dem Lokal. Diese führten ihren Streit auf der Straße fort, wobei der Nebenkläger die Angeklagte erneut ins Gesicht schlug. Dadurch gedemütigt und gekränkt rief die Angeklagte ihren Freund, den Angeklagten D. , telefonisch um Hilfe. Sie schilderte diesem, „dass sie von einem Araber beleidigt und geschlagen worden sei“; „aus dem Hintergrund pöbelte der Nebenkläger weiter“ (UA S. 13). Für den Angeklagten D. hörbar forderte er, dass „dieser nur kommen solle, er werde dessen Mutter ficken“ (UA S. 13).
Zwischen den beiden Angeklagten kam es im Rahmen dieses Telefonats zu der ausdrücklich oder auch nur stillschweigend getroffenen Vereinbarung, der Angeklagte solle die Maschinenpistole mitbringen, wobei beide Angeklagten es als möglich ansahen, dass der Angeklagte D. die Waffe gegebenenfalls auch zur Verletzung des Nebenklägers einsetzen würde (UA S. 14).
Die Angeklagte und der Nebenkläger setzten ihren Streit fort. Als der Nebenkläger dazu ansetzte, den Ort zu verlassen, folgte ihm die Angeklagte und beschimpfte ihn, woraufhin sich der Nebenkläger zum Bleiben provozieren ließ und die Angeklagte erneut ins Gesicht schlug. Die Angeklagte drohte damit, dass ihr Freund den Nebenkläger schlagen werde und verwendete bei ihren Drohungen unter anderem zur Betonung der Stärke und Männlichkeit ihres Freundes die Formulierung, dass dieser „dicke Eier“ habe (UA S. 14).
Als der Angeklagte D. die Bar erreichte, fragte er, wer derjenige sei, der „seine Mutter ficken“ wolle. Der Nebenkläger gab sich zu erkennen. Der Angeklagte zog nun die geladene und auf Dauerfeuer eingestellte Maschinenpistole hervor, richtete sie auf den Boden vor die Füße des Nebenklägers und drückte ab, „so dass sich ein Feuerstoss mit mindestens drei Schüssen löste und die Waffe nach oben in Richtung des Nebenklägers gerissen wurde“ (UA S. 15). Dieser wurde von einem Schuss in das obere Drittel des Oberschenkels getroffen und erlitt schwere Verletzungen.
2. Die Verurteilung der Angeklagten T. wegen mittäterschaftlich begangener gefährlicher Körperverletzung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
a) Das Landgericht rechnet die Verwendung der Maschinenpistole durch den Angeklagten D. der Angeklagten T. gemäß § 25 Abs. 2 StGB zu. Dies begründet es damit, dass „das Eingreifen des Angeklagten D. auf ihre Veranlassung in einem Streit erfolgte, bei dem es sich um 'ihren' Streit handelte und bei dem in erster Linie sie und der Angeklagte D. nur am Rande (über das Telefon) gedemütigt worden war“ (UA S. 39). Eine wörtliche Verständigung zwischen den Angeklagten konnte das Landgericht nicht feststellen. Es ging vielmehr davon aus, es sei zwischen den Angeklagten im Rahmen eines Telefonats zu der „ausdrücklich oder vor dem Hintergrund der langen gemeinsamen Beziehung auch nur stillschweigend getroffenen“ (UA S. 13 f.) Übereinkunft gekommen, „dass der Angeklagte D. die Maschinenpistole mitbringen solle, um sicherzustellen, dass die Angeklagte T. und er trotz der weit überlegenen Zahl der Begleiter des Nebenklägers den Platz als Sieger verlassen würden. Beide Angeklagten sahen es als möglich an, dass der Angeklagte D. die Waffe nicht nur zum Drohen, gegebenenfalls auch durch Warnschüsse, sondern je nach Reaktion des Nebenklägers auch zu dessen Verletzungen einsetzen würde“ (UA S. 14).
b) Diese Erwägungen zu einer mittäterschaftlichen Beteiligung der Angeklagten T. haben keine ausreichende Tatsachengrundlage (vgl. BGH, Beschluss vom 8. November 1996 – 2 StR 534/96, BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 26). Zwar kann der zur Mittäterschaft erforderliche Tatentschluss auch konkludent gefasst werden (BGH, Urteil vom 15. Januar 1991 – 5 StR 492/90, BGHSt 37, 289, 292). Die im Urteil mitgeteilten Umstände tragen indes die Annahme einer konkludent vereinbarten gemeinschaftlichen Begehungsweise nicht. Den Feststellungen kann nicht entnommen werden, dass die Angeklagte T. mit dem Einsatz der Maschinenpistole durch den Angeklagten D. rechnete und ihn billigte. Ohne ihre Zustimmung befand sich die Waffe erst seit kurzer Zeit im Besitz des Angeklagten D. und wurde in der gemeinsamen Wohnung verwahrt. Deshalb konnte die Strafkammer nicht ohne Weiteres davon ausgehen, die Angeklagte habe sich mit dem Einsatz der Maschinenpistole aus vergleichsweise nichtigem Grund stillschweigend einverstanden erklärt. Insofern hätte die Annahme eines Einvernehmens über deren Einsatz näherer Begründung bedurft.
Aus der Bemerkung der Angeklagten nach dem Telefonat mit D. gegenüber dem Nebenkläger, ihr Freund werde kommen und den Nebenkläger „schlagen“, lässt sich eine Vereinbarung über den Waffeneinsatz nicht entnehmen. Vielmehr mag diese Äußerung dafür sprechen, dass die Angeklagten (wenn auch nur stillschweigend) übereingekommen waren, dass D. den Nebenkläger möglicherweise durch Hiebe attackieren solle. Entsprechendes gilt für die von der Strafkammer zu Recht als Provokation zum weiteren Verweilen gegenüber dem Nebenkläger geäußerte Bemerkung der Angeklagten, „ihr Freund habe dicke Eier“. Sie lässt nicht den Schluss zu, die Angeklagte habe sich mit dem Einsatz der Waffe einverstanden erklärt. Die Strafkammer selbst hat diese Äußerung zutreffend als „Betonung der Stärke und Männlichkeit“ gewertet. Soweit sich das Landgericht auf die weit überlegene, konkret jedoch nicht ausgeführte Zahl der Begleiter des Nebenklägers stützt, ist nicht festgestellt, dass die Angeklagte T. diesen Umstand in dem mit dem Angeklagten D. geführten Telefonat erwähnt hat. Vielmehr schilderte sie, „dass sie von einem Araber beleidigt und geschlagen worden sei und bat um Hilfe“ (UA S. 13). Da sich die Begleiter des Nebenklägers nach den Feststellungen bis dahin nicht an dem länger andauernden, von Seiten der Angeklagten T. bereits unter Einsatz eines Messers geführten Konflikt beteiligt hatten, ist nicht ersichtlich und hätte näherer Ausführungen bedurft, weshalb die Angeklagten nunmehr mit dem Eingreifen der Begleiter des Nebenklägers rechneten.
Schließlich vermag die vom Landgericht als weiterer Beleg herangezogene Bemerkung der Angeklagten T. gegenüber dem Nebenkläger „du schlägst keine Frauen mehr“ keine – auch sukzessive – Billigung des Tatgeschehens zu belegen. Zum Zeitpunkt der Äußerung war die Tat durch den Angeklagten D. bereits beendet. Ein Rückschluss auf das Vorstellungsbild der Angeklagten T. während des Tatgeschehens lässt sich daraus nicht ziehen. Insofern hat es das Landgericht versäumt, die Reaktion der Angeklagten während des Tatgeschehens darzulegen und sich mit der Möglichkeit einer Schockreaktion auseinanderzusetzen.
3. Die Aufhebung des Schuldspruchs führt hinsichtlich der Angeklagten T. auch zur Aufhebung des Gesamtstrafen- sowie des gesamtschuldnerischen Adhäsionsausspruchs. Insofern weist der Senat darauf hin, dass die Strafkammer zu Recht von einem Mitverschuldensanteil des Nebenklägers von 50 % ausgegangen ist. Die Formulierung „bei der Berechnung künftiger Ersatzansprüche“ ist indes missverständlich, da erkennbar auch bereits entstandene Ansprüche berücksichtigt werden sollten.
4. Die Revision des Angeklagten D. ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Der Senat schließt aus, dass die durch die Strafkammer vorgenommene Beurteilung des Tatgeschehens als mittäterschaftlich begangene gefährliche Körperverletzung die Strafzumessung zu seinen Lasten beeinflussen kann.
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Schneider König