Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 27.11.2012


BGH 27.11.2012 - 5 StR 426/12

Strafverfahren wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln: Anforderungen an die Ablehnung eines Beweisantrages wegen Bedeutungslosigkeit


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
5. Strafsenat
Entscheidungsdatum:
27.11.2012
Aktenzeichen:
5 StR 426/12
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend LG Berlin, 23. Februar 2012, Az: 504 KLs 15/11
Zitierte Gesetze

Tenor

Auf die Revisionen der Angeklagten E.    und K.     wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 23. Februar 2012, soweit es sie betrifft, gemäß § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

1

Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 16 Fällen zu Gesamtfreiheitsstrafen von sechs Jahren und neun Monaten (E.  ) und sechs Jahren und sechs Monaten (K.     ) verurteilt. Die hiergegen gerichteten Revisionen der Angeklagten haben mit inhaltsgleichen Verfahrensrügen Erfolg.

2

Die Strafkammer hat zwei von beiden Angeklagten gestellte Beweisanträge wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit abgelehnt. Mit diesen haben sie die Vernehmung der Zeugen O.   und L.   – ersteren als Zeugen vom Hörensagen, letzteren als unmittelbaren Zeugen – zum Beweis der Tatsache begehrt, dass der Mitangeklagte P.   in der Justizvollzugsanstalt T.   , in der er als Vollzugsbeamter tätig war, mit Drogen gehandelt habe. Zur Begründung hat das Tatgericht ausgeführt, die Beweistatsache lasse keine zwingenden Schlüsse auf die „Glaubwürdigkeit“ des Mitangeklagten zu. Sie beträfe lediglich einen Randbereich seiner Aussage. Im Übrigen hätten die Angeklagten selbst eine Tatbeteiligung eingeräumt.

3

Dies genügt nicht den Anforderungen, die an die Begründung der Ablehnung eines auf eine Indiztatsache gerichteten Beweisantrags zu stellen sind. Der Beschluss, mit dem die Erhebung eines Beweises wegen Unerheblichkeit der Beweistatsache abgelehnt wird, ist mit konkreten Erwägungen zu begründen, warum das Tatgericht aus der Beweistatsache keine entscheidungserheblichen Schlussfolgerungen ziehen will. Die Anforderungen an diese Begründung entsprechen grundsätzlich denjenigen, denen das Gericht genügen müsste, wenn es die Indiz- oder Hilfstatsache durch Beweiserhebung festgestellt und sodann in den schriftlichen Urteilsgründen darzulegen hätte, warum sie auf seine Entscheidungsbildung ohne Einfluss blieb (BGH, Urteil vom 7. April 2011 – 3 StR 497/10, NStZ 2011, 713 mwN). Dies nötigt zu einer Einfügung der Beweistatsache in das bisher gewonnene Beweisergebnis (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 2011 – 5 StR 397/11, NStZ-RR 2012, 82).

4

Dem werden die die Anträge auf Vernehmung der Zeugen O.   und L.   zurückweisenden Beschlüsse nicht gerecht. Der schlagwortartige Hinweis darauf, dass die in Frage stehenden Angaben des Mitangeklagten P.   – auf denen die Urteilsfeststellungen überwiegend beruhen – lediglich das Randgeschehen beträfen und die Angeklagten im Übrigen eine Tatbeteiligung eingeräumt hätten, berücksichtigt nicht ausreichend die Besonderheiten des vorliegenden Falles und lässt eine ausreichende Gesamtwürdigung nicht erkennen. Träfe die Beweistatsache nämlich zu, so läge – insbesondere hinsichtlich des auf Vernehmung des Zeugen L.   gerichteten Beweisantrags, in welchem der behauptete Handel des Mitangeklagten P.   ausdrücklich den Tatzeitraum einbezieht – die Annahme äußerst nahe, dass es sich hierbei um den Absatz eines Teils der durch die abgeurteilten Anbauhandlungen erzielten Erträge gehandelt habe. Der eine eigene Verkaufstätigkeit in Abrede stellende P.   hätte in diesem Fall seinen eigenen Beitrag zu den verfahrensgegenständlichen Taten heruntergespielt, wodurch nicht nur seine Glaubwürdigkeit im allgemeinen, sondern auch die Glaubhaftigkeit seiner Angaben zum konkreten Tatgeschehen, durch die er die Beschwerdeführer erheblich belastet hat, berührt wäre. Hieran vermag auch das jeweilige Teilgeständnis der Beschwerdeführer nichts zu ändern, da diese erheblich hinter den auf den Angaben P.   s beruhenden Feststellungen zurückbleiben und der Beweisantrag gerade darauf abzielte, die von den Einlassungen der Beschwerdeführer abweichenden Angaben des unter Berücksichtigung seiner getätigten Aufklärungshilfe zu einer zweijährigen, zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe verurteilten Mitangeklagten P.   in Zweifel zu ziehen.

5

Die Ablehnung der Beweisanträge erweist sich zudem aus einem weiteren Grund als rechtsfehlerhaft. An der dem Ablehnungsbeschluss zugrunde liegenden Annahme tatsächlicher Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache muss sich das Gericht festhalten lassen; es darf sich nicht im Urteil zu der Ablehnungsbegründung in Widerspruch setzen, insbesondere die Urteilsgründe nicht auf das Gegenteil der unter Beweis gestellten Tatsache stützen (BGH, Beschluss vom 20. Juli 2010 – 3 StR 250/10, StraFo 2010, 466; Urteil vom 19. September 2007 – 2 StR 248/07, StraFo 2008, 29; Beschluss vom 20. August 1996 – 4 StR 373/96, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit 22). Gegen diesen Grundsatz hat das Landgericht verstoßen, indem es im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt hat, die Behauptung, der Mitangeklagte P.    habe Drogen in die JVA „eingeschmuggelt“, habe sich nach Vernehmung des Leiters der Personalabteilung der JVA „als völlig haltlos erwiesen“ (UA S. 22).

6

Auf dem Verfahrensfehler beruht das Urteil. Da die seitens der Beschwerdeführer eingeräumten Teile des Tatgeschehens untrennbar mit den darüber hinausgehenden, auf die Angaben P.   s gestützten Feststellungen verbunden sind, können die Urteilsfeststellungen insgesamt keinen Bestand haben.

7

Für die neue Verhandlung weist der Senat darauf hin, dass zwar bei mehreren selbständigen Erntevorgängen grundsätzlich die Annahme selbständiger Taten des Handeltreibens naheliegt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. Oktober 2008 – 2 StR 352/08, und vom 20. April 2005 – 3 StR 106/05, NStZ 2005, 650), dies indessen für jeden Beteiligten die Feststellung auf die einzelnen Ernten bezogener Tatbeiträge voraussetzt, da das Konkurrenzverhältnis für jeden Beteiligten gesondert nach seinem Tatbeitrag zu bewerten ist (vgl. Fischer, StGB, 59. Aufl., Vor § 52 Rn. 34 mwN).

Basdorf                        Schaal                       Schneider

                  Dölp                         Bellay