Entscheidungsdatum: 07.11.2012
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 9. Mai 2012 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einem weiteren Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat umfassenden Erfolg.
1. Nach den Feststellungen überfiel der drogenabhängige Angeklagte gemeinsam mit einem unbekannten Mittäter am 18. Oktober 2010 einen Tabakladen in Leipzig. Beide Täter waren maskiert; der Mittäter war mit einer – ungeladenen – Schreckschusspistole, der Angeklagte mit einem Messer bewaffnet. Von der Ladeninhaberin erzwangen sie die Öffnung der Ladenkasse. Der Mittäter entnahm daraus Bargeld in Höhe von 400 €, während der Angeklagte aus dem Lagerraum des Geschäfts Zigarettenschachteln und Tabakdosen im Gesamtwert von ca. 350 € zur Wegnahme in einem Plastiksack verstaute. Als eine Passantin auf den Überfall aufmerksam wurde, flüchteten beide Täter mit bereitstehenden Fahrrädern vom Tatort. Der Angeklagte ließ dabei das Messer in dem Lagerraum zurück.
Das Landgericht hat die Täterschaft des Angeklagten, der die Tat bestreitet, auf der Grundlage der am Messer festgestellten DNA-Spuren für erwiesen erachtet. Die belastende Aussage einer Zeugin, deren Glaubhaftigkeit das Landgericht als zweifelhaft ansieht, hat es nicht berücksichtigt, „weil die Überzeugung der Kammer, dass der Angeklagte der Mittäter ist, welcher das am Tatort aufgefundene Küchenmesser verwendet hat, bereits allein auf das Beweisergebnis seiner am Messer festgestellten DNA gestützt werden kann“ (UA S. 19). Nach den Ausführungen des rechtsmedizinischen Sachverständigen hätten die Abriebe am Messergriff eine männliche Spur ergeben, die „in acht DNA-Systemen mit der zu Verifizierung eingeholten DNA des Angeklagten“ verglichen worden sei. „Dabei sei eine vollständige Übereinstimmung in sämtlichen Allelen festgestellt worden. Weitere DNA-Spuren, insbesondere Mischspuren, seien am Griff des Messers nicht feststellbar gewesen. Auch an der Klinge des Messers seien alle acht DNA-Systeme des Angeklagten sowie, schwächer ausgebildet, zusätzliche Allele einer weiteren männlichen Person festgestellt worden. Die Feststellung zur DNA-Spur des Angeklagten auf dem Griff des Messers sei hochspezifisch. Bei einer Population von 7,68 x 1010 männlichen Personen sei mit einer damit identischen DNA zu rechnen. Wenn eine weitere Person den Griff des Messers in der Hand gehabt hätte, hätte dies zwingend zu einer Mischspur geführt“ (UA S. 20).
2. Bereits der Schuldspruch des angefochtenen Urteils hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die der Feststellung der Täterschaft des Angeklagten zugrunde liegende Beweiswürdigung ist aufgrund wesentlicher Darstellungsmängel rechtsfehlerhaft.
Das Urteil verhält sich nicht zu den Berechnungsgrundlagen, aus denen abzuleiten ist, dass das an dem verwendeten Messer gesicherte Spurenmaterial mit der im Urteil genannten Wahrscheinlichkeit vom Angeklagten herrührt. Zumindest dann, wenn – wie im vorliegenden Fall – dem DNA-Gutachten eine ganz maßgebende Bedeutung für die Feststellung der Täterschaft des Angeklagten zukommt, ist eine nachvollziehbare Darlegung erforderlich, auf welchen Grundlagen der Sachverständige die genannte Wahrscheinlichkeit bestimmt hat (vgl. BGH, Urteil vom 3. Mai 2012 – 3 StR 46/12, StraFo 2012, 321; ferner BGH, Beschluss vom 6. März 2012 – 3 StR 41/12, BGHR StPO § 261 Identifizierung 21).
Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Urteil auf der fehlenden Darstellung zu den Grundlagen der biostatistischen Häufigkeit der Merkmalskombinationen beruht. Mit Ausnahme des im Rahmen der Beweiswürdigung mit herangezogenen Umstandes, dass die Tat dem Angeklagten nicht wesensfremd sei, hat das Landgericht sich auf keine weiteren, von dem Ergebnis des DNA-Gutachtens unabhängigen Indizien für die Täterschaft des Angeklagten gestützt. Es ist auch aus dem Urteil nicht ersichtlich, inwieweit das äußere Erscheinungsbild des Angeklagten den von der Zeugin genannten – freilich ohnehin überaus allgemeinen – Merkmalen der Täter (sächsischer Dialekt; nach Statur und Stimme jüngere Männer) entspricht. Der Senat weist ferner darauf hin, dass die Erwägungen zu einer zwingenden Mischspur bei Berührung des Messergriffs durch eine andere Person nicht im Einklang mit Erfahrungen des Senats bei der Beurteilung vergleichbarer Spurenlagen durch Sachverständige und Tatgerichte stehen.
Angesichts dieser Darstellungsmängel können die Feststellungen des Landgerichts zur Täterschaft des Angeklagten und mithin der Schuldspruch keinen Bestand haben.
3. Für den Fall, dass auch das neue Tatgericht eine Täterschaft des Angeklagten für erwiesen erachtet, weist der Senat auf folgendes hin:
Die Einzelstrafe ist bei Zubilligung einer Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB mit fünf Jahren und zehn Monaten Freiheitsstrafe sehr hoch bemessen.
Die Strafkammer ist bei der Beurteilung der Erfolgsaussicht der Maßregel (§ 64 Satz 2 StGB) von einem unzutreffenden Maßstab ausgegangen, indem sie angenommen hat, dass „der Erfolg einer Entziehungskur beim Angeklagten nicht von vornherein aussichtslos erscheint“ (UA S. 27; vgl. BGH, Beschluss vom 19. August 2009 – 2 StR 301/09), wobei allerdings die erforderliche konkrete Erfolgsaussicht der Maßregel hier durchaus naheliegt. Für den Fall deren erneuter Anordnung wird überdies zu prüfen sein, ob eine Entscheidung über die Reihenfolge der Vollstreckung nach § 67 Abs. 2 und 5 StGB zu treffen ist.
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König Bellay